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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Weil nun denen Hermundurern und Marck-
männern nichts vorträglicher und leichter wä-
re/ als das fast rings herum mit einem Krantze
feste Gebürge umgebene/ und biß an den gros-
sen Donau-Strom reichende Land der Bojen
einzunehmen/ stellte er zu der Kriegs-Häupter
Nachdencken: was sie wieder den schädlichen
Rath für sich und das Vaterland gutes ent-
schlüssen wolten. Die Kriegs-Häupter/ welche
freylich wol den Sieg/ niemahls aber Friede
verlangen/ stimmten nicht allein in den Krieg
wieder die Bojen; sondern weil sie doch kein an-
ständiger Oberhaupt als den Kriegrischen
Marbod zu hoffen hatten/ machten sie unter sich
ein eydliches Bündnüß ihn auf den Stul des
ermordeten Brittons zu heben; weil doch die
Sitten der Hermundurer und Marckmänner
die bürgerliche Herrschafft nicht vertragen kön-
ten. Marbod vernahm ihren Schluß mit der
höchsten Gemüths-Vergnügung; gleichwol
aber verhüllete er seine Begierde mit dem
Scheine einer beständigen Weigerung eine
solche Last zu übernehmen/ welche seinen Ach-
seln zu schwer/ vielen Zufällen unterworffen/
seinen Feinden zur Verläumdung/ und tausend
Neidern zum Ziel ausgesteckt wäre; ja auch bey
vielen seiner Freunde einen Schein gewinnen
dörffte/ samt er zeither nicht für das Volck/ son-
dern für seinen Ehrgeitz gefochten/ und nur mit
Emporschwingung seiner Niedrigkeit ihre
Freyheit selbst zu unterdrücken suchte. Die
Kriegs-Obersten aber hielten ihm ein: Seine
Achseln wären allein fähig diese Last zu über-
nehmen. Daher solte er dem gemeinen Wesen
nicht miß gönnen/ was seine Thaten selbtem für-
längst ver sprochen hätten. Es wäre keine grosse
Sache ein Fürst gebohren seyn; aber wol/ durch
Tugend sich zum Fürsten machen. Niedrige
Ankunfft wäre nichts verkleinerliches; sondern
nur/ wenn man sich aus derselben nicht empor
heben wolte. Der wäre schon zum Aufsteigen
fähig und groß genung/ der nur die/ welche sei-
[Spaltenumbruch] nes Standes wären/ überträffe. Ein grosser
Berg würde für klein geachtet gegen einem
grössern/ und ein Weitzen-Korn groß gegen
andere gemeiner Grösse. Die Freyheit lidte
unter einem tugendhafften Fürsten wenigern
Abbruch/ als unter hundert zwistigen Raths-
Herren. Daher wäre es des Volckes Heil/
wenn einer die Herrschafft an sich risse/ welche
von vielen Gebietern in Verwirrung miß-
braucht und zerstückt würde. Diß wäre kein
Werck eines Wütterichs; sondern eine Unter-
werffung gemeiner Zwytracht unter die Einig-
keit eines Fürsten. Es nehme dem Volcke nicht
seine Freyheit/ sondern es wickelte sie nur aus
den Verwirrungen vieler herrschsüchtiger Len-
te. Den Unterthanen wäre leichter einem/ als
vielen gehorsamen; und denen Gesetzen wäre
mehr geholffen durch einen/ der sie ausübte/ als
durch hundert/ die sie durch ihre Auslegung
vertunckelten. Also dorffte es noch viel Bit-
tens und heisser Thränen/ den Marbod zu dem
zu ber eden/ was er wieder Willen des Volckes
schon für längst an sich gerissen hatte. Das
Kriegs-Heer rückte hierauf alsofort nach Cale-
gia/ hob den Staats-Rath auf/ erklärte den
Marbod nicht nur für einen Fürsten/ son-
dern/ weil der alten Hertzoge Titel ihm zu
verkleinerlich war/ für einen König der Her-
mundurer/ Marckmänner und Sedusier. Al-
les diß geschahe mit grösserm Gepränge/ als
vorhin keinem Fürsten geschehen war; welches
dardurch nicht geringen Glantz bekam: daß
Kayser August ihm zugleich eine güldene Kro-
ne/ einen Purpur-Rock/ einen Helffenbeiner-
nen Stul/ und einen mit edlen Steinen ver-
setzten Degen überbringen ließ. Marbod/
nach dem ihm alle Stände den Eyd der Treue
abgelegt/ alle hohe Aempter mit seinen Ge-
schöpffen/ und denen/ welche zur Dienstbarkeit
die gröste Zuneigung bezeugten; in sonderheit a-
ber mit seinen Landesleuten den Marckmän-
nern besetzt hatte/ brach an zweyen Orten bey

den
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Weil nun denen Hermundurern und Marck-
maͤnnern nichts vortraͤglicher und leichter waͤ-
re/ als das faſt rings herum mit einem Krantze
feſte Gebuͤrge umgebene/ und biß an den groſ-
ſen Donau-Strom reichende Land der Bojen
einzunehmen/ ſtellte er zu der Kriegs-Haͤupter
Nachdencken: was ſie wieder den ſchaͤdlichen
Rath fuͤr ſich und das Vaterland gutes ent-
ſchluͤſſen wolten. Die Kriegs-Haͤupter/ welche
freylich wol den Sieg/ niemahls aber Friede
verlangen/ ſtimmten nicht allein in den Krieg
wieder die Bojen; ſondern weil ſie doch kein an-
ſtaͤndiger Oberhaupt als den Kriegriſchen
Marbod zu hoffen hatten/ machten ſie unter ſich
ein eydliches Buͤndnuͤß ihn auf den Stul des
ermordeten Brittons zu heben; weil doch die
Sitten der Hermundurer und Marckmaͤnner
die buͤrgerliche Herꝛſchafft nicht vertragen koͤn-
ten. Marbod vernahm ihren Schluß mit der
hoͤchſten Gemuͤths-Vergnuͤgung; gleichwol
aber verhuͤllete er ſeine Begierde mit dem
Scheine einer beſtaͤndigen Weigerung eine
ſolche Laſt zu uͤbernehmen/ welche ſeinen Ach-
ſeln zu ſchwer/ vielen Zufaͤllen unterworffen/
ſeinen Feinden zur Verlaͤumdung/ und tauſend
Neidern zum Ziel ausgeſteckt waͤre; ja auch bey
vielen ſeiner Freunde einen Schein gewinnen
doͤrffte/ ſamt er zeither nicht fuͤr das Volck/ ſon-
dern fuͤr ſeinen Ehrgeitz gefochten/ und nur mit
Emporſchwingung ſeiner Niedrigkeit ihre
Freyheit ſelbſt zu unterdruͤcken ſuchte. Die
Kriegs-Oberſten aber hielten ihm ein: Seine
Achſeln waͤren allein faͤhig dieſe Laſt zu uͤber-
nehmen. Daher ſolte er dem gemeinen Weſen
nicht miß goͤnnen/ was ſeine Thaten ſelbtem fuͤr-
laͤngſt ver ſprochen haͤtten. Es waͤre keine groſſe
Sache ein Fuͤrſt gebohren ſeyn; aber wol/ durch
Tugend ſich zum Fuͤrſten machen. Niedrige
Ankunfft waͤre nichts verkleinerliches; ſondern
nur/ wenn man ſich aus derſelben nicht empor
heben wolte. Der waͤre ſchon zum Aufſteigen
faͤhig und groß genung/ der nur die/ welche ſei-
[Spaltenumbruch] nes Standes waͤren/ uͤbertraͤffe. Ein groſſer
Berg wuͤrde fuͤr klein geachtet gegen einem
groͤſſern/ und ein Weitzen-Korn groß gegen
andere gemeiner Groͤſſe. Die Freyheit lidte
unter einem tugendhafften Fuͤrſten wenigern
Abbruch/ als unter hundert zwiſtigen Raths-
Herren. Daher waͤre es des Volckes Heil/
wenn einer die Herꝛſchafft an ſich riſſe/ welche
von vielen Gebietern in Verwirrung miß-
braucht und zerſtuͤckt wuͤrde. Diß waͤre kein
Werck eines Wuͤtterichs; ſondern eine Unter-
werffung gemeiner Zwytracht unter die Einig-
keit eines Fuͤrſten. Es nehme dem Volcke nicht
ſeine Freyheit/ ſondern es wickelte ſie nur aus
den Verwirrungen vieler herꝛſchſuͤchtiger Len-
te. Den Unterthanen waͤre leichter einem/ als
vielen gehorſamen; und denen Geſetzen waͤre
mehr geholffen durch einen/ der ſie ausuͤbte/ als
durch hundert/ die ſie durch ihre Auslegung
vertunckelten. Alſo dorffte es noch viel Bit-
tens und heiſſer Thraͤnen/ den Marbod zu dem
zu ber eden/ was er wieder Willen des Volckes
ſchon fuͤr laͤngſt an ſich geriſſen hatte. Das
Kriegs-Heer ruͤckte hierauf alſofort nach Cale-
gia/ hob den Staats-Rath auf/ erklaͤrte den
Marbod nicht nur fuͤr einen Fuͤrſten/ ſon-
dern/ weil der alten Hertzoge Titel ihm zu
verkleinerlich war/ fuͤr einen Koͤnig der Her-
mundurer/ Marckmaͤnner und Seduſier. Al-
les diß geſchahe mit groͤſſerm Gepraͤnge/ als
vorhin keinem Fuͤrſten geſchehen war; welches
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Kayſer Auguſt ihm zugleich eine guͤldene Kro-
ne/ einen Purpur-Rock/ einen Helffenbeiner-
nen Stul/ und einen mit edlen Steinen ver-
ſetzten Degen uͤberbringen ließ. Marbod/
nach dem ihm alle Staͤnde den Eyd der Treue
abgelegt/ alle hohe Aempter mit ſeinen Ge-
ſchoͤpffen/ und denen/ welche zur Dienſtbarkeit
die groͤſte Zuneigung bezeugten; in ſonderheit a-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1091[1093]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1155>, abgerufen am 23.11.2024.