ten, wenn von ihr etwas gesaget wird, wel- ches so wahr ist, daß sie es selbst gestehen muß.
Wie ist es dann möglich, daß es Leute geben können, die sich eingebildet haben, die unsicht- bare Kirche sey von dem heillosen Verfasser des Briontes so ehrenrührig angegrifen, daß sie es nimmer auf sich sitzen lassen könne? DochWarum sie den einfäl- tigen verdächtig vorkom- me? und das Mitlei- den des Verfassers mit diesen guten Leu- ten. ich mercke wohl, wo dieser Jrrthum herrüh- ret. Die guten Leute stehen in dem Wahn, es sey allemahl ein unehrerbietiges, und oft fündliches und ärgerliches Verfahren, wenn man etwas grosses ehrwürdiges und heiliges, und eine geringe nichtswürdige und verächtli- che Sache auf gewisse Maasse mit einander vergleichet. Jch gestehe diese Einbildung ist ziemlich einfältig, und hat bey vielen vieleicht eine kleine Boßheit zum Grunde. Es schei- net also, diejenigen, welche das Unglück ha- ben, von so bösen Gedancken geplaget zu wer- den, verdienten kaum, daß man sich bemühe, sie auf den rechten Weg zu bringen: Allein da es gar wohl möglich ist, daß Leute, die bey einem ausserordentlich zärtlichen Gewissen ein sehr geringes Maaß von Verstands-Kräf- ten besitzen, aus guter Meinung auf solche Grillen verfallen: So kan ich es nicht über mein Hertz bringen, diesen blöden Seelen den- jenigen Unterricht zu versagen, dessen sie so sehr bedürfen, und ohne welchen sie allezeit Gefahr laufen, ihr Gewissen zu verletzen, ih- ren Nächsten zu beleidigen, und sich selbst lä- cherlich zu machen. Meine verständige Leser
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ten, wenn von ihr etwas geſaget wird, wel- ches ſo wahr iſt, daß ſie es ſelbſt geſtehen muß.
Wie iſt es dann moͤglich, daß es Leute geben koͤnnen, die ſich eingebildet haben, die unſicht- bare Kirche ſey von dem heilloſen Verfaſſer des Briontes ſo ehrenruͤhrig angegrifen, daß ſie es nimmer auf ſich ſitzen laſſen koͤnne? DochWarum ſie den einfaͤl- tigen verdaͤchtig vorkom- me? und das Mitlei- den des Verfaſſers mit dieſen guten Leu- ten. ich mercke wohl, wo dieſer Jrrthum herruͤh- ret. Die guten Leute ſtehen in dem Wahn, es ſey allemahl ein unehrerbietiges, und oft fuͤndliches und aͤrgerliches Verfahren, wenn man etwas groſſes ehrwuͤrdiges und heiliges, und eine geringe nichtswuͤrdige und veraͤchtli- che Sache auf gewiſſe Maaſſe mit einander vergleichet. Jch geſtehe dieſe Einbildung iſt ziemlich einfaͤltig, und hat bey vielen vieleicht eine kleine Boßheit zum Grunde. Es ſchei- net alſo, diejenigen, welche das Ungluͤck ha- ben, von ſo boͤſen Gedancken geplaget zu wer- den, verdienten kaum, daß man ſich bemuͤhe, ſie auf den rechten Weg zu bringen: Allein da es gar wohl moͤglich iſt, daß Leute, die bey einem auſſerordentlich zaͤrtlichen Gewiſſen ein ſehr geringes Maaß von Verſtands-Kraͤf- ten beſitzen, aus guter Meinung auf ſolche Grillen verfallen: So kan ich es nicht uͤber mein Hertz bringen, dieſen bloͤden Seelen den- jenigen Unterricht zu verſagen, deſſen ſie ſo ſehr beduͤrfen, und ohne welchen ſie allezeit Gefahr laufen, ihr Gewiſſen zu verletzen, ih- ren Naͤchſten zu beleidigen, und ſich ſelbſt laͤ- cherlich zu machen. Meine verſtaͤndige Leſer
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ten, wenn von ihr etwas geſaget wird, wel-
ches ſo wahr iſt, daß ſie es ſelbſt geſtehen muß.
Wie iſt es dann moͤglich, daß es Leute geben
koͤnnen, die ſich eingebildet haben, die unſicht-
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Briontes ſo ehrenruͤhrig angegrifen, daß ſie
es nimmer auf ſich ſitzen laſſen koͤnne? Doch
ich mercke wohl, wo dieſer Jrrthum herruͤh-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/309>, abgerufen am 31.10.2024.
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