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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] gezogen. Folgenden Tag kam die Botschafft:
daß die Alemänner sich auch schon der Stadt
Casurgis/ und vieler Bergschlösser bemächtiget/
den dritten Tag: daß Vannius und Bercka die
entflohenen Sarmaten in einem Walde um-
ringet hätten; Weßwegen Marbod noch zehn-
tausend Mann dahin schickte; welche denn die
Sarmaten dahin brachten: daß sie die Waffen
weg- und sich der Willkühr des Siegers unter-
werffen musten. Den zehenden Tag war auf
einem grossen Platze in der Stadt eine Schau-
bühne/ und darauf ein Königlicher Stul berei-
tet. Nach dem der Platz mit zehntausend
Marckmännern besetzt war; kam König Mar-
bod mit allen Grossen auffs prächtigste dahin/
und besaß selbten. Diesem folgte König Cri-
tasir; welcher drey der vornehmsten Bojen ihm
die Königliche Kron/ den Zepter und das
Reichs-Schwerd fürtragen ließ/ und alles mit
tieffer Ehrerbietung nach eydlicher Abschwe-
rung allen an dieses Land habenden Rechtes
dem Könige Marbod überliefferte. Diesem
folgten die Priester; welche denen Marckmän-
nischen Eubagen alles Opffer-Geräthe/ die
zum Gottesdienste gehörigen Bücher/ und ein
über aus grosses Geweihe von einem Elend-
Thiere; welches der erste Bojische König an
dem Orte/ wo die Stadt Boviasmum stehet/ ge-
schlagen/ und als ein Schutz-Bild des Boji-
schen Reiches aufzuheben befohlen haben soll/
überliefferten. Endlich kam ein Ausschuß von
der Bojischen Ritterschafft; welche den Boji-
schen Reichs-Schild/ und die Abgeordnete von
Städten/ die derselben Schlüssel dem Marbod
zu den Füssen legten; und dieses Land nicht
ferner zu betreten eydlich angelobeten. Fol-
genden Tag geschach der Auffbruch der Bojen;
und zohe von allen Enden alles/ was Beine
hatte/ gegen dem Donau-Strom; allwo sie
bey der Vereinbarung des Flusses Jnn an
zweyen Orten über die Donau setzten/ und da-
selbst von Marckmännern ein Theil ihrer Waf-
[Spaltenumbruch] fen zu ihrer Beschirmung wieder bekamen; also
daselbst die zwey Städte Bojodur und Passau
bauten; hernach aber voll ends über den Jnn
setzten/ und die alten Vindelicher verdrangen;
welche aber von der Alemännischen Fürstin
Vocione in die von den Marckmännern ihr
nunmehr eingeräumte/ aber aller Einwohner
entblösten Landschafften willig angenommen
wurden. Marbod hingegen theilte seinen Völ-
ckern das gantze Land aus; gab ihnen die ge-
fangenen Sarmaten zu Leibeigenen/ welche des
Feldbaues pflegten/ ver grösserte die Stadt Bo-
viasmum/ und nennte sie nunmehr Marbod-
Stadt. Jnzwischen aber rückte er mit seiner
gantzen Heeres-Krafft theils an-theils auff der
Elbe mit einer grossen Menge Nachen denen
zum Kriege schlecht bereiteten Semnonern auf
den Halß; schlug selbte zweymahl aus dem Fel-
de/ eroberte die Stadt Budorigum/ und bekam
in selbter den Fürsten mit allen den Seinen ge-
fangen; also: daß dieses gantze Volck den Mar-
bod für seinen König annahm; und zwar mit so
viel mehr Belieben/ weil es zeither fast unauff-
hörlich mit beschwerlichen Kriegen bald von de-
nen Hermunduren/ bald von denen Longobar-
den/ bald von denen Marsingern und Buriern
(welche Völcker alle streitbare Schwaben sind)
abgemattet worden war/ und also sie durch die
dem Marbod überreichte Krone ihnen selbst
gleichsam den Krantz der Ruhe auffsetzten/ und
dieser zu Rom als eine Göttin verehrten Mut-
ter der Vergnügung einen Tempel zu bauen
meinten. Sintemahl doch unaufhörliche Un-
ruh beschwerlicher/ als die Dienstbarkeit ist; und
weil ein Besitzer grosser Heerden die Kuh nicht
so offt melcken/ die Schafe nicht so viel mahl
scheren darff/ also eines weit und ferne gebie-
tenden Königs Herrschafft nicht so sehr und offte
die Unterthanen drücken/ hingegen sie mächtiger
schützen kan/ die Semnoner nunmehr unter ei-
nem so mächtigen Könige viel gemächliger zu le-
ben hofften; Worbey denn Marbod zugleich ei-

nen
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] gezogen. Folgenden Tag kam die Botſchafft:
daß die Alemaͤnner ſich auch ſchon der Stadt
Caſurgis/ und vieler Bergſchloͤſſer bemaͤchtiget/
den dritten Tag: daß Vannius und Bercka die
entflohenen Sarmaten in einem Walde um-
ringet haͤtten; Weßwegen Marbod noch zehn-
tauſend Mann dahin ſchickte; welche denn die
Sarmaten dahin brachten: daß ſie die Waffen
weg- und ſich der Willkuͤhr des Siegers unter-
werffen muſten. Den zehenden Tag war auf
einem groſſen Platze in der Stadt eine Schau-
buͤhne/ und darauf ein Koͤniglicher Stul berei-
tet. Nach dem der Platz mit zehntauſend
Marckmaͤnnern beſetzt war; kam Koͤnig Mar-
bod mit allen Groſſen auffs praͤchtigſte dahin/
und beſaß ſelbten. Dieſem folgte Koͤnig Cri-
taſir; welcher drey der vornehmſten Bojen ihm
die Koͤnigliche Kron/ den Zepter und das
Reichs-Schwerd fuͤrtragen ließ/ und alles mit
tieffer Ehrerbietung nach eydlicher Abſchwe-
rung allen an dieſes Land habenden Rechtes
dem Koͤnige Marbod uͤberliefferte. Dieſem
folgten die Prieſter; welche denen Marckmaͤn-
niſchen Eubagen alles Opffer-Geraͤthe/ die
zum Gottesdienſte gehoͤrigen Buͤcher/ und ein
uͤber aus groſſes Geweihe von einem Elend-
Thiere; welches der erſte Bojiſche Koͤnig an
dem Orte/ wo die Stadt Boviaſmum ſtehet/ ge-
ſchlagen/ und als ein Schutz-Bild des Boji-
ſchen Reiches aufzuheben befohlen haben ſoll/
uͤberliefferten. Endlich kam ein Ausſchuß von
der Bojiſchen Ritterſchafft; welche den Boji-
ſchen Reichs-Schild/ und die Abgeordnete von
Staͤdten/ die derſelben Schluͤſſel dem Marbod
zu den Fuͤſſen legten; und dieſes Land nicht
ferner zu betreten eydlich angelobeten. Fol-
genden Tag geſchach der Auffbruch der Bojen;
und zohe von allen Enden alles/ was Beine
hatte/ gegen dem Donau-Strom; allwo ſie
bey der Vereinbarung des Fluſſes Jnn an
zweyen Orten uͤber die Donau ſetzten/ und da-
ſelbſt von Marckmaͤnnern ein Theil ihrer Waf-
[Spaltenumbruch] fen zu ihrer Beſchirmung wieder bekamen; alſo
daſelbſt die zwey Staͤdte Bojodur und Paſſau
bauten; hernach aber voll ends uͤber den Jnn
ſetzten/ und die alten Vindelicher verdrangen;
welche aber von der Alemaͤnniſchen Fuͤrſtin
Vocione in die von den Marckmaͤnnern ihr
nunmehr eingeraͤumte/ aber aller Einwohner
entbloͤſten Landſchafften willig angenommen
wurden. Marbod hingegen theilte ſeinen Voͤl-
ckern das gantze Land aus; gab ihnen die ge-
fangenen Sarmaten zu Leibeigenen/ welche des
Feldbaues pflegten/ ver groͤſſerte die Stadt Bo-
viaſmum/ und nennte ſie nunmehr Marbod-
Stadt. Jnzwiſchen aber ruͤckte er mit ſeiner
gantzen Heeres-Krafft theils an-theils auff der
Elbe mit einer groſſen Menge Nachen denen
zum Kriege ſchlecht bereiteten Semnonern auf
den Halß; ſchlug ſelbte zweymahl aus dem Fel-
de/ eroberte die Stadt Budorigum/ und bekam
in ſelbter den Fuͤrſten mit allen den Seinen ge-
fangen; alſo: daß dieſes gantze Volck den Mar-
bod fuͤr ſeinen Koͤnig annahm; und zwar mit ſo
viel mehr Belieben/ weil es zeither faſt unauff-
hoͤrlich mit beſchwerlichen Kriegen bald von de-
nen Hermunduren/ bald von denen Longobar-
den/ bald von denen Marſingern und Buriern
(welche Voͤlcker alle ſtreitbare Schwaben ſind)
abgemattet worden war/ und alſo ſie durch die
dem Marbod uͤberreichte Krone ihnen ſelbſt
gleichſam den Krantz der Ruhe auffſetzten/ und
dieſer zu Rom als eine Goͤttin verehrten Mut-
ter der Vergnuͤgung einen Tempel zu bauen
meinten. Sintemahl doch unaufhoͤrliche Un-
ruh beſchwerlicher/ als die Dienſtbarkeit iſt; und
weil ein Beſitzer groſſer Heerden die Kuh nicht
ſo offt melcken/ die Schafe nicht ſo viel mahl
ſcheren darff/ alſo eines weit und ferne gebie-
tenden Koͤnigs Herꝛſchafft nicht ſo ſehr und offte
die Unterthanen druͤcken/ hingegẽ ſie maͤchtiger
ſchuͤtzen kan/ die Semnoner nunmehr unter ei-
nem ſo maͤchtigen Koͤnige viel gemaͤchligeꝛ zu le-
ben hofften; Worbey denn Marbod zugleich ei-

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[1139[1141]/1203] Arminius und Thußnelda. gezogen. Folgenden Tag kam die Botſchafft: daß die Alemaͤnner ſich auch ſchon der Stadt Caſurgis/ und vieler Bergſchloͤſſer bemaͤchtiget/ den dritten Tag: daß Vannius und Bercka die entflohenen Sarmaten in einem Walde um- ringet haͤtten; Weßwegen Marbod noch zehn- tauſend Mann dahin ſchickte; welche denn die Sarmaten dahin brachten: daß ſie die Waffen weg- und ſich der Willkuͤhr des Siegers unter- werffen muſten. Den zehenden Tag war auf einem groſſen Platze in der Stadt eine Schau- buͤhne/ und darauf ein Koͤniglicher Stul berei- tet. Nach dem der Platz mit zehntauſend Marckmaͤnnern beſetzt war; kam Koͤnig Mar- bod mit allen Groſſen auffs praͤchtigſte dahin/ und beſaß ſelbten. Dieſem folgte Koͤnig Cri- taſir; welcher drey der vornehmſten Bojen ihm die Koͤnigliche Kron/ den Zepter und das Reichs-Schwerd fuͤrtragen ließ/ und alles mit tieffer Ehrerbietung nach eydlicher Abſchwe- rung allen an dieſes Land habenden Rechtes dem Koͤnige Marbod uͤberliefferte. Dieſem folgten die Prieſter; welche denen Marckmaͤn- niſchen Eubagen alles Opffer-Geraͤthe/ die zum Gottesdienſte gehoͤrigen Buͤcher/ und ein uͤber aus groſſes Geweihe von einem Elend- Thiere; welches der erſte Bojiſche Koͤnig an dem Orte/ wo die Stadt Boviaſmum ſtehet/ ge- ſchlagen/ und als ein Schutz-Bild des Boji- ſchen Reiches aufzuheben befohlen haben ſoll/ uͤberliefferten. Endlich kam ein Ausſchuß von der Bojiſchen Ritterſchafft; welche den Boji- ſchen Reichs-Schild/ und die Abgeordnete von Staͤdten/ die derſelben Schluͤſſel dem Marbod zu den Fuͤſſen legten; und dieſes Land nicht ferner zu betreten eydlich angelobeten. Fol- genden Tag geſchach der Auffbruch der Bojen; und zohe von allen Enden alles/ was Beine hatte/ gegen dem Donau-Strom; allwo ſie bey der Vereinbarung des Fluſſes Jnn an zweyen Orten uͤber die Donau ſetzten/ und da- ſelbſt von Marckmaͤnnern ein Theil ihrer Waf- fen zu ihrer Beſchirmung wieder bekamen; alſo daſelbſt die zwey Staͤdte Bojodur und Paſſau bauten; hernach aber voll ends uͤber den Jnn ſetzten/ und die alten Vindelicher verdrangen; welche aber von der Alemaͤnniſchen Fuͤrſtin Vocione in die von den Marckmaͤnnern ihr nunmehr eingeraͤumte/ aber aller Einwohner entbloͤſten Landſchafften willig angenommen wurden. Marbod hingegen theilte ſeinen Voͤl- ckern das gantze Land aus; gab ihnen die ge- fangenen Sarmaten zu Leibeigenen/ welche des Feldbaues pflegten/ ver groͤſſerte die Stadt Bo- viaſmum/ und nennte ſie nunmehr Marbod- Stadt. Jnzwiſchen aber ruͤckte er mit ſeiner gantzen Heeres-Krafft theils an-theils auff der Elbe mit einer groſſen Menge Nachen denen zum Kriege ſchlecht bereiteten Semnonern auf den Halß; ſchlug ſelbte zweymahl aus dem Fel- de/ eroberte die Stadt Budorigum/ und bekam in ſelbter den Fuͤrſten mit allen den Seinen ge- fangen; alſo: daß dieſes gantze Volck den Mar- bod fuͤr ſeinen Koͤnig annahm; und zwar mit ſo viel mehr Belieben/ weil es zeither faſt unauff- hoͤrlich mit beſchwerlichen Kriegen bald von de- nen Hermunduren/ bald von denen Longobar- den/ bald von denen Marſingern und Buriern (welche Voͤlcker alle ſtreitbare Schwaben ſind) abgemattet worden war/ und alſo ſie durch die dem Marbod uͤberreichte Krone ihnen ſelbſt gleichſam den Krantz der Ruhe auffſetzten/ und dieſer zu Rom als eine Goͤttin verehrten Mut- ter der Vergnuͤgung einen Tempel zu bauen meinten. Sintemahl doch unaufhoͤrliche Un- ruh beſchwerlicher/ als die Dienſtbarkeit iſt; und weil ein Beſitzer groſſer Heerden die Kuh nicht ſo offt melcken/ die Schafe nicht ſo viel mahl ſcheren darff/ alſo eines weit und ferne gebie- tenden Koͤnigs Herꝛſchafft nicht ſo ſehr und offte die Unterthanen druͤcken/ hingegẽ ſie maͤchtiger ſchuͤtzen kan/ die Semnoner nunmehr unter ei- nem ſo maͤchtigen Koͤnige viel gemaͤchligeꝛ zu le- ben hofften; Worbey denn Marbod zugleich ei- nen E e e e e e e 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1139[1141]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1203>, abgerufen am 23.11.2024.