Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Kepler's Gesetze. konnte sich doch von jener Ansicht nicht trennen, und so groß auchsein Verdienst um die Wissenschaft war, so beschränkte er sich doch nur darauf, die von den Alten eingeführten Kreise anders zu vertheilen, aber diese Kreise selbst, an die er eben so fest, wie alle seine Vorgänger glaubte, wagte er nicht zu berühren. Keplern fehlte dieser Muth nicht, und er ging mit der Kraft §. 134. (Verhältnisse der Entfernungen der Planeten von der Kepler’s Geſetze. konnte ſich doch von jener Anſicht nicht trennen, und ſo groß auchſein Verdienſt um die Wiſſenſchaft war, ſo beſchränkte er ſich doch nur darauf, die von den Alten eingeführten Kreiſe anders zu vertheilen, aber dieſe Kreiſe ſelbſt, an die er eben ſo feſt, wie alle ſeine Vorgänger glaubte, wagte er nicht zu berühren. Keplern fehlte dieſer Muth nicht, und er ging mit der Kraft §. 134. (Verhältniſſe der Entfernungen der Planeten von der <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0279" n="267"/><fw place="top" type="header">Kepler’s Geſetze.</fw><lb/> konnte ſich doch von jener Anſicht nicht trennen, und ſo groß auch<lb/> ſein Verdienſt um die Wiſſenſchaft war, ſo beſchränkte er ſich<lb/> doch nur darauf, die von den Alten eingeführten Kreiſe anders<lb/> zu vertheilen, aber dieſe Kreiſe ſelbſt, an die er eben ſo feſt, wie<lb/> alle ſeine Vorgänger glaubte, wagte er nicht zu berühren.</p><lb/> <p>Keplern fehlte dieſer Muth nicht, und er ging mit der Kraft<lb/> und der Ausdauer an ſein für jene Zeiten großes, und mit vielen<lb/> Schwierigkeiten verbundenes Werk. Es iſt hier nicht der Ort,<lb/> die Leſer durch alle die Labyrinthe von Schlüſſen und Rechnungen<lb/> zu führen, die er ſelbſt durchwandern mußte, um ſeinen Zweck zu<lb/> erreichen. Er theilte uns die Reſultate dieſer Arbeiten in ſeinem<lb/> Werke: <hi rendition="#aq">Astronomia nova de motibus stellae Martis. Pragae<lb/> 1609. Fol.</hi> mit und die Leſer mögen in dieſem Buche ſelbſt Ge-<lb/> legenheit finden, den unverdroſſenen Muth, die unermüdliche Ge-<lb/> duld, und den immer treffenden Scharfblick zu bewundern, mit<lb/> welchem er ſich durch die weitläufigen und verwickelten Rechnun-<lb/> gen durchwindet, und ſelbſt die gute Laune und die lebhaften<lb/> Witzſpiele zu bemerken, mit welchen er ſeinen von ſo anſtrengenden<lb/> Arbeiten ermüdeten Geiſt wieder aufzuheitern ſuchte. Er ſagt<lb/> ſelbſt in einer Stelle dieſes Werkes: „Wem das Durchleſen dieſer<lb/> „mühevollen Rechnungen lange Weile macht, der mag immerhin<lb/> „Mitleid mit mir haben, der ich ſie wenigſtens ſiebenzigmal wie-<lb/> „derholen mußte, während er ſie nur einmal leſen darf.“ Und<lb/> eine einzige dieſer Rechnungen nimmt volle zehn Folioſeiten ein.<lb/> Hier wird es genug ſeyn, den Weg gezeigt zu haben, den er ging,<lb/> oder vielmehr, den er hätte gehen können, um ſein Ziel mit dem<lb/> wenigſten Aufwand von Zeit und Mühe zu erreichen.</p><lb/> <p>§. 134. (Verhältniſſe der Entfernungen der Planeten von der<lb/> Sonne.) Wenn alſo die Planetenbahnen fernerhin keine Kreiſe<lb/> mehr ſeyn konnten, welche andere krumme Linie ſollte man ihnen<lb/> ſubſtituiren? — Auch dieſe Frage konnte nur durch unmittelbare<lb/> Beobachtungen entſchieden werden. Es handelte ſich dabei vor-<lb/> züglich um eine größere Anzahl von Entfernungen irgend eines<lb/> Planeten von der Sonne in verſchiedenen Punkten ſeiner Bahn.<lb/> Kannte man dieſe Entfernungen, ſo ließ ſich die Geſtalt der Bahn<lb/> auf dem Papiere vorzeichnen, und dann konnte man zuſehen, wel-<lb/> cher Art die neue krumme Linie ſeyn ſoll.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [267/0279]
Kepler’s Geſetze.
konnte ſich doch von jener Anſicht nicht trennen, und ſo groß auch
ſein Verdienſt um die Wiſſenſchaft war, ſo beſchränkte er ſich
doch nur darauf, die von den Alten eingeführten Kreiſe anders
zu vertheilen, aber dieſe Kreiſe ſelbſt, an die er eben ſo feſt, wie
alle ſeine Vorgänger glaubte, wagte er nicht zu berühren.
Keplern fehlte dieſer Muth nicht, und er ging mit der Kraft
und der Ausdauer an ſein für jene Zeiten großes, und mit vielen
Schwierigkeiten verbundenes Werk. Es iſt hier nicht der Ort,
die Leſer durch alle die Labyrinthe von Schlüſſen und Rechnungen
zu führen, die er ſelbſt durchwandern mußte, um ſeinen Zweck zu
erreichen. Er theilte uns die Reſultate dieſer Arbeiten in ſeinem
Werke: Astronomia nova de motibus stellae Martis. Pragae
1609. Fol. mit und die Leſer mögen in dieſem Buche ſelbſt Ge-
legenheit finden, den unverdroſſenen Muth, die unermüdliche Ge-
duld, und den immer treffenden Scharfblick zu bewundern, mit
welchem er ſich durch die weitläufigen und verwickelten Rechnun-
gen durchwindet, und ſelbſt die gute Laune und die lebhaften
Witzſpiele zu bemerken, mit welchen er ſeinen von ſo anſtrengenden
Arbeiten ermüdeten Geiſt wieder aufzuheitern ſuchte. Er ſagt
ſelbſt in einer Stelle dieſes Werkes: „Wem das Durchleſen dieſer
„mühevollen Rechnungen lange Weile macht, der mag immerhin
„Mitleid mit mir haben, der ich ſie wenigſtens ſiebenzigmal wie-
„derholen mußte, während er ſie nur einmal leſen darf.“ Und
eine einzige dieſer Rechnungen nimmt volle zehn Folioſeiten ein.
Hier wird es genug ſeyn, den Weg gezeigt zu haben, den er ging,
oder vielmehr, den er hätte gehen können, um ſein Ziel mit dem
wenigſten Aufwand von Zeit und Mühe zu erreichen.
§. 134. (Verhältniſſe der Entfernungen der Planeten von der
Sonne.) Wenn alſo die Planetenbahnen fernerhin keine Kreiſe
mehr ſeyn konnten, welche andere krumme Linie ſollte man ihnen
ſubſtituiren? — Auch dieſe Frage konnte nur durch unmittelbare
Beobachtungen entſchieden werden. Es handelte ſich dabei vor-
züglich um eine größere Anzahl von Entfernungen irgend eines
Planeten von der Sonne in verſchiedenen Punkten ſeiner Bahn.
Kannte man dieſe Entfernungen, ſo ließ ſich die Geſtalt der Bahn
auf dem Papiere vorzeichnen, und dann konnte man zuſehen, wel-
cher Art die neue krumme Linie ſeyn ſoll.
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