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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] der welche die ansehnlich verstärckte gantze
Macht der Römer anzoh. Die N[e]vier dorff-
ten ihnen nicht helffen; die angräntzenden
Nachtbarn aber wolten nicht. Denn theils wa-
ren ihnen nicht grün/ weil sie sich mit Gewalt
zwischen sie eingedrungen hatten; theils wol-
ten sich in ihr Unglücke nicht einwickeln/ wel-
ches leichter zum Erbarmen als zum Abhelffen
bewegt. Weil es nun denen Aduatichern un-
möglich schien der Römischen Macht im Felde
zu begegnen/ zohen sie alle streitbare Mann-
schafft in ihre auf der Höhe und fast um und um
in Sümpffen liegende Haupt-Stadt Aduatu-
ca zusammen. Denn wie es nicht klüglich ge-
handelt war alle Kräfften in eine Mauer ein-
sperren/ und dem Feinde das gantze Land zum
Raube übergeben; also fand die Verrätherey
auch mehr denn zu geschwinde einen Schlüssel
zu dieser Festung; aus welcher von Anfang
durch siete Ausfälle den Römern und Galliern
empfindlicher Abbruch gethan ward. Ver-
mund/ der Aduaticher Hertzog/ hatte zwey Söh-
ne Huglet und Uffo verlassen; von denen der
erstere die Herrschafft bekam; der andere aber
des Piso/ eines Fürsten im Aquitanischen Gal-
lien Tochter/ geheyrathet; und mit selbter der
Druyden Gottesdienst angenommen hatte.
Durch dieses Ehrsüchtige Weib brachte Divi-
tiak den Fürsten Uffo unter der Versicherung:
es würde Cäsar ihn seinem ältern Bruder für-
ziehen/ und zum Lands-Fürsten machen/ dahin:
daß/ als der Feind auf funffzehn tausend Schrit-
te weit in einen mit vielen Bollwercken befe-
stigten Wall die Stadt einschloß/ und ungeheu-
re Sturm-Thürme an die zweyfache Mauer
anschob/ Uffo diese Rüstungen/ als Wercke der
Götter/ dem albern Pöfel fürstellte; und/ un-
geachtet Fürst Huglet nebst dem Adel das Volck
zu standhaffter Gegenwehr ermahneten/ selb-
tes beredete: daß sie ohne einige Bedingung die
Waffen zum Zeichen ihrer Ergebung über die
Mauer warffen; und/ wie sehr gleich die Ver-
[Spaltenumbruch] ständigern über dieser zaghafften Untreu fluch-
ten/ den Römern ein Thor einräumten. Eine
solche Krafft hat die aber gläubische Einbildung:
daß sie den tapffersten Leuten nicht nur des
Hertzen/ sondern auch der Vernunfft beraubet.
Wie nun hierauf Fürst Huglet bey Cäsarn ver-
gebene Ansuchung thät/ daß sie aus freywillig
Ergebenen nicht zu Knechten gemacht/ inson-
derheit aber ihnen wegen ihrer untreuen Nach-
barschafft nicht die Schutzwehren ihres Lebens
und Vermögens abgenommen werden möch-
ten; brachte die Ungedult ihn und den zu den
Waffen gebohrnen Adel/ der mit derselben Be-
nehmung sich auch seiner Männligkeit beraubt
zu seyn schätzte/ in solche Verzweiffelung: daß
sie des Nachts mit einem Theile den Uffo über-
fielen/ und mit seinem gantzen Hause zu ge-
rechter Rache der Verrätherey erwürgten/ mit
dem andern die Römische Besatzung von dem
eingeräumten Thore wegschlugen/ und hierauf
mit hellem Hauffen und verzweiffelter Grau-
samkeit das Römische Läger anfielen. Hertzog
Huglet/ weil er nichts hoffen konte/ wolte doch
auch an nichts verzweiffeln; und die eufferste
Noth zwang dem ohne diß allem Ansehen nach
verlohrnen Adel die eusserste Tapfferkeit ab; ja
die/ welche bey zweiffelhafftem Ausschlage ihre
Waffen aus Furcht weggeworffen hatten/ faß-
ten aus der verzweiffelten Erkühnung ein
Hertze; weil sie doch ihre Schuld schon mit in
die Straffe verwickelt hätte. Weil nun die
Finsternüß alle Ordnung/ der unvermuthete
Uberfall alle kluge Anstalt verhinderte; war
dieses Treffen mehr einer viehischen Abschlach-
tung/ als einer Schlacht ähnlich. Jeder er-
würgte den/ der ihm begegnete; weil weder der
Grimm noch das Geräusche der Waffen er-
laubte selbten als einen Feind oder Freund zu
rechtfertigen. Diese blinde Raserey währte biß
der Tag anbrach; da die Römer/ welche so wol
von ihren eigenen/ als den feindlichen Schwer-
tern unglaublichen Schaden erlitten hatten/

die

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] der welche die anſehnlich verſtaͤrckte gantze
Macht der Roͤmer anzoh. Die N[e]vier dorff-
ten ihnen nicht helffen; die angraͤntzenden
Nachtbarn aber wolten nicht. Denn theils wa-
ren ihnen nicht gruͤn/ weil ſie ſich mit Gewalt
zwiſchen ſie eingedrungen hatten; theils wol-
ten ſich in ihr Ungluͤcke nicht einwickeln/ wel-
ches leichter zum Erbarmen als zum Abhelffen
bewegt. Weil es nun denen Aduatichern un-
moͤglich ſchien der Roͤmiſchen Macht im Felde
zu begegnen/ zohen ſie alle ſtreitbare Mann-
ſchafft in ihre auf der Hoͤhe und faſt um und um
in Suͤmpffen liegende Haupt-Stadt Aduatu-
ca zuſammen. Denn wie es nicht kluͤglich ge-
handelt war alle Kraͤfften in eine Mauer ein-
ſperren/ und dem Feinde das gantze Land zum
Raube uͤbergeben; alſo fand die Verraͤtherey
auch mehr denn zu geſchwinde einen Schluͤſſel
zu dieſer Feſtung; aus welcher von Anfang
durch ſiete Ausfaͤlle den Roͤmern und Galliern
empfindlicher Abbruch gethan ward. Ver-
mund/ der Aduaticher Heꝛtzog/ hatte zwey Soͤh-
ne Huglet und Uffo verlaſſen; von denen der
erſtere die Herꝛſchafft bekam; der andere aber
des Piſo/ eines Fuͤrſten im Aquitaniſchen Gal-
lien Tochter/ geheyrathet; und mit ſelbter der
Druyden Gottesdienſt angenommen hatte.
Durch dieſes Ehrſuͤchtige Weib brachte Divi-
tiak den Fuͤrſten Uffo unter der Verſicherung:
es wuͤrde Caͤſar ihn ſeinem aͤltern Bruder fuͤr-
ziehen/ und zum Lands-Fuͤrſten machen/ dahin:
daß/ als der Feind auf funffzehn tauſend Schrit-
te weit in einen mit vielen Bollwercken befe-
ſtigten Wall die Stadt einſchloß/ und ungeheu-
re Sturm-Thuͤrme an die zweyfache Mauer
anſchob/ Uffo dieſe Ruͤſtungen/ als Wercke der
Goͤtter/ dem albern Poͤfel fuͤrſtellte; und/ un-
geachtet Fuͤrſt Huglet nebſt dem Adel das Volck
zu ſtandhaffter Gegenwehr ermahneten/ ſelb-
tes beredete: daß ſie ohne einige Bedingung die
Waffen zum Zeichen ihrer Ergebung uͤber die
Mauer warffen; und/ wie ſehr gleich die Ver-
[Spaltenumbruch] ſtaͤndigern uͤber dieſer zaghafften Untreu fluch-
ten/ den Roͤmern ein Thor einraͤumten. Eine
ſolche Krafft hat die aber glaͤubiſche Einbildung:
daß ſie den tapfferſten Leuten nicht nur des
Hertzen/ ſondern auch der Vernunfft beraubet.
Wie nun hierauf Fuͤrſt Huglet bey Caͤſarn ver-
gebene Anſuchung thaͤt/ daß ſie aus freywillig
Ergebenen nicht zu Knechten gemacht/ inſon-
derheit aber ihnen wegen ihrer untreuen Nach-
barſchafft nicht die Schutzwehren ihres Lebens
und Vermoͤgens abgenommen werden moͤch-
ten; brachte die Ungedult ihn und den zu den
Waffen gebohrnen Adel/ der mit deꝛſelben Be-
nehmung ſich auch ſeiner Maͤnnligkeit beraubt
zu ſeyn ſchaͤtzte/ in ſolche Verzweiffelung: daß
ſie des Nachts mit einem Theile den Uffo uͤber-
fielen/ und mit ſeinem gantzen Hauſe zu ge-
rechter Rache der Verraͤtherey erwuͤrgten/ mit
dem andern die Roͤmiſche Beſatzung von dem
eingeraͤumten Thore wegſchlugen/ und hierauf
mit hellem Hauffen und verzweiffelter Grau-
ſamkeit das Roͤmiſche Laͤger anfielen. Hertzog
Huglet/ weil er nichts hoffen konte/ wolte doch
auch an nichts verzweiffeln; und die eufferſte
Noth zwang dem ohne diß allem Anſehen nach
verlohrnen Adel die euſſerſte Tapfferkeit ab; ja
die/ welche bey zweiffelhafftem Ausſchlage ihre
Waffen aus Furcht weggeworffen hatten/ faß-
ten aus der verzweiffelten Erkuͤhnung ein
Hertze; weil ſie doch ihre Schuld ſchon mit in
die Straffe verwickelt haͤtte. Weil nun die
Finſternuͤß alle Ordnung/ der unvermuthete
Uberfall alle kluge Anſtalt verhinderte; war
dieſes Treffen mehr einer viehiſchen Abſchlach-
tung/ als einer Schlacht aͤhnlich. Jeder er-
wuͤrgte den/ der ihm begegnete; weil weder der
Grimm noch das Geraͤuſche der Waffen er-
laubte ſelbten als einen Feind oder Freund zu
rechtfertigen. Dieſe blinde Raſerey waͤhrte biß
der Tag anbrach; da die Roͤmer/ welche ſo wol
von ihren eigenen/ als den feindlichen Schwer-
tern unglaublichen Schaden erlitten hatten/

die
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1008[1010]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1072>, abgerufen am 22.11.2024.