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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] dem sie einen gantzen Tag mit acht tausend
Mann leichten Reutern die Römische Macht
aufgehalten hatte/ Cäsarn die Anlendung ent-
räumen. Ob nun wol achtzehn andere mit
Reuterey beladene Schiffe aus Gallien Cäsarn
folgten; so erregte sich doch ein neuer Sturm/
und bey damahligem Vollmonden ward die
Flut so ungewöhnlich groß: daß jene Schiffe
abermahls zerstreuet/ die an dem Strande zu
kurtz angebundenen aber entweder eingesenckt/
oder von den Wellen zerschlagen wurden. Cä-
sar lernte hierdurch: daß die Hertzhaftigkeit nicht
allzeit die Mäß-Schnure unserer Siege und
Glücks wären/ ward also hierüber nicht wenig
bekümmert/ sonderlich als er vernahm: daß Bon-
dicea sich in der Nähe verstärckte/ und auf ihn
loß zu gehen sich anschickte. Gleichwol ließ er
Tag und Nacht an Befestigung des Lägers/
und an Ausbesserung der zerschmetterten
Schiffe arbeiten. Boudicea that inzwischen
bey Erwartung des zum Sturm nöthigen
Fuß-Volcks den Römern/ welche auf Fütte-
rung ausritten/ täglich grossen Abbruch/ end-
lich stürmte sie gar das Läger. Weil aber selb-
tes wegen der tieffen Gräben/ grossen Bollwer-
cke/ vielen Thürme/ und mangelnden Sturm-
Zeuges/ wie diese ihnen gantz neue Art der
Befestigung bedorffte/ allzuviel Volckes zu be-
dörffen schien/ hielt sie als eine nicht weniger
kluge Landes-Mutter/ als eine großmüthige
Heldin für rathsamer/ den Feind nur ins Lä-
ger einzuschliessen/ und durch Abschneidung
aller Lebens-Mittel zum Abzuge zu nöthigen;
denn durch unersätzliche Verschwendung vie-
len Menschen-Blutes den eitelen Ruhm einer
verwegenen Eroberung zu erwerben. Cäsar
kriegte hierauf Nachricht: daß König Caßibe-
lin hätte den Comius auf einem Nachen an das
Gallische Ufer führen/ und daselbst aussetzen
lassen; zugleich auch ein Schreiben: Darinnen
der König seine Bestraffung selbst heimstellte;
weil er durch unrechtmäßige Bestechungen sei-
[Spaltenumbruch] ne Diener verleiten/ seine Geheimnüße aus-
kundschafften/ seine Unterthanen zu Aufruhre
bewegen wollen; und dardurch nicht weniger
das Recht der Völcker verletzt/ als sein heiliges
Amt verunehret hätte. Cäsar lachte zwar hier-
zu; und sagte: Bothschaffter wären die für-
nehmsten Kundschaffter/ und einen andern über
den Stock stossen ihr Handwerck; gleichwol a-
ber brauchte er die Loßlassung des Comius zu
einem scheinbaren Vorwandte seiner Bestil-
lung. Wie nun das ungestüme Meer sich
nur etlicher massen besänfftigte; gieng er um
Mitternacht in aller Stille zu Schiffe/ und
zwar mit grossem Verlust der Schiffe und
Volckes; segelte aber mit keinem andern Ge-
winn zurücke/ als daß die Römer Britannien
gesehen hatten; und lieff theils in dem Jccischen
Hafen/ theils in dem Munde des Flusses Can-
cius zu Lutomagus ein.

Cäsar aber fand Gallien auch in ziemlich
verwirrtem Zustande; Denn die Moriner und
Menapier waren nicht nur denen Atrebatern
eingefallen; sondern der Trevirer Hertzog Ju-
duciamor empfand auch sehr hoch: daß Cäsar
ohne einige Ursache seiner Schwester Tochter
die Königin Boudicea überzogen hatte. Daher
er nicht nur mit dem Eburoner Hertzoge Cat-
tivolck/ sondern auch mit dem Feldherrn Aem-
brich Rath hielt/ wie sie sämtlich ihrer nahen
Bluts-Freundin/ wie auch denen Galliern/
welche von allen Seiten die deutschen Fürsten
um Entbürdung des Römischen Jochs anfle-
heten/ zu Hülffe kämen. Weil aber der Feld-
Herr Aembrich noch mit denen Catten/ Her-
mundurern und Svionen alle Hände voll zu
thun hatte/ dorffte er gegen die Römer nichts
hauptsächliches entschliessen.

Jnzwischen schickte Cäsar den Labienus mit
zweyen Legionen gegen die Moriner; den Ti-
turius und Cotta aber mit so vielen/ und den Co-
mius mit etlichen tausend Galliern wieder die
Menapier. Alleine beyde Völcker verliessen

ihre
Erster Theil. N n n n n n

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] dem ſie einen gantzen Tag mit acht tauſend
Mann leichten Reutern die Roͤmiſche Macht
aufgehalten hatte/ Caͤſarn die Anlendung ent-
raͤumen. Ob nun wol achtzehn andere mit
Reuterey beladene Schiffe aus Gallien Caͤſarn
folgten; ſo erregte ſich doch ein neuer Sturm/
und bey damahligem Vollmonden ward die
Flut ſo ungewoͤhnlich groß: daß jene Schiffe
abermahls zerſtreuet/ die an dem Strande zu
kurtz angebundenen aber entweder eingeſenckt/
oder von den Wellen zerſchlagen wurden. Caͤ-
ſar lernte hieꝛdurch: daß die Hertzhaftigkeit nicht
allzeit die Maͤß-Schnure unſerer Siege und
Gluͤcks waͤren/ ward alſo hieruͤber nicht wenig
bekuͤm̃ert/ ſonderlich als er vernahm: daß Bon-
dicea ſich in der Naͤhe verſtaͤrckte/ und auf ihn
loß zu gehen ſich anſchickte. Gleichwol ließ er
Tag und Nacht an Befeſtigung des Laͤgers/
und an Ausbeſſerung der zerſchmetterten
Schiffe arbeiten. Boudicea that inzwiſchen
bey Erwartung des zum Sturm noͤthigen
Fuß-Volcks den Roͤmern/ welche auf Fuͤtte-
rung ausritten/ taͤglich groſſen Abbruch/ end-
lich ſtuͤrmte ſie gar das Laͤger. Weil aber ſelb-
tes wegen der tieffen Graͤben/ groſſen Bollwer-
cke/ vielen Thuͤrme/ und mangelnden Sturm-
Zeuges/ wie dieſe ihnen gantz neue Art der
Befeſtigung bedorffte/ allzuviel Volckes zu be-
doͤrffen ſchien/ hielt ſie als eine nicht weniger
kluge Landes-Mutter/ als eine großmuͤthige
Heldin fuͤr rathſamer/ den Feind nur ins Laͤ-
ger einzuſchlieſſen/ und durch Abſchneidung
aller Lebens-Mittel zum Abzuge zu noͤthigen;
denn durch unerſaͤtzliche Verſchwendung vie-
len Menſchen-Blutes den eitelen Ruhm einer
verwegenen Eroberung zu erwerben. Caͤſar
kriegte hierauf Nachricht: daß Koͤnig Caßibe-
lin haͤtte den Comius auf einem Nachen an das
Galliſche Ufer fuͤhren/ und daſelbſt ausſetzen
laſſen; zugleich auch ein Schreiben: Darinnen
der Koͤnig ſeine Beſtraffung ſelbſt heimſtellte;
weil er durch unrechtmaͤßige Beſtechungen ſei-
[Spaltenumbruch] ne Diener verleiten/ ſeine Geheimnuͤße aus-
kundſchafften/ ſeine Unterthanen zu Aufruhre
bewegen wollen; und dardurch nicht weniger
das Recht der Voͤlcker verletzt/ als ſein heiliges
Amt verunehret haͤtte. Caͤſar lachte zwar hier-
zu; und ſagte: Bothſchaffter waͤren die fuͤr-
nehmſten Kundſchaffter/ und einen andern uͤber
den Stock ſtoſſen ihr Handwerck; gleichwol a-
ber brauchte er die Loßlaſſung des Comius zu
einem ſcheinbaren Vorwandte ſeiner Beſtil-
lung. Wie nun das ungeſtuͤme Meer ſich
nur etlicher maſſen beſaͤnfftigte; gieng er um
Mitternacht in aller Stille zu Schiffe/ und
zwar mit groſſem Verluſt der Schiffe und
Volckes; ſegelte aber mit keinem andern Ge-
winn zuruͤcke/ als daß die Roͤmer Britannien
geſehen hatten; und lieff theils in dem Jcciſchen
Hafen/ theils in dem Munde des Fluſſes Can-
cius zu Lutomagus ein.

Caͤſar aber fand Gallien auch in ziemlich
verwirrtem Zuſtande; Denn die Moriner und
Menapier waren nicht nur denen Atrebatern
eingefallen; ſondern der Trevirer Hertzog Ju-
duciamor empfand auch ſehr hoch: daß Caͤſar
ohne einige Urſache ſeiner Schweſter Tochter
die Koͤnigin Boudicea uͤberzogen hatte. Daher
er nicht nur mit dem Eburoner Hertzoge Cat-
tivolck/ ſondern auch mit dem Feldherꝛn Aem-
brich Rath hielt/ wie ſie ſaͤmtlich ihrer nahen
Bluts-Freundin/ wie auch denen Galliern/
welche von allen Seiten die deutſchen Fuͤrſten
um Entbuͤrdung des Roͤmiſchen Jochs anfle-
heten/ zu Huͤlffe kaͤmen. Weil aber der Feld-
Herꝛ Aembrich noch mit denen Catten/ Her-
mundurern und Svionen alle Haͤnde voll zu
thun hatte/ dorffte er gegen die Roͤmer nichts
hauptſaͤchliches entſchlieſſen.

Jnzwiſchen ſchickte Caͤſar den Labienus mit
zweyen Legionen gegen die Moriner; den Ti-
turius und Cotta aber mit ſo vielen/ und den Co-
mius mit etlichen tauſend Galliern wieder die
Menapier. Alleine beyde Voͤlcker verlieſſen

ihre
Erſter Theil. N n n n n n
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[1017[1019]/1081] Arminius und Thußnelda. dem ſie einen gantzen Tag mit acht tauſend Mann leichten Reutern die Roͤmiſche Macht aufgehalten hatte/ Caͤſarn die Anlendung ent- raͤumen. Ob nun wol achtzehn andere mit Reuterey beladene Schiffe aus Gallien Caͤſarn folgten; ſo erregte ſich doch ein neuer Sturm/ und bey damahligem Vollmonden ward die Flut ſo ungewoͤhnlich groß: daß jene Schiffe abermahls zerſtreuet/ die an dem Strande zu kurtz angebundenen aber entweder eingeſenckt/ oder von den Wellen zerſchlagen wurden. Caͤ- ſar lernte hieꝛdurch: daß die Hertzhaftigkeit nicht allzeit die Maͤß-Schnure unſerer Siege und Gluͤcks waͤren/ ward alſo hieruͤber nicht wenig bekuͤm̃ert/ ſonderlich als er vernahm: daß Bon- dicea ſich in der Naͤhe verſtaͤrckte/ und auf ihn loß zu gehen ſich anſchickte. Gleichwol ließ er Tag und Nacht an Befeſtigung des Laͤgers/ und an Ausbeſſerung der zerſchmetterten Schiffe arbeiten. Boudicea that inzwiſchen bey Erwartung des zum Sturm noͤthigen Fuß-Volcks den Roͤmern/ welche auf Fuͤtte- rung ausritten/ taͤglich groſſen Abbruch/ end- lich ſtuͤrmte ſie gar das Laͤger. Weil aber ſelb- tes wegen der tieffen Graͤben/ groſſen Bollwer- cke/ vielen Thuͤrme/ und mangelnden Sturm- Zeuges/ wie dieſe ihnen gantz neue Art der Befeſtigung bedorffte/ allzuviel Volckes zu be- doͤrffen ſchien/ hielt ſie als eine nicht weniger kluge Landes-Mutter/ als eine großmuͤthige Heldin fuͤr rathſamer/ den Feind nur ins Laͤ- ger einzuſchlieſſen/ und durch Abſchneidung aller Lebens-Mittel zum Abzuge zu noͤthigen; denn durch unerſaͤtzliche Verſchwendung vie- len Menſchen-Blutes den eitelen Ruhm einer verwegenen Eroberung zu erwerben. Caͤſar kriegte hierauf Nachricht: daß Koͤnig Caßibe- lin haͤtte den Comius auf einem Nachen an das Galliſche Ufer fuͤhren/ und daſelbſt ausſetzen laſſen; zugleich auch ein Schreiben: Darinnen der Koͤnig ſeine Beſtraffung ſelbſt heimſtellte; weil er durch unrechtmaͤßige Beſtechungen ſei- ne Diener verleiten/ ſeine Geheimnuͤße aus- kundſchafften/ ſeine Unterthanen zu Aufruhre bewegen wollen; und dardurch nicht weniger das Recht der Voͤlcker verletzt/ als ſein heiliges Amt verunehret haͤtte. Caͤſar lachte zwar hier- zu; und ſagte: Bothſchaffter waͤren die fuͤr- nehmſten Kundſchaffter/ und einen andern uͤber den Stock ſtoſſen ihr Handwerck; gleichwol a- ber brauchte er die Loßlaſſung des Comius zu einem ſcheinbaren Vorwandte ſeiner Beſtil- lung. Wie nun das ungeſtuͤme Meer ſich nur etlicher maſſen beſaͤnfftigte; gieng er um Mitternacht in aller Stille zu Schiffe/ und zwar mit groſſem Verluſt der Schiffe und Volckes; ſegelte aber mit keinem andern Ge- winn zuruͤcke/ als daß die Roͤmer Britannien geſehen hatten; und lieff theils in dem Jcciſchen Hafen/ theils in dem Munde des Fluſſes Can- cius zu Lutomagus ein. Caͤſar aber fand Gallien auch in ziemlich verwirrtem Zuſtande; Denn die Moriner und Menapier waren nicht nur denen Atrebatern eingefallen; ſondern der Trevirer Hertzog Ju- duciamor empfand auch ſehr hoch: daß Caͤſar ohne einige Urſache ſeiner Schweſter Tochter die Koͤnigin Boudicea uͤberzogen hatte. Daher er nicht nur mit dem Eburoner Hertzoge Cat- tivolck/ ſondern auch mit dem Feldherꝛn Aem- brich Rath hielt/ wie ſie ſaͤmtlich ihrer nahen Bluts-Freundin/ wie auch denen Galliern/ welche von allen Seiten die deutſchen Fuͤrſten um Entbuͤrdung des Roͤmiſchen Jochs anfle- heten/ zu Huͤlffe kaͤmen. Weil aber der Feld- Herꝛ Aembrich noch mit denen Catten/ Her- mundurern und Svionen alle Haͤnde voll zu thun hatte/ dorffte er gegen die Roͤmer nichts hauptſaͤchliches entſchlieſſen. Jnzwiſchen ſchickte Caͤſar den Labienus mit zweyen Legionen gegen die Moriner; den Ti- turius und Cotta aber mit ſo vielen/ und den Co- mius mit etlichen tauſend Galliern wieder die Menapier. Alleine beyde Voͤlcker verlieſſen ihre Erſter Theil. N n n n n n

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1017[1019]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1081>, abgerufen am 22.11.2024.