Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Doppelsterne.
die Complication dieser krummen Linien noch ungleich größer seyn
und daß es unserer mathematischen Analysis, so vollkommen diese
auch seyn mag, ganz unmöglich fallen würde, diese äußerst zu-
sammengesetzten Bewegungen auch nur annähernd zu bestimmen.

§. 223. (Anblick des Himmels von diesen Planeten.) Wir
haben bereits oben gesehen, welchen sonderbaren Anblick der Himmel
von der Oberfläche des Mondes oder der Satelliten Jupiters und
Saturns gewährt. Noch viel auffallender werden aber die Er-
scheinungen seyn, welche derselbe den Bewohnern der Planeten der
Doppelsterne darbietet. Die mannigfaltig verwickelten und in
einander geschlungenen Bahnen der andern Planeten, die wir so
eben betrachtet haben, werden die Bewohner derselben, welche diese
Bahnen wieder von immer geändertem Standpunkte aus betrachten,
über die wahre Beschaffenheit derselben wahrscheinlich noch viel
ungewisser machen, als wir selbst über die Bahnen unserer Plane-
ten Jahrtausende hindurch gewesen sind, bis es endlich dem Scharf-
sinne zweier seltener Männer, Copernicus und Kepler, gelungen
ist, uns dieselben näher kennen zu lehren. Denken wir uns noch
dazu die Satelliten, die Ringe dieser Planeten und ein ganzes
Heer von Kometen, welche sie nach jeder Richtung umschwärmen,
alle in einen verhältnißmäßig sehr kleinen Raum zusammengedrängt,
-- so wird es schwer, sich von diesem Schauspiele eine nur einiger-
maßen getreue Vorstellung zu machen. Welchen Eindruck würde
nur auf unser Auge, welche Veränderungen in der ganzen uns
umgebenden Natur würde überdieß eine rothe, eine grüne, eine
blaue Sonne erzeugen! -- Wenn auch nur unser eigenes Sonnen-
licht bloß aus weißen Strahlen bestünde, die sich nicht in einzelne
gefärbte Strahlen zerlegen ließen: wie ganz anders würde uns die
ganze Welt erscheinen. Wir haben bereits oben (II. S. 9.) Gelegen-
heit gehabt, die Wirkungen der gefärbten Sonnenstrahlen auf die
Körper der Natur näher anzugeben.

Wenn wir aber diese wunderbaren Farbenspiele der Natur
schon unserer einzigen Sonne verdanken, -- welch' ein ganz anderes
Schauspiel mögen in jenen Regionen zwei und mehrere Sonnen
von verschiedenen Farben erzeugen. Eine rothe Sonne erhebt sich
dort über den Horizont des erstaunten Beobachters und Erde und

Doppelſterne.
die Complication dieſer krummen Linien noch ungleich größer ſeyn
und daß es unſerer mathematiſchen Analyſis, ſo vollkommen dieſe
auch ſeyn mag, ganz unmöglich fallen würde, dieſe äußerſt zu-
ſammengeſetzten Bewegungen auch nur annähernd zu beſtimmen.

§. 223. (Anblick des Himmels von dieſen Planeten.) Wir
haben bereits oben geſehen, welchen ſonderbaren Anblick der Himmel
von der Oberfläche des Mondes oder der Satelliten Jupiters und
Saturns gewährt. Noch viel auffallender werden aber die Er-
ſcheinungen ſeyn, welche derſelbe den Bewohnern der Planeten der
Doppelſterne darbietet. Die mannigfaltig verwickelten und in
einander geſchlungenen Bahnen der andern Planeten, die wir ſo
eben betrachtet haben, werden die Bewohner derſelben, welche dieſe
Bahnen wieder von immer geändertem Standpunkte aus betrachten,
über die wahre Beſchaffenheit derſelben wahrſcheinlich noch viel
ungewiſſer machen, als wir ſelbſt über die Bahnen unſerer Plane-
ten Jahrtauſende hindurch geweſen ſind, bis es endlich dem Scharf-
ſinne zweier ſeltener Männer, Copernicus und Kepler, gelungen
iſt, uns dieſelben näher kennen zu lehren. Denken wir uns noch
dazu die Satelliten, die Ringe dieſer Planeten und ein ganzes
Heer von Kometen, welche ſie nach jeder Richtung umſchwärmen,
alle in einen verhältnißmäßig ſehr kleinen Raum zuſammengedrängt,
— ſo wird es ſchwer, ſich von dieſem Schauſpiele eine nur einiger-
maßen getreue Vorſtellung zu machen. Welchen Eindruck würde
nur auf unſer Auge, welche Veränderungen in der ganzen uns
umgebenden Natur würde überdieß eine rothe, eine grüne, eine
blaue Sonne erzeugen! — Wenn auch nur unſer eigenes Sonnen-
licht bloß aus weißen Strahlen beſtünde, die ſich nicht in einzelne
gefärbte Strahlen zerlegen ließen: wie ganz anders würde uns die
ganze Welt erſcheinen. Wir haben bereits oben (II. S. 9.) Gelegen-
heit gehabt, die Wirkungen der gefärbten Sonnenſtrahlen auf die
Körper der Natur näher anzugeben.

Wenn wir aber dieſe wunderbaren Farbenſpiele der Natur
ſchon unſerer einzigen Sonne verdanken, — welch’ ein ganz anderes
Schauſpiel mögen in jenen Regionen zwei und mehrere Sonnen
von verſchiedenen Farben erzeugen. Eine rothe Sonne erhebt ſich
dort über den Horizont des erſtaunten Beobachters und Erde und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0361" n="351"/><fw place="top" type="header">Doppel&#x017F;terne.</fw><lb/>
die Complication die&#x017F;er krummen Linien noch ungleich größer &#x017F;eyn<lb/>
und daß es un&#x017F;erer mathemati&#x017F;chen Analy&#x017F;is, &#x017F;o vollkommen die&#x017F;e<lb/>
auch &#x017F;eyn mag, ganz unmöglich fallen würde, die&#x017F;e äußer&#x017F;t zu-<lb/>
&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Bewegungen auch nur annähernd zu be&#x017F;timmen.</p><lb/>
            <p>§. 223. (Anblick des Himmels von die&#x017F;en Planeten.) Wir<lb/>
haben bereits oben ge&#x017F;ehen, welchen &#x017F;onderbaren Anblick der Himmel<lb/>
von der Oberfläche des Mondes oder der Satelliten Jupiters und<lb/>
Saturns gewährt. Noch viel auffallender werden aber die Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen &#x017F;eyn, welche der&#x017F;elbe den Bewohnern der Planeten der<lb/>
Doppel&#x017F;terne darbietet. Die mannigfaltig verwickelten und in<lb/>
einander ge&#x017F;chlungenen Bahnen der andern Planeten, die wir &#x017F;o<lb/>
eben betrachtet haben, werden die Bewohner der&#x017F;elben, welche die&#x017F;e<lb/>
Bahnen wieder von immer geändertem Standpunkte aus betrachten,<lb/>
über die wahre Be&#x017F;chaffenheit der&#x017F;elben wahr&#x017F;cheinlich noch viel<lb/>
ungewi&#x017F;&#x017F;er machen, als wir &#x017F;elb&#x017F;t über die Bahnen un&#x017F;erer Plane-<lb/>
ten Jahrtau&#x017F;ende hindurch gewe&#x017F;en &#x017F;ind, bis es endlich dem Scharf-<lb/>
&#x017F;inne zweier &#x017F;eltener Männer, Copernicus und Kepler, gelungen<lb/>
i&#x017F;t, uns die&#x017F;elben näher kennen zu lehren. Denken wir uns noch<lb/>
dazu die Satelliten, die Ringe die&#x017F;er Planeten und ein ganzes<lb/>
Heer von Kometen, welche &#x017F;ie nach jeder Richtung um&#x017F;chwärmen,<lb/>
alle in einen verhältnißmäßig &#x017F;ehr kleinen Raum zu&#x017F;ammengedrängt,<lb/>
&#x2014; &#x017F;o wird es &#x017F;chwer, &#x017F;ich von die&#x017F;em Schau&#x017F;piele eine nur einiger-<lb/>
maßen getreue Vor&#x017F;tellung zu machen. Welchen Eindruck würde<lb/>
nur auf un&#x017F;er Auge, welche Veränderungen in der ganzen uns<lb/>
umgebenden Natur würde überdieß eine rothe, eine grüne, eine<lb/>
blaue Sonne erzeugen! &#x2014; Wenn auch nur un&#x017F;er eigenes Sonnen-<lb/>
licht bloß aus weißen Strahlen be&#x017F;tünde, die &#x017F;ich nicht in einzelne<lb/>
gefärbte Strahlen zerlegen ließen: wie ganz anders würde uns die<lb/>
ganze Welt er&#x017F;cheinen. Wir haben bereits oben (<hi rendition="#aq">II.</hi> S. 9.) Gelegen-<lb/>
heit gehabt, die Wirkungen der gefärbten Sonnen&#x017F;trahlen auf die<lb/>
Körper der Natur näher anzugeben.</p><lb/>
            <p>Wenn wir aber die&#x017F;e wunderbaren Farben&#x017F;piele der Natur<lb/>
&#x017F;chon un&#x017F;erer einzigen Sonne verdanken, &#x2014; welch&#x2019; ein ganz anderes<lb/>
Schau&#x017F;piel mögen in jenen Regionen zwei und mehrere Sonnen<lb/>
von ver&#x017F;chiedenen Farben erzeugen. Eine rothe Sonne erhebt &#x017F;ich<lb/>
dort über den Horizont des er&#x017F;taunten Beobachters und Erde und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0361] Doppelſterne. die Complication dieſer krummen Linien noch ungleich größer ſeyn und daß es unſerer mathematiſchen Analyſis, ſo vollkommen dieſe auch ſeyn mag, ganz unmöglich fallen würde, dieſe äußerſt zu- ſammengeſetzten Bewegungen auch nur annähernd zu beſtimmen. §. 223. (Anblick des Himmels von dieſen Planeten.) Wir haben bereits oben geſehen, welchen ſonderbaren Anblick der Himmel von der Oberfläche des Mondes oder der Satelliten Jupiters und Saturns gewährt. Noch viel auffallender werden aber die Er- ſcheinungen ſeyn, welche derſelbe den Bewohnern der Planeten der Doppelſterne darbietet. Die mannigfaltig verwickelten und in einander geſchlungenen Bahnen der andern Planeten, die wir ſo eben betrachtet haben, werden die Bewohner derſelben, welche dieſe Bahnen wieder von immer geändertem Standpunkte aus betrachten, über die wahre Beſchaffenheit derſelben wahrſcheinlich noch viel ungewiſſer machen, als wir ſelbſt über die Bahnen unſerer Plane- ten Jahrtauſende hindurch geweſen ſind, bis es endlich dem Scharf- ſinne zweier ſeltener Männer, Copernicus und Kepler, gelungen iſt, uns dieſelben näher kennen zu lehren. Denken wir uns noch dazu die Satelliten, die Ringe dieſer Planeten und ein ganzes Heer von Kometen, welche ſie nach jeder Richtung umſchwärmen, alle in einen verhältnißmäßig ſehr kleinen Raum zuſammengedrängt, — ſo wird es ſchwer, ſich von dieſem Schauſpiele eine nur einiger- maßen getreue Vorſtellung zu machen. Welchen Eindruck würde nur auf unſer Auge, welche Veränderungen in der ganzen uns umgebenden Natur würde überdieß eine rothe, eine grüne, eine blaue Sonne erzeugen! — Wenn auch nur unſer eigenes Sonnen- licht bloß aus weißen Strahlen beſtünde, die ſich nicht in einzelne gefärbte Strahlen zerlegen ließen: wie ganz anders würde uns die ganze Welt erſcheinen. Wir haben bereits oben (II. S. 9.) Gelegen- heit gehabt, die Wirkungen der gefärbten Sonnenſtrahlen auf die Körper der Natur näher anzugeben. Wenn wir aber dieſe wunderbaren Farbenſpiele der Natur ſchon unſerer einzigen Sonne verdanken, — welch’ ein ganz anderes Schauſpiel mögen in jenen Regionen zwei und mehrere Sonnen von verſchiedenen Farben erzeugen. Eine rothe Sonne erhebt ſich dort über den Horizont des erſtaunten Beobachters und Erde und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/361
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/361>, abgerufen am 21.11.2024.