Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
einer prächtigen Gesandtschafft. Diesen folgten[a]uch die Catten/ und insonderheit der mächtige König der Lygier/ der nach gehaltener langen Berathschlagung ihm so gar Bruder und Vet- ter zuschrieb. Weil die Staats-Klugheit nur die Glückseligen kennet; und bey abgesehenem Nutzen auf gewisse Zeit auch derer Bluts- Freund sich rühmet/ die ihr mit keiner Ader zu- gethan sind/ und dieselben umhalset; derer Hals gleich Morgen an die Kette/ der Kopff aber auff den Pfal kommen soll. Die Cherusker und Bo- jen alleine hatten Bedencken sich derogestalt zu verkleinern; wiewol ihre Beschaffenheit sie auch hemmete gegen den Marbod einen unzeitigen Eyfer auszulassen. Also ist das Geblüte gegen dem Feuer der Ehrsucht Eyß-kalt; und der ab- gesehene Vortheil ist der Grund und die Zer- treunung der meisten Freundschafft; ja die Spil- le/ um welche sich alles Thun der Menschen windet und verwickelt. Jnsonderheit aber ha- ben Fürsten keine Bluts-noch andere Freunde. Denn wie sie über Völcker gebieten/ also gebeut der Vortheil über die Fürsten. Ja diesem gros- sen Thiere gehorsamen alle Menschen. Wiewol nun die Hermundurer derogestalt schon Erster Theil. Y y y y y y
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
einer praͤchtigen Geſandtſchafft. Dieſen folgten[a]uch die Catten/ und inſonderheit der maͤchtige Koͤnig der Lygier/ der nach gehaltener langen Berathſchlagung ihm ſo gar Bruder und Vet- ter zuſchrieb. Weil die Staats-Klugheit nur die Gluͤckſeligen kennet; und bey abgeſehenem Nutzen auf gewiſſe Zeit auch derer Bluts- Freund ſich ruͤhmet/ die ihr mit keiner Ader zu- gethan ſind/ und dieſelben umhalſet; derer Hals gleich Morgen an die Kette/ der Kopff aber auff den Pfal kommen ſoll. Die Cherusker und Bo- jen alleine hatten Bedencken ſich derogeſtalt zu verkleinern; wiewol ihre Beſchaffenheit ſie auch hemmete gegen den Marbod einen unzeitigen Eyfer auszulaſſen. Alſo iſt das Gebluͤte gegen dem Feuer der Ehrſucht Eyß-kalt; und der ab- geſehene Vortheil iſt der Grund und die Zer- treũung der meiſten Freundſchafft; ja die Spil- le/ um welche ſich alles Thun der Menſchen windet und verwickelt. Jnſonderheit aber ha- ben Fuͤrſten keine Bluts-noch andere Freunde. Denn wie ſie uͤber Voͤlcker gebieten/ alſo gebeut der Vortheil uͤber die Fuͤrſten. Ja dieſem groſ- ſen Thiere gehorſamen alle Menſchen. Wiewol nun die Hermundurer derogeſtalt ſchon Erſter Theil. Y y y y y y
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1153" n="1089[1091]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/> einer praͤchtigen Geſandtſchafft. Dieſen folgten<lb/><supplied>a</supplied>uch die Catten/ und inſonderheit der maͤchtige<lb/> Koͤnig der Lygier/ der nach gehaltener langen<lb/> Berathſchlagung ihm ſo gar Bruder und Vet-<lb/> ter zuſchrieb. Weil die Staats-Klugheit nur<lb/> die Gluͤckſeligen kennet; und bey abgeſehenem<lb/> Nutzen auf gewiſſe Zeit auch derer Bluts-<lb/> Freund ſich ruͤhmet/ die ihr mit keiner Ader zu-<lb/> gethan ſind/ und dieſelben umhalſet; derer Hals<lb/> gleich Morgen an die Kette/ der Kopff aber auff<lb/> den Pfal kommen ſoll. Die Cherusker und Bo-<lb/> jen alleine hatten Bedencken ſich derogeſtalt zu<lb/> verkleinern; wiewol ihre Beſchaffenheit ſie auch<lb/> hemmete gegen den Marbod einen unzeitigen<lb/> Eyfer auszulaſſen. Alſo iſt das Gebluͤte gegen<lb/> dem Feuer der Ehrſucht Eyß-kalt; und der ab-<lb/> geſehene Vortheil iſt der Grund und die Zer-<lb/> treũung der meiſten Freundſchafft; ja die Spil-<lb/> le/ um welche ſich alles Thun der Menſchen<lb/> windet und verwickelt. Jnſonderheit aber ha-<lb/> ben Fuͤrſten keine Bluts-noch andere Freunde.<lb/> Denn wie ſie uͤber Voͤlcker gebieten/ alſo gebeut<lb/> der Vortheil uͤber die Fuͤrſten. Ja dieſem groſ-<lb/> ſen Thiere gehorſamen alle Menſchen.</p><lb/> <p>Wiewol nun die Hermundurer derogeſtalt<lb/> ohne Feind waren/ wolte doch Marbod nicht<lb/> ohne Kriegs-Macht ſeyn; ließ ſich auch oͤffent-<lb/> lich im Staats-Rathe aus: daß wenn eine Herꝛ-<lb/> ſchafft des Volckes nicht in ihren eigenen Ein-<lb/> geweiden wolte Wuͤrmer hecken; muͤſte ſie ſelb-<lb/> te den Nachbarn in Buſem ſetzen. Weil nun<lb/> nichts leichters iſt/ als eine Urſache des Krieges<lb/> zu finden; rieth er: daß/ nach dem die Bojen<lb/> von etlicher Zeit her ſich des denen Hermundu-<lb/> ren zuſtaͤndigen Hercyniſchen Gebuͤrges ange-<lb/> maſt/ denen Roͤmern das Goldwaſchen in denen<lb/> Baͤchen/ und die Ertzt-Gruben theuer vermie-<lb/> tet haͤtten; ſie dieſen Eingriff den Bojen unter-<lb/> ſagen/ und den Vortheil ſelbſt an ſich ziehen ſol-<lb/> ten. Critaſir der Bojen Hertzog wolte dieſen<lb/> Nutzen ſo ſchlechter Dings nicht aus den Haͤn-<lb/> den laſſen; ſchuͤtzte alſo der Bojen alten Beſitz<lb/><cb/> und Genuͤß des Hercyniſchen Gebuͤrges fuͤr/<lb/> und daß ſie dieſe verborgene Schaͤtze der Natur<lb/> als die erſten Erfinder ihnen mit Rechte zueig-<lb/> neten. Marbod aber verſetzte: Die Hermun-<lb/> durer haͤtten das Nordweſtliche Theil des Her-<lb/> ciniſchen Gebuͤrges lange fuͤr den Bojen be-<lb/> holtzet/ befiſchet/ bejaget; und mit allen ſeinen<lb/> offenbaren und verborgenen Nutzbarkeiten ei-<lb/> genthuͤmlich beſeſſen; daher waͤre ihr juͤngerer<lb/> Beſitz ein Eingriff; und koͤnte die Erfindung<lb/> einer ſchon von einem andern beſeſſenen Sache<lb/> ſelbten nicht rechtfertigen. Hierbey aber b<supplied>e</supplied>-<lb/> ruhte Marbod nicht/ ſondern weil er wol wuſte:<lb/> daß zwiſchen Fuͤrſten ein gewaffnetes Heer der<lb/> beſte Sach-Redner/ und der Degen das einige<lb/> Meſſer waͤre den Zanck-Apffel recht zu theilen/<lb/> oder den Gordiſchen Knoten aufzuloͤſen/ ver-<lb/> ſam̃lete er alle Kriegs-Macht zuſammen. Weil<lb/> aber gleichwol in dem Staats-rathe noch einige<lb/> waren/ welche den Schatten ihrer Freyheit al-<lb/> lererſt erblickten/ als ihꝛ Bild ſchon fuͤr ihꝛen Au-<lb/> gen veꝛſchwundẽ war/ uñ wahrnahmen: daß mit<lb/> dieſem Kriege mehr ihre/ als der Bojen gaͤntzli-<lb/> che Unterdruͤckung angezielet wuͤꝛde; und Mar-<lb/> bod nunmehr mehr als den Koͤnig ſpielte; lieſ-<lb/> ſen ſie an ihn eine Bittſchrifft ab: Er moͤchte das<lb/> durch langen Krieg abgemer gelte Volck ein we-<lb/> nig verblaſenlaſſen/ und mit ihren treuen Nach-<lb/> barn und alten Bund genoſſen den Bojen lieber<lb/> einen billichen Vergleich treffen/ darzu ſie ſich<lb/> ſchon mehrmahls erboten haͤtten. Die Hofnung<lb/> viel zu gewinnen/ oder ein uhraltes Beſitzthum<lb/> waͤre keine rechtmaͤßige Urſache. Deñ ſo wuͤrde<lb/> keine Herꝛſchaft in der Welt ohne Anſpruch/ und<lb/> dieſe nie ohne Krieg ſeyn; weñ die Verjaͤhrung<lb/> nicht ſo wol in Laͤndeꝛn/ als in Gꝛuͤnden der Un-<lb/> terthanen ſtatt finden ſolte. Auch wuͤrden Reiche<lb/> mit ihrer Erweiterung nicht allezeit verſtaͤrcket;<lb/> ſondern zwar ihre Graͤntzen/ nicht aber ihre<lb/> Kraͤfften vergroͤſſert. Sonderlich aber ſtuͤnde<lb/> der Zuſatz mehrer Laͤnder freyen Voͤlckern nicht<lb/> an; welche ohne Wachsthum ihren Nachbarn<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Erſter Theil. Y y y y y y</fw><fw place="bottom" type="catch">ſchon</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1089[1091]/1153]
Arminius und Thußnelda.
einer praͤchtigen Geſandtſchafft. Dieſen folgten
auch die Catten/ und inſonderheit der maͤchtige
Koͤnig der Lygier/ der nach gehaltener langen
Berathſchlagung ihm ſo gar Bruder und Vet-
ter zuſchrieb. Weil die Staats-Klugheit nur
die Gluͤckſeligen kennet; und bey abgeſehenem
Nutzen auf gewiſſe Zeit auch derer Bluts-
Freund ſich ruͤhmet/ die ihr mit keiner Ader zu-
gethan ſind/ und dieſelben umhalſet; derer Hals
gleich Morgen an die Kette/ der Kopff aber auff
den Pfal kommen ſoll. Die Cherusker und Bo-
jen alleine hatten Bedencken ſich derogeſtalt zu
verkleinern; wiewol ihre Beſchaffenheit ſie auch
hemmete gegen den Marbod einen unzeitigen
Eyfer auszulaſſen. Alſo iſt das Gebluͤte gegen
dem Feuer der Ehrſucht Eyß-kalt; und der ab-
geſehene Vortheil iſt der Grund und die Zer-
treũung der meiſten Freundſchafft; ja die Spil-
le/ um welche ſich alles Thun der Menſchen
windet und verwickelt. Jnſonderheit aber ha-
ben Fuͤrſten keine Bluts-noch andere Freunde.
Denn wie ſie uͤber Voͤlcker gebieten/ alſo gebeut
der Vortheil uͤber die Fuͤrſten. Ja dieſem groſ-
ſen Thiere gehorſamen alle Menſchen.
Wiewol nun die Hermundurer derogeſtalt
ohne Feind waren/ wolte doch Marbod nicht
ohne Kriegs-Macht ſeyn; ließ ſich auch oͤffent-
lich im Staats-Rathe aus: daß wenn eine Herꝛ-
ſchafft des Volckes nicht in ihren eigenen Ein-
geweiden wolte Wuͤrmer hecken; muͤſte ſie ſelb-
te den Nachbarn in Buſem ſetzen. Weil nun
nichts leichters iſt/ als eine Urſache des Krieges
zu finden; rieth er: daß/ nach dem die Bojen
von etlicher Zeit her ſich des denen Hermundu-
ren zuſtaͤndigen Hercyniſchen Gebuͤrges ange-
maſt/ denen Roͤmern das Goldwaſchen in denen
Baͤchen/ und die Ertzt-Gruben theuer vermie-
tet haͤtten; ſie dieſen Eingriff den Bojen unter-
ſagen/ und den Vortheil ſelbſt an ſich ziehen ſol-
ten. Critaſir der Bojen Hertzog wolte dieſen
Nutzen ſo ſchlechter Dings nicht aus den Haͤn-
den laſſen; ſchuͤtzte alſo der Bojen alten Beſitz
und Genuͤß des Hercyniſchen Gebuͤrges fuͤr/
und daß ſie dieſe verborgene Schaͤtze der Natur
als die erſten Erfinder ihnen mit Rechte zueig-
neten. Marbod aber verſetzte: Die Hermun-
durer haͤtten das Nordweſtliche Theil des Her-
ciniſchen Gebuͤrges lange fuͤr den Bojen be-
holtzet/ befiſchet/ bejaget; und mit allen ſeinen
offenbaren und verborgenen Nutzbarkeiten ei-
genthuͤmlich beſeſſen; daher waͤre ihr juͤngerer
Beſitz ein Eingriff; und koͤnte die Erfindung
einer ſchon von einem andern beſeſſenen Sache
ſelbten nicht rechtfertigen. Hierbey aber be-
ruhte Marbod nicht/ ſondern weil er wol wuſte:
daß zwiſchen Fuͤrſten ein gewaffnetes Heer der
beſte Sach-Redner/ und der Degen das einige
Meſſer waͤre den Zanck-Apffel recht zu theilen/
oder den Gordiſchen Knoten aufzuloͤſen/ ver-
ſam̃lete er alle Kriegs-Macht zuſammen. Weil
aber gleichwol in dem Staats-rathe noch einige
waren/ welche den Schatten ihrer Freyheit al-
lererſt erblickten/ als ihꝛ Bild ſchon fuͤr ihꝛen Au-
gen veꝛſchwundẽ war/ uñ wahrnahmen: daß mit
dieſem Kriege mehr ihre/ als der Bojen gaͤntzli-
che Unterdruͤckung angezielet wuͤꝛde; und Mar-
bod nunmehr mehr als den Koͤnig ſpielte; lieſ-
ſen ſie an ihn eine Bittſchrifft ab: Er moͤchte das
durch langen Krieg abgemer gelte Volck ein we-
nig verblaſenlaſſen/ und mit ihren treuen Nach-
barn und alten Bund genoſſen den Bojen lieber
einen billichen Vergleich treffen/ darzu ſie ſich
ſchon mehrmahls erboten haͤtten. Die Hofnung
viel zu gewinnen/ oder ein uhraltes Beſitzthum
waͤre keine rechtmaͤßige Urſache. Deñ ſo wuͤrde
keine Herꝛſchaft in der Welt ohne Anſpruch/ und
dieſe nie ohne Krieg ſeyn; weñ die Verjaͤhrung
nicht ſo wol in Laͤndeꝛn/ als in Gꝛuͤnden der Un-
terthanen ſtatt finden ſolte. Auch wuͤrden Reiche
mit ihrer Erweiterung nicht allezeit verſtaͤrcket;
ſondern zwar ihre Graͤntzen/ nicht aber ihre
Kraͤfften vergroͤſſert. Sonderlich aber ſtuͤnde
der Zuſatz mehrer Laͤnder freyen Voͤlckern nicht
an; welche ohne Wachsthum ihren Nachbarn
ſchon
Erſter Theil. Y y y y y y
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |