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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Antuatuca und dem Läger gelocket/ erlegten
die Deutschen beyde Legionen mit ihren Häup-
tern; also: daß mit genauer Noth zwey Kriegs-
Knechte durch die Wälder entkamen/ und dem
Labienus die traurige Zeitung brachten. So
tapffer und klug rächete Hertzog Aembrich der
Deutschen und Belgen Unrecht; welches auch
die edelsten Gemüther aus Hoffnung künffti-
ger Vergeltung verschmertzen. Denn es ist
so wol ein Streich der Klugheit die Empfindlig-
keit nicht mercken/ als eine Zagheit sie verrau-
chen lassen. Wie es am schlimmsten ist/ die Be-
schimpffung vergessen; also ist nichts künstli-
chers/ als sie vergessen zu haben scheinen lassen.
Cäsarn schmertzte dieser Streich mehr/ als sein
Verlust. Denen Atuatikern und Nerviern
aber wuchs durch Aembrichs Sieg so weit das
Hertze: daß sie den Cicero in seinem Läger belä-
gerten; in Meynung: daß Jnduciomar mit
den Trevirern den Labienus/ und die Armori-
schen Städte den Roscius/ der Abrede nach/ an-
greiffen würden. Aembrich und Cattivulck
führten selbst die Deutschen hertzhafft an/ liessen
die Gräber mit Reiß-Heltze füllen/ die auf Rö-
mische Art gefertigten Sturm-Thürme an-
schieben; aber die verzweiffelte Gegenwehr der
Römer schlug zwey hefftige Stürme ab. Da-
hero sie bey erlangter Nachricht: daß Cäsar be-
reit unterschiedene Legionen zusammen ziehe/
[sic]h entschlossen ihr Läger gleichfalls zu um-
schantzen. Den siebenden Tag ließ der Feld-
Herr bey entstehendem starcken Winde eine
grosse Menge thönerne Kugeln glüend ma-
chen/ und selbte aus den Schleudern in das Rö-
mische Läger werffen/ w[e]lches die mit Stroh-
und Schilff-Schoben bedeckten Häuser leicht
in Brand brachte. Der Feldherr führte hierauf
zwar den dritten Sturm/ und fiel an vier Or-
ten das Römische Läger auffs grimmigste an.
Allein weil kein Römer dem Feuer zulieff; son-
dern ieder mit unverwendetem Gesichte auff
dem Walle gegen die stürmenden stehen blieb/
die Sturm-Thürme auch durch brennende
Pech-Kräntze in die Glut geriethen/ zwey
[Spaltenumbruch] Sturm-Brücken zerbrachen/ Cicero auch das
ohne diß überaus feste Läger mit vielen vortheil-
hafften Abschnitten versehen hatte/ musten nach
sechsstündigen Sturme die Deutschen doch wie-
der ablassen/ ungeachtet die Cherusker und Ner-
vier an zweyen Orten über den Wall kommen
waren; allwo zwey Römische Hauptleute Va-
renus und Pulfio/ welche ihre noch von den El-
tern ererbte Feindschafft nicht allein in eine
ruhmwürdige Eyversucht/ wie einer den an-
dern durch ritterliche Heldenthaten verkleinern
möchte/ verwandelten; sondern auch ieder dem
andern diesen Tag das Leben erhielt; und dero-
gestalt aus hartnäckichten Feinden zu vertrau-
ten Freunden wurden; um nur nicht dem Va-
terlande zu Schaden böse Kriegs-Leute abzuge-
ben. Welche vernünfftige Gemüthsmäßigung
auch des Themistocles Versöhnung mit Aristi-
den/ noch den Emilius Lepidus/ und den Livi-
us Salinator nimmermehr ver gessen lassen/ die
jener gegen den Fulvius Flaccus/ dieser gegen
den Nero ausübte/ als die Gemeinschafft eines
Amptes sie zusammen verband. Denn ob zwar
die langsame Ablegung einer gefasten Gram-
schafft eines gerechten Zornes Kennzeichen seyn
soll; so ist doch die geschwinde ein Merckmahl ei-
nes großmüthigen Hertzens/ und eines redlichen
Bürgers. Die Deutschen musten zwar dißmahl
dieser beyder Römer Tugenden weichen; gleich-
wol aber waren der Römer so vielblieben/ und
die übrigen derogestalt abgemattet: daß nicht der
zehende Mann ohne Wunden war/ und sie sich
folgenden Morgen ergeben hätten; wenn nicht
eine Schildwache an einem Thurme zwey ein-
geschossene Pfeile mit zweyen daran gebunde-
nen Briefen wahr genommen/ dieser aber durch
Cäsars eigene Handschrifft dem Cicero theils in
Grichischer Sprache/ theils mit Ziffer-Buch-
staben/ welche Tullius Tiro des Cicero Freyge-
lassener unlängst erfunden hatte/ seine Ankunfft
zu wissen gemacht hätte. Welche Nachricht Cä-
sar denn noch selbigen Abend mit Anzündung vie-
ler Feuer/ und durch ein abermahliges Schrei-
ben/ das ein Gallier Vertico durchbringen ließ/

bekräff-

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Antuatuca und dem Laͤger gelocket/ erlegten
die Deutſchen beyde Legionen mit ihren Haͤup-
tern; alſo: daß mit genauer Noth zwey Kriegs-
Knechte durch die Waͤlder entkamen/ und dem
Labienus die traurige Zeitung brachten. So
tapffer und klug raͤchete Hertzog Aembrich der
Deutſchen und Belgen Unrecht; welches auch
die edelſten Gemuͤther aus Hoffnung kuͤnffti-
ger Vergeltung verſchmertzen. Denn es iſt
ſo wol ein Streich der Klugheit die Empfindlig-
keit nicht mercken/ als eine Zagheit ſie verrau-
chen laſſen. Wie es am ſchlimmſten iſt/ die Be-
ſchimpffung vergeſſen; alſo iſt nichts kuͤnſtli-
chers/ als ſie vergeſſen zu haben ſcheinen laſſen.
Caͤſarn ſchmertzte dieſer Streich mehr/ als ſein
Verluſt. Denen Atuatikern und Nerviern
aber wuchs durch Aembrichs Sieg ſo weit das
Hertze: daß ſie den Cicero in ſeinem Laͤger belaͤ-
gerten; in Meynung: daß Jnduciomar mit
den Trevirern den Labienus/ und die Armori-
ſchen Staͤdte den Roſcius/ der Abrede nach/ an-
greiffen wuͤrden. Aembrich und Cattivulck
fuͤhrten ſelbſt die Deutſchen hertzhafft an/ lieſſen
die Graͤber mit Reiß-Heltze fuͤllen/ die auf Roͤ-
miſche Art gefertigten Sturm-Thuͤrme an-
ſchieben; aber die verzweiffelte Gegenwehr der
Roͤmer ſchlug zwey hefftige Stuͤrme ab. Da-
hero ſie bey erlangter Nachricht: daß Caͤſar be-
reit unterſchiedene Legionen zuſammen ziehe/
[ſic]h entſchloſſen ihr Laͤger gleichfalls zu um-
ſchantzen. Den ſiebenden Tag ließ der Feld-
Herr bey entſtehendem ſtarcken Winde eine
groſſe Menge thoͤnerne Kugeln gluͤend ma-
chen/ und ſelbte aus den Schleudern in das Roͤ-
miſche Laͤger werffen/ w[e]lches die mit Stroh-
und Schilff-Schoben bedeckten Haͤuſer leicht
in Brand brachte. Der Feldherꝛ fuͤhrte hierauf
zwar den dritten Sturm/ und fiel an vier Or-
ten das Roͤmiſche Laͤger auffs grimmigſte an.
Allein weil kein Roͤmer dem Feuer zulieff; ſon-
dern ieder mit unverwendetem Geſichte auff
dem Walle gegen die ſtuͤrmenden ſtehen blieb/
die Sturm-Thuͤrme auch durch brennende
Pech-Kraͤntze in die Glut geriethen/ zwey
[Spaltenumbruch] Sturm-Bruͤcken zerbrachen/ Cicero auch das
ohne diß uͤberaus feſte Laͤger mit vielen vortheil-
hafften Abſchnitten verſehen hatte/ muſten nach
ſechsſtuͤndigen Sturme die Deutſchen doch wie-
der ablaſſen/ ungeachtet die Cherusker und Ner-
vier an zweyen Orten uͤber den Wall kommen
waren; allwo zwey Roͤmiſche Hauptleute Va-
renus und Pulfio/ welche ihre noch von den El-
tern ererbte Feindſchafft nicht allein in eine
ruhmwuͤrdige Eyverſucht/ wie einer den an-
dern durch ritterliche Heldenthaten verkleinern
moͤchte/ verwandelten; ſondern auch ieder dem
andern dieſen Tag das Leben erhielt; und dero-
geſtalt aus hartnaͤckichten Feinden zu vertrau-
ten Freunden wurden; um nur nicht dem Va-
terlande zu Schaden boͤſe Kriegs-Leute abzuge-
ben. Welche vernuͤnfftige Gemuͤthsmaͤßigung
auch des Themiſtocles Verſoͤhnung mit Ariſti-
den/ noch den Emilius Lepidus/ und den Livi-
us Salinator nimmermehr ver geſſen laſſen/ die
jener gegen den Fulvius Flaccus/ dieſer gegen
den Nero ausuͤbte/ als die Gemeinſchafft eines
Amptes ſie zuſammen verband. Denn ob zwar
die langſame Ablegung einer gefaſten Gram-
ſchafft eines gerechten Zornes Kennzeichen ſeyn
ſoll; ſo iſt doch die geſchwinde ein Merckmahl ei-
nes großmuͤthigen Hertzens/ und eines redlichen
Buͤrgers. Die Deutſchen muſten zwar dißmahl
dieſer beyder Roͤmer Tugenden weichen; gleich-
wol aber waren der Roͤmer ſo vielblieben/ und
die uͤbrigen derogeſtalt abgemattet: daß nicht der
zehende Mann ohne Wunden war/ und ſie ſich
folgenden Morgen ergeben haͤtten; wenn nicht
eine Schildwache an einem Thurme zwey ein-
geſchoſſene Pfeile mit zweyen daran gebunde-
nen Briefen wahr genommen/ dieſer aber durch
Caͤſars eigene Handſchrifft dem Cicero theils in
Grichiſcher Sprache/ theils mit Ziffer-Buch-
ſtaben/ welche Tullius Tiro des Cicero Freyge-
laſſener unlaͤngſt erfunden hatte/ ſeine Ankunfft
zu wiſſen gemacht haͤtte. Welche Nachricht Caͤ-
ſar deñ noch ſelbigen Abend mit Anzuͤndung vie-
ler Feuer/ und durch ein abermahliges Schrei-
ben/ das ein Gallier Vertico durchbꝛingen ließ/

bekraͤff-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1026[1028]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1090>, abgerufen am 22.11.2024.