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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Moses gezielet hätte/ als er den Huren-Kin-
dern und Verschnittenen/ als derer Andacht
aus kein em hertzlichen Triebe entspringet/ und
derer Gebet nichts männliches in sich hat/ den
Eintritt in das Heiligthum verboten. Denn
ihr gleißnerischer Gottesdienst wäre schlimmer
als Zenons gäntzliche Verachtung der Götter/
und als die Boßheit des Spötters Diogenes;
welcher Dianen einen Floch opfferte; weil er
ein Gottesdienst seyn wolte/ und doch keiner
wäre; so wie die Affen und Meer-Katzen deß-
halben so abscheulich und lächerlich aussähen/
weil sie Menschen ähnlich schienen/ und doch
nichts menschliches an sich hätten. Daher
brächten die/ welche aus Furcht für dem Scharf-
richter Weyrauch auffs Altar streuten/ GOtt
an statt süssen Geruchs einen abscheulichen Ge-
stanck. Jhre Frömmigkeit gleichte den Schwan-
Federn/ welche das schwartze Fleisch dieses Vo-
gels versteckten/ deßwegen ihn auch kein Volck
iemahls seinen Göttern zu opffern gewürdigt
hat. Pythagoras/ den der Fluß Caucasus sei-
ner Weißheit halber gegrüst haben soll/ als er
darüber gesetzt/ hätte deßhalben der Warheit
des Glaubens/ und der Reinigkeit des Gottes-
dienstes zu untersuchen/ und darüber zu streiten
freygelassen. Denn ein blinder Gehorsam wä-
re ein Werck unvernünfftiger Thiere; die in
den tieffen Brunnen der Ungewißheit versänck-
te Warheit aber zu erforschen/ und die Prüfun-
gen der Meynungen ein Thun der Menschen.
Uber diß hielten einige dafür: daß man zum
Geheimnüße der Gottheit nicht durch einen
Weg kommen könte; oder auch die unterschie-
denen Meynungen endlich im Zwecke wie die
unterschiedenen Striche in dem Mittel eines
Kreyßes zusammen kämen. Es sey vernünff-
tiger der Gewissens-Freyheit etwas durch die
Finger sehen/ und die Hitze etlicher Glieder
verrauchen lassen/ als durch allzustarcke Artz-
neyen alle schädliche Feuchtigkeiten des gantzen
Leibes rege machen. Die Grichen und Römer
[Spaltenumbruch] schmückten mit Persischen und Serischen Tep-
pichten ihre Tempel aus; die Deutschen rau-
cherten mit dem Weyrauche der Araber auf ih-
ren Opffer-Tischen sonder Verunehrung ihres
gantz andern Gottesdienstes. Warum solte
man denn alle etwas anders glaubende Men-
schen aus unserm Lande und Heiligthümern
verstossen? Jnsonderheit kützelte bey den Druy-
den der so hoch geschätzte Adel die Ohren der
Fürsten; für welchen hingegen der Abbruch und
die Umschränckung ihrer Gewalt fürsichtig
verhölet ward/ mit scheinbarer Fürbildung: daß
wenn das Volck durch unterschiedene Glauben
zerspaltet würde/ hätte ihr Haupt gut machen/
und ein Fürst die beste Gelegenheit den Mei-
ster zu spielen. Weßwegen die Egyptischen
Könige die Geheimnüße ihres Glaubens dem
Volcke mit Fleiß verborgen/ und ieden was ihn
gut deuchtete zu glauben freygelassen hätten/
wormit sie so viel weniger sich wieder ihr Haupt
vereinbaren könten. Endlich wüsten die Für-
sten ihren Unterthanen nichts so schweres auff
die Achsel zu bürden; welches sie nicht bey Frey-
lassung ihres Gewissens gedultig ertragen wür-
den. Die fürnehmste Ursache aber dieser Rath-
geber war das Absehen auf ihr eigenes Aufneh-
men/ welches die/ so von ihres Fürsten Glücke
rathschlagen/ selten außer Augen setzen. Denn
nach dem sie die Druyden von dem andächtigen
Volcke mit dem Kerne der fruchtbarsten Güter
überschütten/ sie als Ausleger des Göttlichen
Willens in den Rath-Stuben der Könige den
Obersitz nehmen/ den Pöfel selbte halb-göttlich
verehren/ und ihre Geschlechter auf die höchsten
Staffeln der Ehren empor klimmen sahen/ ga-
ben die edelsten Gallier/ und also hernach auch
die Deutschen/ insonderheit derer Vermögen
entweder durch Unfälle/ oder durch Zerthei-
lung in viel Kinder vermindert ward/ und zu
Erhaltung des Geschlechtes nicht auskomment-
lich war/ ihre geschicksten Söhne anfangs in
ihre Lehre/ hernach in ihre Gemeinschafft/ des-

sen

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Moſes gezielet haͤtte/ als er den Huren-Kin-
dern und Verſchnittenen/ als derer Andacht
aus kein em hertzlichen Triebe entſpringet/ und
derer Gebet nichts maͤnnliches in ſich hat/ den
Eintritt in das Heiligthum verboten. Denn
ihr gleißneriſcher Gottesdienſt waͤre ſchlimmer
als Zenons gaͤntzliche Verachtung der Goͤtter/
und als die Boßheit des Spoͤtters Diogenes;
welcher Dianen einen Floch opfferte; weil er
ein Gottesdienſt ſeyn wolte/ und doch keiner
waͤre; ſo wie die Affen und Meer-Katzen deß-
halben ſo abſcheulich und laͤcherlich ausſaͤhen/
weil ſie Menſchen aͤhnlich ſchienen/ und doch
nichts menſchliches an ſich haͤtten. Daher
braͤchten die/ welche aus Furcht fuͤr dem Scharf-
richter Weyrauch auffs Altar ſtreuten/ GOtt
an ſtatt ſuͤſſen Geruchs einen abſcheulichen Ge-
ſtanck. Jhre Froͤm̃igkeit gleichte den Schwan-
Federn/ welche das ſchwartze Fleiſch dieſes Vo-
gels verſteckten/ deßwegen ihn auch kein Volck
iemahls ſeinen Goͤttern zu opffern gewuͤrdigt
hat. Pythagoras/ den der Fluß Caucaſus ſei-
ner Weißheit halber gegruͤſt haben ſoll/ als er
daruͤber geſetzt/ haͤtte deßhalben der Warheit
des Glaubens/ und der Reinigkeit des Gottes-
dienſtes zu unterſuchen/ und daruͤber zu ſtreiten
freygelaſſen. Denn ein blinder Gehorſam waͤ-
re ein Werck unvernuͤnfftiger Thiere; die in
den tieffen Brunnen der Ungewißheit verſaͤnck-
te Warheit aber zu erforſchen/ und die Pruͤfun-
gen der Meynungen ein Thun der Menſchen.
Uber diß hielten einige dafuͤr: daß man zum
Geheimnuͤße der Gottheit nicht durch einen
Weg kommen koͤnte; oder auch die unterſchie-
denen Meynungen endlich im Zwecke wie die
unterſchiedenen Striche in dem Mittel eines
Kreyßes zuſammen kaͤmen. Es ſey vernuͤnff-
tiger der Gewiſſens-Freyheit etwas durch die
Finger ſehen/ und die Hitze etlicher Glieder
verrauchen laſſen/ als durch allzuſtarcke Artz-
neyen alle ſchaͤdliche Feuchtigkeiten des gantzen
Leibes rege machen. Die Grichen und Roͤmer
[Spaltenumbruch] ſchmuͤckten mit Perſiſchen und Seriſchen Tep-
pichten ihre Tempel aus; die Deutſchen rau-
cherten mit dem Weyrauche der Araber auf ih-
ren Opffer-Tiſchen ſonder Verunehrung ihres
gantz andern Gottesdienſtes. Warum ſolte
man denn alle etwas anders glaubende Men-
ſchen aus unſerm Lande und Heiligthuͤmern
verſtoſſen? Jnſonderheit kuͤtzelte bey den Druy-
den der ſo hoch geſchaͤtzte Adel die Ohren der
Fuͤrſten; fuͤr welchen hingegen der Abbruch und
die Umſchraͤnckung ihrer Gewalt fuͤrſichtig
verhoͤlet ward/ mit ſcheinbarer Fuͤrbildung: daß
wenn das Volck durch unterſchiedene Glauben
zerſpaltet wuͤrde/ haͤtte ihr Haupt gut machen/
und ein Fuͤrſt die beſte Gelegenheit den Mei-
ſter zu ſpielen. Weßwegen die Egyptiſchen
Koͤnige die Geheimnuͤße ihres Glaubens dem
Volcke mit Fleiß verborgen/ und ieden was ihn
gut deuchtete zu glauben freygelaſſen haͤtten/
wormit ſie ſo viel weniger ſich wieder ihr Haupt
vereinbaren koͤnten. Endlich wuͤſten die Fuͤr-
ſten ihren Unterthanen nichts ſo ſchweres auff
die Achſel zu buͤrden; welches ſie nicht bey Frey-
laſſung ihres Gewiſſens gedultig ertragen wuͤr-
den. Die fuͤrnehmſte Urſache aber dieſer Rath-
geber war das Abſehen auf ihr eigenes Aufneh-
men/ welches die/ ſo von ihres Fuͤrſten Gluͤcke
rathſchlagen/ ſelten außer Augen ſetzen. Denn
nach dem ſie die Druyden von dem andaͤchtigen
Volcke mit dem Kerne der fruchtbarſten Guͤter
uͤberſchuͤtten/ ſie als Ausleger des Goͤttlichen
Willens in den Rath-Stuben der Koͤnige den
Oberſitz nehmen/ den Poͤfel ſelbte halb-goͤttlich
verehren/ und ihre Geſchlechter auf die hoͤchſten
Staffeln der Ehren empor klimmen ſahen/ ga-
ben die edelſten Gallier/ und alſo hernach auch
die Deutſchen/ inſonderheit derer Vermoͤgen
entweder durch Unfaͤlle/ oder durch Zerthei-
lung in viel Kinder vermindert ward/ und zu
Erhaltung des Geſchlechtes nicht auskom̃ent-
lich war/ ihre geſchickſten Soͤhne anfangs in
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[976[978]/1040] Siebendes Buch Moſes gezielet haͤtte/ als er den Huren-Kin- dern und Verſchnittenen/ als derer Andacht aus kein em hertzlichen Triebe entſpringet/ und derer Gebet nichts maͤnnliches in ſich hat/ den Eintritt in das Heiligthum verboten. Denn ihr gleißneriſcher Gottesdienſt waͤre ſchlimmer als Zenons gaͤntzliche Verachtung der Goͤtter/ und als die Boßheit des Spoͤtters Diogenes; welcher Dianen einen Floch opfferte; weil er ein Gottesdienſt ſeyn wolte/ und doch keiner waͤre; ſo wie die Affen und Meer-Katzen deß- halben ſo abſcheulich und laͤcherlich ausſaͤhen/ weil ſie Menſchen aͤhnlich ſchienen/ und doch nichts menſchliches an ſich haͤtten. Daher braͤchten die/ welche aus Furcht fuͤr dem Scharf- richter Weyrauch auffs Altar ſtreuten/ GOtt an ſtatt ſuͤſſen Geruchs einen abſcheulichen Ge- ſtanck. Jhre Froͤm̃igkeit gleichte den Schwan- Federn/ welche das ſchwartze Fleiſch dieſes Vo- gels verſteckten/ deßwegen ihn auch kein Volck iemahls ſeinen Goͤttern zu opffern gewuͤrdigt hat. Pythagoras/ den der Fluß Caucaſus ſei- ner Weißheit halber gegruͤſt haben ſoll/ als er daruͤber geſetzt/ haͤtte deßhalben der Warheit des Glaubens/ und der Reinigkeit des Gottes- dienſtes zu unterſuchen/ und daruͤber zu ſtreiten freygelaſſen. Denn ein blinder Gehorſam waͤ- re ein Werck unvernuͤnfftiger Thiere; die in den tieffen Brunnen der Ungewißheit verſaͤnck- te Warheit aber zu erforſchen/ und die Pruͤfun- gen der Meynungen ein Thun der Menſchen. Uber diß hielten einige dafuͤr: daß man zum Geheimnuͤße der Gottheit nicht durch einen Weg kommen koͤnte; oder auch die unterſchie- denen Meynungen endlich im Zwecke wie die unterſchiedenen Striche in dem Mittel eines Kreyßes zuſammen kaͤmen. Es ſey vernuͤnff- tiger der Gewiſſens-Freyheit etwas durch die Finger ſehen/ und die Hitze etlicher Glieder verrauchen laſſen/ als durch allzuſtarcke Artz- neyen alle ſchaͤdliche Feuchtigkeiten des gantzen Leibes rege machen. Die Grichen und Roͤmer ſchmuͤckten mit Perſiſchen und Seriſchen Tep- pichten ihre Tempel aus; die Deutſchen rau- cherten mit dem Weyrauche der Araber auf ih- ren Opffer-Tiſchen ſonder Verunehrung ihres gantz andern Gottesdienſtes. Warum ſolte man denn alle etwas anders glaubende Men- ſchen aus unſerm Lande und Heiligthuͤmern verſtoſſen? Jnſonderheit kuͤtzelte bey den Druy- den der ſo hoch geſchaͤtzte Adel die Ohren der Fuͤrſten; fuͤr welchen hingegen der Abbruch und die Umſchraͤnckung ihrer Gewalt fuͤrſichtig verhoͤlet ward/ mit ſcheinbarer Fuͤrbildung: daß wenn das Volck durch unterſchiedene Glauben zerſpaltet wuͤrde/ haͤtte ihr Haupt gut machen/ und ein Fuͤrſt die beſte Gelegenheit den Mei- ſter zu ſpielen. Weßwegen die Egyptiſchen Koͤnige die Geheimnuͤße ihres Glaubens dem Volcke mit Fleiß verborgen/ und ieden was ihn gut deuchtete zu glauben freygelaſſen haͤtten/ wormit ſie ſo viel weniger ſich wieder ihr Haupt vereinbaren koͤnten. Endlich wuͤſten die Fuͤr- ſten ihren Unterthanen nichts ſo ſchweres auff die Achſel zu buͤrden; welches ſie nicht bey Frey- laſſung ihres Gewiſſens gedultig ertragen wuͤr- den. Die fuͤrnehmſte Urſache aber dieſer Rath- geber war das Abſehen auf ihr eigenes Aufneh- men/ welches die/ ſo von ihres Fuͤrſten Gluͤcke rathſchlagen/ ſelten außer Augen ſetzen. Denn nach dem ſie die Druyden von dem andaͤchtigen Volcke mit dem Kerne der fruchtbarſten Guͤter uͤberſchuͤtten/ ſie als Ausleger des Goͤttlichen Willens in den Rath-Stuben der Koͤnige den Oberſitz nehmen/ den Poͤfel ſelbte halb-goͤttlich verehren/ und ihre Geſchlechter auf die hoͤchſten Staffeln der Ehren empor klimmen ſahen/ ga- ben die edelſten Gallier/ und alſo hernach auch die Deutſchen/ inſonderheit derer Vermoͤgen entweder durch Unfaͤlle/ oder durch Zerthei- lung in viel Kinder vermindert ward/ und zu Erhaltung des Geſchlechtes nicht auskom̃ent- lich war/ ihre geſchickſten Soͤhne anfangs in ihre Lehre/ hernach in ihre Gemeinſchafft/ deſ- ſen

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 976[978]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1040>, abgerufen am 22.11.2024.