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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] lincke Ufer der Elbe seine Völcker aus den
Schiffen/ und vereinbarte beyde Heere; zohe
hier auff an dem Strome auffwerts biß an das
Gedächtnüs-Maal/ das Drusus daselbst auff-
gerichtet hatte. Der großmüthige Hertzog der
Longobarden Wilhelm zündete die über der
Elbe habende Dörffer selbst an/ und zohe alles
Volck auf die rechte Seite/ um den Römern
die Uberfarth zu verwehren. Deßwegen schickte
er auch denen Angeln tausend Longobarden zu
desto sicherer Besetzung der Stadt Lauenburg
zu Hülfe/ welche in den Elbe-Strom eine grosse
Menge breit-ästichter Eich-Bäume warffen:
daß die Römer mit ihren Schiffen nicht weiter
den Strom hinauf fahren konten. Weil nun
der von Rom neu angekommene Hertzog der
Cherusker mit unumstößlichen Gründen den
Auffschub des von den Longobarden gebetenen
Beystandes entschuldigte/ Hertzog Wilhelm a-
ber ihm leicht einbilden konte: daß Marbod die
Römer zwar zu Freunden/ nicht aber zu Nach-
barn verlangte; in dem klugen Fürsten kein är-
gerer Dorn in Augen seyn kan/ als das über-
mäßige Wachsthum seines Nachbars; schickte
er einen Fürsten der Ascanier an Marbod/
machte mit ihm ein Bündnüs zu ihrer beyder
Vertheidigung wieder ihre künfftige Feinde.
Weßwegen Marbod denen Longobarden zwan-
tzig tausend Mann zu Hülffe sendete. Ehe diese
aber noch ankamen/ trieben die Longobarden
die Römer/ welche auf Nachen und Flössen ü-
ber die Elbe setzen wolten/ dreymahl zurücke.
Wie nun Tiberius bey diesen blutigen Treffen
viel seiner tapffersten Kriegs-Obersten einbüste;
und nunmehr die Tugend der Longobarden
grösser befand/ als der Ruff von ihnen war; Her-
tzog Wilhelm auch dem Tiberius durch gewisse
Gefangenen etliche Säcke Haare/ die sie ihren
langen Bärten zum Zeichen der vielen erschla-
genen Römer hatten abscheren lassen/ überschick-
te; nach dem Vermöge eines theuern Gelüb-
des bey diesem Volcke kein Scheer-Messer ei-
[Spaltenumbruch] nen Mann berühren darf/ der nicht vorher drey
Feinde erschlagen; über diß er die Ankunfft der
Marckmännischen Völcker vernahm; trug er
den Longobarden Frieden/ iedoch unter harten
Bedingungen an; insonderheit: daß sie Mar-
bods Bündnüs abbrechen/ den Römischen Fein-
den keinen Beystand leisten/ ihnen hingegen
mit sechstausend Mann ohne Kriegs-Sold die-
nen/ und deßwegen Hertzog Wilhelm seinen
Sohn/ und zwölff edle Longobarden nach Rom
zur Geißel schicken solte. Wilhelm lachte zu die-
sem Fürtrage; sagte aber/ er wolte einen seiner
Edlen selbst deß wegen zum Tiberius schicken.
Auf dessen Befehl setzte sich Pudlitz/ ein sieben-
tzigjähriger Ritter in einen Nachen/ ließ sich ü-
ber den Fluß zum Tiberius führen/ und betrach-
tete ihn eine halbe Stunde mit unver wendetem
Gesichte/ aber ohne Fürbringung eines eini-
gen Wortes; also: daß Tiberius endlich aus
Unwillen ihn fragte: Ob er nichts wegen
seines Fürsten anzubringen hätte? Pudlitz bat
hier auff ihm zu erlauben/ des Tiberius Hand
anzurühren; die er ihm in Meinung: daß er sie
zu küssen verlangte/ darreckte. Pudlitz nahm
selbte/ und fieng nach Beschauung derselben/
und der daran sich befindenden Narbe an: Mein
Fürst hat aus deinem Friedens-Vorschlage ge-
urtheilt: Du müstest ein GOtt seyn/ und mich
die Warheit zu erkundigen herüber geschickt.
So sehe ich aber aus dieser Narbe: daß deine
Glieder nicht weniger/ als unsere verletzt wer-
den können. Daher ihr Römer gar billich eu-
rer Kayser Vergötterung biß nach Verbren-
nung ihrer Leiber auffschiebet; da sie nicht mehr
können versehret werden. Bey dieser Beschaf-
fenheit wirstu uns Longobarden verzeihen: daß
wir von dir/ als einem Menschen/ keine uns un-
anständige Gesetze annehmen. Tiberius biß für
Grimm sich in die Zunge und Leffzen: daß sie blu-
teten/ ließ den Ritter von sich/ und auffs neue
mit aller Macht über die Elbe setzen. Die Lon-
gobarden aber begegneten ihn mit ihren klei-

nen

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] lincke Ufer der Elbe ſeine Voͤlcker aus den
Schiffen/ und vereinbarte beyde Heere; zohe
hier auff an dem Strome auffwerts biß an das
Gedaͤchtnuͤs-Maal/ das Druſus daſelbſt auff-
gerichtet hatte. Der großmuͤthige Hertzog der
Longobarden Wilhelm zuͤndete die uͤber der
Elbe habende Doͤrffer ſelbſt an/ und zohe alles
Volck auf die rechte Seite/ um den Roͤmern
die Uberfarth zu verwehren. Deßwegen ſchickte
er auch denen Angeln tauſend Longobarden zu
deſto ſicherer Beſetzung der Stadt Lauenburg
zu Huͤlfe/ welche in den Elbe-Strom eine groſſe
Menge breit-aͤſtichter Eich-Baͤume warffen:
daß die Roͤmer mit ihren Schiffen nicht weiter
den Strom hinauf fahren konten. Weil nun
der von Rom neu angekommene Hertzog der
Cherusker mit unumſtoͤßlichen Gruͤnden den
Auffſchub des von den Longobarden gebetenen
Beyſtandes entſchuldigte/ Hertzog Wilhelm a-
ber ihm leicht einbilden konte: daß Marbod die
Roͤmer zwar zu Freunden/ nicht aber zu Nach-
barn verlangte; in dem klugen Fuͤrſten kein aͤr-
gerer Dorn in Augen ſeyn kan/ als das uͤber-
maͤßige Wachsthum ſeines Nachbars; ſchickte
er einen Fuͤrſten der Aſcanier an Marbod/
machte mit ihm ein Buͤndnuͤs zu ihrer beyder
Vertheidigung wieder ihre kuͤnfftige Feinde.
Weßwegen Marbod denen Longobaꝛden zwan-
tzig tauſend Mann zu Huͤlffe ſendete. Ehe dieſe
aber noch ankamen/ trieben die Longobarden
die Roͤmer/ welche auf Nachen und Floͤſſen uͤ-
ber die Elbe ſetzen wolten/ dreymahl zuruͤcke.
Wie nun Tiberius bey dieſen blutigen Treffen
viel ſeiner tapfferſten Kriegs-Oberſten einbuͤſte;
und nunmehr die Tugend der Longobarden
groͤſſer befand/ als der Ruff von ihnen war; Her-
tzog Wilhelm auch dem Tiberius durch gewiſſe
Gefangenen etliche Saͤcke Haare/ die ſie ihren
langen Baͤrten zum Zeichen der vielen erſchla-
genen Roͤmer hatten abſcheren laſſen/ uͤberſchick-
te; nach dem Vermoͤge eines theuern Geluͤb-
des bey dieſem Volcke kein Scheer-Meſſer ei-
[Spaltenumbruch] nen Mann beruͤhren darf/ der nicht vorher drey
Feinde erſchlagen; uͤber diß er die Ankunfft der
Marckmaͤnniſchen Voͤlcker vernahm; trug er
den Longobarden Frieden/ iedoch unter harten
Bedingungen an; inſonderheit: daß ſie Mar-
bods Buͤndnuͤs abbrechen/ den Roͤmiſchen Fein-
den keinen Beyſtand leiſten/ ihnen hingegen
mit ſechstauſend Mann ohne Kriegs-Sold die-
nen/ und deßwegen Hertzog Wilhelm ſeinen
Sohn/ und zwoͤlff edle Longobarden nach Rom
zur Geißel ſchicken ſolte. Wilhelm lachte zu die-
ſem Fuͤrtrage; ſagte aber/ er wolte einen ſeiner
Edlen ſelbſt deß wegen zum Tiberius ſchicken.
Auf deſſen Befehl ſetzte ſich Pudlitz/ ein ſieben-
tzigjaͤhriger Ritter in einen Nachen/ ließ ſich uͤ-
ber den Fluß zum Tiberius fuͤhren/ und betrach-
tete ihn eine halbe Stunde mit unver wendetem
Geſichte/ aber ohne Fuͤrbringung eines eini-
gen Wortes; alſo: daß Tiberius endlich aus
Unwillen ihn fragte: Ob er nichts wegen
ſeines Fuͤrſten anzubringen haͤtte? Pudlitz bat
hier auff ihm zu erlauben/ des Tiberius Hand
anzuruͤhren; die er ihm in Meinung: daß er ſie
zu kuͤſſen verlangte/ darreckte. Pudlitz nahm
ſelbte/ und fieng nach Beſchauung derſelben/
und der daꝛan ſich befindenden Narbe an: Mein
Fuͤrſt hat aus deinem Friedens-Vorſchlage ge-
urtheilt: Du muͤſteſt ein GOtt ſeyn/ und mich
die Warheit zu erkundigen heruͤber geſchickt.
So ſehe ich aber aus dieſer Narbe: daß deine
Glieder nicht weniger/ als unſere verletzt wer-
den koͤnnen. Daher ihr Roͤmer gar billich eu-
rer Kayſer Vergoͤtterung biß nach Verbren-
nung ihrer Leiber auffſchiebet; da ſie nicht mehr
koͤnnen verſehret werden. Bey dieſer Beſchaf-
fenheit wirſtu uns Longobarden verzeihen: daß
wir von dir/ als einem Menſchen/ keine uns un-
anſtaͤndige Geſetze annehmen. Tiberius biß fuͤr
Grim̃ ſich in die Zunge und Leffzen: daß ſie blu-
teten/ ließ den Ritter von ſich/ und auffs neue
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gobarden aber begegneten ihn mit ihren klei-

nen
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1156[1158]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1220>, abgerufen am 23.11.2024.