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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] lich ähnliche Tiberius bewillkommte seine Gä-
ste mit einer ungemeinen Freundligkeit/ und
zwar auf einem so annehmlichen Lust-Hause;
welches zwar mit allerhand Sinnenbildern er-
füllet war; in welchem seine selzamen Geschichte
auf die Zeit und andere natürliche Dinge ver-
ständlich ausgelegt standen/ sonst aber nichts
unannehmliches in sich hatte. Er speisete zwar
gar kein Fleisch; weil es unter der Herrschafft
des Saturns nicht soll zuläßlich gewesen seyn;
aber alle andere köstliche Gewächse unter der
Sonnen waren hier beysammen; ja von denen
säuerlichen Granat-Aepfeln wurden gleichsam
gantze Berge aufgethürmet; und die Säder in
Speisen waren mit denen köstlichsten Säfften
alle säuerlich zugerichtet. Weil der bitter und
sauere Geschmack diesem Gotte allein zukom-
men soll. Das Geträncke war der herrlichste
Wein übers Meer auf den fernen Glücks-
Jnseln geholet; welchen er die Thränen des
Saturn nennte; weil diesen Nahmen sonst das
bittere Meer selbst führet. Nach der Taffel
zeigte Tiberius/ aus Andeutung: daß die Dra-
chen und Schlangen dem Saturn gewiedmet
sind/ in einem gemauerten Gebäue die funffzig
Ellen lange Schlange/ welche der Kayser aus
Africa dahin hatte bringen lassen/ und hernach
zu Rom im öffentlichen Schauplatze zu grosser
Verwunderung des Volckes gewiesen ward.
Und zwar auf diesen Eylande unter einer Men-
ge von mehr als tausend kleinern Schlangen
und Nattern/ die der grossen/ als ihrer erkiesten
Königin/ ich weiß nicht/ durch was für Kunst
eine güldene Krone auffsetzten. Hierauf stellte
Tiberius in einem grossen Saale ein Schau-
Spiel für: da auff einem in Gestalt einer Him-
mels-Kugel gefertigten Schauplatze die sieben
Jrrsternen mit einander stritten; welcher unter
ihnen das köstlichste Ertzt bereitete. Saturn
stritt für die Nutzbarkeit seines Bleyes/ Jupiter
für die Zierde seines Zienes/ Mars für die
Nothwendigkeit seines Eisens/ die Sonne für
[Spaltenumbruch] die Unversehrligkeit des Goldes; Mercur für
die heilsame und durchdringende Krafft des
Quecksilbers/ Venus für die Pracht des
Kupffers/ der Mohnde für die Herrligkeit des
Silbers/ und führte ieder allerhand Ursachen
seines Vorzugs an. Nach dem nun die übrigen
Götter für das Gold den Ausschlag gaben/ und
erwehnten: wie alle andere Arten des Ertztes
durch die Krafft der Sonne und des Feuers sich
mühten die Vollkommenheit des Goldes zu er-
reichen; wie Jupiter sich selbst in Gold verwan-
delt/ Mars seine Waffen/ Mercur seinen Stab/
Venus ihren Wagen/ Diana ihre Hörner mit
Golde ausputzten; machte Saturn der Sonne
die Zeugung des Goldes strittig; und meinte
selbte für sich zu behaupten; weil unter seiner
Herrschafft unstrittig die rechte goldene Zeit
gewest wäre. Da denn nach einem langen
Streite der Ausschlag dieses Streits dahinaus
fiel: daß die Sonne in den Bergen; der einfäl-
tige Saturn aber in den Hertzen der Menschen
das köstliche Gold-Ertzt zeugte. Hierauf ward
in einem Tantze die Zentner-Last der eisernen;
die Beschwerligkeit der silbernen/ und die Herr-
ligkeit der güldenen Zeit; in welcher alles ge-
mein gewest ist; das Meine und Deine keinen
Krieg erregt; auch die Felder ohne Arbeit
Früchte gebracht haben/ fürgestellet. Worbey
die vier und zwantzig Stunden die Götter sin-
gende beweglich anfleheten die güldene Zeit
und die Gemeinschafft aller Sachen wieder
einzuführen; das Ertzt des Goldes aber/ wel-
ches ein schädliches Terpentin-Oel in sich ste-
cken hätte/ daran die Seelen der Menschen/ wie
die Vogel an dem Leime kleben blieben/ aus
der Welt verbannen möchten. Sintemahl
damahls/ als man von keinem Golde gewüst
hätte/ die rechte güldene Zeit gewest wäre.

Alldieweil aber August abermahls Schrei-
ben empfieng: daß der König und Priester des
Bacchus in Thracien Vologeses einen mächti-
gen Krieg erregt hätte/ muste er sich der Gesell-

schafft

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] lich aͤhnliche Tiberius bewillkommte ſeine Gaͤ-
ſte mit einer ungemeinen Freundligkeit/ und
zwar auf einem ſo annehmlichen Luſt-Hauſe;
welches zwar mit allerhand Sinnenbildern er-
fuͤllet war; in welchem ſeine ſelzamen Geſchichte
auf die Zeit und andere natuͤrliche Dinge ver-
ſtaͤndlich ausgelegt ſtanden/ ſonſt aber nichts
unannehmliches in ſich hatte. Er ſpeiſete zwar
gar kein Fleiſch; weil es unter der Herrſchafft
des Saturns nicht ſoll zulaͤßlich geweſen ſeyn;
aber alle andere koͤſtliche Gewaͤchſe unter der
Sonnen waren hier beyſammen; ja von denen
ſaͤuerlichen Granat-Aepfeln wurden gleichſam
gantze Berge aufgethuͤrmet; und die Saͤder in
Speiſen waren mit denen koͤſtlichſten Saͤfften
alle ſaͤuerlich zugerichtet. Weil der bitter und
ſauere Geſchmack dieſem Gotte allein zukom-
men ſoll. Das Getraͤncke war der herrlichſte
Wein uͤbers Meer auf den fernen Gluͤcks-
Jnſeln geholet; welchen er die Thraͤnen des
Saturn nennte; weil dieſen Nahmen ſonſt das
bittere Meer ſelbſt fuͤhret. Nach der Taffel
zeigte Tiberius/ aus Andeutung: daß die Dra-
chen und Schlangen dem Saturn gewiedmet
ſind/ in einem gemauerten Gebaͤue die funffzig
Ellen lange Schlange/ welche der Kayſer aus
Africa dahin hatte bringen laſſen/ und hernach
zu Rom im oͤffentlichen Schauplatze zu groſſer
Verwunderung des Volckes gewieſen ward.
Und zwar auf dieſen Eylande unter einer Men-
ge von mehr als tauſend kleinern Schlangen
und Nattern/ die der groſſen/ als ihrer erkieſten
Koͤnigin/ ich weiß nicht/ durch was fuͤr Kunſt
eine guͤldene Krone auffſetzten. Hierauf ſtellte
Tiberius in einem groſſen Saale ein Schau-
Spiel fuͤr: da auff einem in Geſtalt einer Him-
mels-Kugel gefertigten Schauplatze die ſieben
Jrrſternen mit einander ſtritten; welcher unter
ihnen das koͤſtlichſte Ertzt bereitete. Saturn
ſtritt fuͤr die Nutzbarkeit ſeines Bleyes/ Jupiter
fuͤr die Zierde ſeines Zienes/ Mars fuͤr die
Nothwendigkeit ſeines Eiſens/ die Sonne fuͤr
[Spaltenumbruch] die Unverſehrligkeit des Goldes; Mercur fuͤr
die heilſame und durchdringende Krafft des
Queckſilbers/ Venus fuͤr die Pracht des
Kupffers/ der Mohnde fuͤr die Herrligkeit des
Silbers/ und fuͤhrte ieder allerhand Urſachen
ſeines Vorzugs an. Nach dem nun die uͤbrigen
Goͤtter fuͤr das Gold den Ausſchlag gaben/ und
erwehnten: wie alle andere Arten des Ertztes
durch die Krafft der Sonne und des Feuers ſich
muͤhten die Vollkommenheit des Goldes zu er-
reichen; wie Jupiter ſich ſelbſt in Gold verwan-
delt/ Mars ſeine Waffen/ Mercuꝛ ſeinen Stab/
Venus ihren Wagen/ Diana ihre Hoͤrner mit
Golde ausputzten; machte Saturn der Sonne
die Zeugung des Goldes ſtrittig; und meinte
ſelbte fuͤr ſich zu behaupten; weil unter ſeiner
Herrſchafft unſtrittig die rechte goldene Zeit
geweſt waͤre. Da denn nach einem langen
Streite der Ausſchlag dieſes Streits dahinaus
fiel: daß die Sonne in den Bergen; der einfaͤl-
tige Saturn aber in den Hertzen der Menſchen
das koͤſtliche Gold-Ertzt zeugte. Hierauf ward
in einem Tantze die Zentner-Laſt der eiſernen;
die Beſchwerligkeit der ſilbernen/ und die Herꝛ-
ligkeit der guͤldenen Zeit; in welcher alles ge-
mein geweſt iſt; das Meine und Deine keinen
Krieg erregt; auch die Felder ohne Arbeit
Fruͤchte gebracht haben/ fuͤrgeſtellet. Worbey
die vier und zwantzig Stunden die Goͤtter ſin-
gende beweglich anfleheten die guͤldene Zeit
und die Gemeinſchafft aller Sachen wieder
einzufuͤhren; das Ertzt des Goldes aber/ wel-
ches ein ſchaͤdliches Terpentin-Oel in ſich ſte-
cken haͤtte/ daran die Seelen der Menſchen/ wie
die Vogel an dem Leime kleben blieben/ aus
der Welt verbannen moͤchten. Sintemahl
damahls/ als man von keinem Golde gewuͤſt
haͤtte/ die rechte guͤldene Zeit geweſt waͤre.

Alldieweil aber Auguſt abermahls Schrei-
ben empfieng: daß der Koͤnig und Prieſter des
Bacchus in Thracien Vologeſes einen maͤchti-
gen Krieg erregt haͤtte/ muſte er ſich der Geſell-

ſchafft
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[1208[1210]/1274] Achtes Buch lich aͤhnliche Tiberius bewillkommte ſeine Gaͤ- ſte mit einer ungemeinen Freundligkeit/ und zwar auf einem ſo annehmlichen Luſt-Hauſe; welches zwar mit allerhand Sinnenbildern er- fuͤllet war; in welchem ſeine ſelzamen Geſchichte auf die Zeit und andere natuͤrliche Dinge ver- ſtaͤndlich ausgelegt ſtanden/ ſonſt aber nichts unannehmliches in ſich hatte. Er ſpeiſete zwar gar kein Fleiſch; weil es unter der Herrſchafft des Saturns nicht ſoll zulaͤßlich geweſen ſeyn; aber alle andere koͤſtliche Gewaͤchſe unter der Sonnen waren hier beyſammen; ja von denen ſaͤuerlichen Granat-Aepfeln wurden gleichſam gantze Berge aufgethuͤrmet; und die Saͤder in Speiſen waren mit denen koͤſtlichſten Saͤfften alle ſaͤuerlich zugerichtet. Weil der bitter und ſauere Geſchmack dieſem Gotte allein zukom- men ſoll. Das Getraͤncke war der herrlichſte Wein uͤbers Meer auf den fernen Gluͤcks- Jnſeln geholet; welchen er die Thraͤnen des Saturn nennte; weil dieſen Nahmen ſonſt das bittere Meer ſelbſt fuͤhret. Nach der Taffel zeigte Tiberius/ aus Andeutung: daß die Dra- chen und Schlangen dem Saturn gewiedmet ſind/ in einem gemauerten Gebaͤue die funffzig Ellen lange Schlange/ welche der Kayſer aus Africa dahin hatte bringen laſſen/ und hernach zu Rom im oͤffentlichen Schauplatze zu groſſer Verwunderung des Volckes gewieſen ward. Und zwar auf dieſen Eylande unter einer Men- ge von mehr als tauſend kleinern Schlangen und Nattern/ die der groſſen/ als ihrer erkieſten Koͤnigin/ ich weiß nicht/ durch was fuͤr Kunſt eine guͤldene Krone auffſetzten. Hierauf ſtellte Tiberius in einem groſſen Saale ein Schau- Spiel fuͤr: da auff einem in Geſtalt einer Him- mels-Kugel gefertigten Schauplatze die ſieben Jrrſternen mit einander ſtritten; welcher unter ihnen das koͤſtlichſte Ertzt bereitete. Saturn ſtritt fuͤr die Nutzbarkeit ſeines Bleyes/ Jupiter fuͤr die Zierde ſeines Zienes/ Mars fuͤr die Nothwendigkeit ſeines Eiſens/ die Sonne fuͤr die Unverſehrligkeit des Goldes; Mercur fuͤr die heilſame und durchdringende Krafft des Queckſilbers/ Venus fuͤr die Pracht des Kupffers/ der Mohnde fuͤr die Herrligkeit des Silbers/ und fuͤhrte ieder allerhand Urſachen ſeines Vorzugs an. Nach dem nun die uͤbrigen Goͤtter fuͤr das Gold den Ausſchlag gaben/ und erwehnten: wie alle andere Arten des Ertztes durch die Krafft der Sonne und des Feuers ſich muͤhten die Vollkommenheit des Goldes zu er- reichen; wie Jupiter ſich ſelbſt in Gold verwan- delt/ Mars ſeine Waffen/ Mercuꝛ ſeinen Stab/ Venus ihren Wagen/ Diana ihre Hoͤrner mit Golde ausputzten; machte Saturn der Sonne die Zeugung des Goldes ſtrittig; und meinte ſelbte fuͤr ſich zu behaupten; weil unter ſeiner Herrſchafft unſtrittig die rechte goldene Zeit geweſt waͤre. Da denn nach einem langen Streite der Ausſchlag dieſes Streits dahinaus fiel: daß die Sonne in den Bergen; der einfaͤl- tige Saturn aber in den Hertzen der Menſchen das koͤſtliche Gold-Ertzt zeugte. Hierauf ward in einem Tantze die Zentner-Laſt der eiſernen; die Beſchwerligkeit der ſilbernen/ und die Herꝛ- ligkeit der guͤldenen Zeit; in welcher alles ge- mein geweſt iſt; das Meine und Deine keinen Krieg erregt; auch die Felder ohne Arbeit Fruͤchte gebracht haben/ fuͤrgeſtellet. Worbey die vier und zwantzig Stunden die Goͤtter ſin- gende beweglich anfleheten die guͤldene Zeit und die Gemeinſchafft aller Sachen wieder einzufuͤhren; das Ertzt des Goldes aber/ wel- ches ein ſchaͤdliches Terpentin-Oel in ſich ſte- cken haͤtte/ daran die Seelen der Menſchen/ wie die Vogel an dem Leime kleben blieben/ aus der Welt verbannen moͤchten. Sintemahl damahls/ als man von keinem Golde gewuͤſt haͤtte/ die rechte guͤldene Zeit geweſt waͤre. Alldieweil aber Auguſt abermahls Schrei- ben empfieng: daß der Koͤnig und Prieſter des Bacchus in Thracien Vologeſes einen maͤchti- gen Krieg erregt haͤtte/ muſte er ſich der Geſell- ſchafft

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1208[1210]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1274>, abgerufen am 23.11.2024.