benten, deren Verbrechen in einem kleinen Versehen, und in eine Uebereilung bestehen, von welcher kein Gelehrter frey ist. Diese verdienen nicht mehr, als eine Erinnerung, und es wäre ein Mißbrauch der Gewalt, die ein Gelehrter hat, wenn er wegen des geringsten Fehlers in der Historie, wegen eines falschen Schlusses, wegen einer Uebertretung der Re- geln der Sprach-Kunst, und einiger Unförm- lichkeit und Ungeschicklichkeit im Vortrage, gleich einen Scribenten mit harten Censuren, scharffen Wiederlegungen, und beissenden Sa- tyren verfolgen, und also entweder schon in Ansehen lebenden Männern ihren wohlver- dienten Ruhm rauben, oder angehende Scri- benten, die mit aller Sittsamkeit zum ersten mahl in der gelehrten Welt erscheinen, auf ein- mal von allem ferneren Schreiben abschrecken wolte. Jch billige ein so unfreundliches, gro- bes und hochmüthiges Verfahren im gering- sten nicht.
Non sum, sageich, exjudicibus severissimis, qui omnia ad exactam regu- lam redigam. Multa donanda ingeniis pu- to; Sed donanda vitia, non portenta sunt. Seneca Controvers. Lib. V. p. m. 282.
Ein Fehler, der wenig zu bedeuten hat: Ein Jrrthum, der nicht aus einer besondern Dumheit des Scribenten entstehet, sondern ei- nigen Schein hat; eine unliebliche Schreib- Art macht, nach meiner Meinung, nicht gleich ein Buch unerträglich, und den Verfasser des- selben auslachens würdig. Wo ist ein Buch
ohne
(o)
benten, deren Verbrechen in einem kleinen Verſehen, und in eine Uebereilung beſtehen, von welcher kein Gelehrter frey iſt. Dieſe verdienen nicht mehr, als eine Erinnerung, und es waͤre ein Mißbrauch der Gewalt, die ein Gelehrter hat, wenn er wegen des geringſten Fehlers in der Hiſtorie, wegen eines falſchen Schluſſes, wegen einer Uebertretung der Re- geln der Sprach-Kunſt, und einiger Unfoͤrm- lichkeit und Ungeſchicklichkeit im Vortrage, gleich einen Scribenten mit harten Cenſuren, ſcharffen Wiederlegungen, und beiſſenden Sa- tyren verfolgen, und alſo entweder ſchon in Anſehen lebenden Maͤnnern ihren wohlver- dienten Ruhm rauben, oder angehende Scri- benten, die mit aller Sittſamkeit zum erſten mahl in der gelehrten Welt erſcheinen, auf ein- mal von allem ferneren Schreiben abſchrecken wolte. Jch billige ein ſo unfreundliches, gro- bes und hochmuͤthiges Verfahren im gering- ſten nicht.
Non ſum, ſageich, exjudicibus ſeveriſſimis, qui omnia ad exactam regu- lam redigam. Multa donanda ingeniis pu- to; Sed donanda vitia, non portenta ſunt. Seneca Controverſ. Lib. V. p. m. 282.
Ein Fehler, der wenig zu bedeuten hat: Ein Jrrthum, der nicht aus einer beſondern Dumheit des Scribenten entſtehet, ſondern ei- nigen Schein hat; eine unliebliche Schreib- Art macht, nach meiner Meinung, nicht gleich ein Buch unertraͤglich, und den Verfaſſer deſ- ſelben auslachens wuͤrdig. Wo iſt ein Buch
ohne
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0361"n="269"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
benten, deren Verbrechen in einem kleinen<lb/>
Verſehen, und in eine Uebereilung beſtehen,<lb/>
von welcher kein Gelehrter frey iſt. Dieſe<lb/>
verdienen nicht mehr, als eine Erinnerung,<lb/>
und es waͤre ein Mißbrauch der Gewalt, die<lb/>
ein Gelehrter hat, wenn er wegen des geringſten<lb/>
Fehlers in der Hiſtorie, wegen eines falſchen<lb/>
Schluſſes, wegen einer Uebertretung der Re-<lb/>
geln der Sprach-Kunſt, und einiger Unfoͤrm-<lb/>
lichkeit und Ungeſchicklichkeit im Vortrage,<lb/>
gleich einen Scribenten mit harten Cenſuren,<lb/>ſcharffen Wiederlegungen, und beiſſenden Sa-<lb/>
tyren verfolgen, und alſo entweder ſchon in<lb/>
Anſehen lebenden Maͤnnern ihren wohlver-<lb/>
dienten Ruhm rauben, oder angehende Scri-<lb/>
benten, die mit aller Sittſamkeit zum erſten<lb/>
mahl in der gelehrten Welt erſcheinen, auf ein-<lb/>
mal von allem ferneren Schreiben abſchrecken<lb/>
wolte. Jch billige ein ſo unfreundliches, gro-<lb/>
bes und hochmuͤthiges Verfahren im gering-<lb/>ſten nicht.</p><lb/><cit><quote><hirendition="#aq">Non ſum,</hi>ſageich, <hirendition="#aq">exjudicibus<lb/>ſeveriſſimis, qui omnia ad exactam regu-<lb/>
lam redigam. Multa donanda ingeniis pu-<lb/>
to; <hirendition="#i">Sed donanda vitia, non portenta ſunt.<lb/>
Seneca Controverſ. Lib. V. p. m.</hi></hi> 282.</quote></cit><lb/><p>Ein Fehler, der wenig zu bedeuten hat:<lb/>
Ein Jrrthum, der nicht aus einer beſondern<lb/>
Dumheit des Scribenten entſtehet, ſondern ei-<lb/>
nigen Schein hat; eine unliebliche Schreib-<lb/>
Art macht, nach meiner Meinung, nicht gleich<lb/>
ein Buch unertraͤglich, und den Verfaſſer deſ-<lb/>ſelben auslachens wuͤrdig. Wo iſt ein Buch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ohne</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[269/0361]
(o)
benten, deren Verbrechen in einem kleinen
Verſehen, und in eine Uebereilung beſtehen,
von welcher kein Gelehrter frey iſt. Dieſe
verdienen nicht mehr, als eine Erinnerung,
und es waͤre ein Mißbrauch der Gewalt, die
ein Gelehrter hat, wenn er wegen des geringſten
Fehlers in der Hiſtorie, wegen eines falſchen
Schluſſes, wegen einer Uebertretung der Re-
geln der Sprach-Kunſt, und einiger Unfoͤrm-
lichkeit und Ungeſchicklichkeit im Vortrage,
gleich einen Scribenten mit harten Cenſuren,
ſcharffen Wiederlegungen, und beiſſenden Sa-
tyren verfolgen, und alſo entweder ſchon in
Anſehen lebenden Maͤnnern ihren wohlver-
dienten Ruhm rauben, oder angehende Scri-
benten, die mit aller Sittſamkeit zum erſten
mahl in der gelehrten Welt erſcheinen, auf ein-
mal von allem ferneren Schreiben abſchrecken
wolte. Jch billige ein ſo unfreundliches, gro-
bes und hochmuͤthiges Verfahren im gering-
ſten nicht.
Non ſum, ſageich, exjudicibus
ſeveriſſimis, qui omnia ad exactam regu-
lam redigam. Multa donanda ingeniis pu-
to; Sed donanda vitia, non portenta ſunt.
Seneca Controverſ. Lib. V. p. m. 282.
Ein Fehler, der wenig zu bedeuten hat:
Ein Jrrthum, der nicht aus einer beſondern
Dumheit des Scribenten entſtehet, ſondern ei-
nigen Schein hat; eine unliebliche Schreib-
Art macht, nach meiner Meinung, nicht gleich
ein Buch unertraͤglich, und den Verfaſſer deſ-
ſelben auslachens wuͤrdig. Wo iſt ein Buch
ohne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/361>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.