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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Einleitung. I. Die Grundbegriffe.
Gerechtigkeit" (1843--5). Auch in Wächter's Ansichten
(Beilage 17) ist der Einfluß Welcker's unverkennbar.

III. Die Notwendigkeitstheorien (Vergeltungs- oder
Gerechtigkeitstheorien). Sie stimmen alle darin überein, daß
die Strafe nicht eine vom Staate willkürlich mit dem Verbrechen
verknüpfte politische Maßregel, sondern notwendige Folge
des Verbrechens ist; daß sie ganz abgesehen von ihrer
etwaigen Zweckmäßigkeit eintreten muß; daß gestraft wird,
weil verbrochen worden und nicht damit nicht verbrochen werde,
und daß mithin die Vergangenheit und nicht die Zukunft
Eintritt, Art und Maß der Strafe bestimme. Die Vergel-
tungstheorien gruppiren sich je nach der verschiedenen Be-
gründung dieser ihnen gemeinsamen Auffassung.

1. Die Strafe ist ein Postulat der Vernunft, das
Strafgesetz ein kategorischer Imperativ; Maßstab für Qua-
lität und Quantität der Strafe das jus talionis. So Kant
(Kritik der praktischen Vernunft 1788 und Metaphys. An-
fangsgründe der Rechtslehre 1799). Ihm folgen C. S.
Zachariae (1805) und Henke (1811) in dem vergeblichen
Bemühen, Umfang und Inhalt der von dem Vergeltungs-
prinzipe geforderten Strafe nach anderen für das praktische
Leben verwertbareren Grundsätzen zu bestimmen.

2. Nach Herbart (allgem. praktische Philosophie 1808),
dem sich Geyer anschließt, ist die Strafe eine ästhetische
Notwendigkeit
, begründet in unserem Mißfallen am
Streite, an der durch das Verbrechen hervorgerufenen Un-
gleichheit; Rückgang des gleichen Quantums Weh' von dem
Verletzten auf den Verletzer, also Wiederherstellung der ge-
störten Gleichheit ist Wesen und Zweck der Strafe.

3. Die Strafe als dialektische Notwendigkeit. Nach
Hegel (Grundlinien der Philosophie des Rechts 1821) ist die

Einleitung. I. Die Grundbegriffe.
Gerechtigkeit“ (1843—5). Auch in Wächter’s Anſichten
(Beilage 17) iſt der Einfluß Welcker’s unverkennbar.

III. Die Notwendigkeitstheorien (Vergeltungs- oder
Gerechtigkeitstheorien). Sie ſtimmen alle darin überein, daß
die Strafe nicht eine vom Staate willkürlich mit dem Verbrechen
verknüpfte politiſche Maßregel, ſondern notwendige Folge
des Verbrechens iſt; daß ſie ganz abgeſehen von ihrer
etwaigen Zweckmäßigkeit eintreten muß; daß geſtraft wird,
weil verbrochen worden und nicht damit nicht verbrochen werde,
und daß mithin die Vergangenheit und nicht die Zukunft
Eintritt, Art und Maß der Strafe beſtimme. Die Vergel-
tungstheorien gruppiren ſich je nach der verſchiedenen Be-
gründung dieſer ihnen gemeinſamen Auffaſſung.

1. Die Strafe iſt ein Poſtulat der Vernunft, das
Strafgeſetz ein kategoriſcher Imperativ; Maßſtab für Qua-
lität und Quantität der Strafe das jus talionis. So Kant
(Kritik der praktiſchen Vernunft 1788 und Metaphyſ. An-
fangsgründe der Rechtslehre 1799). Ihm folgen C. S.
Zachariae (1805) und Henke (1811) in dem vergeblichen
Bemühen, Umfang und Inhalt der von dem Vergeltungs-
prinzipe geforderten Strafe nach anderen für das praktiſche
Leben verwertbareren Grundſätzen zu beſtimmen.

2. Nach Herbart (allgem. praktiſche Philoſophie 1808),
dem ſich Geyer anſchließt, iſt die Strafe eine äſthetiſche
Notwendigkeit
, begründet in unſerem Mißfallen am
Streite, an der durch das Verbrechen hervorgerufenen Un-
gleichheit; Rückgang des gleichen Quantums Weh’ von dem
Verletzten auf den Verletzer, alſo Wiederherſtellung der ge-
ſtörten Gleichheit iſt Weſen und Zweck der Strafe.

3. Die Strafe als dialektiſche Notwendigkeit. Nach
Hegel (Grundlinien der Philoſophie des Rechts 1821) iſt die

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[20/0046] Einleitung. I. Die Grundbegriffe. Gerechtigkeit“ (1843—5). Auch in Wächter’s Anſichten (Beilage 17) iſt der Einfluß Welcker’s unverkennbar. III. Die Notwendigkeitstheorien (Vergeltungs- oder Gerechtigkeitstheorien). Sie ſtimmen alle darin überein, daß die Strafe nicht eine vom Staate willkürlich mit dem Verbrechen verknüpfte politiſche Maßregel, ſondern notwendige Folge des Verbrechens iſt; daß ſie ganz abgeſehen von ihrer etwaigen Zweckmäßigkeit eintreten muß; daß geſtraft wird, weil verbrochen worden und nicht damit nicht verbrochen werde, und daß mithin die Vergangenheit und nicht die Zukunft Eintritt, Art und Maß der Strafe beſtimme. Die Vergel- tungstheorien gruppiren ſich je nach der verſchiedenen Be- gründung dieſer ihnen gemeinſamen Auffaſſung. 1. Die Strafe iſt ein Poſtulat der Vernunft, das Strafgeſetz ein kategoriſcher Imperativ; Maßſtab für Qua- lität und Quantität der Strafe das jus talionis. So Kant (Kritik der praktiſchen Vernunft 1788 und Metaphyſ. An- fangsgründe der Rechtslehre 1799). Ihm folgen C. S. Zachariae (1805) und Henke (1811) in dem vergeblichen Bemühen, Umfang und Inhalt der von dem Vergeltungs- prinzipe geforderten Strafe nach anderen für das praktiſche Leben verwertbareren Grundſätzen zu beſtimmen. 2. Nach Herbart (allgem. praktiſche Philoſophie 1808), dem ſich Geyer anſchließt, iſt die Strafe eine äſthetiſche Notwendigkeit, begründet in unſerem Mißfallen am Streite, an der durch das Verbrechen hervorgerufenen Un- gleichheit; Rückgang des gleichen Quantums Weh’ von dem Verletzten auf den Verletzer, alſo Wiederherſtellung der ge- ſtörten Gleichheit iſt Weſen und Zweck der Strafe. 3. Die Strafe als dialektiſche Notwendigkeit. Nach Hegel (Grundlinien der Philoſophie des Rechts 1821) iſt die

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/46>, abgerufen am 21.11.2024.