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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] te Holtz sonder fernere Vernehmung dieses
wilden Mannes ab; darauf die Fische gebraten/
und mit annehmlichen Schertz-Reden über
dieser Begebenheit verzehret wurden. Lichten-
stein schöpffte hierauf aus selbiger Bach mit sei-
nem Helme Wasser/ und tranck es dem Ritter
Tannenberg zu auf Gesundheit des Wasser-
und Wald-Geistes in dem Sudetischen Ge-
bürge. Sie hörten aber aus der Höle eine
Stimme: warum nicht auch des Lufft-Geistes?
sahen aber über sich nichts als eine überaus gros-
se Nacht-Eule herum flügen. Kurtz darauff
wölckte sich der Himmel kohlschwartz/ der helle
Tag verwandelte sich in eine kohlschwartze
Nacht; ausser: daß selbte von unaufhörlichem
Wetterleuchten erhellet/ Marbod und seine mit
ihm nunmehr wie ein Aspen-Laub zitternde
Ritter von denen grausamen/ und in denen
Thälern mehr/ als zehnmahl wiederschallen-
den Donnerschlägen gleichsam ertäubet; von
dem häuffigen Platz-Regen/ in welchem alle
Ströme dieses Wasserreichen Gebürges ver-
wandelt zu seyn schienen/ aber schier ersäuffet
wurden. Es währete aber kaum eine Viertel-
Stunde/ so klärte sich die Lufft aus/ der Him-
mel war mit einem wunderschönen Regenbo-
gen ausgeputzt; und die annehmliche Sonne
gab ihnen mit ihren freudigen Strahlen gute
Nacht. Alle drey hätten bey dieser geschwin-
den Veränderung das schrecklichste Gewitter/
das sie iemahls gehöret/ für einen Traum oder
Blendwerck gehalten; wenn ihre Kleider nicht
noch getroffen hätten. Sie vergassen hierüber
fernern Schertzes und eilten möglichst den Berg
hinab; sonderlich/ da sie nicht weit von dannen
ein Hauß erblickten/ welches sie auch noch für
gäntzlicher Finsternüß erreichten; für selbtem ei-
nen alten grauen Mann/ und ein nicht jüngeres
Weib antraffen; die sich zwar über der Ankunfft
so fremder Gäste anfangs etwas entsetzten/ her-
nach aber auf verspürte freundliche Ansprache/
sie willig beherbergten/ etliche Milch- und
[Spaltenumbruch] Kräuter-Speisen fürsetzten/ und sonst allen gu-
ten Willen erzeigten. Dieser Alte entschul-
digte: daß sein Armuth sie besser zu bedienen
nicht erlaubte; wiewol/ wenn er sich in diesem
einsamen Gebürge so stattlicher Gäste versehen
hätte/ er gleichwol was bessers aufzusetzen wür-
de bemüht gewest seyn. Marboden gefiel diese
Treuhertzigkeit sehr wol: daß er sich mit dem
Alten in ein verträuliches Gespräche einließ.
Welcher denn erzehlte: daß er seines Alters über
hundert Jahr/ seiner Lebens-Art nach ein
Wurtzelmann wäre/ und sonder allen Zweiffel
durch die überaus gesunden Kräuter und Wäs-
ser dieses Gebürges nicht nur seine/ sondern
auch seines nicht ferne von dar wohnenden Va-
ters Jahre so hoch erstrecket/ sondern auch sich
für Kranckheiten/ welche die Vielheit der Spei-
sen/ sonderlich die Ubermaße des Fleisches ver-
ursachte/ verwahret hätte. Marbod hätte ihn
gerne ausgeholet um den Zustand des Marsin-
gischen Hertzogs zu erkundigen/ dieser gute Al-
te aber wolte/ oder wuste ihm nichts rechtes zu
sagen; vorschützende: die aus dem Thale nach
Kräutern zu ihm kommende Leute sagten ihm
zwar zuweilen: daß er mit seinen Nachbarn
Krieg führte; Er liesse sich aber darum unbe-
kümmert/ sondern vergnügte sich mit der nech-
sten Wiese und Pusche/ und mit wenigen Stü-
cken Vieh. Wie er denn seine Hütte und Ruh
nicht mit des grösten Fürsten Schlosse und
Kummer vertauschen wolte. Ja/ wo es wahr
wäre/ was ihm zuweilen etliche andere Wurtzel-
Leute von den Welthändeln wieder seinen Wil-
len erzehleten; müsten grosse Herren nicht allein
die elendesten Menschen/ sondern die grausam-
sten Thiere seyn. Er wäre sein Lebetage nicht
auffs flache Land kommen; wüste auch nicht ob
diß Gebürge das Ende der Welt wäre/ oder ob
solche Menschen daselbst wohneten. Er hielte
es für kein gemeines Glücke: daß er mehrerley
Arten Thiere/ als Menschen kennte/ weil jene
ihm nicht so viel schadeten/ als er andere von die-

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] te Holtz ſonder fernere Vernehmung dieſes
wilden Mannes ab; darauf die Fiſche gebraten/
und mit annehmlichen Schertz-Reden uͤber
dieſer Begebenheit verzehret wurden. Lichten-
ſtein ſchoͤpffte hierauf aus ſelbiger Bach mit ſei-
nem Helme Waſſer/ und tranck es dem Ritter
Tannenberg zu auf Geſundheit des Waſſer-
und Wald-Geiſtes in dem Sudetiſchen Ge-
buͤrge. Sie hoͤrten aber aus der Hoͤle eine
Stimme: warum nicht auch des Lufft-Geiſtes?
ſahen aber uͤber ſich nichts als eine uͤberaus groſ-
ſe Nacht-Eule herum fluͤgen. Kurtz darauff
woͤlckte ſich der Himmel kohlſchwartz/ der helle
Tag verwandelte ſich in eine kohlſchwartze
Nacht; auſſer: daß ſelbte von unaufhoͤrlichem
Wetterleuchten erhellet/ Marbod und ſeine mit
ihm nunmehr wie ein Aſpen-Laub zitternde
Ritter von denen grauſamen/ und in denen
Thaͤlern mehr/ als zehnmahl wiederſchallen-
den Donnerſchlaͤgen gleichſam ertaͤubet; von
dem haͤuffigen Platz-Regen/ in welchem alle
Stroͤme dieſes Waſſerreichen Gebuͤrges ver-
wandelt zu ſeyn ſchienen/ aber ſchier erſaͤuffet
wurden. Es waͤhrete aber kaum eine Viertel-
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mel war mit einem wunderſchoͤnen Regenbo-
gen ausgeputzt; und die annehmliche Sonne
gab ihnen mit ihren freudigen Strahlen gute
Nacht. Alle drey haͤtten bey dieſer geſchwin-
den Veraͤnderung das ſchrecklichſte Gewitter/
das ſie iemahls gehoͤret/ fuͤr einen Traum oder
Blendwerck gehalten; wenn ihre Kleider nicht
noch getroffen haͤtten. Sie vergaſſen hieruͤber
fernern Schertzes und eilten moͤglichſt den Berg
hinab; ſonderlich/ da ſie nicht weit von dannen
ein Hauß erblickten/ welches ſie auch noch fuͤr
gaͤntzlicher Finſternuͤß erreichten; fuͤr ſelbtem ei-
nen alten grauen Mañ/ und ein nicht juͤngeres
Weib antraffen; die ſich zwar uͤber der Ankunfft
ſo fremder Gaͤſte anfangs etwas entſetzten/ her-
nach aber auf verſpuͤrte freundliche Anſprache/
ſie willig beherbergten/ etliche Milch- und
[Spaltenumbruch] Kraͤuter-Speiſen fuͤrſetzten/ und ſonſt allen gu-
ten Willen erzeigten. Dieſer Alte entſchul-
digte: daß ſein Armuth ſie beſſer zu bedienen
nicht erlaubte; wiewol/ wenn er ſich in dieſem
einſamen Gebuͤrge ſo ſtattlicher Gaͤſte verſehen
haͤtte/ er gleichwol was beſſers aufzuſetzen wuͤr-
de bemuͤht geweſt ſeyn. Marboden gefiel dieſe
Treuhertzigkeit ſehr wol: daß er ſich mit dem
Alten in ein vertraͤuliches Geſpraͤche einließ.
Welcher denn erzehlte: daß er ſeines Alters uͤber
hundert Jahr/ ſeiner Lebens-Art nach ein
Wurtzelmann waͤre/ und ſonder allen Zweiffel
durch die uͤberaus geſunden Kraͤuter und Waͤſ-
ſer dieſes Gebuͤrges nicht nur ſeine/ ſondern
auch ſeines nicht ferne von dar wohnenden Va-
ters Jahre ſo hoch erſtrecket/ ſondern auch ſich
fuͤr Kranckheiten/ welche die Vielheit der Spei-
ſen/ ſonderlich die Ubermaße des Fleiſches ver-
urſachte/ verwahret haͤtte. Marbod haͤtte ihn
gerne ausgeholet um den Zuſtand des Marſin-
giſchen Hertzogs zu erkundigen/ dieſer gute Al-
te aber wolte/ oder wuſte ihm nichts rechtes zu
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Kraͤutern zu ihm kommende Leute ſagten ihm
zwar zuweilen: daß er mit ſeinen Nachbarn
Krieg fuͤhrte; Er lieſſe ſich aber darum unbe-
kuͤmmert/ ſondern vergnuͤgte ſich mit der nech-
ſten Wieſe und Puſche/ und mit wenigen Stuͤ-
cken Vieh. Wie er denn ſeine Huͤtte und Ruh
nicht mit des groͤſten Fuͤrſten Schloſſe und
Kummer vertauſchen wolte. Ja/ wo es wahr
waͤre/ was ihm zuweilen etliche andere Wurtzel-
Leute von den Welthaͤndeln wieder ſeinen Wil-
len erzehleten; muͤſten groſſe Herren nicht allein
die elendeſten Menſchen/ ſondern die grauſam-
ſten Thiere ſeyn. Er waͤre ſein Lebetage nicht
auffs flache Land kommen; wuͤſte auch nicht ob
diß Gebuͤrge das Ende der Welt waͤre/ oder ob
ſolche Menſchen daſelbſt wohneten. Er hielte
es fuͤr kein gemeines Gluͤcke: daß er mehrerley
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1123[1125]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1187>, abgerufen am 23.11.2024.