Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Uranus. unmäßig, daß die guten Leute daselbst, die nun seit so langer Zeitauch hoffentlich daran gewöhnt sind, wenn sie plötzlich in die Mitte Afrika's versetzt würden, vor Kälte klappern und am Ende ganz erfrieren müßten. Unser Gold und Silber muß dort, der unge- heuern Hitze wegen, im beständigen Flusse seyn, wie bei uns das Quecksilber *), und da diese geschmolzenen Metalle das eigentliche Wasser ihrer Ströme ausmacht, so lassen es sich die guten Leute wohl nicht einfallen, daß es andere Welten gibt, wo man die- ses Wasser nur als den härtesten Körper kennt und dasselbe als Münzen bei sich in der Tasche herumträgt. Seine Tage müssen offenbar sehr kurz seyn **), oder er muß sich sehr schnell um seine Axe drehen, weil sonst die armen Leute auf diesem Planeten von der glühenden Esse, die über ihren Häuptern schwebt, ganz gebra- ten werden müßten. Daher dürfen wir uns auch nicht zu sehr verwundern, wenn wir einmal hin kommen und sehen, daß sie alle im Kopfe nicht recht richtig sind, daß den meisten das Gehirn verbrannt ist und daß sie stets lustig und leichtsinnig ***) wie die Kinder und die Narren in den Tag hinein leben und nur froh sind, wenn die kühle Nacht wieder kömmt, wo sie von ihren Sprüngen und von der Sonnenhitze etwas ausruhen können. Was nun weiter die Venus betrifft, so sind die Bewohner *) Fontenelle hat hier, wie sonst öfter, übertrieben, und seine Farben etwas stärker aufgetragen. Auf Merkur ist die Beleuchtung und also vielleicht auch die Temperatur, nur sechsmal größer, als bei uns, allein zum Schmelzen des Goldes und Silbers müßte die Hitze einige tausendmal größer seyn. **) Sie sind aber nahe so lang, als die Tage der Erde. ***) Der Uebersetzer Fontenelle's, Bode, macht dazu ganz ernsthaft
die Bemerkung: "Sonderbar! Man findet doch sonst bei uns, in "Berlin, daß eine große Hitze den Geist eher schläfrig und träge, "als lebhaft mache." Uranus. unmäßig, daß die guten Leute daſelbſt, die nun ſeit ſo langer Zeitauch hoffentlich daran gewöhnt ſind, wenn ſie plötzlich in die Mitte Afrika’s verſetzt würden, vor Kälte klappern und am Ende ganz erfrieren müßten. Unſer Gold und Silber muß dort, der unge- heuern Hitze wegen, im beſtändigen Fluſſe ſeyn, wie bei uns das Queckſilber *), und da dieſe geſchmolzenen Metalle das eigentliche Waſſer ihrer Ströme ausmacht, ſo laſſen es ſich die guten Leute wohl nicht einfallen, daß es andere Welten gibt, wo man die- ſes Waſſer nur als den härteſten Körper kennt und daſſelbe als Münzen bei ſich in der Taſche herumträgt. Seine Tage müſſen offenbar ſehr kurz ſeyn **), oder er muß ſich ſehr ſchnell um ſeine Axe drehen, weil ſonſt die armen Leute auf dieſem Planeten von der glühenden Eſſe, die über ihren Häuptern ſchwebt, ganz gebra- ten werden müßten. Daher dürfen wir uns auch nicht zu ſehr verwundern, wenn wir einmal hin kommen und ſehen, daß ſie alle im Kopfe nicht recht richtig ſind, daß den meiſten das Gehirn verbrannt iſt und daß ſie ſtets luſtig und leichtſinnig ***) wie die Kinder und die Narren in den Tag hinein leben und nur froh ſind, wenn die kühle Nacht wieder kömmt, wo ſie von ihren Sprüngen und von der Sonnenhitze etwas ausruhen können. Was nun weiter die Venus betrifft, ſo ſind die Bewohner *) Fontenelle hat hier, wie ſonſt öfter, übertrieben, und ſeine Farben etwas ſtärker aufgetragen. Auf Merkur iſt die Beleuchtung und alſo vielleicht auch die Temperatur, nur ſechsmal größer, als bei uns, allein zum Schmelzen des Goldes und Silbers müßte die Hitze einige tauſendmal größer ſeyn. **) Sie ſind aber nahe ſo lang, als die Tage der Erde. ***) Der Ueberſetzer Fontenelle’s, Bode, macht dazu ganz ernſthaft
die Bemerkung: „Sonderbar! Man findet doch ſonſt bei uns, in „Berlin, daß eine große Hitze den Geiſt eher ſchläfrig und träge, „als lebhaft mache.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0178" n="168"/><fw place="top" type="header">Uranus.</fw><lb/> unmäßig, daß die guten Leute daſelbſt, die nun ſeit ſo langer Zeit<lb/> auch hoffentlich daran gewöhnt ſind, wenn ſie plötzlich in die Mitte<lb/> Afrika’s verſetzt würden, vor Kälte klappern und am Ende ganz<lb/> erfrieren müßten. Unſer Gold und Silber muß dort, der unge-<lb/> heuern Hitze wegen, im beſtändigen Fluſſe ſeyn, wie bei uns das<lb/> Queckſilber <note place="foot" n="*)">Fontenelle hat hier, wie ſonſt öfter, übertrieben, und ſeine Farben<lb/> etwas ſtärker aufgetragen. Auf Merkur iſt die Beleuchtung und<lb/> alſo vielleicht auch die Temperatur, nur ſechsmal größer, als bei<lb/> uns, allein zum Schmelzen des Goldes und Silbers müßte die<lb/> Hitze einige tauſendmal größer ſeyn.</note>, und da dieſe geſchmolzenen Metalle das eigentliche<lb/> Waſſer ihrer Ströme ausmacht, ſo laſſen es ſich die guten Leute<lb/> wohl nicht einfallen, daß es andere Welten gibt, wo man die-<lb/> ſes Waſſer nur als den härteſten Körper kennt und daſſelbe als<lb/> Münzen bei ſich in der Taſche herumträgt. Seine Tage müſſen<lb/> offenbar ſehr kurz ſeyn <note place="foot" n="**)">Sie ſind aber nahe ſo lang, als die Tage der Erde.</note>, oder er muß ſich ſehr ſchnell um ſeine<lb/> Axe drehen, weil ſonſt die armen Leute auf dieſem Planeten von<lb/> der glühenden Eſſe, die über ihren Häuptern ſchwebt, ganz gebra-<lb/> ten werden müßten. Daher dürfen wir uns auch nicht zu ſehr<lb/> verwundern, wenn wir einmal hin kommen und ſehen, daß ſie alle<lb/> im Kopfe nicht recht richtig ſind, daß den meiſten das Gehirn<lb/> verbrannt iſt und daß ſie ſtets luſtig und leichtſinnig <note place="foot" n="***)">Der Ueberſetzer Fontenelle’s, Bode, macht dazu ganz ernſthaft<lb/> die Bemerkung: „Sonderbar! Man findet doch ſonſt bei uns, in<lb/> „Berlin, daß eine große Hitze den Geiſt eher ſchläfrig und träge,<lb/> „als lebhaft mache.“</note> wie die<lb/> Kinder und die Narren in den Tag hinein leben und nur froh<lb/> ſind, wenn die kühle Nacht wieder kömmt, wo ſie von ihren<lb/> Sprüngen und von der Sonnenhitze etwas ausruhen können.</p><lb/> <p>Was nun weiter die <hi rendition="#g">Venus</hi> betrifft, ſo ſind die Bewohner<lb/> derſelben lauter Seladons und Sylphiden, Romanenhelden und<lb/> Heldinnen, verliebte Zeiſige, die, wie unſere Dichter, von nichts<lb/> als Liebe girren und ſich damit einander oft ganz entſetzliche Lan-<lb/> geweile machen. Von Philoſophie, Mathematik und andern ernſt-<lb/> haften Dingen iſt da das ganze Jahr keine Rede, nicht einmal<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0178]
Uranus.
unmäßig, daß die guten Leute daſelbſt, die nun ſeit ſo langer Zeit
auch hoffentlich daran gewöhnt ſind, wenn ſie plötzlich in die Mitte
Afrika’s verſetzt würden, vor Kälte klappern und am Ende ganz
erfrieren müßten. Unſer Gold und Silber muß dort, der unge-
heuern Hitze wegen, im beſtändigen Fluſſe ſeyn, wie bei uns das
Queckſilber *), und da dieſe geſchmolzenen Metalle das eigentliche
Waſſer ihrer Ströme ausmacht, ſo laſſen es ſich die guten Leute
wohl nicht einfallen, daß es andere Welten gibt, wo man die-
ſes Waſſer nur als den härteſten Körper kennt und daſſelbe als
Münzen bei ſich in der Taſche herumträgt. Seine Tage müſſen
offenbar ſehr kurz ſeyn **), oder er muß ſich ſehr ſchnell um ſeine
Axe drehen, weil ſonſt die armen Leute auf dieſem Planeten von
der glühenden Eſſe, die über ihren Häuptern ſchwebt, ganz gebra-
ten werden müßten. Daher dürfen wir uns auch nicht zu ſehr
verwundern, wenn wir einmal hin kommen und ſehen, daß ſie alle
im Kopfe nicht recht richtig ſind, daß den meiſten das Gehirn
verbrannt iſt und daß ſie ſtets luſtig und leichtſinnig ***) wie die
Kinder und die Narren in den Tag hinein leben und nur froh
ſind, wenn die kühle Nacht wieder kömmt, wo ſie von ihren
Sprüngen und von der Sonnenhitze etwas ausruhen können.
Was nun weiter die Venus betrifft, ſo ſind die Bewohner
derſelben lauter Seladons und Sylphiden, Romanenhelden und
Heldinnen, verliebte Zeiſige, die, wie unſere Dichter, von nichts
als Liebe girren und ſich damit einander oft ganz entſetzliche Lan-
geweile machen. Von Philoſophie, Mathematik und andern ernſt-
haften Dingen iſt da das ganze Jahr keine Rede, nicht einmal
*) Fontenelle hat hier, wie ſonſt öfter, übertrieben, und ſeine Farben
etwas ſtärker aufgetragen. Auf Merkur iſt die Beleuchtung und
alſo vielleicht auch die Temperatur, nur ſechsmal größer, als bei
uns, allein zum Schmelzen des Goldes und Silbers müßte die
Hitze einige tauſendmal größer ſeyn.
**) Sie ſind aber nahe ſo lang, als die Tage der Erde.
***) Der Ueberſetzer Fontenelle’s, Bode, macht dazu ganz ernſthaft
die Bemerkung: „Sonderbar! Man findet doch ſonſt bei uns, in
„Berlin, daß eine große Hitze den Geiſt eher ſchläfrig und träge,
„als lebhaft mache.“
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