Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] das andere wünschte ein Söhn-Opffer zu seyn.
Jederman lobte beyder ungemeine Liebe; und
ob sich zwar niemand wagte für sie ein gut Wort
einzulegen; redeten doch theils die Gebährden/
theils die mitleidenden Thränen für sie. Dem
sauersehenden Orodes aber ward weiter nicht
sein Gemüthe erweichet/ als daß er beyde in ei-
nen Kercker zu verwahren befahl; weil die Gü-
tigkeit entweder mit seiner Geburts-Art unver-
träglich war; oder daß seine Aenderung seinen
gefasten Zorn keines Unrechts beschuldigen
möchte. Hingegen hatte die Schönheit der Für-
stin Asblasten dem jüngern Sohne des Königs
Orodes Phraaten die Seele derogestalt ver-
wundet: daß/ als des Caßius und Brutus zu
den Parthen abgefallener Gefährte Labienus
und Pacor mit einem mächtigen Kriegs-Heere
in Syrien/ Orodes auch selbst/ um dem Kriege
näher zu seyn/ nach Edeßa in Mesopotamien
verreiset war/ er sie heimlich aus dem Gefäng-
nüße auff eines seiner Lust-Häuser zu bringen
vorsaan. Wormit er nun seinen Anschlag so
viel geschickter ausübte/ entschloß er sich Asbla-
sten vorher seine Zuneigung zu entdecken; weil
er ihm nicht einbilden konte: daß sie nicht lieber
in den Armen eines so grossen Fürsten schlaffen/
als in so schweren Fesseln würde verschmachten
wollen. Dieses Schreiben vertraute er einem
theils durch Gaben bestochenen/ theils durch
Dräuung genöthigten Hauptmanne über die
Kercker-Wache; welcher solches Asblasten ab-
liefferte. Diese laß mit höchster Bestürtzung
diese unvermuthete Zeilen; erholete sich aber
alsbald/ und sagte mit freyem Gemüthe: Sie
würde dahin willig folgen/ wohin Fürst Phraa-
tes befehlen/ und der Hauptmann sie leiten
würde. Phraates ward über so gewünschter
Antwort erfreuet; und ließ durch den Haupt-
mann mit ihr abreden: daß folgende Nacht die
Wache mit gewissen vertrauten Leuten besätzt/
und sie unvermerckt aus dem Kercker solte ge-
holet werden. Asblaste bat unter dem Fürwand
[Spaltenumbruch] einiger Unpäßligkeit biß auf die dritte Nacht
Auffschub. Jnzwischen beredete sie unter dem
Scheine: daß sie in ihrem tieffen Gofängnüße
von den Feuchtigkeiten um ihr Leben käme/ mit
vielen Thränen und Geschencken den Kercker-
meister dahin: daß er ihr und Segimers Ge-
fängnüß verwechselte/ ihn in ihr unteres/ sie
aber in sein oberes einschloß. Auf die bestimte
Nacht kam der vom Phraates bestellte Haupt-
mann/ schloß Segimern die Fessel auffs leiseste
auff; und nach dem er ihm alle Wortwechse-
lung verboten/ führte er ihn im Finstern unver-
merckt aus dem Kercker/ und liefferte ihn an-
dern bestellten Leuten ein/ die ihn zu Pferde sätz-
ten/ und biß zu anbrechendem Tage sporn-
streichs mit ihm fortjagten. Nach dem sie des
Tages über in einem unbewohnten Jäger-
Hause ausgeruhet/ ritten sie die gantze Nacht
wieder mit ihm fort/ und kamen ein wenig für
dem Tage an ein prächtiges Gebäue; da ihnen
in aller Stille die Garten-Thüre eröffnet/
Fürst Segimer allein hinein genommen/ und
die Thüre wieder versperret ward. Segimer/
dem diß alles nicht anders als ein Traum für-
kam/ ward in ein oben von Golde/ auf den
Seiten mit Helffenbeine/ unten von denen köst-
lichsten Persischen Tapezereyen gläntzendes/
und mit wolrüchendem Balsam durchzogenes
Zimmer bracht; allwo ihm eine prächtig-ge-
kleidete Person um den Hals fiel/ und dem Küs-
sen kein Ende machte. Segimer wuste durch
kein Nachsinnen ihm diesen Traum oder Rätzel
auszulegen; biß Phraates selbst den Nahmen
Asblaste heraus stieß; und die Stimme so wol
den Fürsten Phraates als seinen Anschlag ver-
rieth. Segimer entbrach sich hiermit alsofort
aus Phraates Armen/ und um seinem Jrrthum
abzuhelffen/ sagte er: Jch bin Segimer/ nicht
Asblaste. Es ist leicht zu erachten/ wie Phraa-
tes nicht nur über seiner betrogenen Liebe/ son-
dern auch der unbesonnenen Verrathung sei-
ner blinden Liebe verändert worden sey. Gleich-

wol
Erster Theil. R r r r r r

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] das andere wuͤnſchte ein Soͤhn-Opffer zu ſeyn.
Jederman lobte beyder ungemeine Liebe; und
ob ſich zwar niemand wagte fuͤr ſie ein gut Wort
einzulegen; redeten doch theils die Gebaͤhrden/
theils die mitleidenden Thraͤnen fuͤr ſie. Dem
ſauerſehenden Orodes aber ward weiter nicht
ſein Gemuͤthe erweichet/ als daß er beyde in ei-
nen Kercker zu verwahren befahl; weil die Guͤ-
tigkeit entweder mit ſeiner Geburts-Art unver-
traͤglich war; oder daß ſeine Aenderung ſeinen
gefaſten Zorn keines Unrechts beſchuldigen
moͤchte. Hingegen hatte die Schoͤnheit der Fuͤr-
ſtin Asblaſten dem juͤngern Sohne des Koͤnigs
Orodes Phraaten die Seele derogeſtalt ver-
wundet: daß/ als des Caßius und Brutus zu
den Parthen abgefallener Gefaͤhrte Labienus
und Pacor mit einem maͤchtigen Kriegs-Heere
in Syrien/ Orodes auch ſelbſt/ um dem Kriege
naͤher zu ſeyn/ nach Edeßa in Meſopotamien
verreiſet war/ er ſie heimlich aus dem Gefaͤng-
nuͤße auff eines ſeiner Luſt-Haͤuſer zu bringen
vorſaan. Wormit er nun ſeinen Anſchlag ſo
viel geſchickter ausuͤbte/ entſchloß er ſich Asbla-
ſten vorher ſeine Zuneigung zu entdecken; weil
er ihm nicht einbilden konte: daß ſie nicht lieber
in den Armen eines ſo groſſen Fuͤrſten ſchlaffen/
als in ſo ſchweren Feſſeln wuͤrde verſchmachten
wollen. Dieſes Schreiben vertraute er einem
theils durch Gaben beſtochenen/ theils durch
Draͤuung genoͤthigten Hauptmanne uͤber die
Kercker-Wache; welcher ſolches Asblaſten ab-
liefferte. Dieſe laß mit hoͤchſter Beſtuͤrtzung
dieſe unvermuthete Zeilen; erholete ſich aber
alsbald/ und ſagte mit freyem Gemuͤthe: Sie
wuͤrde dahin willig folgen/ wohin Fuͤrſt Phraa-
tes befehlen/ und der Hauptmann ſie leiten
wuͤrde. Phraates ward uͤber ſo gewuͤnſchter
Antwort erfreuet; und ließ durch den Haupt-
mann mit ihr abreden: daß folgende Nacht die
Wache mit gewiſſen vertrauten Leuten beſaͤtzt/
und ſie unvermerckt aus dem Kercker ſolte ge-
holet werden. Asblaſte bat unter dem Fuͤrwand
[Spaltenumbruch] einiger Unpaͤßligkeit biß auf die dritte Nacht
Auffſchub. Jnzwiſchen beredete ſie unter dem
Scheine: daß ſie in ihrem tieffen Gofaͤngnuͤße
von den Feuchtigkeiten um ihr Leben kaͤme/ mit
vielen Thraͤnen und Geſchencken den Kercker-
meiſter dahin: daß er ihr und Segimers Ge-
faͤngnuͤß verwechſelte/ ihn in ihr unteres/ ſie
aber in ſein oberes einſchloß. Auf die beſtimte
Nacht kam der vom Phraates beſtellte Haupt-
mann/ ſchloß Segimern die Feſſel auffs leiſeſte
auff; und nach dem er ihm alle Wortwechſe-
lung verboten/ fuͤhrte er ihn im Finſtern unver-
merckt aus dem Kercker/ und liefferte ihn an-
dern beſtellten Leuten ein/ die ihn zu Pferde ſaͤtz-
ten/ und biß zu anbrechendem Tage ſporn-
ſtreichs mit ihm fortjagten. Nach dem ſie des
Tages uͤber in einem unbewohnten Jaͤger-
Hauſe ausgeruhet/ ritten ſie die gantze Nacht
wieder mit ihm fort/ und kamen ein wenig fuͤr
dem Tage an ein praͤchtiges Gebaͤue; da ihnen
in aller Stille die Garten-Thuͤre eroͤffnet/
Fuͤrſt Segimer allein hinein genommen/ und
die Thuͤre wieder verſperret ward. Segimer/
dem diß alles nicht anders als ein Traum fuͤr-
kam/ ward in ein oben von Golde/ auf den
Seiten mit Helffenbeine/ unten von denen koͤſt-
lichſten Perſiſchen Tapezereyen glaͤntzendes/
und mit wolruͤchendem Balſam durchzogenes
Zimmer bracht; allwo ihm eine praͤchtig-ge-
kleidete Perſon um den Hals fiel/ und dem Kuͤſ-
ſen kein Ende machte. Segimer wuſte durch
kein Nachſinnen ihm dieſen Traum oder Raͤtzel
auszulegen; biß Phraates ſelbſt den Nahmen
Asblaſte heraus ſtieß; und die Stimme ſo wol
den Fuͤrſten Phraates als ſeinen Anſchlag ver-
rieth. Segimer entbrach ſich hiermit alſofort
aus Phraates Armen/ und um ſeinem Jrrthum
abzuhelffen/ ſagte er: Jch bin Segimer/ nicht
Asblaſte. Es iſt leicht zu erachten/ wie Phraa-
tes nicht nur uͤber ſeiner betrogenen Liebe/ ſon-
dern auch der unbeſonnenen Verrathung ſei-
ner blinden Liebe veraͤndert worden ſey. Gleich-

wol
Erſter Theil. R r r r r r
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1113" n="1049[1051]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
das andere wu&#x0364;n&#x017F;chte ein So&#x0364;hn-Opffer zu &#x017F;eyn.<lb/>
Jederman lobte beyder ungemeine Liebe; und<lb/>
ob &#x017F;ich zwar niemand wagte fu&#x0364;r &#x017F;ie ein gut Wort<lb/>
einzulegen; redeten doch theils die Geba&#x0364;hrden/<lb/>
theils die mitleidenden Thra&#x0364;nen fu&#x0364;r &#x017F;ie. Dem<lb/>
&#x017F;auer&#x017F;ehenden Orodes aber ward weiter nicht<lb/>
&#x017F;ein Gemu&#x0364;the erweichet/ als daß er beyde in ei-<lb/>
nen Kercker zu verwahren befahl; weil die Gu&#x0364;-<lb/>
tigkeit entweder mit &#x017F;einer Geburts-Art unver-<lb/>
tra&#x0364;glich war; oder daß &#x017F;eine Aenderung &#x017F;einen<lb/>
gefa&#x017F;ten Zorn keines Unrechts be&#x017F;chuldigen<lb/>
mo&#x0364;chte. Hingegen hatte die Scho&#x0364;nheit der Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tin Asbla&#x017F;ten dem ju&#x0364;ngern Sohne des Ko&#x0364;nigs<lb/>
Orodes Phraaten die Seele deroge&#x017F;talt ver-<lb/>
wundet: daß/ als des Caßius und Brutus zu<lb/>
den Parthen abgefallener Gefa&#x0364;hrte Labienus<lb/>
und Pacor mit einem ma&#x0364;chtigen Kriegs-Heere<lb/>
in Syrien/ Orodes auch &#x017F;elb&#x017F;t/ um dem Kriege<lb/>
na&#x0364;her zu &#x017F;eyn/ nach Edeßa in Me&#x017F;opotamien<lb/>
verrei&#x017F;et war/ er &#x017F;ie heimlich aus dem Gefa&#x0364;ng-<lb/>
nu&#x0364;ße auff eines &#x017F;einer Lu&#x017F;t-Ha&#x0364;u&#x017F;er zu bringen<lb/>
vor&#x017F;aan. Wormit er nun &#x017F;einen An&#x017F;chlag &#x017F;o<lb/>
viel ge&#x017F;chickter ausu&#x0364;bte/ ent&#x017F;chloß er &#x017F;ich Asbla-<lb/>
&#x017F;ten vorher &#x017F;eine Zuneigung zu entdecken; weil<lb/>
er ihm nicht einbilden konte: daß &#x017F;ie nicht lieber<lb/>
in den Armen eines &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;chlaffen/<lb/>
als in &#x017F;o &#x017F;chweren Fe&#x017F;&#x017F;eln wu&#x0364;rde ver&#x017F;chmachten<lb/>
wollen. Die&#x017F;es Schreiben vertraute er einem<lb/>
theils durch Gaben be&#x017F;tochenen/ theils durch<lb/>
Dra&#x0364;uung geno&#x0364;thigten Hauptmanne u&#x0364;ber die<lb/>
Kercker-Wache; welcher &#x017F;olches Asbla&#x017F;ten ab-<lb/>
liefferte. Die&#x017F;e laß mit ho&#x0364;ch&#x017F;ter Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung<lb/>
die&#x017F;e unvermuthete Zeilen; erholete &#x017F;ich aber<lb/>
alsbald/ und &#x017F;agte mit freyem Gemu&#x0364;the: Sie<lb/>
wu&#x0364;rde dahin willig folgen/ wohin Fu&#x0364;r&#x017F;t Phraa-<lb/>
tes befehlen/ und der Hauptmann &#x017F;ie leiten<lb/>
wu&#x0364;rde. Phraates ward u&#x0364;ber &#x017F;o gewu&#x0364;n&#x017F;chter<lb/>
Antwort erfreuet; und ließ durch den Haupt-<lb/>
mann mit ihr abreden: daß folgende Nacht die<lb/>
Wache mit gewi&#x017F;&#x017F;en vertrauten Leuten be&#x017F;a&#x0364;tzt/<lb/>
und &#x017F;ie unvermerckt aus dem Kercker &#x017F;olte ge-<lb/>
holet werden. Asbla&#x017F;te bat unter dem Fu&#x0364;rwand<lb/><cb/>
einiger Unpa&#x0364;ßligkeit biß auf die dritte Nacht<lb/>
Auff&#x017F;chub. Jnzwi&#x017F;chen beredete &#x017F;ie unter dem<lb/>
Scheine: daß &#x017F;ie in ihrem tieffen Gofa&#x0364;ngnu&#x0364;ße<lb/>
von den Feuchtigkeiten um ihr Leben ka&#x0364;me/ mit<lb/>
vielen Thra&#x0364;nen und Ge&#x017F;chencken den Kercker-<lb/>
mei&#x017F;ter dahin: daß er ihr und Segimers Ge-<lb/>
fa&#x0364;ngnu&#x0364;ß verwech&#x017F;elte/ ihn in ihr unteres/ &#x017F;ie<lb/>
aber in &#x017F;ein oberes ein&#x017F;chloß. Auf die be&#x017F;timte<lb/>
Nacht kam der vom Phraates be&#x017F;tellte Haupt-<lb/>
mann/ &#x017F;chloß Segimern die Fe&#x017F;&#x017F;el auffs lei&#x017F;e&#x017F;te<lb/>
auff; und nach dem er ihm alle Wortwech&#x017F;e-<lb/>
lung verboten/ fu&#x0364;hrte er ihn im Fin&#x017F;tern unver-<lb/>
merckt aus dem Kercker/ und liefferte ihn an-<lb/>
dern be&#x017F;tellten Leuten ein/ die ihn zu Pferde &#x017F;a&#x0364;tz-<lb/>
ten/ und biß zu anbrechendem Tage &#x017F;porn-<lb/>
&#x017F;treichs mit ihm fortjagten. Nach dem &#x017F;ie des<lb/>
Tages u&#x0364;ber in einem unbewohnten Ja&#x0364;ger-<lb/>
Hau&#x017F;e ausgeruhet/ ritten &#x017F;ie die gantze Nacht<lb/>
wieder mit ihm fort/ und kamen ein wenig fu&#x0364;r<lb/>
dem Tage an ein pra&#x0364;chtiges Geba&#x0364;ue; da ihnen<lb/>
in aller Stille die Garten-Thu&#x0364;re ero&#x0364;ffnet/<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t Segimer allein hinein genommen/ und<lb/>
die Thu&#x0364;re wieder ver&#x017F;perret ward. Segimer/<lb/>
dem diß alles nicht anders als ein Traum fu&#x0364;r-<lb/>
kam/ ward in ein oben von Golde/ auf den<lb/>
Seiten mit Helffenbeine/ unten von denen ko&#x0364;&#x017F;t-<lb/>
lich&#x017F;ten Per&#x017F;i&#x017F;chen Tapezereyen gla&#x0364;ntzendes/<lb/>
und mit wolru&#x0364;chendem Bal&#x017F;am durchzogenes<lb/>
Zimmer bracht; allwo ihm eine pra&#x0364;chtig-ge-<lb/>
kleidete Per&#x017F;on um den Hals fiel/ und dem Ku&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en kein Ende machte. Segimer wu&#x017F;te durch<lb/>
kein Nach&#x017F;innen ihm die&#x017F;en Traum oder Ra&#x0364;tzel<lb/>
auszulegen; biß Phraates &#x017F;elb&#x017F;t den Nahmen<lb/>
Asbla&#x017F;te heraus &#x017F;tieß; und die Stimme &#x017F;o wol<lb/>
den Fu&#x0364;r&#x017F;ten Phraates als &#x017F;einen An&#x017F;chlag ver-<lb/>
rieth. Segimer entbrach &#x017F;ich hiermit al&#x017F;ofort<lb/>
aus Phraates Armen/ und um &#x017F;einem Jrrthum<lb/>
abzuhelffen/ &#x017F;agte er: Jch bin Segimer/ nicht<lb/>
Asbla&#x017F;te. Es i&#x017F;t leicht zu erachten/ wie Phraa-<lb/>
tes nicht nur u&#x0364;ber &#x017F;einer betrogenen Liebe/ &#x017F;on-<lb/>
dern auch der unbe&#x017F;onnenen Verrathung &#x017F;ei-<lb/>
ner blinden Liebe vera&#x0364;ndert worden &#x017F;ey. Gleich-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. R r r r r r</fw><fw place="bottom" type="catch">wol</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1049[1051]/1113] Arminius und Thußnelda. das andere wuͤnſchte ein Soͤhn-Opffer zu ſeyn. Jederman lobte beyder ungemeine Liebe; und ob ſich zwar niemand wagte fuͤr ſie ein gut Wort einzulegen; redeten doch theils die Gebaͤhrden/ theils die mitleidenden Thraͤnen fuͤr ſie. Dem ſauerſehenden Orodes aber ward weiter nicht ſein Gemuͤthe erweichet/ als daß er beyde in ei- nen Kercker zu verwahren befahl; weil die Guͤ- tigkeit entweder mit ſeiner Geburts-Art unver- traͤglich war; oder daß ſeine Aenderung ſeinen gefaſten Zorn keines Unrechts beſchuldigen moͤchte. Hingegen hatte die Schoͤnheit der Fuͤr- ſtin Asblaſten dem juͤngern Sohne des Koͤnigs Orodes Phraaten die Seele derogeſtalt ver- wundet: daß/ als des Caßius und Brutus zu den Parthen abgefallener Gefaͤhrte Labienus und Pacor mit einem maͤchtigen Kriegs-Heere in Syrien/ Orodes auch ſelbſt/ um dem Kriege naͤher zu ſeyn/ nach Edeßa in Meſopotamien verreiſet war/ er ſie heimlich aus dem Gefaͤng- nuͤße auff eines ſeiner Luſt-Haͤuſer zu bringen vorſaan. Wormit er nun ſeinen Anſchlag ſo viel geſchickter ausuͤbte/ entſchloß er ſich Asbla- ſten vorher ſeine Zuneigung zu entdecken; weil er ihm nicht einbilden konte: daß ſie nicht lieber in den Armen eines ſo groſſen Fuͤrſten ſchlaffen/ als in ſo ſchweren Feſſeln wuͤrde verſchmachten wollen. Dieſes Schreiben vertraute er einem theils durch Gaben beſtochenen/ theils durch Draͤuung genoͤthigten Hauptmanne uͤber die Kercker-Wache; welcher ſolches Asblaſten ab- liefferte. Dieſe laß mit hoͤchſter Beſtuͤrtzung dieſe unvermuthete Zeilen; erholete ſich aber alsbald/ und ſagte mit freyem Gemuͤthe: Sie wuͤrde dahin willig folgen/ wohin Fuͤrſt Phraa- tes befehlen/ und der Hauptmann ſie leiten wuͤrde. Phraates ward uͤber ſo gewuͤnſchter Antwort erfreuet; und ließ durch den Haupt- mann mit ihr abreden: daß folgende Nacht die Wache mit gewiſſen vertrauten Leuten beſaͤtzt/ und ſie unvermerckt aus dem Kercker ſolte ge- holet werden. Asblaſte bat unter dem Fuͤrwand einiger Unpaͤßligkeit biß auf die dritte Nacht Auffſchub. Jnzwiſchen beredete ſie unter dem Scheine: daß ſie in ihrem tieffen Gofaͤngnuͤße von den Feuchtigkeiten um ihr Leben kaͤme/ mit vielen Thraͤnen und Geſchencken den Kercker- meiſter dahin: daß er ihr und Segimers Ge- faͤngnuͤß verwechſelte/ ihn in ihr unteres/ ſie aber in ſein oberes einſchloß. Auf die beſtimte Nacht kam der vom Phraates beſtellte Haupt- mann/ ſchloß Segimern die Feſſel auffs leiſeſte auff; und nach dem er ihm alle Wortwechſe- lung verboten/ fuͤhrte er ihn im Finſtern unver- merckt aus dem Kercker/ und liefferte ihn an- dern beſtellten Leuten ein/ die ihn zu Pferde ſaͤtz- ten/ und biß zu anbrechendem Tage ſporn- ſtreichs mit ihm fortjagten. Nach dem ſie des Tages uͤber in einem unbewohnten Jaͤger- Hauſe ausgeruhet/ ritten ſie die gantze Nacht wieder mit ihm fort/ und kamen ein wenig fuͤr dem Tage an ein praͤchtiges Gebaͤue; da ihnen in aller Stille die Garten-Thuͤre eroͤffnet/ Fuͤrſt Segimer allein hinein genommen/ und die Thuͤre wieder verſperret ward. Segimer/ dem diß alles nicht anders als ein Traum fuͤr- kam/ ward in ein oben von Golde/ auf den Seiten mit Helffenbeine/ unten von denen koͤſt- lichſten Perſiſchen Tapezereyen glaͤntzendes/ und mit wolruͤchendem Balſam durchzogenes Zimmer bracht; allwo ihm eine praͤchtig-ge- kleidete Perſon um den Hals fiel/ und dem Kuͤſ- ſen kein Ende machte. Segimer wuſte durch kein Nachſinnen ihm dieſen Traum oder Raͤtzel auszulegen; biß Phraates ſelbſt den Nahmen Asblaſte heraus ſtieß; und die Stimme ſo wol den Fuͤrſten Phraates als ſeinen Anſchlag ver- rieth. Segimer entbrach ſich hiermit alſofort aus Phraates Armen/ und um ſeinem Jrrthum abzuhelffen/ ſagte er: Jch bin Segimer/ nicht Asblaſte. Es iſt leicht zu erachten/ wie Phraa- tes nicht nur uͤber ſeiner betrogenen Liebe/ ſon- dern auch der unbeſonnenen Verrathung ſei- ner blinden Liebe veraͤndert worden ſey. Gleich- wol Erſter Theil. R r r r r r

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1113
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1049[1051]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1113>, abgerufen am 23.11.2024.