Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Der Feldherr aber hatte kaum den ersten Pracht/
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Der Feldherr aber hatte kaum den erſten Pracht/
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f1249" n="1183[1185]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi> </fw><lb/> <cb/> <p>Der Feldherr aber hatte kaum den erſten<lb/> Fuß von den Pfoſten des Tempels geſetzt/ als<lb/> oberwehnte Alironiſche Wahrſagerin ſich durch<lb/> das Volck durchdrang; von ihrem Antlitze ei-<lb/> nen Strom Thraͤnen abſchuͤſſen ließ/ dem Her-<lb/> tzog Herrmann mit beyden Armen um den Hals<lb/> fiel und ihn kuͤſſete. Wie ſie denn hierauff<lb/> Thußnelden gleicher Geſtalt umhalſete/ und<lb/> mit hundert Kuͤſſen ihre ungemeine Gewogen-<lb/> heit verſiegelte. Nicht nur alle Umſtehenden;<lb/> ſondern der Feldherr ſelbſt verwunderten ſich uͤ-<lb/> ber dieſer Begebung/ und wuſten ſelbte nicht<lb/> auszulegen; weil dieſe Wahrſagerinnen ſonſt<lb/> ewige Keuſchheit gelobet haben; und von dem<lb/> bloſſen Anruͤhren eines Mannes befleckt zu<lb/> werden glauben. Dieſem Kummer aber ab-<lb/> zuhelffen fieng die Wahrſagerin an: Erlauch-<lb/> teſte Liebhaber; nehmet meine Liebes-Zeichen<lb/> fuͤr keinen Vorwitz oder Frevel auf; Mißgoͤn-<lb/> net an euerer heutigen Gluͤckſeligkeit derſelben<lb/> nicht ein Theil; die nach euch ſie am nechſten<lb/> angehet. Denn/ liebſter Herrmann/ ſchaͤme<lb/> dich nicht an dieſem Stamm- und Geburts-<lb/> Maale (hiermit entbloͤſte ſie ihre Schulter/ und<lb/> zeigte ihm darauf eine feurige Roſe) mich fuͤr<lb/> die Tochter des Surena/ und fuͤr deine nun-<lb/> mehr wieder gluͤckſelige Mutter zu erkennen.<lb/> Der Feldherr erſtarrte fuͤr Verwunderung;<lb/> und wuſte nicht: ob er die Erſcheinung ſeiner<lb/> vorlaͤngſt todt geglaubten Mutter fuͤr eine<lb/> wahrhaffte Begebenheit; oder fuͤr einen<lb/> Traum/ oder wol gar fuͤr ein Geſpenſte halten<lb/> ſolte. Er erholete ſich aber alsbald durch die<lb/> kraͤfftige Auffwallung ſeines kindlichen Gebluͤ-<lb/> tes; und umarmete ſie mit nicht geringer Ge-<lb/> muͤths-Vergnuͤgung/ als er vorher von denen<lb/> muͤtterlichen Armen genoſſen hatte. Die hold-<lb/> ſelige Thußnelde feyerte auch nicht durch die<lb/> empfindlichſten Liebes-Bezeugungen der tu-<lb/> gendhafften Asblaſten verſtehen zu geben: daß<lb/> ſie nichts minder/ als Hertzog Herrmann Gott<lb/> fuͤr die Wiederſchenckung einer ſo heiligen<lb/><cb/> Mutter zu dancken Urſache haͤtte. Wiewol<lb/> nun uͤbermaͤßige Freude nichts minder als<lb/> Schrecken der Beredſamkeit ein Gebieß an-<lb/> legt; ſo unterhielten ſich doch dieſe drey Perſo-<lb/> nen mit abgewechſelten Merckmalen ihrer in-<lb/> nerſten Zuneigungen eine gute Stunde/ ehe<lb/> die andern Fuͤrſten die gleichſam von den Tod-<lb/> ten zuruͤck gekommene/ und wegen ſo vieler<lb/> Jahre Abweſenheit nunmehr ſchier unkentli-<lb/> che Fuͤrſtin Asblaſten zu bewillkommen Raum<lb/> und Zeit fanden. Hierauff nahm ſie die Cat-<lb/> tiſche Hertzogin mit groſſer Ehrerbietung auff<lb/> ihren Wagen/ und kamen ſie ſaͤmtlich in vori-<lb/> ger Ordnung/ auſſer: daß der Feldherr ſich zu<lb/> der Fuͤrſtin Thußnelden auff ihren goldenen<lb/> Wagen geſetzt hatte/ wieder nach Deutſchburg;<lb/> wo die Straſſen die Menge des frolockenden<lb/> Volckes zu begreiffen viel zu enge waren. Auff<lb/> der Burg waren hundert Taffeln bereitet fuͤr<lb/> die Ritterſchafft/ die Kriegsbeamptete/ und an-<lb/> dere; welche theils ihre Pflicht/ theils die Sorg-<lb/> falt zu dieſem Beylager gezogen hatte/ zu be-<lb/> wirthen. Uber dieſe war in einem groſſen und<lb/> hohen Saale in Geſtalt einer Sichel oder eines<lb/> wachſenden Mohnden eine Taffel fuͤr hundert<lb/> Fuͤrſtliche Perſonen angerichtet. Die meiſten<lb/> Wildbahnen Deutſchlandes hatten darzu das<lb/> koͤſtlichſte Gefluͤgel und ander Wildpret; die<lb/> Fluͤſſe und die Oſt-See die ſchmackhaffteſten<lb/> Fiſche gezinſet; Die groͤſte Verwunderung a-<lb/> ber erweckte inſonderheit bey denen auslaͤndi-<lb/> ſchen Fuͤrſten: daß einem ieden Gaſte/ nicht nur<lb/> wie in denen ſo beruͤhmten Mahlen etlicher Roͤ-<lb/> miſcher Buͤrgermeiſter gantze wilde Schweine<lb/> und Hirſchen; Groſſe Schuͤſſeln voll Faſanen/<lb/> Gerſtlinge/ Brachvoͤgel/ Murenen/ und an-<lb/> dern leckerhafften Speiſen; wornach die uͤppi-<lb/> gen Roͤmer die Zaͤhne zu lecken pflegten; ſon-<lb/> dern gantze gebratene Ochſen/ Elende und Baͤ-<lb/> ren in ſolchem Uberfluſſe auffgetragen wurden:<lb/> daß weil alles Jnnlaͤndiſche Trachten waren/<lb/> ſie nicht ſo wol des Cheruskiſchen Hertzogs<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Pracht/</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1183[1185]/1249]
Arminius und Thußnelda.
Der Feldherr aber hatte kaum den erſten
Fuß von den Pfoſten des Tempels geſetzt/ als
oberwehnte Alironiſche Wahrſagerin ſich durch
das Volck durchdrang; von ihrem Antlitze ei-
nen Strom Thraͤnen abſchuͤſſen ließ/ dem Her-
tzog Herrmann mit beyden Armen um den Hals
fiel und ihn kuͤſſete. Wie ſie denn hierauff
Thußnelden gleicher Geſtalt umhalſete/ und
mit hundert Kuͤſſen ihre ungemeine Gewogen-
heit verſiegelte. Nicht nur alle Umſtehenden;
ſondern der Feldherr ſelbſt verwunderten ſich uͤ-
ber dieſer Begebung/ und wuſten ſelbte nicht
auszulegen; weil dieſe Wahrſagerinnen ſonſt
ewige Keuſchheit gelobet haben; und von dem
bloſſen Anruͤhren eines Mannes befleckt zu
werden glauben. Dieſem Kummer aber ab-
zuhelffen fieng die Wahrſagerin an: Erlauch-
teſte Liebhaber; nehmet meine Liebes-Zeichen
fuͤr keinen Vorwitz oder Frevel auf; Mißgoͤn-
net an euerer heutigen Gluͤckſeligkeit derſelben
nicht ein Theil; die nach euch ſie am nechſten
angehet. Denn/ liebſter Herrmann/ ſchaͤme
dich nicht an dieſem Stamm- und Geburts-
Maale (hiermit entbloͤſte ſie ihre Schulter/ und
zeigte ihm darauf eine feurige Roſe) mich fuͤr
die Tochter des Surena/ und fuͤr deine nun-
mehr wieder gluͤckſelige Mutter zu erkennen.
Der Feldherr erſtarrte fuͤr Verwunderung;
und wuſte nicht: ob er die Erſcheinung ſeiner
vorlaͤngſt todt geglaubten Mutter fuͤr eine
wahrhaffte Begebenheit; oder fuͤr einen
Traum/ oder wol gar fuͤr ein Geſpenſte halten
ſolte. Er erholete ſich aber alsbald durch die
kraͤfftige Auffwallung ſeines kindlichen Gebluͤ-
tes; und umarmete ſie mit nicht geringer Ge-
muͤths-Vergnuͤgung/ als er vorher von denen
muͤtterlichen Armen genoſſen hatte. Die hold-
ſelige Thußnelde feyerte auch nicht durch die
empfindlichſten Liebes-Bezeugungen der tu-
gendhafften Asblaſten verſtehen zu geben: daß
ſie nichts minder/ als Hertzog Herrmann Gott
fuͤr die Wiederſchenckung einer ſo heiligen
Mutter zu dancken Urſache haͤtte. Wiewol
nun uͤbermaͤßige Freude nichts minder als
Schrecken der Beredſamkeit ein Gebieß an-
legt; ſo unterhielten ſich doch dieſe drey Perſo-
nen mit abgewechſelten Merckmalen ihrer in-
nerſten Zuneigungen eine gute Stunde/ ehe
die andern Fuͤrſten die gleichſam von den Tod-
ten zuruͤck gekommene/ und wegen ſo vieler
Jahre Abweſenheit nunmehr ſchier unkentli-
che Fuͤrſtin Asblaſten zu bewillkommen Raum
und Zeit fanden. Hierauff nahm ſie die Cat-
tiſche Hertzogin mit groſſer Ehrerbietung auff
ihren Wagen/ und kamen ſie ſaͤmtlich in vori-
ger Ordnung/ auſſer: daß der Feldherr ſich zu
der Fuͤrſtin Thußnelden auff ihren goldenen
Wagen geſetzt hatte/ wieder nach Deutſchburg;
wo die Straſſen die Menge des frolockenden
Volckes zu begreiffen viel zu enge waren. Auff
der Burg waren hundert Taffeln bereitet fuͤr
die Ritterſchafft/ die Kriegsbeamptete/ und an-
dere; welche theils ihre Pflicht/ theils die Sorg-
falt zu dieſem Beylager gezogen hatte/ zu be-
wirthen. Uber dieſe war in einem groſſen und
hohen Saale in Geſtalt einer Sichel oder eines
wachſenden Mohnden eine Taffel fuͤr hundert
Fuͤrſtliche Perſonen angerichtet. Die meiſten
Wildbahnen Deutſchlandes hatten darzu das
koͤſtlichſte Gefluͤgel und ander Wildpret; die
Fluͤſſe und die Oſt-See die ſchmackhaffteſten
Fiſche gezinſet; Die groͤſte Verwunderung a-
ber erweckte inſonderheit bey denen auslaͤndi-
ſchen Fuͤrſten: daß einem ieden Gaſte/ nicht nur
wie in denen ſo beruͤhmten Mahlen etlicher Roͤ-
miſcher Buͤrgermeiſter gantze wilde Schweine
und Hirſchen; Groſſe Schuͤſſeln voll Faſanen/
Gerſtlinge/ Brachvoͤgel/ Murenen/ und an-
dern leckerhafften Speiſen; wornach die uͤppi-
gen Roͤmer die Zaͤhne zu lecken pflegten; ſon-
dern gantze gebratene Ochſen/ Elende und Baͤ-
ren in ſolchem Uberfluſſe auffgetragen wurden:
daß weil alles Jnnlaͤndiſche Trachten waren/
ſie nicht ſo wol des Cheruskiſchen Hertzogs
Pracht/
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