§. 27. (II. Umlaufszeit des Mondes um die Erde.) Wenn Newton durch unmittelbare Versuche, oder auf Beobachtun- gen gegründete Rechnungen entscheiden wollte, ob es in der That dieselbe Kraft ist, die den Stein auf die Erde fallen macht, und die den Mond um dieselbe bewegt, so mußte er zweitens die Zeit, in welcher der Mond sich um die Erde bewegt, oder er mußte die Revolution des Mondes mit großer Genauigkeit kennen. Wir haben aber bereits oben (I. §. 123) gezeigt, daß man, wenn man zwei in der Zeit sehr von einander entfernte Beobachtungen des Mondes vergleicht, die wahre Größe dieser Revolution mit aller nur wünschenswerthen Schärfe bestimmen kann, wie denn auch bereits die alten Griechen sie so genau be- stimmt hatten, daß die neueren Astronomen nur wenig oder nichts mehr hinzufügen konnten. Diese Umlaufszeit des Mondes um die Erde, in Beziehung auf die Fixsterne oder die sogenannte siderische Revolution desselben (I. §. 100) beträgt 27,3216614 Tage. Da er in dieser Zeit volle 360 Grade oder 1296000 Sekunden beschreibt, so findet man leicht durch eine einfache Proportion, daß der Mond in seiner Bewegung um die Erde in jeder Zeit- sekunde den kleinen Winkel von 0,5479 Sekunden zurücklegt. Allein man weiß, daß die halbe Peripherie eines jeden Kreises, dessen Halbmesser für die Einheit angenommen wird, 3,1415926 Theile dieses Halbmessers beträgt, daß also zu einem Winkel von 648000 Sekunden der Bogen 3,1415926 und daher auch zu einem Winkel von einer einzigen Sekunde der Bogen von 0,0000048481 Halb- messern gehört. Multiplicirt man daher die letzte Zahl durch 0,5479, so folgt, daß der Bogen der Mondsbahn, der von diesen Himmelskörpern in jeder Sekunde beschrieben wird, gleich dem 0,0000026563sten Theil des Halbmessers der Mondsbahn ist. Es ist aber aus dem Kap. V. des I. Theiles bekannt, wie man die Entfernung des Mondes von der Erde durch die Beobachtung der Parallaxe dieses Gestirns findet. Diese Beobachtungen gaben die Entfernung des Mondes von dem Mittelpunkte der Erde, oder den Halbmesser der Mondsbahn gleich 60,16 Halbmesser der Erde. Multiplicirt man daher die beiden letzten Zahlen durch einander, so findet man, daß der Bogen, welchen der Mond in seiner
Allgemeine Schwere.
§. 27. (II. Umlaufszeit des Mondes um die Erde.) Wenn Newton durch unmittelbare Verſuche, oder auf Beobachtun- gen gegründete Rechnungen entſcheiden wollte, ob es in der That dieſelbe Kraft iſt, die den Stein auf die Erde fallen macht, und die den Mond um dieſelbe bewegt, ſo mußte er zweitens die Zeit, in welcher der Mond ſich um die Erde bewegt, oder er mußte die Revolution des Mondes mit großer Genauigkeit kennen. Wir haben aber bereits oben (I. §. 123) gezeigt, daß man, wenn man zwei in der Zeit ſehr von einander entfernte Beobachtungen des Mondes vergleicht, die wahre Größe dieſer Revolution mit aller nur wünſchenswerthen Schärfe beſtimmen kann, wie denn auch bereits die alten Griechen ſie ſo genau be- ſtimmt hatten, daß die neueren Aſtronomen nur wenig oder nichts mehr hinzufügen konnten. Dieſe Umlaufszeit des Mondes um die Erde, in Beziehung auf die Fixſterne oder die ſogenannte ſideriſche Revolution deſſelben (I. §. 100) beträgt 27,3216614 Tage. Da er in dieſer Zeit volle 360 Grade oder 1296000 Sekunden beſchreibt, ſo findet man leicht durch eine einfache Proportion, daß der Mond in ſeiner Bewegung um die Erde in jeder Zeit- ſekunde den kleinen Winkel von 0,5479 Sekunden zurücklegt. Allein man weiß, daß die halbe Peripherie eines jeden Kreiſes, deſſen Halbmeſſer für die Einheit angenommen wird, 3,1415926 Theile dieſes Halbmeſſers beträgt, daß alſo zu einem Winkel von 648000 Sekunden der Bogen 3,1415926 und daher auch zu einem Winkel von einer einzigen Sekunde der Bogen von 0,0000048481 Halb- meſſern gehört. Multiplicirt man daher die letzte Zahl durch 0,5479, ſo folgt, daß der Bogen der Mondsbahn, der von dieſen Himmelskörpern in jeder Sekunde beſchrieben wird, gleich dem 0,0000026563ſten Theil des Halbmeſſers der Mondsbahn iſt. Es iſt aber aus dem Kap. V. des I. Theiles bekannt, wie man die Entfernung des Mondes von der Erde durch die Beobachtung der Parallaxe dieſes Geſtirns findet. Dieſe Beobachtungen gaben die Entfernung des Mondes von dem Mittelpunkte der Erde, oder den Halbmeſſer der Mondsbahn gleich 60,16 Halbmeſſer der Erde. Multiplicirt man daher die beiden letzten Zahlen durch einander, ſo findet man, daß der Bogen, welchen der Mond in ſeiner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0052"n="40"/><fwplace="top"type="header">Allgemeine Schwere.</fw><lb/><p>§. 27. (<hirendition="#aq">II.</hi> Umlaufszeit des Mondes um die Erde.) Wenn<lb/>
Newton durch unmittelbare Verſuche, oder auf Beobachtun-<lb/>
gen gegründete Rechnungen entſcheiden wollte, ob es in der That<lb/>
dieſelbe Kraft iſt, die den Stein auf die Erde fallen macht,<lb/>
und die den Mond um dieſelbe bewegt, ſo mußte er zweitens die<lb/>
Zeit, in welcher der Mond ſich um die Erde bewegt, oder er<lb/>
mußte die Revolution des Mondes mit großer Genauigkeit<lb/>
kennen. Wir haben aber bereits oben (<hirendition="#aq">I.</hi> §. 123) gezeigt, daß<lb/>
man, wenn man zwei in der Zeit ſehr von einander entfernte<lb/>
Beobachtungen des Mondes vergleicht, die wahre Größe dieſer<lb/>
Revolution mit aller nur wünſchenswerthen Schärfe beſtimmen<lb/>
kann, wie denn auch bereits die alten Griechen ſie ſo genau be-<lb/>ſtimmt hatten, daß die neueren Aſtronomen nur wenig oder nichts<lb/>
mehr hinzufügen konnten. Dieſe Umlaufszeit des Mondes um<lb/>
die Erde, in Beziehung auf die Fixſterne oder die ſogenannte<lb/>ſideriſche Revolution deſſelben (<hirendition="#aq">I.</hi> §. 100) beträgt 27,<hirendition="#sub">3216614</hi> Tage.<lb/>
Da er in dieſer Zeit volle 360 Grade oder 1296000 Sekunden<lb/>
beſchreibt, ſo findet man leicht durch eine einfache Proportion,<lb/>
daß der Mond in ſeiner Bewegung um die Erde in jeder Zeit-<lb/>ſekunde den kleinen Winkel von 0,<hirendition="#sub">5479</hi> Sekunden zurücklegt. Allein<lb/>
man weiß, daß die halbe Peripherie eines jeden Kreiſes, deſſen<lb/>
Halbmeſſer für die Einheit angenommen wird, 3,<hirendition="#sub">1415926</hi> Theile<lb/>
dieſes Halbmeſſers beträgt, daß alſo zu einem Winkel von 648000<lb/>
Sekunden der Bogen 3,<hirendition="#sub">1415926</hi> und daher auch zu einem Winkel<lb/>
von einer einzigen Sekunde der Bogen von 0,<hirendition="#sub">0000048481</hi> Halb-<lb/>
meſſern gehört. Multiplicirt man daher die letzte Zahl durch<lb/>
0,<hirendition="#sub">5479</hi>, ſo folgt, daß der Bogen der Mondsbahn, der von dieſen<lb/>
Himmelskörpern in jeder Sekunde beſchrieben wird, gleich dem<lb/>
0,<hirendition="#sub">0000026563</hi>ſten Theil des Halbmeſſers der Mondsbahn iſt. Es<lb/>
iſt aber aus dem Kap. <hirendition="#aq">V.</hi> des <hirendition="#aq">I.</hi> Theiles bekannt, wie man die<lb/>
Entfernung des Mondes von der Erde durch die Beobachtung<lb/>
der Parallaxe dieſes Geſtirns findet. Dieſe Beobachtungen gaben<lb/>
die Entfernung des Mondes von dem Mittelpunkte der Erde, oder<lb/>
den Halbmeſſer der Mondsbahn gleich 60,<hirendition="#sub">16</hi> Halbmeſſer der Erde.<lb/>
Multiplicirt man daher die beiden letzten Zahlen durch einander,<lb/>ſo findet man, daß der Bogen, welchen der Mond in ſeiner<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[40/0052]
Allgemeine Schwere.
§. 27. (II. Umlaufszeit des Mondes um die Erde.) Wenn
Newton durch unmittelbare Verſuche, oder auf Beobachtun-
gen gegründete Rechnungen entſcheiden wollte, ob es in der That
dieſelbe Kraft iſt, die den Stein auf die Erde fallen macht,
und die den Mond um dieſelbe bewegt, ſo mußte er zweitens die
Zeit, in welcher der Mond ſich um die Erde bewegt, oder er
mußte die Revolution des Mondes mit großer Genauigkeit
kennen. Wir haben aber bereits oben (I. §. 123) gezeigt, daß
man, wenn man zwei in der Zeit ſehr von einander entfernte
Beobachtungen des Mondes vergleicht, die wahre Größe dieſer
Revolution mit aller nur wünſchenswerthen Schärfe beſtimmen
kann, wie denn auch bereits die alten Griechen ſie ſo genau be-
ſtimmt hatten, daß die neueren Aſtronomen nur wenig oder nichts
mehr hinzufügen konnten. Dieſe Umlaufszeit des Mondes um
die Erde, in Beziehung auf die Fixſterne oder die ſogenannte
ſideriſche Revolution deſſelben (I. §. 100) beträgt 27,3216614 Tage.
Da er in dieſer Zeit volle 360 Grade oder 1296000 Sekunden
beſchreibt, ſo findet man leicht durch eine einfache Proportion,
daß der Mond in ſeiner Bewegung um die Erde in jeder Zeit-
ſekunde den kleinen Winkel von 0,5479 Sekunden zurücklegt. Allein
man weiß, daß die halbe Peripherie eines jeden Kreiſes, deſſen
Halbmeſſer für die Einheit angenommen wird, 3,1415926 Theile
dieſes Halbmeſſers beträgt, daß alſo zu einem Winkel von 648000
Sekunden der Bogen 3,1415926 und daher auch zu einem Winkel
von einer einzigen Sekunde der Bogen von 0,0000048481 Halb-
meſſern gehört. Multiplicirt man daher die letzte Zahl durch
0,5479, ſo folgt, daß der Bogen der Mondsbahn, der von dieſen
Himmelskörpern in jeder Sekunde beſchrieben wird, gleich dem
0,0000026563ſten Theil des Halbmeſſers der Mondsbahn iſt. Es
iſt aber aus dem Kap. V. des I. Theiles bekannt, wie man die
Entfernung des Mondes von der Erde durch die Beobachtung
der Parallaxe dieſes Geſtirns findet. Dieſe Beobachtungen gaben
die Entfernung des Mondes von dem Mittelpunkte der Erde, oder
den Halbmeſſer der Mondsbahn gleich 60,16 Halbmeſſer der Erde.
Multiplicirt man daher die beiden letzten Zahlen durch einander,
ſo findet man, daß der Bogen, welchen der Mond in ſeiner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/52>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.