Man darf sich also nicht wundern, war- um die nothleidenden Scribenten ihre Ver- folger, mit denen sie nicht auskommen kön- nen, allemahl einer Gottlosigkeit beschuldigen. Dieses ist unstreitig das gemächlichste, sicher- ste und kräftigste Mittel seinen Feind zu un- terdrücken, und man kömmt weiter damit, als wenn man sich in einen ordentlichen Kampf einlassen wolte. Es gleicht, wie ein gewisser Scribent sagt, einer Mine, durch wel- che der Feind, ehe er sichs versiehet, in die Luft ge- sprenget wird, und es ist selten ohne Würkung.
Die Religion hat so was ehrwürdiges an sich, daß auch der blosse Nahme derselben selbst Leuten, welche am wenigsten Lust haben, die Pflichten, wozu die Religion uns verbindet, zu erfüllen, eine sonderbare Ehrerbietung einpräget. Es muß folglich ein Satyren- Schreiber, der das Unglück hat, vor einen Verächter der Religion gehalten zu werden, ein Greuel in jedermans Augen seyn. Es ist niemand, der sich nicht verbunden achten solte, wieder einen solchen Menschen zu ey- fern. Ein solcher Eyfer stehet allen recht- schaffenen Christen sonderlich wohl an, und kan bey vielen aufrichtig seyn. Allein er ist es nicht bey allen. Viele wenden ihn nur vor, damit man sie vor Leute halten möge, denen die Schrift und Religion vor andern lieb ist; und bey den meisten muß er demjeni- gen Mitleiden, das sie mit den Thoren hegen, zum Deckmantel dienen.
Jch
(o)
Warum dieſes kluͤg- lich gehan- delt ſey?
Man darf ſich alſo nicht wundern, war- um die nothleidenden Scribenten ihre Ver- folger, mit denen ſie nicht auskommen koͤn- nen, allemahl einer Gottloſigkeit beſchuldigen. Dieſes iſt unſtreitig das gemaͤchlichſte, ſicher- ſte und kraͤftigſte Mittel ſeinen Feind zu un- terdruͤcken, und man koͤmmt weiter damit, als wenn man ſich in einen ordentlichen Kampf einlaſſen wolte. Es gleicht, wie ein gewiſſer Scribent ſagt, einer Mine, durch wel- che der Feind, ehe er ſichs verſiehet, in die Luft ge- ſprenget wird, und es iſt ſelten ohne Wuͤrkung.
Die Religion hat ſo was ehrwuͤrdiges an ſich, daß auch der bloſſe Nahme derſelben ſelbſt Leuten, welche am wenigſten Luſt haben, die Pflichten, wozu die Religion uns verbindet, zu erfuͤllen, eine ſonderbare Ehrerbietung einpraͤget. Es muß folglich ein Satyren- Schreiber, der das Ungluͤck hat, vor einen Veraͤchter der Religion gehalten zu werden, ein Greuel in jedermans Augen ſeyn. Es iſt niemand, der ſich nicht verbunden achten ſolte, wieder einen ſolchen Menſchen zu ey- fern. Ein ſolcher Eyfer ſtehet allen recht- ſchaffenen Chriſten ſonderlich wohl an, und kan bey vielen aufrichtig ſeyn. Allein er iſt es nicht bey allen. Viele wenden ihn nur vor, damit man ſie vor Leute halten moͤge, denen die Schrift und Religion vor andern lieb iſt; und bey den meiſten muß er demjeni- gen Mitleiden, das ſie mit den Thoren hegen, zum Deckmantel dienen.
Jch
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(o)
Man darf ſich alſo nicht wundern, war-
um die nothleidenden Scribenten ihre Ver-
folger, mit denen ſie nicht auskommen koͤn-
nen, allemahl einer Gottloſigkeit beſchuldigen.
Dieſes iſt unſtreitig das gemaͤchlichſte, ſicher-
ſte und kraͤftigſte Mittel ſeinen Feind zu un-
terdruͤcken, und man koͤmmt weiter damit,
als wenn man ſich in einen ordentlichen
Kampf einlaſſen wolte. Es gleicht, wie ein
gewiſſer Scribent ſagt, einer Mine, durch wel-
che der Feind, ehe er ſichs verſiehet, in die Luft ge-
ſprenget wird, und es iſt ſelten ohne Wuͤrkung.
Die Religion hat ſo was ehrwuͤrdiges an
ſich, daß auch der bloſſe Nahme derſelben ſelbſt
Leuten, welche am wenigſten Luſt haben, die
Pflichten, wozu die Religion uns verbindet,
zu erfuͤllen, eine ſonderbare Ehrerbietung
einpraͤget. Es muß folglich ein Satyren-
Schreiber, der das Ungluͤck hat, vor einen
Veraͤchter der Religion gehalten zu werden,
ein Greuel in jedermans Augen ſeyn. Es
iſt niemand, der ſich nicht verbunden achten
ſolte, wieder einen ſolchen Menſchen zu ey-
fern. Ein ſolcher Eyfer ſtehet allen recht-
ſchaffenen Chriſten ſonderlich wohl an, und
kan bey vielen aufrichtig ſeyn. Allein er iſt
es nicht bey allen. Viele wenden ihn nur
vor, damit man ſie vor Leute halten moͤge,
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/302>, abgerufen am 27.11.2024.
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