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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] sen klagen hörte. Er redete öffter mit den Ster-
nen/ als seines gleichen; weil er in diesen zuwei-
len Falschheit/ ins gemein Gebrechen/ in je-
nen aber allezeit eine wahre Andeutung künff-
tigen Gewitters/ selten eine Verfinsterung/
die aber bald wieder vergienge/ wahr genom-
men hätte. Ja/ wenn er nicht so viel Kräuter
kennte; unterstünde er sich zu sagen: er wäre im
Himmel besser bekandt/ als auf Erden beschlagen.
Seine ferneste Reise wäre biß unter das Ge-
bürge zu denen zwey warmen Gesund-Brun-
nen sein Lebtage gewest; die nahe bey der Za-
cken-Bach aus der Erde empor quillen/ er aber
sie nicht so wol aus Noth/ als die Wunder gött-
licher Vorsorge zu genüssen jährlich im Mey
besuchte. Daselbst hätten ihm etliche Fremd-
linge zuweilen viel von andern Völckern und
Begebenheiten erzehlen wollen; er wäre dessen
aber bald überdrüßig worden; hät[t]e auch das
meiste für Getichte gehalten; weil er eine so gros-
se Boßheit denen Menschen nicht zutrauen
könte; derogleichen die gifftigen Thiere in die-
sem Gebürge nicht hätten. König Marbod
seuffzete über der unschuldigen Einfalt dieses
Wurtzel-Mannes; Gleichwol fragte er: Was
für grausam Ding er denn gehöret hätte? Der
Alte wolte zwar lange nicht heraus; in Mei-
nung: daß sie seiner Einfalt nur spotteten; end-
lich sagte er: Es solte ein benachbartes Volck;
oder vielmehr etliche Diener/ die der Fürst als
seine Kinder geliebt/ ihn ermordet haben. Mar-
bod verblaste und erstummte über dieser unver-
mutheten Gewisseus-Rührung. Tannenberg
aber fiel dem Wurtzelmanne mit Fleiß ein: Ob
denn in diesem Gebür ge die Natter dem Männ-
lein in ihrer Liebes-Beywohnung nicht den
Kopff abbisse; die jungen Nattern aber in der
Geburt durch Zerreissung ihres Bauches ihre
Mutter nicht tödteten? Der Alte lachte hierü-
ber/ meldende: Er glaubte auch nicht: daß diß
anderwerts geschehe. Er habe mehrmahls
Schlangen und Nattern sich wie andere Thie-
[Spaltenumbruch] re umschränckende einander beywohnen sehen;
er habe in öffterer derselben Zergliederung an
ihnen Männ- und Weibliche Geburts-Glie-
der; ja in diesen zum Küssen/ nicht aber zur
Empfängnüs geschicktem Munde gewisse Ey-
er/ welche in vier Mohnden zu dinnen Nattern
würden/ befunden; ja die alten Nattern in en-
gem ja gläsernem Beschlusse gehalten/ welche
ohne einige Verletzung junge gezeugt und selb-
te genehret hätten. Tannenberg versetzte:
Es würden vielleicht nicht alle/ wol aber gewis-
se Arten der Nattern diese Eigenschafft haben.
Sintemahl ja auch die Wiesel im Ohre/ die
Raben und Fische im Munde geschwängert
würden/ die ersten auch durch den Mund ge-
biehren. Warlich antwortete der Wurtzel-
Mann; diß letztere ist so irrig/ als das erstere/
ich will euch Morgen/ weil nichts minder die
Zeit/ als eure Müdigkeit euch zum Schlaffe
nunmehr einräthet/ auf euer Begehren die
von der Natur nicht umsonst geschaffenen ab-
sonderen Geburts-Glieder in diesen Thieren
zeigen; und ich habe ihre Vermischung nach
gemeiner Art mehrmahls mit Augen gesehen.
Marbod danckte für so gute Vertröstung/ und
insonderheit so annehmliche Aufnehmung;
sonderlich/ da das alte Weib etliche gewärmete
Tücher bey ihrer Entkleidung ihnen darreich-
te/ sich desto besser abzutrocknen/ auch bequeme
Läger-Stätte anwieß. Uber dieser Trock-
nung konte Tannenberg gleichwol sich nicht
enthalten zu fragen: Ob es denn an gegenwär-
tigem Orte nicht geregnet hätte? Wie nun der
Wurtzelmann mit nein antwortete; erkundig-
te sich Tannenberg weiter: Ob sie aber das
schreckliche Wetter nicht gehöret? Der Alte
verneinte diß gleichfalls. Diesemnach Lich-
tenstein heraus fuhr: So sind wir in Warheit
zu letzte von dem Gespenste nichts weniger
verbländet/ als anfangs geäffet worden. Jch
meine deine trieffenden Kleider und deine nasse
Glieder/ versetzte Marbod/ solten dir die War-

heit

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] ſen klagen hoͤrte. Er redete oͤffter mit den Ster-
nen/ als ſeines gleichen; weil er in dieſen zuwei-
len Falſchheit/ ins gemein Gebrechen/ in je-
nen aber allezeit eine wahre Andeutung kuͤnff-
tigen Gewitters/ ſelten eine Verfinſterung/
die aber bald wieder vergienge/ wahr genom-
men haͤtte. Ja/ wenn er nicht ſo viel Kraͤuter
kennte; unterſtuͤnde er ſich zu ſagen: er waͤre im
Him̃el beſſeꝛ bekandt/ als auf Erden beſchlagen.
Seine ferneſte Reiſe waͤre biß unter das Ge-
buͤrge zu denen zwey warmen Geſund-Brun-
nen ſein Lebtage geweſt; die nahe bey der Za-
cken-Bach aus der Erde empor quillen/ er aber
ſie nicht ſo wol aus Noth/ als die Wunder goͤtt-
licher Vorſorge zu genuͤſſen jaͤhrlich im Mey
beſuchte. Daſelbſt haͤtten ihm etliche Fremd-
linge zuweilen viel von andern Voͤlckern und
Begebenheiten erzehlen wollen; er waͤre deſſen
aber bald uͤberdruͤßig worden; haͤt[t]e auch das
meiſte fuͤr Getichte gehalten; weil er eine ſo groſ-
ſe Boßheit denen Menſchen nicht zutrauen
koͤnte; derogleichen die gifftigen Thiere in die-
ſem Gebuͤrge nicht haͤtten. Koͤnig Marbod
ſeuffzete uͤber der unſchuldigen Einfalt dieſes
Wurtzel-Mannes; Gleichwol fragte er: Was
fuͤr grauſam Ding er denn gehoͤret haͤtte? Der
Alte wolte zwar lange nicht heraus; in Mei-
nung: daß ſie ſeiner Einfalt nur ſpotteten; end-
lich ſagte er: Es ſolte ein benachbartes Volck;
oder vielmehr etliche Diener/ die der Fuͤrſt als
ſeine Kinder geliebt/ ihn ermordet haben. Mar-
bod verblaſte und erſtummte uͤber dieſer unver-
mutheten Gewiſſeus-Ruͤhrung. Tannenberg
aber fiel dem Wurtzelmanne mit Fleiß ein: Ob
denn in dieſem Gebuͤr ge die Natter dem Maͤñ-
lein in ihrer Liebes-Beywohnung nicht den
Kopff abbiſſe; die jungen Nattern aber in der
Geburt durch Zerreiſſung ihres Bauches ihre
Mutter nicht toͤdteten? Der Alte lachte hieruͤ-
ber/ meldende: Er glaubte auch nicht: daß diß
anderwerts geſchehe. Er habe mehrmahls
Schlangen und Nattern ſich wie andere Thie-
[Spaltenumbruch] re umſchraͤnckende einander beywohnen ſehen;
er habe in oͤffterer derſelben Zergliederung an
ihnen Maͤnn- und Weibliche Geburts-Glie-
der; ja in dieſen zum Kuͤſſen/ nicht aber zur
Empfaͤngnuͤs geſchicktem Munde gewiſſe Ey-
er/ welche in vier Mohnden zu dinnen Nattern
wuͤrden/ befunden; ja die alten Nattern in en-
gem ja glaͤſernem Beſchluſſe gehalten/ welche
ohne einige Verletzung junge gezeugt und ſelb-
te genehret haͤtten. Tannenberg verſetzte:
Es wuͤrden vielleicht nicht alle/ wol aber gewiſ-
ſe Arten der Nattern dieſe Eigenſchafft haben.
Sintemahl ja auch die Wieſel im Ohre/ die
Raben und Fiſche im Munde geſchwaͤngert
wuͤrden/ die erſten auch durch den Mund ge-
biehren. Warlich antwortete der Wurtzel-
Mann; diß letztere iſt ſo irrig/ als das erſtere/
ich will euch Morgen/ weil nichts minder die
Zeit/ als eure Muͤdigkeit euch zum Schlaffe
nunmehr einraͤthet/ auf euer Begehren die
von der Natur nicht umſonſt geſchaffenen ab-
ſonderen Geburts-Glieder in dieſen Thieren
zeigen; und ich habe ihre Vermiſchung nach
gemeiner Art mehrmahls mit Augen geſehen.
Marbod danckte fuͤr ſo gute Vertroͤſtung/ und
inſonderheit ſo annehmliche Aufnehmung;
ſonderlich/ da das alte Weib etliche gewaͤrmete
Tuͤcher bey ihrer Entkleidung ihnen darreich-
te/ ſich deſto beſſer abzutrocknen/ auch bequeme
Laͤger-Staͤtte anwieß. Uber dieſer Trock-
nung konte Tannenberg gleichwol ſich nicht
enthalten zu fragen: Ob es denn an gegenwaͤr-
tigem Orte nicht geregnet haͤtte? Wie nun der
Wurtzelmann mit nein antwortete; erkundig-
te ſich Tannenberg weiter: Ob ſie aber das
ſchreckliche Wetter nicht gehoͤret? Der Alte
verneinte diß gleichfalls. Dieſemnach Lich-
tenſtein heraus fuhr: So ſind wir in Warheit
zu letzte von dem Geſpenſte nichts weniger
verblaͤndet/ als anfangs geaͤffet worden. Jch
meine deine trieffenden Kleider und deine naſſe
Glieder/ verſetzte Marbod/ ſolten dir die War-

heit
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[1124[1126]/1188] Siebendes Buch ſen klagen hoͤrte. Er redete oͤffter mit den Ster- nen/ als ſeines gleichen; weil er in dieſen zuwei- len Falſchheit/ ins gemein Gebrechen/ in je- nen aber allezeit eine wahre Andeutung kuͤnff- tigen Gewitters/ ſelten eine Verfinſterung/ die aber bald wieder vergienge/ wahr genom- men haͤtte. Ja/ wenn er nicht ſo viel Kraͤuter kennte; unterſtuͤnde er ſich zu ſagen: er waͤre im Him̃el beſſeꝛ bekandt/ als auf Erden beſchlagen. Seine ferneſte Reiſe waͤre biß unter das Ge- buͤrge zu denen zwey warmen Geſund-Brun- nen ſein Lebtage geweſt; die nahe bey der Za- cken-Bach aus der Erde empor quillen/ er aber ſie nicht ſo wol aus Noth/ als die Wunder goͤtt- licher Vorſorge zu genuͤſſen jaͤhrlich im Mey beſuchte. Daſelbſt haͤtten ihm etliche Fremd- linge zuweilen viel von andern Voͤlckern und Begebenheiten erzehlen wollen; er waͤre deſſen aber bald uͤberdruͤßig worden; haͤtte auch das meiſte fuͤr Getichte gehalten; weil er eine ſo groſ- ſe Boßheit denen Menſchen nicht zutrauen koͤnte; derogleichen die gifftigen Thiere in die- ſem Gebuͤrge nicht haͤtten. Koͤnig Marbod ſeuffzete uͤber der unſchuldigen Einfalt dieſes Wurtzel-Mannes; Gleichwol fragte er: Was fuͤr grauſam Ding er denn gehoͤret haͤtte? Der Alte wolte zwar lange nicht heraus; in Mei- nung: daß ſie ſeiner Einfalt nur ſpotteten; end- lich ſagte er: Es ſolte ein benachbartes Volck; oder vielmehr etliche Diener/ die der Fuͤrſt als ſeine Kinder geliebt/ ihn ermordet haben. Mar- bod verblaſte und erſtummte uͤber dieſer unver- mutheten Gewiſſeus-Ruͤhrung. Tannenberg aber fiel dem Wurtzelmanne mit Fleiß ein: Ob denn in dieſem Gebuͤr ge die Natter dem Maͤñ- lein in ihrer Liebes-Beywohnung nicht den Kopff abbiſſe; die jungen Nattern aber in der Geburt durch Zerreiſſung ihres Bauches ihre Mutter nicht toͤdteten? Der Alte lachte hieruͤ- ber/ meldende: Er glaubte auch nicht: daß diß anderwerts geſchehe. Er habe mehrmahls Schlangen und Nattern ſich wie andere Thie- re umſchraͤnckende einander beywohnen ſehen; er habe in oͤffterer derſelben Zergliederung an ihnen Maͤnn- und Weibliche Geburts-Glie- der; ja in dieſen zum Kuͤſſen/ nicht aber zur Empfaͤngnuͤs geſchicktem Munde gewiſſe Ey- er/ welche in vier Mohnden zu dinnen Nattern wuͤrden/ befunden; ja die alten Nattern in en- gem ja glaͤſernem Beſchluſſe gehalten/ welche ohne einige Verletzung junge gezeugt und ſelb- te genehret haͤtten. Tannenberg verſetzte: Es wuͤrden vielleicht nicht alle/ wol aber gewiſ- ſe Arten der Nattern dieſe Eigenſchafft haben. Sintemahl ja auch die Wieſel im Ohre/ die Raben und Fiſche im Munde geſchwaͤngert wuͤrden/ die erſten auch durch den Mund ge- biehren. Warlich antwortete der Wurtzel- Mann; diß letztere iſt ſo irrig/ als das erſtere/ ich will euch Morgen/ weil nichts minder die Zeit/ als eure Muͤdigkeit euch zum Schlaffe nunmehr einraͤthet/ auf euer Begehren die von der Natur nicht umſonſt geſchaffenen ab- ſonderen Geburts-Glieder in dieſen Thieren zeigen; und ich habe ihre Vermiſchung nach gemeiner Art mehrmahls mit Augen geſehen. Marbod danckte fuͤr ſo gute Vertroͤſtung/ und inſonderheit ſo annehmliche Aufnehmung; ſonderlich/ da das alte Weib etliche gewaͤrmete Tuͤcher bey ihrer Entkleidung ihnen darreich- te/ ſich deſto beſſer abzutrocknen/ auch bequeme Laͤger-Staͤtte anwieß. Uber dieſer Trock- nung konte Tannenberg gleichwol ſich nicht enthalten zu fragen: Ob es denn an gegenwaͤr- tigem Orte nicht geregnet haͤtte? Wie nun der Wurtzelmann mit nein antwortete; erkundig- te ſich Tannenberg weiter: Ob ſie aber das ſchreckliche Wetter nicht gehoͤret? Der Alte verneinte diß gleichfalls. Dieſemnach Lich- tenſtein heraus fuhr: So ſind wir in Warheit zu letzte von dem Geſpenſte nichts weniger verblaͤndet/ als anfangs geaͤffet worden. Jch meine deine trieffenden Kleider und deine naſſe Glieder/ verſetzte Marbod/ ſolten dir die War- heit

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1124[1126]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1188>, abgerufen am 23.11.2024.