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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch]
Mein Hertze schmiltzt/ die Seel' ist voller Flammen;
Doch starr't mein Pulß/ mein Blut gefriert zusammen;
Weil meiner Göttin Hertz ein Ste[in]/
Jhr Geist ein Tiger scheint zu seyn.
Sie ist ein tauber Felß/ ein unempfindlich Stahl.
Die Brust ein todtes Marmel-Grab.
Sie schertzt mit meinem Ach/ und lacht zu meiner Quaal/
Die zwar ist Glut/ doch nicht nimmt ab.
Jhr' Augen sind recht zwey gestirnte Bären/
Die Marck und Bein zerfleischen und verzehren;
Ja meine Seele wird selbst wund/
Nur zu bepurpern ihren Mund.
Der Nord-Stern zeucht an sich so sehr nicht den Magnet/
Als ihr schön Antlitz meineu Geist.
Doch weiß ich: daß kein Schnee der Glut so wiedersteht/
Als mir ihr Hertz mit Haß umeys't.
Und so ist sie ein feurig Schnee-Gefilde/
Ein auswerts zames Thier/ inwendig wilde:
Daß ich nicht recht zu urtheil'n weiß:
Ob sie sey Feuer/ oder Eys.
Jhr Sternen/ die ihr hier im Meer' in Fisch' euch kehrt/
Wie Fische sonst Gestirne sind;
Sagt wahr mir: Ob ich soll durch Liebe seyn verzehrt/
Und ob mein Brand verraucht in Wind?
Wie? oder ob auff ihren Lilgen-Brüsten/
Der Himmel mir noch wird mein Leben fristen?
Denn Lieben/ und geliebt nicht seyn/
Jst auff der Welt die Höllen-Pein.

Diese und mehr andere verliebte Reymen
sang dieser einsame Triton; dessen Abgesang
aber allezeit von einer Menge ihm von ferne
folgender Meer-Götter wiederholet ward; biß
der an die unbewegliche und für diesen Sire-
nen-Liedern die Ohren des Gemüths zustopf-
fende Asblaste mit eiffrigsten Liebes-Versu-
chungen setzende August endlich um Mitter-
nacht wieder an den Felsen angetrieben/ und
von funffzig Nereiden/ welche alle silberne Klei-
der/ grüne Haare/ und brennende Ampeln in
Gestalt leuchtender Fische in Händen hatten;
und so wol Asblasten/ als den Kayser auf das
Lust-Hauß in ihr Zimmer begleiteten.

Den sechsten Tag wurden die gesamten
Götter mit eben so prächtigem Auffzuge als
bey der Einholung auff die Ziegen-Jnsel an-
gesetzt; und aufdas in einer fruchtbaren Fläche
[Spaltenumbruch] liegende Vorwerg der Ceres geführet. Das
Lust-Hauß war ein von eitel Blumen und Erd-
gewächsen zusammen geflochtenes Gebäue.
Die erste Tracht waren eitel Obst und Feigen;
als welche Ceres zum ersten gepflantzt haben
soll. Alle Fisch- und Fleisch-Gerichte waren
in zierlich gebildeten weitzenen Teig eingeschla-
gen; welche nichts minder als das Zuckerwerck
eitel Feld- und Garten-Früchte fürstelleten.
Unter dem köstlichen Weine gieng auch Milch/
Meth und Aepffel-Tranck herum/ als der Ce-
res gewiedmetes Geträncke. Bey währender
Taffel hielten zwantzig edle Frauen alle mit
Kräntzen aus Weitzen-Aeren/ mit Hörnern
des Uberflusses versehen/ und brennenden
Wachs-Fackeln als Bäuerinnen angekleidete/
und so viel mit Eppich und Wein-Laub ge-
kräntzte auch gleichsam wütende Bacchen ei-
nen Reyen dieser Göttin zu Ehren. Nach der
Mahlzeit brachte Livia ein Bretspiel auff die
Taffel; da sie denn um in allen Stücken sich
der Ceres zu vergleichen/ welcher Rampsintus
aus Egypten ein gülden Handtuch abgewon-
nen/ gegen alle andere vergötterte mit allem
Fleisse ein schätzbares Kleinod verspielte. Ge-
gen Abend führte sie sie zu einem von dem Vor-
werge nicht weit entfernten Berge/ und in eine
grosse über und über mit marmelnen Klippen
gewölbte Höle; sie trug auff ihrem Haupte
nichts minder als obige viertzig Bäuerinnen
und Bacchen ein heiliges Buch/ welches ihrer
Andeutung nach zu dem Elevsinischen Feyer
von nöthen wäre. Diese Höle gleichte einem
prächtigen Tempel/ hatte auch um sich herum
noch zwölff kleine in Felsen gehauene Hölen;
worinnen anfangs etliche tausend weiße Wachs-
Kertzen leuchteten. So bald aber der Ceres
etliche Schein-Opffer von denen Erstlingen
der Land-Früchte gelieffert waren/ leschten die
Lichter biß auff etliche wenige aus. Da denn
die anwesenden Frauen sich theils nach dem
Beyspiele der geilen Baubo; welche durch die

schänd-
Achtes Buch
[Spaltenumbruch]
Mein Hertze ſchmiltzt/ die Seel’ iſt voller Flammen;
Doch ſtarr’t mein Pulß/ mein Blut gefriert zuſammen;
Weil meiner Goͤttin Hertz ein Ste[in]/
Jhr Geiſt ein Tiger ſcheint zu ſeyn.
Sie iſt ein tauber Felß/ ein unempfindlich Stahl.
Die Bruſt ein todtes Marmel-Grab.
Sie ſchertzt mit meinem Ach/ und lacht zu meiner Quaal/
Die zwar iſt Glut/ doch nicht nimmt ab.
Jhr’ Augen ſind recht zwey geſtirnte Baͤren/
Die Marck und Bein zerfleiſchen und verzehren;
Ja meine Seele wird ſelbſt wund/
Nur zu bepurpern ihren Mund.
Der Nord-Stern zeucht an ſich ſo ſehr nicht den Magnet/
Als ihr ſchoͤn Antlitz meineu Geiſt.
Doch weiß ich: daß kein Schnee der Glut ſo wiederſteht/
Als mir ihr Hertz mit Haß umeyſ’t.
Und ſo iſt ſie ein feurig Schnee-Gefilde/
Ein auswerts zames Thier/ inwendig wilde:
Daß ich nicht recht zu urtheil’n weiß:
Ob ſie ſey Feuer/ oder Eys.
Jhr Sternen/ die ihr hier im Meer’ in Fiſch’ euch kehrt/
Wie Fiſche ſonſt Geſtirne ſind;
Sagt wahr mir: Ob ich ſoll durch Liebe ſeyn verzehrt/
Und ob mein Brand verraucht in Wind?
Wie? oder ob auff ihren Lilgen-Bruͤſten/
Der Himmel mir noch wird mein Leben friſten?
Denn Lieben/ und geliebt nicht ſeyn/
Jſt auff der Welt die Hoͤllen-Pein.

Dieſe und mehr andere verliebte Reymen
ſang dieſer einſame Triton; deſſen Abgeſang
aber allezeit von einer Menge ihm von ferne
folgender Meer-Goͤtter wiederholet ward; biß
der an die unbewegliche und fuͤr dieſen Sire-
nen-Liedern die Ohren des Gemuͤths zuſtopf-
fende Asblaſte mit eiffrigſten Liebes-Verſu-
chungen ſetzende Auguſt endlich um Mitter-
nacht wieder an den Felſen angetrieben/ und
von funffzig Nereiden/ welche alle ſilberne Klei-
der/ gruͤne Haare/ und brennende Ampeln in
Geſtalt leuchtender Fiſche in Haͤnden hatten;
und ſo wol Asblaſten/ als den Kayſer auf das
Luſt-Hauß in ihr Zimmer begleiteten.

Den ſechſten Tag wurden die geſamten
Goͤtter mit eben ſo praͤchtigem Auffzuge als
bey der Einholung auff die Ziegen-Jnſel an-
geſetzt; und aufdas in einer fruchtbaren Flaͤche
[Spaltenumbruch] liegende Vorwerg der Ceres gefuͤhret. Das
Luſt-Hauß war ein von eitel Blumen und Erd-
gewaͤchſen zuſammen geflochtenes Gebaͤue.
Die erſte Tracht waren eitel Obſt und Feigen;
als welche Ceres zum erſten gepflantzt haben
ſoll. Alle Fiſch- und Fleiſch-Gerichte waren
in zierlich gebildeten weitzenen Teig eingeſchla-
gen; welche nichts minder als das Zuckerwerck
eitel Feld- und Garten-Fruͤchte fuͤrſtelleten.
Unteꝛ dem koͤſtlichen Weine gieng auch Milch/
Meth und Aepffel-Tranck herum/ als der Ce-
res gewiedmetes Getraͤncke. Bey waͤhrender
Taffel hielten zwantzig edle Frauen alle mit
Kraͤntzen aus Weitzen-Aeren/ mit Hoͤrnern
des Uberfluſſes verſehen/ und brennenden
Wachs-Fackeln als Baͤuerinnen angekleidete/
und ſo viel mit Eppich und Wein-Laub ge-
kraͤntzte auch gleichſam wuͤtende Bacchen ei-
nen Reyen dieſer Goͤttin zu Ehren. Nach der
Mahlzeit brachte Livia ein Bretſpiel auff die
Taffel; da ſie denn um in allen Stuͤcken ſich
der Ceres zu vergleichen/ welcher Rampſintus
aus Egypten ein guͤlden Handtuch abgewon-
nen/ gegen alle andere vergoͤtterte mit allem
Fleiſſe ein ſchaͤtzbares Kleinod verſpielte. Ge-
gen Abend fuͤhrte ſie ſie zu einem von dem Vor-
werge nicht weit entfernten Berge/ und in eine
groſſe uͤber und uͤber mit marmelnen Klippen
gewoͤlbte Hoͤle; ſie trug auff ihrem Haupte
nichts minder als obige viertzig Baͤuerinnen
und Bacchen ein heiliges Buch/ welches ihrer
Andeutung nach zu dem Elevſiniſchen Feyer
von noͤthen waͤre. Dieſe Hoͤle gleichte einem
praͤchtigen Tempel/ hatte auch um ſich herum
noch zwoͤlff kleine in Felſen gehauene Hoͤlen;
woriñen anfangs etliche tauſend weiße Wachs-
Kertzen leuchteten. So bald aber der Ceres
etliche Schein-Opffer von denen Erſtlingen
der Land-Fruͤchte gelieffert waren/ leſchten die
Lichter biß auff etliche wenige aus. Da denn
die anweſenden Frauen ſich theils nach dem
Beyſpiele der geilen Baubo; welche durch die

ſchaͤnd-
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[1200[1202]/1266] Achtes Buch Mein Hertze ſchmiltzt/ die Seel’ iſt voller Flammen; Doch ſtarr’t mein Pulß/ mein Blut gefriert zuſammen; Weil meiner Goͤttin Hertz ein Stein/ Jhr Geiſt ein Tiger ſcheint zu ſeyn. Sie iſt ein tauber Felß/ ein unempfindlich Stahl. Die Bruſt ein todtes Marmel-Grab. Sie ſchertzt mit meinem Ach/ und lacht zu meiner Quaal/ Die zwar iſt Glut/ doch nicht nimmt ab. Jhr’ Augen ſind recht zwey geſtirnte Baͤren/ Die Marck und Bein zerfleiſchen und verzehren; Ja meine Seele wird ſelbſt wund/ Nur zu bepurpern ihren Mund. Der Nord-Stern zeucht an ſich ſo ſehr nicht den Magnet/ Als ihr ſchoͤn Antlitz meineu Geiſt. Doch weiß ich: daß kein Schnee der Glut ſo wiederſteht/ Als mir ihr Hertz mit Haß umeyſ’t. Und ſo iſt ſie ein feurig Schnee-Gefilde/ Ein auswerts zames Thier/ inwendig wilde: Daß ich nicht recht zu urtheil’n weiß: Ob ſie ſey Feuer/ oder Eys. Jhr Sternen/ die ihr hier im Meer’ in Fiſch’ euch kehrt/ Wie Fiſche ſonſt Geſtirne ſind; Sagt wahr mir: Ob ich ſoll durch Liebe ſeyn verzehrt/ Und ob mein Brand verraucht in Wind? Wie? oder ob auff ihren Lilgen-Bruͤſten/ Der Himmel mir noch wird mein Leben friſten? Denn Lieben/ und geliebt nicht ſeyn/ Jſt auff der Welt die Hoͤllen-Pein. Dieſe und mehr andere verliebte Reymen ſang dieſer einſame Triton; deſſen Abgeſang aber allezeit von einer Menge ihm von ferne folgender Meer-Goͤtter wiederholet ward; biß der an die unbewegliche und fuͤr dieſen Sire- nen-Liedern die Ohren des Gemuͤths zuſtopf- fende Asblaſte mit eiffrigſten Liebes-Verſu- chungen ſetzende Auguſt endlich um Mitter- nacht wieder an den Felſen angetrieben/ und von funffzig Nereiden/ welche alle ſilberne Klei- der/ gruͤne Haare/ und brennende Ampeln in Geſtalt leuchtender Fiſche in Haͤnden hatten; und ſo wol Asblaſten/ als den Kayſer auf das Luſt-Hauß in ihr Zimmer begleiteten. Den ſechſten Tag wurden die geſamten Goͤtter mit eben ſo praͤchtigem Auffzuge als bey der Einholung auff die Ziegen-Jnſel an- geſetzt; und aufdas in einer fruchtbaren Flaͤche liegende Vorwerg der Ceres gefuͤhret. Das Luſt-Hauß war ein von eitel Blumen und Erd- gewaͤchſen zuſammen geflochtenes Gebaͤue. Die erſte Tracht waren eitel Obſt und Feigen; als welche Ceres zum erſten gepflantzt haben ſoll. Alle Fiſch- und Fleiſch-Gerichte waren in zierlich gebildeten weitzenen Teig eingeſchla- gen; welche nichts minder als das Zuckerwerck eitel Feld- und Garten-Fruͤchte fuͤrſtelleten. Unteꝛ dem koͤſtlichen Weine gieng auch Milch/ Meth und Aepffel-Tranck herum/ als der Ce- res gewiedmetes Getraͤncke. Bey waͤhrender Taffel hielten zwantzig edle Frauen alle mit Kraͤntzen aus Weitzen-Aeren/ mit Hoͤrnern des Uberfluſſes verſehen/ und brennenden Wachs-Fackeln als Baͤuerinnen angekleidete/ und ſo viel mit Eppich und Wein-Laub ge- kraͤntzte auch gleichſam wuͤtende Bacchen ei- nen Reyen dieſer Goͤttin zu Ehren. Nach der Mahlzeit brachte Livia ein Bretſpiel auff die Taffel; da ſie denn um in allen Stuͤcken ſich der Ceres zu vergleichen/ welcher Rampſintus aus Egypten ein guͤlden Handtuch abgewon- nen/ gegen alle andere vergoͤtterte mit allem Fleiſſe ein ſchaͤtzbares Kleinod verſpielte. Ge- gen Abend fuͤhrte ſie ſie zu einem von dem Vor- werge nicht weit entfernten Berge/ und in eine groſſe uͤber und uͤber mit marmelnen Klippen gewoͤlbte Hoͤle; ſie trug auff ihrem Haupte nichts minder als obige viertzig Baͤuerinnen und Bacchen ein heiliges Buch/ welches ihrer Andeutung nach zu dem Elevſiniſchen Feyer von noͤthen waͤre. Dieſe Hoͤle gleichte einem praͤchtigen Tempel/ hatte auch um ſich herum noch zwoͤlff kleine in Felſen gehauene Hoͤlen; woriñen anfangs etliche tauſend weiße Wachs- Kertzen leuchteten. So bald aber der Ceres etliche Schein-Opffer von denen Erſtlingen der Land-Fruͤchte gelieffert waren/ leſchten die Lichter biß auff etliche wenige aus. Da denn die anweſenden Frauen ſich theils nach dem Beyſpiele der geilen Baubo; welche durch die ſchaͤnd-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1200[1202]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1266>, abgerufen am 23.11.2024.