Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Freiheitsstrafe. §. 46.
schlossen; bei Haft findet er nur ganz ausnahmsweise (StGB.
§. 362, 361 Z. 3--8 gegen Landstreicher, Bettler, Müssig-
gänger, Arbeitsscheue, Prostituirte, Erwerbslose) statt.

5. Neben Zuchthaus tritt der Verlust gewisser Ehren-
rechte
von Rechtswegen ein (StGB. §. 31); neben Zucht-
haus
und (unter gewissen Voraussetzungen) neben Ge-
fängnis
kann vollständige, neben letzterem und (in
gewissen Fällen) neben der Festungshaft teilweise Ab-
erkennung der Ehrenrechte stattfinden (StGB. §§. 32 ff.);
neben Haft ist die Aberkennung ausgeschlossen. Vgl. das
Nähere unten §. 51.

6. Einzelhaft und bedingte Entlassung (StGB.
§§. 22 ff.) finden bei Zuchthaus und Gefängnis, nicht aber
bei Festungshaft und Haft Anwendung. Vgl. unten III 1
und 2.

III. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe ist nur
zum kleinsten Teile durch die bisherige Reichsgesetzgebung
geordnet, zum weitaus größten Teile der landesrechtlichen
Bestimmung überlassen. Die Resolution des Reichstages
vom 4. März 1870, in welcher der Wunsch nach reichsge-
setzlicher Regelung ausgesprochen wurde, hat bisher nur zur
Ueberreichung eines Gesetzentwurfes über die Vollstreckung
Freiheitsstrafen an den Bundesrath geführt.3 Die Unklar-
heit über Wesen und Zweck der Freiheitsstrafe, die aus den
wichtigsten Bestimmungen dieses Entwurfes spricht, läßt in-
dessen nur geringe Hoffnung auf eine halbwegs befriedigende
Lösung der brennenden Reformfrage aufkommen.

Die bereits vorhandenen reichsgesetzlichen Bestimmungen
über den Vollzug der Freiheitsstrafen betreffen:

3 Ueber denselben Tauffer GS. XXXI.

Die Freiheitsſtrafe. §. 46.
ſchloſſen; bei Haft findet er nur ganz ausnahmsweiſe (StGB.
§. 362, 361 Z. 3—8 gegen Landſtreicher, Bettler, Müſſig-
gänger, Arbeitsſcheue, Proſtituirte, Erwerbsloſe) ſtatt.

5. Neben Zuchthaus tritt der Verluſt gewiſſer Ehren-
rechte
von Rechtswegen ein (StGB. §. 31); neben Zucht-
haus
und (unter gewiſſen Vorausſetzungen) neben Ge-
fängnis
kann vollſtändige, neben letzterem und (in
gewiſſen Fällen) neben der Feſtungshaft teilweiſe Ab-
erkennung der Ehrenrechte ſtattfinden (StGB. §§. 32 ff.);
neben Haft iſt die Aberkennung ausgeſchloſſen. Vgl. das
Nähere unten §. 51.

6. Einzelhaft und bedingte Entlaſſung (StGB.
§§. 22 ff.) finden bei Zuchthaus und Gefängnis, nicht aber
bei Feſtungshaft und Haft Anwendung. Vgl. unten III 1
und 2.

III. Die Vollſtreckung der Freiheitsſtrafe iſt nur
zum kleinſten Teile durch die bisherige Reichsgeſetzgebung
geordnet, zum weitaus größten Teile der landesrechtlichen
Beſtimmung überlaſſen. Die Reſolution des Reichstages
vom 4. März 1870, in welcher der Wunſch nach reichsge-
ſetzlicher Regelung ausgeſprochen wurde, hat bisher nur zur
Ueberreichung eines Geſetzentwurfes über die Vollſtreckung
Freiheitsſtrafen an den Bundesrath geführt.3 Die Unklar-
heit über Weſen und Zweck der Freiheitsſtrafe, die aus den
wichtigſten Beſtimmungen dieſes Entwurfes ſpricht, läßt in-
deſſen nur geringe Hoffnung auf eine halbwegs befriedigende
Löſung der brennenden Reformfrage aufkommen.

Die bereits vorhandenen reichsgeſetzlichen Beſtimmungen
über den Vollzug der Freiheitsſtrafen betreffen:

3 Ueber denſelben Tauffer GS. XXXI.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0215" n="189"/><fw place="top" type="header">Die Freiheits&#x017F;trafe. §. 46.</fw><lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en; bei <hi rendition="#g">Haft</hi> findet er nur ganz ausnahmswei&#x017F;e (StGB.<lb/>
§. 362, 361 Z. 3&#x2014;8 gegen Land&#x017F;treicher, Bettler, Mü&#x017F;&#x017F;ig-<lb/>
gänger, Arbeits&#x017F;cheue, Pro&#x017F;tituirte, Erwerbslo&#x017F;e) &#x017F;tatt.</p><lb/>
                <p>5. Neben <hi rendition="#g">Zuchthaus</hi> tritt der Verlu&#x017F;t gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#g">Ehren-<lb/>
rechte</hi> von Rechtswegen ein (StGB. §. 31); neben <hi rendition="#g">Zucht-<lb/>
haus</hi> und (unter gewi&#x017F;&#x017F;en Voraus&#x017F;etzungen) neben <hi rendition="#g">Ge-<lb/>
fängnis</hi> kann voll&#x017F;tändige, neben <hi rendition="#g">letzterem</hi> und (in<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Fällen) neben der <hi rendition="#g">Fe&#x017F;tungshaft</hi> teilwei&#x017F;e Ab-<lb/>
erkennung der Ehrenrechte &#x017F;tattfinden (StGB. §§. 32 ff.);<lb/>
neben <hi rendition="#g">Haft</hi> i&#x017F;t die Aberkennung ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Vgl. das<lb/>
Nähere unten §. 51.</p><lb/>
                <p>6. <hi rendition="#g">Einzelhaft und bedingte Entla&#x017F;&#x017F;ung</hi> (StGB.<lb/>
§§. 22 ff.) finden bei Zuchthaus und Gefängnis, nicht aber<lb/>
bei Fe&#x017F;tungshaft und Haft Anwendung. Vgl. unten <hi rendition="#aq">III</hi> 1<lb/>
und 2.</p><lb/>
                <p><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Die Voll&#x017F;treckung der Freiheits&#x017F;trafe</hi> i&#x017F;t nur<lb/>
zum klein&#x017F;ten Teile durch die bisherige Reichsge&#x017F;etzgebung<lb/>
geordnet, zum weitaus größten Teile der landesrechtlichen<lb/>
Be&#x017F;timmung überla&#x017F;&#x017F;en. Die Re&#x017F;olution des Reichstages<lb/>
vom 4. März 1870, in welcher der Wun&#x017F;ch nach reichsge-<lb/>
&#x017F;etzlicher Regelung ausge&#x017F;prochen wurde, hat bisher nur zur<lb/>
Ueberreichung eines Ge&#x017F;etzentwurfes über die Voll&#x017F;treckung<lb/>
Freiheits&#x017F;trafen an den Bundesrath geführt.<note place="foot" n="3">Ueber den&#x017F;elben <hi rendition="#g">Tauffer</hi> GS. <hi rendition="#aq">XXXI.</hi></note> Die Unklar-<lb/>
heit über We&#x017F;en und Zweck der Freiheits&#x017F;trafe, die aus den<lb/>
wichtig&#x017F;ten Be&#x017F;timmungen die&#x017F;es Entwurfes &#x017F;pricht, läßt in-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en nur geringe Hoffnung auf eine halbwegs befriedigende<lb/>&#x017F;ung der brennenden Reformfrage aufkommen.</p><lb/>
                <p>Die bereits vorhandenen reichsge&#x017F;etzlichen Be&#x017F;timmungen<lb/>
über den Vollzug der Freiheits&#x017F;trafen betreffen:</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0215] Die Freiheitsſtrafe. §. 46. ſchloſſen; bei Haft findet er nur ganz ausnahmsweiſe (StGB. §. 362, 361 Z. 3—8 gegen Landſtreicher, Bettler, Müſſig- gänger, Arbeitsſcheue, Proſtituirte, Erwerbsloſe) ſtatt. 5. Neben Zuchthaus tritt der Verluſt gewiſſer Ehren- rechte von Rechtswegen ein (StGB. §. 31); neben Zucht- haus und (unter gewiſſen Vorausſetzungen) neben Ge- fängnis kann vollſtändige, neben letzterem und (in gewiſſen Fällen) neben der Feſtungshaft teilweiſe Ab- erkennung der Ehrenrechte ſtattfinden (StGB. §§. 32 ff.); neben Haft iſt die Aberkennung ausgeſchloſſen. Vgl. das Nähere unten §. 51. 6. Einzelhaft und bedingte Entlaſſung (StGB. §§. 22 ff.) finden bei Zuchthaus und Gefängnis, nicht aber bei Feſtungshaft und Haft Anwendung. Vgl. unten III 1 und 2. III. Die Vollſtreckung der Freiheitsſtrafe iſt nur zum kleinſten Teile durch die bisherige Reichsgeſetzgebung geordnet, zum weitaus größten Teile der landesrechtlichen Beſtimmung überlaſſen. Die Reſolution des Reichstages vom 4. März 1870, in welcher der Wunſch nach reichsge- ſetzlicher Regelung ausgeſprochen wurde, hat bisher nur zur Ueberreichung eines Geſetzentwurfes über die Vollſtreckung Freiheitsſtrafen an den Bundesrath geführt. 3 Die Unklar- heit über Weſen und Zweck der Freiheitsſtrafe, die aus den wichtigſten Beſtimmungen dieſes Entwurfes ſpricht, läßt in- deſſen nur geringe Hoffnung auf eine halbwegs befriedigende Löſung der brennenden Reformfrage aufkommen. Die bereits vorhandenen reichsgeſetzlichen Beſtimmungen über den Vollzug der Freiheitsſtrafen betreffen: 3 Ueber denſelben Tauffer GS. XXXI.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/215
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/215>, abgerufen am 21.11.2024.