er uns hernach von der Herrschaft des Men- schen über die Creaturen erzehlet, vor ver- nünftig auszugeben, und daher, aus theo- logischer Klugheit, an dem Orte da er die Ofenbahrung von ihrer schönen Seite zei- get, die Ungläubigen durch so harte und un- verdäuliche Wahrheiten nicht erschrecken wollen. Die Ungläubigen werden sagen, Herr Reinbeck handele also nicht aufrichtig mit ihnen, sondern suche durch eine falsche Vorstellung ihren Beyfall zu erschleichen: Aber ich sage nur, daß Hr. Reinbeck durch diese Aufführung die Einwürfe, die ich ihm mache, schon zum voraus stillschweigend vor gründlich erkläret hat.
Zuletzt möchte ich noch wohl wissen, warum der Mensch die ihm anerschaffene Herrschaft über die Thiere nicht noch habe? Jch weiß wohl, man saget, er habe sie durch den Sündenfall verlohren: Allein damit bin ich nicht zufrieden. Jch will nicht sagen, daß die Vernunft der Möglichkeit dieses Falles, der den Verlust dieser Herr- schaft nach sich gezogen haben soll, nicht be- greifet: Sondern ich frage nur; wie es möglich gewesen, daß dieser Fall eine so un- glaubliche Folge gehabt? Es gründet sich die Herrschaft des Menschen über die Thiere
nicht
(o)
er uns hernach von der Herrſchaft des Men- ſchen uͤber die Creaturen erzehlet, vor ver- nuͤnftig auszugeben, und daher, aus theo- logiſcher Klugheit, an dem Orte da er die Ofenbahrung von ihrer ſchoͤnen Seite zei- get, die Unglaͤubigen durch ſo harte und un- verdaͤuliche Wahrheiten nicht erſchrecken wollen. Die Unglaͤubigen werden ſagen, Herr Reinbeck handele alſo nicht aufrichtig mit ihnen, ſondern ſuche durch eine falſche Vorſtellung ihren Beyfall zu erſchleichen: Aber ich ſage nur, daß Hr. Reinbeck durch dieſe Auffuͤhrung die Einwuͤrfe, die ich ihm mache, ſchon zum voraus ſtillſchweigend vor gruͤndlich erklaͤret hat.
Zuletzt moͤchte ich noch wohl wiſſen, warum der Menſch die ihm anerſchaffene Herrſchaft uͤber die Thiere nicht noch habe? Jch weiß wohl, man ſaget, er habe ſie durch den Suͤndenfall verlohren: Allein damit bin ich nicht zufrieden. Jch will nicht ſagen, daß die Vernunft der Moͤglichkeit dieſes Falles, der den Verluſt dieſer Herr- ſchaft nach ſich gezogen haben ſoll, nicht be- greifet: Sondern ich frage nur; wie es moͤglich geweſen, daß dieſer Fall eine ſo un- glaubliche Folge gehabt? Es gruͤndet ſich die Herrſchaft des Menſchen uͤber die Thiere
nicht
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(o)
er uns hernach von der Herrſchaft des Men-
ſchen uͤber die Creaturen erzehlet, vor ver-
nuͤnftig auszugeben, und daher, aus theo-
logiſcher Klugheit, an dem Orte da er die
Ofenbahrung von ihrer ſchoͤnen Seite zei-
get, die Unglaͤubigen durch ſo harte und un-
verdaͤuliche Wahrheiten nicht erſchrecken
wollen. Die Unglaͤubigen werden ſagen,
Herr Reinbeck handele alſo nicht aufrichtig
mit ihnen, ſondern ſuche durch eine falſche
Vorſtellung ihren Beyfall zu erſchleichen:
Aber ich ſage nur, daß Hr. Reinbeck durch
dieſe Auffuͤhrung die Einwuͤrfe, die ich ihm
mache, ſchon zum voraus ſtillſchweigend vor
gruͤndlich erklaͤret hat.
Zuletzt moͤchte ich noch wohl wiſſen,
warum der Menſch die ihm anerſchaffene
Herrſchaft uͤber die Thiere nicht noch habe?
Jch weiß wohl, man ſaget, er habe ſie durch
den Suͤndenfall verlohren: Allein damit
bin ich nicht zufrieden. Jch will nicht
ſagen, daß die Vernunft der Moͤglichkeit
dieſes Falles, der den Verluſt dieſer Herr-
ſchaft nach ſich gezogen haben ſoll, nicht be-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/712>, abgerufen am 22.11.2024.
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