Briontes halte. Ja es würde ihm wohl an- stehen, wenn auch die Vergleichung noch wunderlicher und verwegener wäre, als sie in der That ist. Denn, da er, seinem Vorge- ben nach, zu der Gesellschaft der kleinen Geister gehöret; diese Gesellschaft aber die Unterdrü- ckung der gesunden Vernunft, und die Ein- führung der wahnsinnigsten Schwärmerey zum Endzweck hat, so würde er seine Pflicht gemäß gehandelt haben, wenn er gleich aufs ärgste geschwärmet hätte.
2) Hat ih- ren guten Grund.
Allein so bedarf er dieser Entschuldigung gar nicht. Seine Vergleichung, wie unge- wöhnlich sie auch ist, hat doch ihren guten Grund. Sie gründet sich auf zweene Sätze, an deren Wahrheit niemand zweifelt. Denn daß GOtt allenthalben die Seinen habe, ist so gewiß, als daß die gantze Welt voller Nar- ren ist. Stultorum plena sunt omnia. Jch frage die Herren, welche sich an der, von dem Verfasser des Briontes angestellten Verglei- chung ärgern, ob sie diese beyden Sätze nicht eben so wohl vor wahr halten als der Verfas- ser des Briontes? Sie werden mir unstreitig mit ja antworten; und ich glaube es ist kein Glied der unsichtbaren Kirche, das nicht eben der Meinung seyn solte. Die unsichtbare Kirche selbst wird also nimmer leugnen kön- nen, das zwischen ihr und der Gesellschaft der kleinen Geister in Ansehung der weitläuftigen Ausbreitung eine Aehnlichkeit sey; und folg- lich kan sie sich unmöglich vor beleidiget ach-
ten,
(o)
Briontes halte. Ja es wuͤrde ihm wohl an- ſtehen, wenn auch die Vergleichung noch wunderlicher und verwegener waͤre, als ſie in der That iſt. Denn, da er, ſeinem Vorge- ben nach, zu der Geſellſchaft der kleinen Geiſter gehoͤret; dieſe Geſellſchaft aber die Unterdruͤ- ckung der geſunden Vernunft, und die Ein- fuͤhrung der wahnſinnigſten Schwaͤrmerey zum Endzweck hat, ſo wuͤrde er ſeine Pflicht gemaͤß gehandelt haben, wenn er gleich aufs aͤrgſte geſchwaͤrmet haͤtte.
2) Hat ih- ren guten Grund.
Allein ſo bedarf er dieſer Entſchuldigung gar nicht. Seine Vergleichung, wie unge- woͤhnlich ſie auch iſt, hat doch ihren guten Grund. Sie gruͤndet ſich auf zweene Saͤtze, an deren Wahrheit niemand zweifelt. Denn daß GOtt allenthalben die Seinen habe, iſt ſo gewiß, als daß die gantze Welt voller Nar- ren iſt. Stultorum plena ſunt omnia. Jch frage die Herren, welche ſich an der, von dem Verfaſſer des Briontes angeſtellten Verglei- chung aͤrgern, ob ſie dieſe beyden Saͤtze nicht eben ſo wohl vor wahr halten als der Verfaſ- ſer des Briontes? Sie werden mir unſtreitig mit ja antworten; und ich glaube es iſt kein Glied der unſichtbaren Kirche, das nicht eben der Meinung ſeyn ſolte. Die unſichtbare Kirche ſelbſt wird alſo nimmer leugnen koͤn- nen, das zwiſchen ihr und der Geſellſchaft der kleinen Geiſter in Anſehung der weitlaͤuftigen Ausbreitung eine Aehnlichkeit ſey; und folg- lich kan ſie ſich unmoͤglich vor beleidiget ach-
ten,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0308"n="216"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Briontes halte. Ja es wuͤrde ihm wohl an-<lb/>ſtehen, wenn auch die Vergleichung noch<lb/>
wunderlicher und verwegener waͤre, als ſie in<lb/>
der That iſt. Denn, da er, ſeinem Vorge-<lb/>
ben nach, zu der Geſellſchaft der kleinen Geiſter<lb/>
gehoͤret; dieſe Geſellſchaft aber die Unterdruͤ-<lb/>
ckung der geſunden Vernunft, und die Ein-<lb/>
fuͤhrung der wahnſinnigſten Schwaͤrmerey<lb/>
zum Endzweck hat, ſo wuͤrde er ſeine Pflicht<lb/>
gemaͤß gehandelt haben, wenn er gleich aufs<lb/>
aͤrgſte geſchwaͤrmet haͤtte.</p><lb/><noteplace="left">2) Hat ih-<lb/>
ren guten<lb/>
Grund.</note><p>Allein ſo bedarf er dieſer Entſchuldigung<lb/>
gar nicht. Seine Vergleichung, wie unge-<lb/>
woͤhnlich ſie auch iſt, hat doch ihren guten<lb/>
Grund. Sie gruͤndet ſich auf zweene Saͤtze,<lb/>
an deren Wahrheit niemand zweifelt. Denn<lb/>
daß GOtt allenthalben die Seinen habe, iſt<lb/>ſo gewiß, als daß die gantze Welt voller Nar-<lb/>
ren iſt. <hirendition="#aq">Stultorum plena ſunt omnia.</hi> Jch<lb/>
frage die Herren, welche ſich an der, von dem<lb/>
Verfaſſer des Briontes angeſtellten Verglei-<lb/>
chung aͤrgern, ob ſie dieſe beyden Saͤtze nicht<lb/>
eben ſo wohl vor wahr halten als der Verfaſ-<lb/>ſer des Briontes? Sie werden mir unſtreitig<lb/>
mit ja antworten; und ich glaube es iſt kein<lb/>
Glied der unſichtbaren Kirche, das nicht eben<lb/>
der Meinung ſeyn ſolte. Die unſichtbare<lb/>
Kirche ſelbſt wird alſo nimmer leugnen koͤn-<lb/>
nen, das zwiſchen ihr und der Geſellſchaft der<lb/>
kleinen Geiſter in Anſehung der weitlaͤuftigen<lb/>
Ausbreitung eine Aehnlichkeit ſey; und folg-<lb/>
lich kan ſie ſich unmoͤglich vor beleidiget ach-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ten,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[216/0308]
(o)
Briontes halte. Ja es wuͤrde ihm wohl an-
ſtehen, wenn auch die Vergleichung noch
wunderlicher und verwegener waͤre, als ſie in
der That iſt. Denn, da er, ſeinem Vorge-
ben nach, zu der Geſellſchaft der kleinen Geiſter
gehoͤret; dieſe Geſellſchaft aber die Unterdruͤ-
ckung der geſunden Vernunft, und die Ein-
fuͤhrung der wahnſinnigſten Schwaͤrmerey
zum Endzweck hat, ſo wuͤrde er ſeine Pflicht
gemaͤß gehandelt haben, wenn er gleich aufs
aͤrgſte geſchwaͤrmet haͤtte.
Allein ſo bedarf er dieſer Entſchuldigung
gar nicht. Seine Vergleichung, wie unge-
woͤhnlich ſie auch iſt, hat doch ihren guten
Grund. Sie gruͤndet ſich auf zweene Saͤtze,
an deren Wahrheit niemand zweifelt. Denn
daß GOtt allenthalben die Seinen habe, iſt
ſo gewiß, als daß die gantze Welt voller Nar-
ren iſt. Stultorum plena ſunt omnia. Jch
frage die Herren, welche ſich an der, von dem
Verfaſſer des Briontes angeſtellten Verglei-
chung aͤrgern, ob ſie dieſe beyden Saͤtze nicht
eben ſo wohl vor wahr halten als der Verfaſ-
ſer des Briontes? Sie werden mir unſtreitig
mit ja antworten; und ich glaube es iſt kein
Glied der unſichtbaren Kirche, das nicht eben
der Meinung ſeyn ſolte. Die unſichtbare
Kirche ſelbſt wird alſo nimmer leugnen koͤn-
nen, das zwiſchen ihr und der Geſellſchaft der
kleinen Geiſter in Anſehung der weitlaͤuftigen
Ausbreitung eine Aehnlichkeit ſey; und folg-
lich kan ſie ſich unmoͤglich vor beleidiget ach-
ten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/308>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.