"um, weil sie falsch ist, so mißbraucht sie ihrer Ge- "walt, und hilft niemand dadurch in den Himmel, "obgleich der Herr Prof. Manzel meynt, die Obrig- "keit habe in diesem Fall die Vermuthung vor sich, "welches ein Satz ist, der die Verfolgung der Hugo- "notten in Franckreich rechtfertiget. 4) Obgleich die "Atheisterey, überhaupt zu reden, kein Fehler des "Willens, wie der Herr Prof. Manzel meynt, son- "dern nur ein Jrrthum ist: So kan doch die Obrig- "keit einen Atheisten, nach Befinden, auch am Le- "ben strafen: Aber wenn sie es thut, so thut sie es nicht "aus einer Sorge vor die Seeligkeit ihrer Untertha- "nen, sondern aus andern Ursachen: Und thut sie es "nicht, so wird sie dadurch keine Feindin GOttes. 5) "Die gar zu grosse Gewalt der Römer über das Le- "ben ihrer Kinder und Knechte war schon einge- "schränckt, ehe die Käyser vor die Seeligkeit ihrer "Unterthanen sorgten. Wenigstens glaube ich nicht, "daß der Kayser Antonius, auf welchen sich der Hr. "Prof. Manzel beruft, daran gedacht habe: Denn "der war kein Christ. 6) Die Warnung vor dem "Meineyd geschicht nicht, um die Seele des Schwe- "renden zu retten, sondern nur zu verhindern, daß "der Eyd, der ein Ende alles Haders ist, nicht An- "laß zu einem ungerechten Urtheil geben möge. "Wenn ein Richter gleich in seinem Hertzen über- "führet ist, daß einer falsch schweren werde, so kan er "doch einem solchen, wenn er sonst nach denen Ge- "setzen zum Eyde zu lassen, und schweren will, das "Schweren nicht verbieten. Er kan, als ein Christ, "vor einen solchen beten, und sich über seine Boßheit "betrüben. Aber als Richter bekümmert er sich nicht,
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„um, weil ſie falſch iſt, ſo mißbraucht ſie ihrer Ge- „walt, und hilft niemand dadurch in den Himmel, „obgleich der Herr Prof. Manzel meynt, die Obrig- „keit habe in dieſem Fall die Vermuthung vor ſich, „welches ein Satz iſt, der die Verfolgung der Hugo- „notten in Franckreich rechtfertiget. 4) Obgleich die „Atheiſterey, uͤberhaupt zu reden, kein Fehler des „Willens, wie der Herr Prof. Manzel meynt, ſon- „dern nur ein Jrrthum iſt: So kan doch die Obrig- „keit einen Atheiſten, nach Befinden, auch am Le- „ben ſtrafen: Aber wenn ſie es thut, ſo thut ſie es nicht „aus einer Sorge vor die Seeligkeit ihrer Untertha- „nen, ſondern aus andern Urſachen: Und thut ſie es „nicht, ſo wird ſie dadurch keine Feindin GOttes. 5) „Die gar zu groſſe Gewalt der Roͤmer uͤber das Le- „ben ihrer Kinder und Knechte war ſchon einge- „ſchraͤnckt, ehe die Kaͤyſer vor die Seeligkeit ihrer „Unterthanen ſorgten. Wenigſtens glaube ich nicht, „daß der Kayſer Antonius, auf welchen ſich der Hr. „Prof. Manzel beruft, daran gedacht habe: Denn „der war kein Chriſt. 6) Die Warnung vor dem „Meineyd geſchicht nicht, um die Seele des Schwe- „renden zu retten, ſondern nur zu verhindern, daß „der Eyd, der ein Ende alles Haders iſt, nicht An- „laß zu einem ungerechten Urtheil geben moͤge. „Wenn ein Richter gleich in ſeinem Hertzen uͤber- „fuͤhret iſt, daß einer falſch ſchweren werde, ſo kan er „doch einem ſolchen, wenn er ſonſt nach denen Ge- „ſetzen zum Eyde zu laſſen, und ſchweren will, das „Schweren nicht verbieten. Er kan, als ein Chriſt, „vor einen ſolchen beten, und ſich uͤber ſeine Boßheit „betruͤben. Aber als Richter bekuͤmmert er ſich nicht,
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„um, weil ſie falſch iſt, ſo mißbraucht ſie ihrer Ge-
„walt, und hilft niemand dadurch in den Himmel,
„obgleich der Herr Prof. Manzel meynt, die Obrig-
„keit habe in dieſem Fall die Vermuthung vor ſich,
„welches ein Satz iſt, der die Verfolgung der Hugo-
„notten in Franckreich rechtfertiget. 4) Obgleich die
„Atheiſterey, uͤberhaupt zu reden, kein Fehler des
„Willens, wie der Herr Prof. Manzel meynt, ſon-
„dern nur ein Jrrthum iſt: So kan doch die Obrig-
„keit einen Atheiſten, nach Befinden, auch am Le-
„ben ſtrafen: Aber wenn ſie es thut, ſo thut ſie es nicht
„aus einer Sorge vor die Seeligkeit ihrer Untertha-
„nen, ſondern aus andern Urſachen: Und thut ſie es
„nicht, ſo wird ſie dadurch keine Feindin GOttes. 5)
„Die gar zu groſſe Gewalt der Roͤmer uͤber das Le-
„ben ihrer Kinder und Knechte war ſchon einge-
„ſchraͤnckt, ehe die Kaͤyſer vor die Seeligkeit ihrer
„Unterthanen ſorgten. Wenigſtens glaube ich nicht,
„daß der Kayſer Antonius, auf welchen ſich der Hr.
„Prof. Manzel beruft, daran gedacht habe: Denn
„der war kein Chriſt. 6) Die Warnung vor dem
„Meineyd geſchicht nicht, um die Seele des Schwe-
„renden zu retten, ſondern nur zu verhindern, daß
„der Eyd, der ein Ende alles Haders iſt, nicht An-
„laß zu einem ungerechten Urtheil geben moͤge.
„Wenn ein Richter gleich in ſeinem Hertzen uͤber-
„fuͤhret iſt, daß einer falſch ſchweren werde, ſo kan er
„doch einem ſolchen, wenn er ſonſt nach denen Ge-
„ſetzen zum Eyde zu laſſen, und ſchweren will, das
„Schweren nicht verbieten. Er kan, als ein Chriſt,
„vor einen ſolchen beten, und ſich uͤber ſeine Boßheit
„betruͤben. Aber als Richter bekuͤmmert er ſich nicht,
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 886. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/978>, abgerufen am 21.11.2024.
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