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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] ander die grosse Sonnen-Seule/ der dritte den
Schutz-Geist der Stadt Rom umfaste/ wurden
sie doch von denen Schergen herab gerissen/
und auf sie die grimmigsten Tyger loß gelas-
sen. Worüber des Feldherrn Segimers an-
wesender Gesandte mit denen Zähnen knirsch-
te/ und denen ihm zugegebenen zweyen Rö-
mern ausdrücklich zu vernehmen gab: daß sein
Fürst diese Grausamkeit nicht verschmertzen
würde. Am allermeisten aber wurden hierü-
ber die Catten erbittert/ welche an den Römern
sich auf gleiche Art/ wie sie es ihren Bluts-
Freunden mitgespielt hatten/ zu rächen sich ver-
lobten. Hierzu kam: daß die Römer nun auch
auf der Sud- und Ost-Seiten allzu nahe grase-
ten; in dem Marcus Craßus wieder die Dacier/
und die von Deutschen entsprossenen Bastar-
nen mit einem mächtigen Heere geschickt ward
selbte unters Joch zu bringen. Nicht weniger
machte es in gantz Deutschland ein grosses
Nachdencken: daß die Sarmatier Gesandten
nach Rom schickten/ und mit dem Kayser ein
Bündnüß machten; insonderheit aber: daß er
mit einem mächtigen Heere in Gallien ankam/
unter dem Scheine in Britannien überzuse-
tzen und bey den Galliern eine Gleichheit der
Schatzungen einzuführen; oder vielmehr durch
Erhaltung alles Uberflußes die Gallier ruhig
und feige zu erhalten; weil Klagen nach Rom
kamen: daß nicht das zehende Theil in die Kay-
serliche Schatz-Kammer gebracht/ ihr Schweiß
und Blut aber von denen üppigen Landvögten
durch Wollüste verzehret würden/ und also sie
durch Armuth mit der Zeit zu hertzhafftern
Entschlüssungen gebracht werden dörfften.

Rhemetalces bat den Fürsten Malovend um
Verlaub seine Meynung zu erforschen: Ob er
denn mit dem Kayser das Reichthum für eine
Ursache der Zagheit und für rathsam hielte:
daß ein Fürst seine Unterthanen durch ihre Be-
reicherung im Zaume halten solte. Seinem
Bedüncken nach schiene es ihm für den unbän-
[Spaltenumbruch] digen Pöfel ein härter Kapzaum zu seyn/ wenn
er ihnen durch schwere Schatzungen die
Schwung-Federn verschnitte; und ihnen die
Flügel ihrer Kräffte und Vermögens nicht lies-
se zu lang werden. Da man aber auch gleich
alten Unterthanen/ derer Treue von vieler Zeit
gegen ihre Fürsten eingewurtzelt wäre/ deroge-
stalt müste Pflaumen streichen/ schiene es doch
bey denen nicht thulich/ derer unwillige Hälse
man allererst unters Joch gesteckt hätte. Diesen
nehme man ja die Waffen aus den Händen;
das Vermögen aber wäre die Spann-Adern/
ohne welche jene nicht könten gebraucht wer-
den. Cyrus habe deßhalben die überwundenen
Babylonier durch aufferlegten Krieges-Sold
mit Fleiß erschöpffet/ und die Römer hätten
durch übermäßige Schatzung den Demetrius
in Syrien so gar zum Kirchen-Raube genöthi-
get. Ja auch bey getreuen Unterthanen wäre
übermäßiges Reichthum mehr schädlich als
nützlich/ weil es geitzig und verzagt/ die Nach-
barn aber darnach lüstern machte. Aus wel-
chem Absehen die Satarchischen Scythen Gold
und Silber aus ihrem Gebiete wie Gifft ver-
bannt hätten. Und nach dem diß Ertzt den Her-
cules in Hispanien gelocket/ wäre selbtes lange
Jahre ein verbotenes Besitzthum der Einwoh-
ner gewest; also gar: daß die Hispanier/ welche
der Stadt Carthago im Kriege dienten/ ihren
Sold nicht nach Hause bringen/ sondern zu Er-
kauffung Africanischer Weiber verwenden mu-
sten. Massen denn auch die Römer mit den
ärmsten Völckern am meisten zu thun bekom-
men/ der reichsten aber am ersten Meister wor-
den. Weder in einem noch dem andern Fal-
le/ versetzte Adgandester/ halte ich es für gut sein
Volck verarmen zu lassen. Die Natur ist wie
in allem/ also auch in der Herrschens-Kunst die
klügste Lehrmeisterin. Die Ackersleute behauen
zu ihrer Nothdurfft nur die Bäume/ rotten sie
aber nicht gar aus. Ein Schäfer zöpfet seiner
Heerde kein Blut ab/ sondern vergnüget sich

an

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] ander die groſſe Sonnen-Seule/ der dritte den
Schutz-Geiſt der Stadt Rom umfaſte/ wurden
ſie doch von denen Schergen herab geriſſen/
und auf ſie die grimmigſten Tyger loß gelaſ-
ſen. Woruͤber des Feldherꝛn Segimers an-
weſender Geſandte mit denen Zaͤhnen knirſch-
te/ und denen ihm zugegebenen zweyen Roͤ-
mern ausdruͤcklich zu vernehmen gab: daß ſein
Fuͤrſt dieſe Grauſamkeit nicht verſchmertzen
wuͤrde. Am allermeiſten aber wurden hieruͤ-
ber die Catten erbittert/ welche an den Roͤmern
ſich auf gleiche Art/ wie ſie es ihren Bluts-
Freunden mitgeſpielt hatten/ zu raͤchen ſich ver-
lobten. Hierzu kam: daß die Roͤmer nun auch
auf der Sud- und Oſt-Seiten allzu nahe graſe-
ten; in dem Marcus Craßus wieder die Dacier/
und die von Deutſchen entſproſſenen Baſtar-
nen mit einem maͤchtigen Heere geſchickt ward
ſelbte unters Joch zu bringen. Nicht weniger
machte es in gantz Deutſchland ein groſſes
Nachdencken: daß die Sarmatier Geſandten
nach Rom ſchickten/ und mit dem Kayſer ein
Buͤndnuͤß machten; inſonderheit aber: daß er
mit einem maͤchtigen Heere in Gallien ankam/
unter dem Scheine in Britannien uͤberzuſe-
tzen und bey den Galliern eine Gleichheit der
Schatzungen einzufuͤhren; oder vielmehr durch
Erhaltung alles Uberflußes die Gallier ruhig
und feige zu erhalten; weil Klagen nach Rom
kamen: daß nicht das zehende Theil in die Kay-
ſerliche Schatz-Kammer gebracht/ ihr Schweiß
und Blut aber von denen uͤppigen Landvoͤgten
durch Wolluͤſte verzehret wuͤrden/ und alſo ſie
durch Armuth mit der Zeit zu hertzhafftern
Entſchluͤſſungen gebracht werden doͤrfften.

Rhemetalces bat den Fuͤrſten Malovend um
Verlaub ſeine Meynung zu erforſchen: Ob er
denn mit dem Kayſer das Reichthum fuͤr eine
Urſache der Zagheit und fuͤr rathſam hielte:
daß ein Fuͤrſt ſeine Unterthanen durch ihre Be-
reicherung im Zaume halten ſolte. Seinem
Beduͤncken nach ſchiene es ihm fuͤr den unbaͤn-
[Spaltenumbruch] digen Poͤfel ein haͤrter Kapzaum zu ſeyn/ wenn
er ihnen durch ſchwere Schatzungen die
Schwung-Federn verſchnitte; und ihnen die
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ſe zu lang werden. Da man aber auch gleich
alten Unterthanen/ derer Treue von vieler Zeit
gegen ihre Fuͤrſten eingewurtzelt waͤre/ deroge-
ſtalt muͤſte Pflaumen ſtreichen/ ſchiene es doch
bey denen nicht thulich/ derer unwillige Haͤlſe
man allererſt unters Joch geſteckt haͤtte. Dieſen
nehme man ja die Waffen aus den Haͤnden;
das Vermoͤgen aber waͤre die Spann-Adern/
ohne welche jene nicht koͤnten gebraucht wer-
den. Cyrus habe deßhalben die uͤberwundenen
Babylonier durch aufferlegten Krieges-Sold
mit Fleiß erſchoͤpffet/ und die Roͤmer haͤtten
durch uͤbermaͤßige Schatzung den Demetrius
in Syrien ſo gar zum Kirchen-Raube genoͤthi-
get. Ja auch bey getreuen Unterthanen waͤre
uͤbermaͤßiges Reichthum mehr ſchaͤdlich als
nuͤtzlich/ weil es geitzig und verzagt/ die Nach-
barn aber darnach luͤſtern machte. Aus wel-
chem Abſehen die Satarchiſchen Scythen Gold
und Silber aus ihrem Gebiete wie Gifft ver-
bannt haͤtten. Und nach dem diß Ertzt den Her-
cules in Hiſpanien gelocket/ waͤre ſelbtes lange
Jahre ein verbotenes Beſitzthum der Einwoh-
ner geweſt; alſo gar: daß die Hiſpanier/ welche
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Sold nicht nach Hauſe bringen/ ſondern zu Er-
kauffung Africaniſcher Weiber verwenden mu-
ſten. Maſſen denn auch die Roͤmer mit den
aͤrmſten Voͤlckern am meiſten zu thun bekom-
men/ der reichſten aber am erſten Meiſter wor-
den. Weder in einem noch dem andern Fal-
le/ verſetzte Adgandeſter/ halte ich es fuͤr gut ſein
Volck verarmen zu laſſen. Die Natur iſt wie
in allem/ alſo auch in der Herrſchens-Kunſt die
kluͤgſte Lehrmeiſterin. Die Ackersleute behauen
zu ihrer Nothdurfft nur die Baͤume/ rotten ſie
aber nicht gar aus. Ein Schaͤfer zoͤpfet ſeiner
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[1056[1058]/1120] Siebendes Buch ander die groſſe Sonnen-Seule/ der dritte den Schutz-Geiſt der Stadt Rom umfaſte/ wurden ſie doch von denen Schergen herab geriſſen/ und auf ſie die grimmigſten Tyger loß gelaſ- ſen. Woruͤber des Feldherꝛn Segimers an- weſender Geſandte mit denen Zaͤhnen knirſch- te/ und denen ihm zugegebenen zweyen Roͤ- mern ausdruͤcklich zu vernehmen gab: daß ſein Fuͤrſt dieſe Grauſamkeit nicht verſchmertzen wuͤrde. Am allermeiſten aber wurden hieruͤ- ber die Catten erbittert/ welche an den Roͤmern ſich auf gleiche Art/ wie ſie es ihren Bluts- Freunden mitgeſpielt hatten/ zu raͤchen ſich ver- lobten. Hierzu kam: daß die Roͤmer nun auch auf der Sud- und Oſt-Seiten allzu nahe graſe- ten; in dem Marcus Craßus wieder die Dacier/ und die von Deutſchen entſproſſenen Baſtar- nen mit einem maͤchtigen Heere geſchickt ward ſelbte unters Joch zu bringen. Nicht weniger machte es in gantz Deutſchland ein groſſes Nachdencken: daß die Sarmatier Geſandten nach Rom ſchickten/ und mit dem Kayſer ein Buͤndnuͤß machten; inſonderheit aber: daß er mit einem maͤchtigen Heere in Gallien ankam/ unter dem Scheine in Britannien uͤberzuſe- tzen und bey den Galliern eine Gleichheit der Schatzungen einzufuͤhren; oder vielmehr durch Erhaltung alles Uberflußes die Gallier ruhig und feige zu erhalten; weil Klagen nach Rom kamen: daß nicht das zehende Theil in die Kay- ſerliche Schatz-Kammer gebracht/ ihr Schweiß und Blut aber von denen uͤppigen Landvoͤgten durch Wolluͤſte verzehret wuͤrden/ und alſo ſie durch Armuth mit der Zeit zu hertzhafftern Entſchluͤſſungen gebracht werden doͤrfften. Rhemetalces bat den Fuͤrſten Malovend um Verlaub ſeine Meynung zu erforſchen: Ob er denn mit dem Kayſer das Reichthum fuͤr eine Urſache der Zagheit und fuͤr rathſam hielte: daß ein Fuͤrſt ſeine Unterthanen durch ihre Be- reicherung im Zaume halten ſolte. Seinem Beduͤncken nach ſchiene es ihm fuͤr den unbaͤn- digen Poͤfel ein haͤrter Kapzaum zu ſeyn/ wenn er ihnen durch ſchwere Schatzungen die Schwung-Federn verſchnitte; und ihnen die Fluͤgel ihrer Kraͤffte und Vermoͤgens nicht lieſ- ſe zu lang werden. Da man aber auch gleich alten Unterthanen/ derer Treue von vieler Zeit gegen ihre Fuͤrſten eingewurtzelt waͤre/ deroge- ſtalt muͤſte Pflaumen ſtreichen/ ſchiene es doch bey denen nicht thulich/ derer unwillige Haͤlſe man allererſt unters Joch geſteckt haͤtte. Dieſen nehme man ja die Waffen aus den Haͤnden; das Vermoͤgen aber waͤre die Spann-Adern/ ohne welche jene nicht koͤnten gebraucht wer- den. Cyrus habe deßhalben die uͤberwundenen Babylonier durch aufferlegten Krieges-Sold mit Fleiß erſchoͤpffet/ und die Roͤmer haͤtten durch uͤbermaͤßige Schatzung den Demetrius in Syrien ſo gar zum Kirchen-Raube genoͤthi- get. Ja auch bey getreuen Unterthanen waͤre uͤbermaͤßiges Reichthum mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich/ weil es geitzig und verzagt/ die Nach- barn aber darnach luͤſtern machte. Aus wel- chem Abſehen die Satarchiſchen Scythen Gold und Silber aus ihrem Gebiete wie Gifft ver- bannt haͤtten. Und nach dem diß Ertzt den Her- cules in Hiſpanien gelocket/ waͤre ſelbtes lange Jahre ein verbotenes Beſitzthum der Einwoh- ner geweſt; alſo gar: daß die Hiſpanier/ welche der Stadt Carthago im Kriege dienten/ ihren Sold nicht nach Hauſe bringen/ ſondern zu Er- kauffung Africaniſcher Weiber verwenden mu- ſten. Maſſen denn auch die Roͤmer mit den aͤrmſten Voͤlckern am meiſten zu thun bekom- men/ der reichſten aber am erſten Meiſter wor- den. Weder in einem noch dem andern Fal- le/ verſetzte Adgandeſter/ halte ich es fuͤr gut ſein Volck verarmen zu laſſen. Die Natur iſt wie in allem/ alſo auch in der Herrſchens-Kunſt die kluͤgſte Lehrmeiſterin. Die Ackersleute behauen zu ihrer Nothdurfft nur die Baͤume/ rotten ſie aber nicht gar aus. Ein Schaͤfer zoͤpfet ſeiner Heerde kein Blut ab/ ſondern vergnuͤget ſich an

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1056[1058]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1120>, abgerufen am 23.11.2024.