Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] schon gewachsen wären. Denn weil die über-
wundenen Städte grosse Besatzungen/ diese a-
ber ansehnliche Mittel dörfften; wäre dieser
Gewinn den Uberwindern eine Bürde/ und
eine Aussaugung der Unterthanen/ welche vor-
her schon so viel Gut und Blut zu dem verterb-
lichen Obsiege beygetragen hätten. Selten stün-
den die reichsten Landschafften/ die man dem
Feinde abnähme/ für die Müh und Kosten/ am
wenigsten für das theure Menschen-Blut/ wel-
ches nicht gegen Gold auszuwägen/ auch mehr
eine Tinte der Ehrsucht/ daraus die Krieges-
Häupter ihre Siegs-Fahnen färben/ als eine
Tingung der Reiche/ und ein Schmaltz der
Länder wäre. Jhr Besitz ziehe bey den Nach-
barn Neid/ bey den Uberwundenen Haß/ bey
den Freunden Mißtrauen/ bey den Bürgern
Argwohn nach sich. Derselben Erhaltung er-
schöpfte das Vaterland an Volck und Mitteln;
wären also krebsfräßige Glieder/ welche man
von dem Leibe des Reiches abschneiden solte; o-
der dem jenigen Fische gleich/ der dem/ welcher
ihn mit dem Hamen fienge/ die Hand starrend
machte. Ja endlich wäre ihr Verlust kostba-
rer/ als die Gewinnung. Die Landvögte ver-
gässen bey ihrer Botmäßigkeit: daß sie Bürger
wären/ und verlernten die nöthigste Tugend des
Gehorsams. Da aber Marbod ja auf seiner
Meynung bestünde; solte man zum minsten
nach der unter dem Fürsten gewöhnlichen Art
vor die Landstände darüber vernehmen/ als wel-
che im Kriege zwar das meiste zu verlieren/ aber
das wenigste zu gewinnen hätten. Marbod
trug diese wolgemeinte Erinnerung als eine
Verrätherey den Kriegs Häuptern für/ durch
welche der Rath sie eines ruhmwürdigen Sie-
ges/ das Vaterland eines ansehnlichen Auff-
nehmens/ die Kriegs-Leute der fetten Bojischen
Aecker/ wegen welcher ihre Vor-Eltern zu
kriegen iederzeit für Recht gehalten hätten/ be-
rauben; ja durch den Frieden ihnen die Waffen
aus den Händen spielen/ und weil der gemeine
[Spaltenumbruch] Kriegs-Mann selten was mehres/ als Narben
des Leibes/ und Lähmde der Glieder mit aus
dem Kriege brächte/ sie zu armseligen Tagelöh-
nern machen wolte. Kriegs-Leuten wäre die
ärgste Schande durch Schweiß er werben/ was
sie durch Blut haben könten. Welches sie aber
wenig kosten würde; weil die Bojen in ihrem
fruchtbaren Lande bey dem Wolleben alle
Kriegs-Ubungen vergessen; der hohe Adel die
gemeine Ritterschafft/ die besten Vormauern
eines Reiches mit ihren Gütern gleichsam ver-
schlungen hätten; ja sie selbst mit einander in ei-
tel Mißverständnüße lebten. Einem schlaf-
fendem Löwen und einem abgedanckten Sol-
daten träten auch die Hasen auf die Fersen/ und
der geringste aus dem Pöfel wolte an ihnen
zum Ritter werden. Fern und ungelege[n]e
Länder zu bemeistern wäre freylich wol nicht
rathsam; und hätte so wol Carthago mit Bese-
tzung so vieler fernen Länder/ als Athen durch
Anfallung Siciliens seine dem Hertzen nö-
thige Lebens-Geister in die eussersten Glieder
unvorsichtig zertheilet/ und dardurch jene ih-
ren Untergang befördert/ diese auf einmahl ih-
ren achzigjährigen Gewinn verspielet; hinge-
gen wären beyde Meister in der See/ und in
höchster Blüte gewest/ als Athen sich mit den
Grichischen Eylanden/ Carthago mit den fe-
sten Lande in Africa vergnüget hätten. Die
Römer hätten ihrer Ausbreitung kein Ende
gemacht; wiewol sie Fuß für Fuß fortgerückt/
über Jtalien vierhundert Jahr zubracht/ und
bey der scheinbarsten Gelegenheit nichts über-
sprungen. Diese hätten bey ihrer bürgerlichen
Herrschafft das meiste/ und mehr als niemahls
kein König gewonnen. Fürsten wären sterb-
lich/ Völcker aber blieben ewig/ wären keiner
unwissenden Minderjährigkeit/ keinem ohn-
mächtigen Alter/ wegen Vielheit der Augen
keinen blinden Jrrthümern unter worffen; hät-
ten zwar/ wie Könige über ihre Bedienten/ aber
nicht über ihre herrschsüchtige Kinder zu eyfern.

Weil

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] ſchon gewachſen waͤren. Denn weil die uͤber-
wundenen Staͤdte groſſe Beſatzungen/ dieſe a-
ber anſehnliche Mittel doͤrfften; waͤre dieſer
Gewinn den Uberwindern eine Buͤrde/ und
eine Ausſaugung der Unterthanen/ welche vor-
her ſchon ſo viel Gut und Blut zu dem verterb-
lichen Obſiege beygetragen haͤtten. Selten ſtuͤn-
den die reichſten Landſchafften/ die man dem
Feinde abnaͤhme/ fuͤr die Muͤh und Koſten/ am
wenigſten fuͤr das theure Menſchen-Blut/ wel-
ches nicht gegen Gold auszuwaͤgen/ auch mehr
eine Tinte der Ehrſucht/ daraus die Krieges-
Haͤupter ihre Siegs-Fahnen faͤrben/ als eine
Tingung der Reiche/ und ein Schmaltz der
Laͤnder waͤre. Jhr Beſitz ziehe bey den Nach-
barn Neid/ bey den Uberwundenen Haß/ bey
den Freunden Mißtrauen/ bey den Buͤrgern
Argwohn nach ſich. Derſelben Erhaltung er-
ſchoͤpfte das Vaterland an Volck und Mitteln;
waͤren alſo krebsfraͤßige Glieder/ welche man
von dem Leibe des Reiches abſchneiden ſolte; o-
der dem jenigen Fiſche gleich/ der dem/ welcher
ihn mit dem Hamen fienge/ die Hand ſtarrend
machte. Ja endlich waͤre ihr Verluſt koſtba-
rer/ als die Gewinnung. Die Landvoͤgte ver-
gaͤſſen bey ihrer Botmaͤßigkeit: daß ſie Buͤrger
waͤren/ und verlernten die noͤthigſte Tugend des
Gehorſams. Da aber Marbod ja auf ſeiner
Meynung beſtuͤnde; ſolte man zum minſten
nach der unter dem Fuͤrſten gewoͤhnlichen Art
vor die Landſtaͤnde daruͤber vernehmen/ als wel-
che im Kriege zwar das meiſte zu verlieren/ aber
das wenigſte zu gewinnen haͤtten. Marbod
trug dieſe wolgemeinte Erinnerung als eine
Verraͤtherey den Kriegs Haͤuptern fuͤr/ durch
welche der Rath ſie eines ruhmwuͤrdigen Sie-
ges/ das Vaterland eines anſehnlichen Auff-
nehmens/ die Kriegs-Leute der fetten Bojiſchen
Aecker/ wegen welcher ihre Vor-Eltern zu
kriegen iederzeit fuͤr Recht gehalten haͤtten/ be-
rauben; ja durch den Frieden ihnen die Waffen
aus den Haͤnden ſpielen/ und weil der gemeine
[Spaltenumbruch] Kriegs-Mann ſelten was mehres/ als Narben
des Leibes/ und Laͤhmde der Glieder mit aus
dem Kriege braͤchte/ ſie zu armſeligen Tageloͤh-
nern machen wolte. Kriegs-Leuten waͤre die
aͤrgſte Schande durch Schweiß er werben/ was
ſie durch Blut haben koͤnten. Welches ſie aber
wenig koſten wuͤrde; weil die Bojen in ihrem
fruchtbaren Lande bey dem Wolleben alle
Kriegs-Ubungen vergeſſen; der hohe Adel die
gemeine Ritterſchafft/ die beſten Vormauern
eines Reiches mit ihren Guͤtern gleichſam ver-
ſchlungen haͤtten; ja ſie ſelbſt mit einander in ei-
tel Mißverſtaͤndnuͤße lebten. Einem ſchlaf-
fendem Loͤwen und einem abgedanckten Sol-
daten traͤten auch die Haſen auf die Ferſen/ und
der geringſte aus dem Poͤfel wolte an ihnen
zum Ritter werden. Fern und ungelege[n]e
Laͤnder zu bemeiſtern waͤre freylich wol nicht
rathſam; und haͤtte ſo wol Carthago mit Beſe-
tzung ſo vieler fernen Laͤnder/ als Athen durch
Anfallung Siciliens ſeine dem Hertzen noͤ-
thige Lebens-Geiſter in die euſſerſten Glieder
unvorſichtig zertheilet/ und dardurch jene ih-
ren Untergang befoͤrdert/ dieſe auf einmahl ih-
ren achzigjaͤhrigen Gewinn verſpielet; hinge-
gen waͤren beyde Meiſter in der See/ und in
hoͤchſter Bluͤte geweſt/ als Athen ſich mit den
Grichiſchen Eylanden/ Carthago mit den fe-
ſten Lande in Africa vergnuͤget haͤtten. Die
Roͤmer haͤtten ihrer Ausbreitung kein Ende
gemacht; wiewol ſie Fuß fuͤr Fuß fortgeruͤckt/
uͤber Jtalien vierhundert Jahr zubracht/ und
bey der ſcheinbarſten Gelegenheit nichts uͤber-
ſprungen. Dieſe haͤtten bey ihrer buͤrgerlichen
Herꝛſchafft das meiſte/ und mehr als niemahls
kein Koͤnig gewonnen. Fuͤrſten waͤren ſterb-
lich/ Voͤlcker aber blieben ewig/ waͤren keiner
unwiſſenden Minderjaͤhrigkeit/ keinem ohn-
maͤchtigen Alter/ wegen Vielheit der Augen
keinen blinden Jrrthuͤmern unter worffen; haͤt-
ten zwar/ wie Koͤnige uͤber ihre Bedienten/ aber
nicht uͤber ihre herꝛſchſuͤchtige Kinder zu eyfern.

Weil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1154" n="1090[1092]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebendes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;chon gewach&#x017F;en wa&#x0364;ren. Denn weil die u&#x0364;ber-<lb/>
wundenen Sta&#x0364;dte gro&#x017F;&#x017F;e Be&#x017F;atzungen/ die&#x017F;e a-<lb/>
ber an&#x017F;ehnliche Mittel do&#x0364;rfften; wa&#x0364;re die&#x017F;er<lb/>
Gewinn den Uberwindern eine Bu&#x0364;rde/ und<lb/>
eine Aus&#x017F;augung der Unterthanen/ welche vor-<lb/>
her &#x017F;chon &#x017F;o viel Gut und Blut zu dem verterb-<lb/>
lichen Ob&#x017F;iege beygetragen ha&#x0364;tten. Selten &#x017F;tu&#x0364;n-<lb/>
den die reich&#x017F;ten Land&#x017F;chafften/ die man dem<lb/>
Feinde abna&#x0364;hme/ fu&#x0364;r die Mu&#x0364;h und Ko&#x017F;ten/ am<lb/>
wenig&#x017F;ten fu&#x0364;r das theure Men&#x017F;chen-Blut/ wel-<lb/>
ches nicht gegen Gold auszuwa&#x0364;gen/ auch mehr<lb/>
eine Tinte der Ehr&#x017F;ucht/ daraus die Krieges-<lb/>
Ha&#x0364;upter ihre Siegs-Fahnen fa&#x0364;rben/ als eine<lb/>
Tingung der Reiche/ und ein Schmaltz der<lb/>
La&#x0364;nder wa&#x0364;re. Jhr Be&#x017F;itz ziehe bey den Nach-<lb/>
barn Neid/ bey den Uberwundenen Haß/ bey<lb/>
den Freunden Mißtrauen/ bey den Bu&#x0364;rgern<lb/>
Argwohn nach &#x017F;ich. Der&#x017F;elben Erhaltung er-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfte das Vaterland an Volck und Mitteln;<lb/>
wa&#x0364;ren al&#x017F;o krebsfra&#x0364;ßige Glieder/ welche man<lb/>
von dem Leibe des Reiches ab&#x017F;chneiden &#x017F;olte; o-<lb/>
der dem jenigen Fi&#x017F;che gleich/ der dem/ welcher<lb/>
ihn mit dem Hamen fienge/ die Hand &#x017F;tarrend<lb/>
machte. Ja endlich wa&#x0364;re ihr Verlu&#x017F;t ko&#x017F;tba-<lb/>
rer/ als die Gewinnung. Die Landvo&#x0364;gte ver-<lb/>
ga&#x0364;&#x017F;&#x017F;en bey ihrer Botma&#x0364;ßigkeit: daß &#x017F;ie Bu&#x0364;rger<lb/>
wa&#x0364;ren/ und verlernten die no&#x0364;thig&#x017F;te Tugend des<lb/>
Gehor&#x017F;ams. Da aber Marbod ja auf &#x017F;einer<lb/>
Meynung be&#x017F;tu&#x0364;nde; &#x017F;olte man zum min&#x017F;ten<lb/>
nach der unter dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten gewo&#x0364;hnlichen Art<lb/>
vor die Land&#x017F;ta&#x0364;nde daru&#x0364;ber vernehmen/ als wel-<lb/>
che im Kriege zwar das mei&#x017F;te zu verlieren/ aber<lb/>
das wenig&#x017F;te zu gewinnen ha&#x0364;tten. Marbod<lb/>
trug die&#x017F;e wolgemeinte Erinnerung als eine<lb/>
Verra&#x0364;therey den Kriegs Ha&#x0364;uptern fu&#x0364;r/ durch<lb/>
welche der Rath &#x017F;ie eines ruhmwu&#x0364;rdigen Sie-<lb/>
ges/ das Vaterland eines an&#x017F;ehnlichen Auff-<lb/>
nehmens/ die Kriegs-Leute der fetten Boji&#x017F;chen<lb/>
Aecker/ wegen welcher ihre Vor-Eltern zu<lb/>
kriegen iederzeit fu&#x0364;r Recht gehalten ha&#x0364;tten/ be-<lb/>
rauben; ja durch den Frieden ihnen die Waffen<lb/>
aus den Ha&#x0364;nden &#x017F;pielen/ und weil der gemeine<lb/><cb/>
Kriegs-Mann &#x017F;elten was mehres/ als Narben<lb/>
des Leibes/ und La&#x0364;hmde der Glieder mit aus<lb/>
dem Kriege bra&#x0364;chte/ &#x017F;ie zu arm&#x017F;eligen Tagelo&#x0364;h-<lb/>
nern machen wolte. Kriegs-Leuten wa&#x0364;re die<lb/>
a&#x0364;rg&#x017F;te Schande durch Schweiß er werben/ was<lb/>
&#x017F;ie durch Blut haben ko&#x0364;nten. Welches &#x017F;ie aber<lb/>
wenig ko&#x017F;ten wu&#x0364;rde; weil die Bojen in ihrem<lb/>
fruchtbaren Lande bey dem Wolleben alle<lb/>
Kriegs-Ubungen verge&#x017F;&#x017F;en; der hohe Adel die<lb/>
gemeine Ritter&#x017F;chafft/ die be&#x017F;ten Vormauern<lb/>
eines Reiches mit ihren Gu&#x0364;tern gleich&#x017F;am ver-<lb/>
&#x017F;chlungen ha&#x0364;tten; ja &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t mit einander in ei-<lb/>
tel Mißver&#x017F;ta&#x0364;ndnu&#x0364;ße lebten. Einem &#x017F;chlaf-<lb/>
fendem Lo&#x0364;wen und einem abgedanckten Sol-<lb/>
daten tra&#x0364;ten auch die Ha&#x017F;en auf die Fer&#x017F;en/ und<lb/>
der gering&#x017F;te aus dem Po&#x0364;fel wolte an ihnen<lb/>
zum Ritter werden. Fern und ungelege<supplied>n</supplied>e<lb/>
La&#x0364;nder zu bemei&#x017F;tern wa&#x0364;re freylich wol nicht<lb/>
rath&#x017F;am; und ha&#x0364;tte &#x017F;o wol Carthago mit Be&#x017F;e-<lb/>
tzung &#x017F;o vieler fernen La&#x0364;nder/ als Athen durch<lb/>
Anfallung Siciliens &#x017F;eine dem Hertzen no&#x0364;-<lb/>
thige Lebens-Gei&#x017F;ter in die eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Glieder<lb/>
unvor&#x017F;ichtig zertheilet/ und dardurch jene ih-<lb/>
ren Untergang befo&#x0364;rdert/ die&#x017F;e auf einmahl ih-<lb/>
ren achzigja&#x0364;hrigen Gewinn ver&#x017F;pielet; hinge-<lb/>
gen wa&#x0364;ren beyde Mei&#x017F;ter in der See/ und in<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ter Blu&#x0364;te gewe&#x017F;t/ als Athen &#x017F;ich mit den<lb/>
Grichi&#x017F;chen Eylanden/ Carthago mit den fe-<lb/>
&#x017F;ten Lande in Africa vergnu&#x0364;get ha&#x0364;tten. Die<lb/>
Ro&#x0364;mer ha&#x0364;tten ihrer Ausbreitung kein Ende<lb/>
gemacht; wiewol &#x017F;ie Fuß fu&#x0364;r Fuß fortgeru&#x0364;ckt/<lb/>
u&#x0364;ber Jtalien vierhundert Jahr zubracht/ und<lb/>
bey der &#x017F;cheinbar&#x017F;ten Gelegenheit nichts u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;prungen. Die&#x017F;e ha&#x0364;tten bey ihrer bu&#x0364;rgerlichen<lb/>
Her&#xA75B;&#x017F;chafft das mei&#x017F;te/ und mehr als niemahls<lb/>
kein Ko&#x0364;nig gewonnen. Fu&#x0364;r&#x017F;ten wa&#x0364;ren &#x017F;terb-<lb/>
lich/ Vo&#x0364;lcker aber blieben ewig/ wa&#x0364;ren keiner<lb/>
unwi&#x017F;&#x017F;enden Minderja&#x0364;hrigkeit/ keinem ohn-<lb/>
ma&#x0364;chtigen Alter/ wegen Vielheit der Augen<lb/>
keinen blinden Jrrthu&#x0364;mern unter worffen; ha&#x0364;t-<lb/>
ten zwar/ wie Ko&#x0364;nige u&#x0364;ber ihre Bedienten/ aber<lb/>
nicht u&#x0364;ber ihre her&#xA75B;&#x017F;ch&#x017F;u&#x0364;chtige Kinder zu eyfern.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Weil</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1090[1092]/1154] Siebendes Buch ſchon gewachſen waͤren. Denn weil die uͤber- wundenen Staͤdte groſſe Beſatzungen/ dieſe a- ber anſehnliche Mittel doͤrfften; waͤre dieſer Gewinn den Uberwindern eine Buͤrde/ und eine Ausſaugung der Unterthanen/ welche vor- her ſchon ſo viel Gut und Blut zu dem verterb- lichen Obſiege beygetragen haͤtten. Selten ſtuͤn- den die reichſten Landſchafften/ die man dem Feinde abnaͤhme/ fuͤr die Muͤh und Koſten/ am wenigſten fuͤr das theure Menſchen-Blut/ wel- ches nicht gegen Gold auszuwaͤgen/ auch mehr eine Tinte der Ehrſucht/ daraus die Krieges- Haͤupter ihre Siegs-Fahnen faͤrben/ als eine Tingung der Reiche/ und ein Schmaltz der Laͤnder waͤre. Jhr Beſitz ziehe bey den Nach- barn Neid/ bey den Uberwundenen Haß/ bey den Freunden Mißtrauen/ bey den Buͤrgern Argwohn nach ſich. Derſelben Erhaltung er- ſchoͤpfte das Vaterland an Volck und Mitteln; waͤren alſo krebsfraͤßige Glieder/ welche man von dem Leibe des Reiches abſchneiden ſolte; o- der dem jenigen Fiſche gleich/ der dem/ welcher ihn mit dem Hamen fienge/ die Hand ſtarrend machte. Ja endlich waͤre ihr Verluſt koſtba- rer/ als die Gewinnung. Die Landvoͤgte ver- gaͤſſen bey ihrer Botmaͤßigkeit: daß ſie Buͤrger waͤren/ und verlernten die noͤthigſte Tugend des Gehorſams. Da aber Marbod ja auf ſeiner Meynung beſtuͤnde; ſolte man zum minſten nach der unter dem Fuͤrſten gewoͤhnlichen Art vor die Landſtaͤnde daruͤber vernehmen/ als wel- che im Kriege zwar das meiſte zu verlieren/ aber das wenigſte zu gewinnen haͤtten. Marbod trug dieſe wolgemeinte Erinnerung als eine Verraͤtherey den Kriegs Haͤuptern fuͤr/ durch welche der Rath ſie eines ruhmwuͤrdigen Sie- ges/ das Vaterland eines anſehnlichen Auff- nehmens/ die Kriegs-Leute der fetten Bojiſchen Aecker/ wegen welcher ihre Vor-Eltern zu kriegen iederzeit fuͤr Recht gehalten haͤtten/ be- rauben; ja durch den Frieden ihnen die Waffen aus den Haͤnden ſpielen/ und weil der gemeine Kriegs-Mann ſelten was mehres/ als Narben des Leibes/ und Laͤhmde der Glieder mit aus dem Kriege braͤchte/ ſie zu armſeligen Tageloͤh- nern machen wolte. Kriegs-Leuten waͤre die aͤrgſte Schande durch Schweiß er werben/ was ſie durch Blut haben koͤnten. Welches ſie aber wenig koſten wuͤrde; weil die Bojen in ihrem fruchtbaren Lande bey dem Wolleben alle Kriegs-Ubungen vergeſſen; der hohe Adel die gemeine Ritterſchafft/ die beſten Vormauern eines Reiches mit ihren Guͤtern gleichſam ver- ſchlungen haͤtten; ja ſie ſelbſt mit einander in ei- tel Mißverſtaͤndnuͤße lebten. Einem ſchlaf- fendem Loͤwen und einem abgedanckten Sol- daten traͤten auch die Haſen auf die Ferſen/ und der geringſte aus dem Poͤfel wolte an ihnen zum Ritter werden. Fern und ungelegene Laͤnder zu bemeiſtern waͤre freylich wol nicht rathſam; und haͤtte ſo wol Carthago mit Beſe- tzung ſo vieler fernen Laͤnder/ als Athen durch Anfallung Siciliens ſeine dem Hertzen noͤ- thige Lebens-Geiſter in die euſſerſten Glieder unvorſichtig zertheilet/ und dardurch jene ih- ren Untergang befoͤrdert/ dieſe auf einmahl ih- ren achzigjaͤhrigen Gewinn verſpielet; hinge- gen waͤren beyde Meiſter in der See/ und in hoͤchſter Bluͤte geweſt/ als Athen ſich mit den Grichiſchen Eylanden/ Carthago mit den fe- ſten Lande in Africa vergnuͤget haͤtten. Die Roͤmer haͤtten ihrer Ausbreitung kein Ende gemacht; wiewol ſie Fuß fuͤr Fuß fortgeruͤckt/ uͤber Jtalien vierhundert Jahr zubracht/ und bey der ſcheinbarſten Gelegenheit nichts uͤber- ſprungen. Dieſe haͤtten bey ihrer buͤrgerlichen Herꝛſchafft das meiſte/ und mehr als niemahls kein Koͤnig gewonnen. Fuͤrſten waͤren ſterb- lich/ Voͤlcker aber blieben ewig/ waͤren keiner unwiſſenden Minderjaͤhrigkeit/ keinem ohn- maͤchtigen Alter/ wegen Vielheit der Augen keinen blinden Jrrthuͤmern unter worffen; haͤt- ten zwar/ wie Koͤnige uͤber ihre Bedienten/ aber nicht uͤber ihre herꝛſchſuͤchtige Kinder zu eyfern. Weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1154
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1090[1092]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1154>, abgerufen am 23.11.2024.