aussuchen können. Er muß glauben daß die Katze im Paradiß nicht gemauset, und alle Raub-Vögel und Thiere aller erst nach dem Fall diese, andern Geschöp- fen so nachtheilige, Natur bekommen haben.
Er muß glauben, daß der Bär ihm das Fell habe über die Ohren ziehen lassen, ohne einmahl zu brum- men, und der Löwe nicht einmahl die Zähne gewiesen, wann sein allergnädigster König und Herr ihm, zum Zeitvertreib, den Bart gerupfet. Kan er nun dieses al- les verdauen, so muß man seinen Magen bewundern, und ich begehre mit ihm nichts zu thun zu haben. Jch halte ihn vor unüberwindlich.
IX. Noch eins. Es ist bekannt, daß man heuti- ges Tages dem Menschen noch eine Herrschaft über die Thiere beyleget: und zwar nicht ohne allen Grund; denn diejenigen, welche dieses thun, haben Sprüche aus der Bibel vor sich. Der Mensch war schon lange gefallen, als GOtt zu Noah und den Sei- nen sagte: Euer Furcht und Schrecken sey über alle Thiere, und eine gute Zeit hernach eignete der König David dem Menschen eine Herrschaft über die Thie- re zu, die gewiß nicht grösser seyn kan. (19) Jch glaube nicht daß der König David, und diejenigen, welche sich auf ihn berufen, von dem Unterscheid der wilden und zahmen Thiere nichts solten gewust haben. Man muß also gestehen, daß dieser Unterscheid die Herrschaft, so dem Menschen über die Thiere zukömmt, nicht auf- hebe.
Will man mir nun hier einwerfen, der Unter- scheid unter den wilden und zahmen Thieren hebe
zwar
(19)Ps. VIII. 7. sq.
U u 5
(o)
ausſuchen koͤnnen. Er muß glauben daß die Katze im Paradiß nicht gemauſet, und alle Raub-Voͤgel und Thiere aller erſt nach dem Fall dieſe, andern Geſchoͤp- fen ſo nachtheilige, Natur bekommen haben.
Er muß glauben, daß der Baͤr ihm das Fell habe uͤber die Ohren ziehen laſſen, ohne einmahl zu brum- men, und der Loͤwe nicht einmahl die Zaͤhne gewieſen, wann ſein allergnaͤdigſter Koͤnig und Herr ihm, zum Zeitvertreib, den Bart gerupfet. Kan er nun dieſes al- les verdauen, ſo muß man ſeinen Magen bewundern, und ich begehre mit ihm nichts zu thun zu haben. Jch halte ihn vor unuͤberwindlich.
IX. Noch eins. Es iſt bekannt, daß man heuti- ges Tages dem Menſchen noch eine Herrſchaft uͤber die Thiere beyleget: und zwar nicht ohne allen Grund; denn diejenigen, welche dieſes thun, haben Spruͤche aus der Bibel vor ſich. Der Menſch war ſchon lange gefallen, als GOtt zu Noah und den Sei- nen ſagte: Euer Furcht und Schrecken ſey uͤber alle Thiere, und eine gute Zeit hernach eignete der Koͤnig David dem Menſchen eine Herrſchaft uͤber die Thie- re zu, die gewiß nicht groͤſſer ſeyn kan. (19) Jch glaube nicht daß deꝛ Koͤnig David, und diejenigen, welche ſich auf ihn berufen, von dem Unterſcheid der wilden und zahmen Thiere nichts ſolten gewuſt haben. Man muß alſo geſtehen, daß dieſer Unterſcheid die Herrſchaft, ſo dem Menſchen uͤber die Thiere zukoͤmmt, nicht auf- hebe.
Will man mir nun hier einwerfen, der Unter- ſcheid unter den wilden und zahmen Thieren hebe
zwar
(19)Pſ. VIII. 7. ſq.
U u 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0789"n="697"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
ausſuchen koͤnnen. Er muß glauben daß die Katze im<lb/>
Paradiß nicht gemauſet, und alle Raub-Voͤgel und<lb/>
Thiere aller erſt nach dem Fall dieſe, andern Geſchoͤp-<lb/>
fen ſo nachtheilige, Natur bekommen haben.</p><lb/><p>Er muß glauben, daß der Baͤr ihm das Fell habe<lb/>
uͤber die Ohren ziehen laſſen, ohne einmahl zu brum-<lb/>
men, und der Loͤwe nicht einmahl die Zaͤhne gewieſen,<lb/>
wann ſein allergnaͤdigſter Koͤnig und Herr ihm, zum<lb/>
Zeitvertreib, den Bart gerupfet. Kan er nun dieſes al-<lb/>
les verdauen, ſo muß man ſeinen Magen bewundern,<lb/>
und ich begehre mit ihm nichts zu thun zu haben. Jch<lb/>
halte ihn vor unuͤberwindlich.</p><lb/><p><hirendition="#aq">IX.</hi> Noch eins. Es iſt bekannt, daß man heuti-<lb/>
ges Tages dem Menſchen noch eine Herrſchaft uͤber<lb/>
die Thiere beyleget: und zwar nicht ohne allen<lb/>
Grund; denn diejenigen, welche dieſes thun, haben<lb/>
Spruͤche aus der Bibel vor ſich. Der Menſch war<lb/>ſchon lange gefallen, als GOtt zu Noah und den Sei-<lb/>
nen ſagte: Euer Furcht und Schrecken ſey uͤber alle<lb/>
Thiere, und eine gute Zeit hernach eignete der Koͤnig<lb/>
David dem Menſchen eine Herrſchaft uͤber die Thie-<lb/>
re zu, die gewiß nicht groͤſſer ſeyn kan. <noteplace="foot"n="(19)"><hirendition="#aq">Pſ. VIII. 7. ſq.</hi></note> Jch glaube<lb/>
nicht daß deꝛ Koͤnig David, und diejenigen, welche ſich<lb/>
auf ihn berufen, von dem Unterſcheid der wilden und<lb/>
zahmen Thiere nichts ſolten gewuſt haben. Man muß<lb/>
alſo geſtehen, daß dieſer Unterſcheid die Herrſchaft, ſo<lb/>
dem Menſchen uͤber die Thiere zukoͤmmt, nicht auf-<lb/>
hebe.</p><lb/><p>Will man mir nun hier einwerfen, der Unter-<lb/>ſcheid unter den wilden und zahmen Thieren hebe<lb/><fwplace="bottom"type="sig">U u 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">zwar</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[697/0789]
(o)
ausſuchen koͤnnen. Er muß glauben daß die Katze im
Paradiß nicht gemauſet, und alle Raub-Voͤgel und
Thiere aller erſt nach dem Fall dieſe, andern Geſchoͤp-
fen ſo nachtheilige, Natur bekommen haben.
Er muß glauben, daß der Baͤr ihm das Fell habe
uͤber die Ohren ziehen laſſen, ohne einmahl zu brum-
men, und der Loͤwe nicht einmahl die Zaͤhne gewieſen,
wann ſein allergnaͤdigſter Koͤnig und Herr ihm, zum
Zeitvertreib, den Bart gerupfet. Kan er nun dieſes al-
les verdauen, ſo muß man ſeinen Magen bewundern,
und ich begehre mit ihm nichts zu thun zu haben. Jch
halte ihn vor unuͤberwindlich.
IX. Noch eins. Es iſt bekannt, daß man heuti-
ges Tages dem Menſchen noch eine Herrſchaft uͤber
die Thiere beyleget: und zwar nicht ohne allen
Grund; denn diejenigen, welche dieſes thun, haben
Spruͤche aus der Bibel vor ſich. Der Menſch war
ſchon lange gefallen, als GOtt zu Noah und den Sei-
nen ſagte: Euer Furcht und Schrecken ſey uͤber alle
Thiere, und eine gute Zeit hernach eignete der Koͤnig
David dem Menſchen eine Herrſchaft uͤber die Thie-
re zu, die gewiß nicht groͤſſer ſeyn kan. (19) Jch glaube
nicht daß deꝛ Koͤnig David, und diejenigen, welche ſich
auf ihn berufen, von dem Unterſcheid der wilden und
zahmen Thiere nichts ſolten gewuſt haben. Man muß
alſo geſtehen, daß dieſer Unterſcheid die Herrſchaft, ſo
dem Menſchen uͤber die Thiere zukoͤmmt, nicht auf-
hebe.
Will man mir nun hier einwerfen, der Unter-
ſcheid unter den wilden und zahmen Thieren hebe
zwar
(19) Pſ. VIII. 7. ſq.
U u 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/789>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.