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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] den: daß er nicht schaden könne/ als sein Ge-
müthe gewinnen: daß er uns gewogen werde.
Da doch ein Uberwinder neue Völcker durch
nichts besser/ als wenn er alles im alten Stande
läst/ im Zaum halten kan; weil sie sodenn nicht
so wol eine neue Herrschafft empfinden/ als des
vorigen Fürsten Geist in einem andern Leibe
sehen. Weil nun in edlen Gemüthern die groß-
müthigen Regungen mehr schlafen als gestor-
ben seyn/ und bey eusserster Noth wie die im
Winter erstarrten Schlangen am Frühlinge
lebhafft werden; standen in einem Tage die Bo-
jen durch ihr gantzes Land wieder den Marbod
auf; überfielen seine Besatzungen; ja ihn selbst
umringten sie unter dem Sudetischen Riesen-
Gebürge/ dahin er unter dem Scheine den
Brunnen der Elbe zu beschauen/ in Warheit a-
ber der benachbarten Marsinger Zustand aus-
zuforschen verreiset war. Marbod hätte sich
ehe des Himmelfalls/ als eines Feindes verse-
hen/ als Gottwald/ ein junger und hertzhaffter
Ritter mit tausend Mann ihn in einem Walde
an einem Furth überfiel. Ob er nun wol mehr
nicht/ als hundert bewehrte Leute bey sich hat-
te/ munterte er doch durch seinen Zuruff und
Beyspiel die Seinigen zu einer hertzhafften
Gegenwehr auf. Marbod und Gottwald
geriethen selbst an einander. Wie nun jener
die gemeinen Schrancken menschlicher Tugend
zu übertreffen sich bemühte/ um den erlangten
Ruff: daß er mehr/ als ein Mensch wäre/ zu [be]-
halten/ und in einer Stunde nicht zu verlieren/
was er durch so viel Jahre durch Schweiß und
Blut kaum erworben hatte; also hatte der küh-
ne Gottwald bey sich beschlossen: daß diesen
Tag sein Schild entweder sein Grabe- oder der
Freyheit Grund-Stein für die Bojen/ ihm
aber eine Staffel der Ehren und Glückselig-
keit seyn solte. Marbod verletzte Gottwalden
zwar mit einem Wurff Spieße in den rechten
Schenckel; aber diese Wunde nahm ihm nicht
so viel Kräfften/ als der Eyver hierüber seiner
[Spaltenumbruch] Tapfferkeit beysetzte. Dahero traff er den Mar-
bod mit einer Lantze so hefftig: daß selbte zwischen
dem Gelencke des Harnisches durch die lincke
Achsel gieng. Marboden entgieng zwar hier-
über nicht wenig Blut/ aber das wenigste von
seiner Hertzhafftigkeit. Jnzwischen aber/ weil
die Bojen durch das Gehöltze denen Hermun-
durern und Marckmännern in Rücken kom-
men waren/ lidten sie wegen ihrer Wenigkeit
allenthalben Noth; also: daß Marbod/ der nun
seinen Unter gang für Augen sahe/ noch einmal
sein eusserstes wagte; und nach dem er zwey
Bojen zu Bodem geschlagen/ einen verzweiffel-
ten Streich auf den Ritter Gottwald thät/ und
ihm seinen Schild mitten entzwey theilte/ ihm
auch vollends noch was gefährlichers beybracht
hätte/ wenn ein Bojischer Edelmann/ der her-
nach hiervon den Nahmen Nothhafft bekam/
selbten nicht versetzt/ und also fort Gottwalden
seinen Schild eingehändigt hätte. Hierüber
aber verlohr Marbod sein Pferd; ein Marck-
männischer Ritter aber/ den Marbod hernach
von dem Orte dieses Gefechtes zum ewigen
Gedächtnüße Tannenberg hieß/ versetzte in-
zwischen alle feindlichen Streiche: daß er wie-
der auf die Füsse kam. Marbod/ Tannenberg/
Lichtenstein/ und etliche andere Marckmänner
machten ihnen durch das Gedränge mit dem
Degen gleichwol einen Weg zu einer dicken
Hecke; wohin es mit den Pferden zu kommen
unmöglich war; aber Marbod bekam hierüber
noch drey gefährliche Wunden. Endlich kam
die finstere Nacht ihnen zu Hülffe; Tannenberg
und Lichtenstein aber; als inzwischen die übri-
gen Marckmänner biß auff den letzten Bluts-
Tropffen zwischen den Hecken die Bojen
auffhielten/ kletterten an einem gähen Berge
hinauff/ und brachten ihn um Mitternacht zu
einer felsichten Höle. Wiewol sie sich nun
nicht allerdings sicher schätzten/ in dem sie
um den Berg etliche hundert brennende Kien-
Fackeln wie Jrr-Lichter schwermen sahen/

also
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] den: daß er nicht ſchaden koͤnne/ als ſein Ge-
muͤthe gewinnen: daß er uns gewogen werde.
Da doch ein Uberwinder neue Voͤlcker durch
nichts beſſer/ als wenn er alles im alten Stande
laͤſt/ im Zaum halten kan; weil ſie ſodenn nicht
ſo wol eine neue Herꝛſchafft empfinden/ als des
vorigen Fuͤrſten Geiſt in einem andern Leibe
ſehen. Weil nun in edlen Gemuͤthern die groß-
muͤthigen Regungen mehr ſchlafen als geſtor-
ben ſeyn/ und bey euſſerſter Noth wie die im
Winter erſtarrten Schlangen am Fruͤhlinge
lebhafft werden; ſtanden in einem Tage die Bo-
jen durch ihr gantzes Land wieder den Marbod
auf; uͤberfielen ſeine Beſatzungen; ja ihn ſelbſt
umringten ſie unter dem Sudetiſchen Rieſen-
Gebuͤrge/ dahin er unter dem Scheine den
Brunnen der Elbe zu beſchauen/ in Warheit a-
ber der benachbarten Marſinger Zuſtand aus-
zuforſchen verreiſet war. Marbod haͤtte ſich
ehe des Himmelfalls/ als eines Feindes verſe-
hen/ als Gottwald/ ein junger und hertzhaffter
Ritter mit tauſend Mann ihn in einem Walde
an einem Furth uͤberfiel. Ob er nun wol mehr
nicht/ als hundert bewehrte Leute bey ſich hat-
te/ munterte er doch durch ſeinen Zuruff und
Beyſpiel die Seinigen zu einer hertzhafften
Gegenwehr auf. Marbod und Gottwald
geriethen ſelbſt an einander. Wie nun jener
die gemeinen Schrancken menſchlicher Tugend
zu uͤbertreffen ſich bemuͤhte/ um den erlangten
Ruff: daß er mehr/ als ein Menſch waͤre/ zu [be]-
halten/ und in einer Stunde nicht zu verlieren/
was er durch ſo viel Jahre durch Schweiß und
Blut kaum erworben hatte; alſo hatte der kuͤh-
ne Gottwald bey ſich beſchloſſen: daß dieſen
Tag ſein Schild entweder ſein Grabe- oder der
Freyheit Grund-Stein fuͤr die Bojen/ ihm
aber eine Staffel der Ehren und Gluͤckſelig-
keit ſeyn ſolte. Marbod verletzte Gottwalden
zwar mit einem Wurff Spieße in den rechten
Schenckel; aber dieſe Wunde nahm ihm nicht
ſo viel Kraͤfften/ als der Eyver hieruͤber ſeiner
[Spaltenumbruch] Tapfferkeit beyſetzte. Dahero traff er den Mar-
bod mit einer Lantze ſo hefftig: daß ſelbte zwiſchen
dem Gelencke des Harniſches durch die lincke
Achſel gieng. Marboden entgieng zwar hier-
uͤber nicht wenig Blut/ aber das wenigſte von
ſeiner Hertzhafftigkeit. Jnzwiſchen aber/ weil
die Bojen durch das Gehoͤltze denen Hermun-
durern und Marckmaͤnnern in Ruͤcken kom-
men waren/ lidten ſie wegen ihrer Wenigkeit
allenthalben Noth; alſo: daß Marbod/ der nun
ſeinen Unter gang fuͤr Augen ſahe/ noch einmal
ſein euſſerſtes wagte; und nach dem er zwey
Bojen zu Bodem geſchlagen/ einen verzweiffel-
ten Streich auf den Ritter Gottwald thaͤt/ und
ihm ſeinen Schild mitten entzwey theilte/ ihm
auch vollends noch was gefaͤhrlichers beybracht
haͤtte/ wenn ein Bojiſcher Edelmann/ der her-
nach hiervon den Nahmen Nothhafft bekam/
ſelbten nicht verſetzt/ und alſo fort Gottwalden
ſeinen Schild eingehaͤndigt haͤtte. Hieruͤber
aber verlohr Marbod ſein Pferd; ein Marck-
maͤnniſcher Ritter aber/ den Marbod hernach
von dem Orte dieſes Gefechtes zum ewigen
Gedaͤchtnuͤße Tannenberg hieß/ verſetzte in-
zwiſchen alle feindlichen Streiche: daß er wie-
der auf die Fuͤſſe kam. Marbod/ Tannenberg/
Lichtenſtein/ und etliche andere Marckmaͤnner
machten ihnen durch das Gedraͤnge mit dem
Degen gleichwol einen Weg zu einer dicken
Hecke; wohin es mit den Pferden zu kommen
unmoͤglich war; aber Marbod bekam hieruͤber
noch drey gefaͤhrliche Wunden. Endlich kam
die finſtere Nacht ihnen zu Huͤlffe; Tannenberg
und Lichtenſtein aber; als inzwiſchen die uͤbri-
gen Marckmaͤnner biß auff den letzten Bluts-
Tropffen zwiſchen den Hecken die Bojen
auffhielten/ kletterten an einem gaͤhen Berge
hinauff/ und brachten ihn um Mitternacht zu
einer felſichten Hoͤle. Wiewol ſie ſich nun
nicht allerdings ſicher ſchaͤtzten/ in dem ſie
um den Berg etliche hundert brennende Kien-
Fackeln wie Jrr-Lichter ſchwermen ſahen/

alſo
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[1093[1095]/1157] Arminius und Thußnelda. den: daß er nicht ſchaden koͤnne/ als ſein Ge- muͤthe gewinnen: daß er uns gewogen werde. Da doch ein Uberwinder neue Voͤlcker durch nichts beſſer/ als wenn er alles im alten Stande laͤſt/ im Zaum halten kan; weil ſie ſodenn nicht ſo wol eine neue Herꝛſchafft empfinden/ als des vorigen Fuͤrſten Geiſt in einem andern Leibe ſehen. Weil nun in edlen Gemuͤthern die groß- muͤthigen Regungen mehr ſchlafen als geſtor- ben ſeyn/ und bey euſſerſter Noth wie die im Winter erſtarrten Schlangen am Fruͤhlinge lebhafft werden; ſtanden in einem Tage die Bo- jen durch ihr gantzes Land wieder den Marbod auf; uͤberfielen ſeine Beſatzungen; ja ihn ſelbſt umringten ſie unter dem Sudetiſchen Rieſen- Gebuͤrge/ dahin er unter dem Scheine den Brunnen der Elbe zu beſchauen/ in Warheit a- ber der benachbarten Marſinger Zuſtand aus- zuforſchen verreiſet war. Marbod haͤtte ſich ehe des Himmelfalls/ als eines Feindes verſe- hen/ als Gottwald/ ein junger und hertzhaffter Ritter mit tauſend Mann ihn in einem Walde an einem Furth uͤberfiel. Ob er nun wol mehr nicht/ als hundert bewehrte Leute bey ſich hat- te/ munterte er doch durch ſeinen Zuruff und Beyſpiel die Seinigen zu einer hertzhafften Gegenwehr auf. Marbod und Gottwald geriethen ſelbſt an einander. Wie nun jener die gemeinen Schrancken menſchlicher Tugend zu uͤbertreffen ſich bemuͤhte/ um den erlangten Ruff: daß er mehr/ als ein Menſch waͤre/ zu be- halten/ und in einer Stunde nicht zu verlieren/ was er durch ſo viel Jahre durch Schweiß und Blut kaum erworben hatte; alſo hatte der kuͤh- ne Gottwald bey ſich beſchloſſen: daß dieſen Tag ſein Schild entweder ſein Grabe- oder der Freyheit Grund-Stein fuͤr die Bojen/ ihm aber eine Staffel der Ehren und Gluͤckſelig- keit ſeyn ſolte. Marbod verletzte Gottwalden zwar mit einem Wurff Spieße in den rechten Schenckel; aber dieſe Wunde nahm ihm nicht ſo viel Kraͤfften/ als der Eyver hieruͤber ſeiner Tapfferkeit beyſetzte. Dahero traff er den Mar- bod mit einer Lantze ſo hefftig: daß ſelbte zwiſchen dem Gelencke des Harniſches durch die lincke Achſel gieng. Marboden entgieng zwar hier- uͤber nicht wenig Blut/ aber das wenigſte von ſeiner Hertzhafftigkeit. Jnzwiſchen aber/ weil die Bojen durch das Gehoͤltze denen Hermun- durern und Marckmaͤnnern in Ruͤcken kom- men waren/ lidten ſie wegen ihrer Wenigkeit allenthalben Noth; alſo: daß Marbod/ der nun ſeinen Unter gang fuͤr Augen ſahe/ noch einmal ſein euſſerſtes wagte; und nach dem er zwey Bojen zu Bodem geſchlagen/ einen verzweiffel- ten Streich auf den Ritter Gottwald thaͤt/ und ihm ſeinen Schild mitten entzwey theilte/ ihm auch vollends noch was gefaͤhrlichers beybracht haͤtte/ wenn ein Bojiſcher Edelmann/ der her- nach hiervon den Nahmen Nothhafft bekam/ ſelbten nicht verſetzt/ und alſo fort Gottwalden ſeinen Schild eingehaͤndigt haͤtte. Hieruͤber aber verlohr Marbod ſein Pferd; ein Marck- maͤnniſcher Ritter aber/ den Marbod hernach von dem Orte dieſes Gefechtes zum ewigen Gedaͤchtnuͤße Tannenberg hieß/ verſetzte in- zwiſchen alle feindlichen Streiche: daß er wie- der auf die Fuͤſſe kam. Marbod/ Tannenberg/ Lichtenſtein/ und etliche andere Marckmaͤnner machten ihnen durch das Gedraͤnge mit dem Degen gleichwol einen Weg zu einer dicken Hecke; wohin es mit den Pferden zu kommen unmoͤglich war; aber Marbod bekam hieruͤber noch drey gefaͤhrliche Wunden. Endlich kam die finſtere Nacht ihnen zu Huͤlffe; Tannenberg und Lichtenſtein aber; als inzwiſchen die uͤbri- gen Marckmaͤnner biß auff den letzten Bluts- Tropffen zwiſchen den Hecken die Bojen auffhielten/ kletterten an einem gaͤhen Berge hinauff/ und brachten ihn um Mitternacht zu einer felſichten Hoͤle. Wiewol ſie ſich nun nicht allerdings ſicher ſchaͤtzten/ in dem ſie um den Berg etliche hundert brennende Kien- Fackeln wie Jrr-Lichter ſchwermen ſahen/ alſo Y y y y y y 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1093[1095]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1157>, abgerufen am 23.11.2024.