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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] sarn sein Glücke selbst nunmehr verdächtig
fürkam/ und ihm eine traurige Abwechselung
ahnete/ seiner eignen Verzweifelung ab. Denn
Cäsar ward daselbst gleichsam selbst zum Stei-
ne/ als beyde Heere mitten in dem hizigsten Tod-
schlagen/ da iedem schier der Jäscht für dem
Munde stand/ in einem Augenblicke als todte
und stumme Bilder gegen einander erstarrten/
und die schon halben Streiche zurücke hiel-
ten. Ob er sich nun zwar und sein Heer wie-
der ermunterte/ und beyderseits der aus Gött-
licher Regung erwachsene Stillestand sich wie-
der in Würgen verwandelte/ hielten doch Cä-
sars älteste Krieges-Leute wieder die verzweif-
felten Pompejen mehr aus Schande als Tu-
gend Stand. Der Kern seines Heeres die
zehende Legion kam zum weichen/ ungeach-
tet der gleichsam rasende Cäsar Augen/ Hän-
de und Stimme sie auffzuhalten brauchte. Da-
her er ihm selbst den Degen an die Brust setz-
te/ wormit er nicht dem grossen Pompejus im
Tode gleich würde/ dem er an Macht schon zu
vor kommen war. Aber nicht so wol ein Rö-
mer/ der ihm den Degen ausrieß; als Sar-
ganß/ ein Alemännischer Kriegs-Oberster/ der
mit zwey tausend Mann in das Pompejische
Läger einfiel/ lehnte von Cäsarn nichts min-
der die Schande der Zagheit/ als seine und
seines Heeres Niederlage ab. Denn als La-
bienus dem Läger drittehalb tausend Mann
zu Hülffe eilen ließ/ legte Hertzog Acrumer es
der Römischen Reuterey für eine Flucht des
Feindes aus; waren also die Deutschen die
Ursache eines herrlichen Sieges. Ja weil
eine ziemliche Anzahl der deutschen Ritter-
schafft todt blieben/ nagelten sie bey Beläge-
rung der Stadt Munda aus Verbitterung
ihrer Feinde Leichen mit Spießen zusammen;
machten davon um die Stadt für sich eine
Brustwehre/ und bauten durch so viel Siege
Cäsarn einen herrschafftlichen Stul in Rom
[Spaltenumbruch] über die halbe Welt/ wiewol zugleich ein Ziel
des Neides/ und eine abschüßige Stiege zu sei-
ner Grufft.

Als die Römer derogestalt mit ihren Waf-
fen ihre eigene Eingeweide zerfleischten; Dach-
te kein Römer mehr den Deutschen einigen Ab-
bruch zu thun. Cäsar hielt zwar zu Rom auf
einmahl fünfferley Siegs-Gepränge. Jn
dem über Gallien ließ er alle eroberte Städte
und Siegs-Bilder aus Citronat-Holtze; über
das Pontische Reich/ alle aus dem rothen E-
gyptischen Acanthus-Holtze/ über Egypten
aus Meer-Schnecken/ über Africa aus Helf-
fenbein/ über Hispanien aus gedrieseltem Sil-
ber fürtragen. Er vertrug auch: daß der Rö-
mische Rath seine Seule zwischen die Bilder
der sieben Römischen Könige setzte; ja ein Theil
dessen ihm die Gewalt aller Römischen Frau-
en nach Belieben sie zu bedienen zueignete. Als
aber der heuchelnde Antonius nebst einem Kö-
niglichen Krantze und Stabe ihm aus dichtem
Golde das Bild des gefesselten Rheines für-
stellte/ und Cäsarn bereden wolte jene Köni-
gliche Zeichen nicht allein zu tragen/ sondern
auch dieses mit auffzuthürmen/ schlug Cäsar
beydes ab/ vorwendende: daß das erste ihm zu
wenig/ das letztere zu viel wäre. Denn er wol-
te mit keinem Getichte die Warheit der übri-
gen Siege verdächtig/ noch die Deutschen un-
willig machen; sondern er rieth den Römern
vielmehr: daß sie mit diesem unüberwindli-
chen Volcke lieber gute Verträuligkeit pfle-
gen; als durch vergebliche Antastung ihre
Schwäche verrathen solten. Wiewol auch
seine vertrauteste ihm in Ohren lagen: daß er
die Bürgerliche Ruh in Rom nicht besser/ als
durch eusserlichen Krieg/ erhalten/ und durch
öffters Aderlassen das Haupt für allen be-
schwerlichen Dünsten verwahren könte; war
er doch nicht zu bereden durch Krieg wie-

der
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſarn ſein Gluͤcke ſelbſt nunmehr verdaͤchtig
fuͤrkam/ und ihm eine traurige Abwechſelung
ahnete/ ſeiner eignen Verzweifelung ab. Denn
Caͤſar ward daſelbſt gleichſam ſelbſt zum Stei-
ne/ als beyde Heeꝛe mitten in dem hizigſten Tod-
ſchlagen/ da iedem ſchier der Jaͤſcht fuͤr dem
Munde ſtand/ in einem Augenblicke als todte
und ſtumme Bilder gegen einander erſtarrten/
und die ſchon halben Streiche zuruͤcke hiel-
ten. Ob er ſich nun zwar und ſein Heer wie-
der ermunterte/ und beyderſeits der aus Goͤtt-
licher Regung erwachſene Stilleſtand ſich wie-
der in Wuͤrgen verwandelte/ hielten doch Caͤ-
ſars aͤlteſte Krieges-Leute wieder die verzweif-
felten Pompejen mehr aus Schande als Tu-
gend Stand. Der Kern ſeines Heeres die
zehende Legion kam zum weichen/ ungeach-
tet der gleichſam raſende Caͤſar Augen/ Haͤn-
de und Stimme ſie auffzuhalten brauchte. Da-
her er ihm ſelbſt den Degen an die Bruſt ſetz-
te/ wormit er nicht dem groſſen Pompejus im
Tode gleich wuͤrde/ dem er an Macht ſchon zu
vor kommen war. Aber nicht ſo wol ein Roͤ-
mer/ der ihm den Degen ausrieß; als Sar-
ganß/ ein Alemaͤnniſcher Kriegs-Oberſter/ der
mit zwey tauſend Mann in das Pompejiſche
Laͤger einfiel/ lehnte von Caͤſarn nichts min-
der die Schande der Zagheit/ als ſeine und
ſeines Heeres Niederlage ab. Denn als La-
bienus dem Laͤger drittehalb tauſend Mann
zu Huͤlffe eilen ließ/ legte Hertzog Acrumer es
der Roͤmiſchen Reuterey fuͤr eine Flucht des
Feindes aus; waren alſo die Deutſchen die
Urſache eines herrlichen Sieges. Ja weil
eine ziemliche Anzahl der deutſchen Ritter-
ſchafft todt blieben/ nagelten ſie bey Belaͤge-
rung der Stadt Munda aus Verbitterung
ihrer Feinde Leichen mit Spießen zuſammen;
machten davon um die Stadt fuͤr ſich eine
Bruſtwehre/ und bauten durch ſo viel Siege
Caͤſarn einen herꝛſchafftlichen Stul in Rom
[Spaltenumbruch] uͤber die halbe Welt/ wiewol zugleich ein Ziel
des Neides/ und eine abſchuͤßige Stiege zu ſei-
ner Grufft.

Als die Roͤmer derogeſtalt mit ihren Waf-
fen ihre eigene Eingeweide zerfleiſchten; Dach-
te kein Roͤmer mehr den Deutſchen einigen Ab-
bruch zu thun. Caͤſar hielt zwar zu Rom auf
einmahl fuͤnfferley Siegs-Gepraͤnge. Jn
dem uͤber Gallien ließ er alle eroberte Staͤdte
und Siegs-Bilder aus Citronat-Holtze; uͤber
das Pontiſche Reich/ alle aus dem rothen E-
gyptiſchen Acanthus-Holtze/ uͤber Egypten
aus Meer-Schnecken/ uͤber Africa aus Helf-
fenbein/ uͤber Hiſpanien aus gedrieſeltem Sil-
ber fuͤrtragen. Er vertrug auch: daß der Roͤ-
miſche Rath ſeine Seule zwiſchen die Bilder
der ſieben Roͤmiſchen Koͤnige ſetzte; ja ein Theil
deſſen ihm die Gewalt aller Roͤmiſchen Frau-
en nach Belieben ſie zu bedienen zueignete. Als
aber der heuchelnde Antonius nebſt einem Koͤ-
niglichen Krantze und Stabe ihm aus dichtem
Golde das Bild des gefeſſelten Rheines fuͤr-
ſtellte/ und Caͤſarn bereden wolte jene Koͤni-
gliche Zeichen nicht allein zu tragen/ ſondern
auch dieſes mit auffzuthuͤrmen/ ſchlug Caͤſar
beydes ab/ vorwendende: daß das erſte ihm zu
wenig/ das letztere zu viel waͤre. Denn er wol-
te mit keinem Getichte die Warheit der uͤbri-
gen Siege verdaͤchtig/ noch die Deutſchen un-
willig machen; ſondern er rieth den Roͤmern
vielmehr: daß ſie mit dieſem unuͤberwindli-
chen Volcke lieber gute Vertraͤuligkeit pfle-
gen; als durch vergebliche Antaſtung ihre
Schwaͤche verrathen ſolten. Wiewol auch
ſeine vertrauteſte ihm in Ohren lagen: daß er
die Buͤrgerliche Ruh in Rom nicht beſſer/ als
durch euſſerlichen Krieg/ erhalten/ und durch
oͤffters Aderlaſſen das Haupt fuͤr allen be-
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er doch nicht zu bereden durch Krieg wie-

der
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[1037[1039]/1101] Arminius und Thußnelda. ſarn ſein Gluͤcke ſelbſt nunmehr verdaͤchtig fuͤrkam/ und ihm eine traurige Abwechſelung ahnete/ ſeiner eignen Verzweifelung ab. Denn Caͤſar ward daſelbſt gleichſam ſelbſt zum Stei- ne/ als beyde Heeꝛe mitten in dem hizigſten Tod- ſchlagen/ da iedem ſchier der Jaͤſcht fuͤr dem Munde ſtand/ in einem Augenblicke als todte und ſtumme Bilder gegen einander erſtarrten/ und die ſchon halben Streiche zuruͤcke hiel- ten. Ob er ſich nun zwar und ſein Heer wie- der ermunterte/ und beyderſeits der aus Goͤtt- licher Regung erwachſene Stilleſtand ſich wie- der in Wuͤrgen verwandelte/ hielten doch Caͤ- ſars aͤlteſte Krieges-Leute wieder die verzweif- felten Pompejen mehr aus Schande als Tu- gend Stand. Der Kern ſeines Heeres die zehende Legion kam zum weichen/ ungeach- tet der gleichſam raſende Caͤſar Augen/ Haͤn- de und Stimme ſie auffzuhalten brauchte. Da- her er ihm ſelbſt den Degen an die Bruſt ſetz- te/ wormit er nicht dem groſſen Pompejus im Tode gleich wuͤrde/ dem er an Macht ſchon zu vor kommen war. Aber nicht ſo wol ein Roͤ- mer/ der ihm den Degen ausrieß; als Sar- ganß/ ein Alemaͤnniſcher Kriegs-Oberſter/ der mit zwey tauſend Mann in das Pompejiſche Laͤger einfiel/ lehnte von Caͤſarn nichts min- der die Schande der Zagheit/ als ſeine und ſeines Heeres Niederlage ab. Denn als La- bienus dem Laͤger drittehalb tauſend Mann zu Huͤlffe eilen ließ/ legte Hertzog Acrumer es der Roͤmiſchen Reuterey fuͤr eine Flucht des Feindes aus; waren alſo die Deutſchen die Urſache eines herrlichen Sieges. Ja weil eine ziemliche Anzahl der deutſchen Ritter- ſchafft todt blieben/ nagelten ſie bey Belaͤge- rung der Stadt Munda aus Verbitterung ihrer Feinde Leichen mit Spießen zuſammen; machten davon um die Stadt fuͤr ſich eine Bruſtwehre/ und bauten durch ſo viel Siege Caͤſarn einen herꝛſchafftlichen Stul in Rom uͤber die halbe Welt/ wiewol zugleich ein Ziel des Neides/ und eine abſchuͤßige Stiege zu ſei- ner Grufft. Als die Roͤmer derogeſtalt mit ihren Waf- fen ihre eigene Eingeweide zerfleiſchten; Dach- te kein Roͤmer mehr den Deutſchen einigen Ab- bruch zu thun. Caͤſar hielt zwar zu Rom auf einmahl fuͤnfferley Siegs-Gepraͤnge. Jn dem uͤber Gallien ließ er alle eroberte Staͤdte und Siegs-Bilder aus Citronat-Holtze; uͤber das Pontiſche Reich/ alle aus dem rothen E- gyptiſchen Acanthus-Holtze/ uͤber Egypten aus Meer-Schnecken/ uͤber Africa aus Helf- fenbein/ uͤber Hiſpanien aus gedrieſeltem Sil- ber fuͤrtragen. Er vertrug auch: daß der Roͤ- miſche Rath ſeine Seule zwiſchen die Bilder der ſieben Roͤmiſchen Koͤnige ſetzte; ja ein Theil deſſen ihm die Gewalt aller Roͤmiſchen Frau- en nach Belieben ſie zu bedienen zueignete. Als aber der heuchelnde Antonius nebſt einem Koͤ- niglichen Krantze und Stabe ihm aus dichtem Golde das Bild des gefeſſelten Rheines fuͤr- ſtellte/ und Caͤſarn bereden wolte jene Koͤni- gliche Zeichen nicht allein zu tragen/ ſondern auch dieſes mit auffzuthuͤrmen/ ſchlug Caͤſar beydes ab/ vorwendende: daß das erſte ihm zu wenig/ das letztere zu viel waͤre. Denn er wol- te mit keinem Getichte die Warheit der uͤbri- gen Siege verdaͤchtig/ noch die Deutſchen un- willig machen; ſondern er rieth den Roͤmern vielmehr: daß ſie mit dieſem unuͤberwindli- chen Volcke lieber gute Vertraͤuligkeit pfle- gen; als durch vergebliche Antaſtung ihre Schwaͤche verrathen ſolten. Wiewol auch ſeine vertrauteſte ihm in Ohren lagen: daß er die Buͤrgerliche Ruh in Rom nicht beſſer/ als durch euſſerlichen Krieg/ erhalten/ und durch oͤffters Aderlaſſen das Haupt fuͤr allen be- ſchwerlichen Duͤnſten verwahren koͤnte; war er doch nicht zu bereden durch Krieg wie- der P p p p p p 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1037[1039]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1101>, abgerufen am 23.11.2024.