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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nigen Gesetze fürgeschrieben. Zugeschweigen:
daß wenn auch ein Volck nicht mit Gewalt un-
ters Joch gebracht/ sondern einem die höchste
und unverschränckte Gewalt auftrüge; nicht so
wol das bey dem Volcke verbleibende und ein-
gewurtzelte/ auch seinem Wesen nach viel edlere
Eigenthum/ als der blosse Genüß der selbten auf
eine zeitlang/ oder nur ein Theil der höchsten
Gewalt ihm anvertrauet würde. Ja da wieder
die höchste Gewalt der Welt Niedrigen sich zu
beschirmen verstattet/ ein rechtmäßiger Krieg
aber ein zuläßiges Mittel wäre/ fremde Völcker
und Könige ihm unterthänig zu machen/ könte
man keine Ursache finden; warum nicht ein
Volck wieder den Fürsten/ der durch Eyd und
Pflicht sich den Gesetzen nach zu herrschen be-
theuert hätte/ selbte aber zerdrümmerte/ sich ver-
theidigen/ und ihn dessen zu entsetzen trachten
solte/ was er durch Meineyd selbst gleichsam
mit Füssen von sich stiesse.

Der Burier Gesandte aber versetzte: wie ein
unverschräncktes Reich einem Fürsten nicht die
Gewalt zueignete/ ein Theil oder das gantze
Volck aufzureiben; ieden ohne Ursache seiner
Güter zu ber auben; also wäre eine mit Gesetzen
umschränckte Herrschafft bey ein oder anderm
Abwege nicht stracks dem Volcke unterwürffig
oder gar erloschen. Bey Fürsten stünde es zu un-
terscheiden/ was zu der Wolfarth des Reiches
diente; diese aber wäre das höchste Gesetze/ wel-
che alle vorher gehende aufhieb. Zugeschwei-
gen: daß kein Volck mit Rechte seinem von
GOtt für gesetzten Könige etwas von dem
Maaße seiner Gewalt entziehen könte; ohne
welche er seinem hohen Ampte nicht auskom-
mentlich fürzustehen vermöchte. Wenn aber auch
gleich Fürsten sonder gäntzliche Zerrüttung ih-
rer Hoheit/ und daß ihnen die blosse Schale des
Nahmens übrig bliebe; auch mit den härtesten
Bedingungen umschränckt werden könte; be-
nähmen ihm doch diese nicht die höchste Gewalt/
weniger setzten sie die Unterthanen über ihn; al-
so: daß selbtes über ihn; ob er mit Recht oder Un-
[Spaltenumbruch] recht von denen Gesetzen ab gewichen/ erkennen
könten. Auch der Pöfel selbst liesse sich nicht den
verurtheiln/ der ihn einer Handlung wieder sein
Versprechen beschuldigte. Die Gerechtigkeit
sähe vielen Fehltritten der Unterthanen durch
die Finger; warum nicht auch diese denen Für-
sten; welche/ wie gut sie auch wären/ unmöglich
allemahl recht zu thun vermöchten. Man ver-
schmähte nicht alsbald einen/ der einen von Wind
aufgeblasenen Ball fehlete; mit was Recht mö-
ge man nun gegen dem so strenge verfahren/ der
den Zentner-schweren Klumpen eines Volckes
nicht allzeit in der Schnure hätte. Einige aber-
witzige Völcker hätten zwar auf gewisse Fälle
ihren Fürsten ein Ziel ihrer Herrschafft gesetzt;
aber es wären nur solche handgreifliche und von
den eusserlichen Sinnen zu entscheiden leichte
Aufsätze gewest; welche keine Zweydeutung ver-
stattet/ noch allererst eine Rechtshegung erfor-
dert hätten. Denn die Anmassung einer Gewalt
über Fürsten wäre ein Raub des himmlischen
Feuers/ welche Jupiter am Prometheus so har-
te gestrafft hätte. Weßwegen die klugen Egyp-
tier für eine unvernünftige Greuelthat gehalten
hätten/ ihre mit den schärffsten Gesetzen umpfä-
lete Könige ihrer Verbrechen halber im Leben
zu rechtfertigen; sondern es wäre allein nach dem
Tode ihr Gedächtnüß verdammt/ die Leiche der
Beerdigung beraubet/ und derogestalt zwar den
Lastern eine Straffe/ der Fürstlichen Hoheit a-
ber nichts un gebührlich entzogen worden. Der
Reichs-Rath wäre in alle wege befugt einem
Könige bey bedencklichen Entschlüssungen ein-
zureden; aber nicht ihm seine Meinungen auf-
zunöthigen; als welche ohne des Fürstens Ge-
nehmbabung keine Krafft hätten; sondern wie
der Mohnde sein Licht von ihm/ als der Son-
nen entlehnen müsten. Zwar wäre der
Reichs-Rath in dem höher als die eigenen
Räthe des Königs: daß er dieser Gutachten
mit gutem Fug/ jener aber nicht ohne Beleidi-
gung seines Gewissens verwerffen könte; aber
nur diß/ nicht der Rath wäre deßhalben sein

Richter-
X x x x x x 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nigen Geſetze fuͤrgeſchrieben. Zugeſchweigen:
daß wenn auch ein Volck nicht mit Gewalt un-
ters Joch gebracht/ ſondern einem die hoͤchſte
und unverſchraͤnckte Gewalt auftruͤge; nicht ſo
wol das bey dem Volcke verbleibende und ein-
gewurtzelte/ auch ſeinem Weſen nach viel edlere
Eigenthum/ als der bloſſe Genuͤß der ſelbten auf
eine zeitlang/ oder nur ein Theil der hoͤchſten
Gewalt ihm anvertrauet wuͤrde. Ja da wieder
die hoͤchſte Gewalt der Welt Niedrigen ſich zu
beſchirmen verſtattet/ ein rechtmaͤßiger Krieg
aber ein zulaͤßiges Mittel waͤre/ fremde Voͤlckeꝛ
und Koͤnige ihm unterthaͤnig zu machen/ koͤnte
man keine Urſache finden; warum nicht ein
Volck wieder den Fuͤrſten/ der durch Eyd und
Pflicht ſich den Geſetzen nach zu herꝛſchen be-
theuert haͤtte/ ſelbte aber zerdruͤm̃erte/ ſich ver-
theidigen/ und ihn deſſen zu entſetzen trachten
ſolte/ was er durch Meineyd ſelbſt gleichſam
mit Fuͤſſen von ſich ſtieſſe.

Der Burier Geſandte aber verſetzte: wie ein
unverſchraͤncktes Reich einem Fuͤrſten nicht die
Gewalt zueignete/ ein Theil oder das gantze
Volck aufzureiben; ieden ohne Urſache ſeiner
Guͤter zu ber auben; alſo waͤre eine mit Geſetzen
umſchraͤnckte Herꝛſchafft bey ein oder anderm
Abwege nicht ſtracks dem Volcke unterwuͤrffig
oder gar erloſchen. Bey Fuͤrſten ſtuͤnde es zu un-
terſcheiden/ was zu der Wolfarth des Reiches
diente; dieſe aber waͤre das hoͤchſte Geſetze/ wel-
che alle vorher gehende aufhieb. Zugeſchwei-
gen: daß kein Volck mit Rechte ſeinem von
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Maaße ſeiner Gewalt entziehen koͤnte; ohne
welche er ſeinem hohen Ampte nicht auskom-
mentlich fuͤrzuſtehen vermoͤchte. Weñ aber auch
gleich Fuͤrſten ſonder gaͤntzliche Zerruͤttung ih-
rer Hoheit/ und daß ihnen die bloſſe Schale des
Nahmens uͤbrig bliebe; auch mit den haͤrteſten
Bedingungen umſchraͤnckt werden koͤnte; be-
naͤhmẽ ihm doch dieſe nicht die hoͤchſte Gewalt/
weniger ſetzten ſie die Unterthanen uͤber ihn; al-
ſo: daß ſelbtes uͤber ihn; ob er mit Recht oder Un-
[Spaltenumbruch] recht von denen Geſetzen ab gewichen/ erkennen
koͤnten. Auch der Poͤfel ſelbſt lieſſe ſich nicht den
verurtheiln/ der ihn einer Handlung wieder ſein
Verſprechen beſchuldigte. Die Gerechtigkeit
ſaͤhe vielen Fehltritten der Unterthanen durch
die Finger; warum nicht auch dieſe denen Fuͤr-
ſten; welche/ wie gut ſie auch waͤren/ unmoͤglich
allemahl recht zu thun vermoͤchten. Man ver-
ſchmaͤhte nicht alsbald einen/ der einẽ von Wind
aufgeblaſenen Ball fehlete; mit was Recht moͤ-
ge man nun gegen dem ſo ſtrenge verfahren/ der
den Zentner-ſchweren Klumpen eines Volckes
nicht allzeit in der Schnure haͤtte. Einige aber-
witzige Voͤlcker haͤtten zwar auf gewiſſe Faͤlle
ihren Fuͤrſten ein Ziel ihrer Herꝛſchafft geſetzt;
aber es waͤren nur ſolche handgreifliche und von
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ſtattet/ noch allererſt eine Rechtshegung erfor-
dert haͤtten. Deñ die Anmaſſung einer Gewalt
uͤber Fuͤrſten waͤre ein Raub des himmliſchen
Feuers/ welche Jupiter am Prometheus ſo har-
te geſtrafft haͤtte. Weßwegen die klugen Egyp-
tier fuͤr eine unvernuͤnftige Greuelthat gehalten
haͤtten/ ihre mit den ſchaͤrffſten Geſetzen umpfaͤ-
lete Koͤnige ihrer Verbrechen halber im Leben
zu rechtfeꝛtigen; ſondern es waͤꝛe allein nach dem
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Beerdigung beraubet/ und derogeſtalt zwar den
Laſtern eine Straffe/ der Fuͤrſtlichen Hoheit a-
ber nichts un gebuͤhrlich entzogen worden. Der
Reichs-Rath waͤre in alle wege befugt einem
Koͤnige bey bedencklichen Entſchluͤſſungen ein-
zureden; aber nicht ihm ſeine Meinungen auf-
zunoͤthigen; als welche ohne des Fuͤrſtens Ge-
nehmbabung keine Krafft haͤtten; ſondern wie
der Mohnde ſein Licht von ihm/ als der Son-
nen entlehnen muͤſten. Zwar waͤre der
Reichs-Rath in dem hoͤher als die eigenen
Raͤthe des Koͤnigs: daß er dieſer Gutachten
mit gutem Fug/ jener aber nicht ohne Beleidi-
gung ſeines Gewiſſens verwerffen koͤnte; aber
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Richter-
X x x x x x 3
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1085[1087]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1149>, abgerufen am 23.11.2024.