wo seine Seele bleibt. 7) Daß die Juristen die" Jnjurien-Klagen abzukürtzen, zu mindern, und" gar abzuschafen bemühet sind, ist darum löblich," weil die Leute dadurch von unnützen Processen ab-" gehalten werden, und ihr Geld behalten: Aber es" nützet nicht zur Seeligkeit. Empfindlichkeit, Haß" und Rachgierde werden dadurch nicht ausgerottet;" vielmehr die Beleidigten, wenn sie kein Gehör beym" Richter finden, zur Selbst-Rache, und folglich zur" Sünde gereitzet. 8) Daß gewisse Personen nicht" zum Zeugniß gelassen werden, geschicht darum," weil das Zeugniß solcher Leute, von welchen wahr-" scheinlich zu vermuthen, daß sie falsch zeugen wer-" den, nichts zu Entdeckung der Wahrheit beyträget," und nichts beweiset. Es ist dieses was altes, und" gebräuchlich gewesen, ehe noch die Zeugen ihre Aus-" sagen eydlich thaten, und also ehe man an die ewige" Seeligkeit gedachte. 9) Daß man denen verdamm-" ten Missethätern Zeit lässet, sich zum Tode zu berei-" ten, und dieselbe nicht durch eine gar zu harte und" langsame Todes-Art quälet, geschicht nicht aus ei-" ner Sorge vor die Seeligkeit dieser Leute, sondern" nur, um die Nachrede einer Grausamkeit zu ver-" meiden. Gar zu harte und unmenschliche Todes-" Strafen machen das Volck murren, und bewegen" es zum Mitleiden gegen diejenigen, so damit beleget" werden: Und was die Vorbereitung zum Tode an-" langet, so wird sie in der peinl. Halsgerichts-Ord-" nung der Willkühr des Verurtheilten lediglich ü-" berlassen. Die Erinnerung an die Priester, was" sie einem solchen vorsagen sollen, gehöret nicht zum" Gesetz, sondern rührt aus einer unnöthigen Vor-"
"sorge
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wo ſeine Seele bleibt. 7) Daß die Juriſten die„ Jnjurien-Klagen abzukuͤrtzen, zu mindern, und„ gar abzuſchafen bemuͤhet ſind, iſt darum loͤblich,„ weil die Leute dadurch von unnuͤtzen Proceſſen ab-„ gehalten werden, und ihr Geld behalten: Aber es„ nuͤtzet nicht zur Seeligkeit. Empfindlichkeit, Haß„ und Rachgierde werden dadurch nicht ausgerottet;„ vielmehr die Beleidigten, wenn ſie kein Gehoͤr beym„ Richter finden, zur Selbſt-Rache, und folglich zur„ Suͤnde gereitzet. 8) Daß gewiſſe Perſonen nicht„ zum Zeugniß gelaſſen werden, geſchicht darum,„ weil das Zeugniß ſolcher Leute, von welchen wahr-„ ſcheinlich zu vermuthen, daß ſie falſch zeugen wer-„ den, nichts zu Entdeckung der Wahrheit beytraͤget,„ und nichts beweiſet. Es iſt dieſes was altes, und„ gebraͤuchlich geweſen, ehe noch die Zeugen ihre Auſ-„ ſagen eydlich thaten, und alſo ehe man an die ewige„ Seeligkeit gedachte. 9) Daß man denen verdamm-„ ten Miſſethaͤtern Zeit laͤſſet, ſich zum Tode zu berei-„ ten, und dieſelbe nicht durch eine gar zu harte und„ langſame Todes-Art quaͤlet, geſchicht nicht aus ei-„ ner Sorge vor die Seeligkeit dieſer Leute, ſondern„ nur, um die Nachrede einer Grauſamkeit zu ver-„ meiden. Gar zu harte und unmenſchliche Todes-„ Strafen machen das Volck murren, und bewegen„ es zum Mitleiden gegen diejenigen, ſo damit beleget„ werden: Und was die Vorbereitung zum Tode an-„ langet, ſo wird ſie in der peinl. Halsgerichts-Ord-„ nung der Willkuͤhr des Verurtheilten lediglich uͤ-„ berlaſſen. Die Erinnerung an die Prieſter, was„ ſie einem ſolchen vorſagen ſollen, gehoͤret nicht zum„ Geſetz, ſondern ruͤhrt aus einer unnoͤthigen Vor-„
„ſorge
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wo ſeine Seele bleibt. 7) Daß die Juriſten die„
Jnjurien-Klagen abzukuͤrtzen, zu mindern, und„
gar abzuſchafen bemuͤhet ſind, iſt darum loͤblich,„
weil die Leute dadurch von unnuͤtzen Proceſſen ab-„
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nuͤtzet nicht zur Seeligkeit. Empfindlichkeit, Haß„
und Rachgierde werden dadurch nicht ausgerottet;„
vielmehr die Beleidigten, wenn ſie kein Gehoͤr beym„
Richter finden, zur Selbſt-Rache, und folglich zur„
Suͤnde gereitzet. 8) Daß gewiſſe Perſonen nicht„
zum Zeugniß gelaſſen werden, geſchicht darum,„
weil das Zeugniß ſolcher Leute, von welchen wahr-„
ſcheinlich zu vermuthen, daß ſie falſch zeugen wer-„
den, nichts zu Entdeckung der Wahrheit beytraͤget,„
und nichts beweiſet. Es iſt dieſes was altes, und„
gebraͤuchlich geweſen, ehe noch die Zeugen ihre Auſ-„
ſagen eydlich thaten, und alſo ehe man an die ewige„
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ten Miſſethaͤtern Zeit laͤſſet, ſich zum Tode zu berei-„
ten, und dieſelbe nicht durch eine gar zu harte und„
langſame Todes-Art quaͤlet, geſchicht nicht aus ei-„
ner Sorge vor die Seeligkeit dieſer Leute, ſondern„
nur, um die Nachrede einer Grauſamkeit zu ver-„
meiden. Gar zu harte und unmenſchliche Todes-„
Strafen machen das Volck murren, und bewegen„
es zum Mitleiden gegen diejenigen, ſo damit beleget„
werden: Und was die Vorbereitung zum Tode an-„
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 887. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/979>, abgerufen am 16.02.2025.
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