Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
schafft entziehen; gab auch in Anwesenheit derFürstin Asblaste Livien zu vernehmen: daß er die gantze Nacht mit nöthigen Anstalten der Reichs-Geschäffte zubringen würde. Worvon Livia Anlaß nahm Asblasten zu ersuchen: daß sie solche Nacht bey ihr im Zimmer schlaffen möchte. Asblaste gab ihren Willen unschwer darein; weil Livia ihr bey diesem Zustande be- fehlen konte/ sie auch nichts böses argwohnte. Sie schlieff kaum drey Schritte von Livien gantz sicher; biß sie nach Mitternacht erwachte und gewahr ward: daß ihr iemand die Brüste betastete. Worüber sie einen so hefftigen Gall anfieng zu schreyen: daß ich und Liviens Frauen-Zimmer im Vorgemache darüber er- wachten. August und endlich Livia selbst such- ten Asblasten zu besänfftigen/ und sie zur Liebe zu bewegen. Nach dem aber Asblaste aus dem Bette sprang/ den Nacht-Rock über sich warff/ den liebkosenden August mit Gewalt von sich stieß/ und ihn einen Ehbrecher/ Livien aber ei- ne Kuplerin ihres eigenen Ehmanns schalt; fieng Livia/ um übele Nachrede zu verhüten/ an/ Augusten zu entschuldigen: daß/ weil sie sonst in dem der Asblaste aus Höfligkeit ein geräum- ten Bette zu schlaffen pflegte; wäre August irre gegangen/ hätte also für die ein gebildete Livia Asblasten angerühret. Diese aber war durch nichts zu bereden in selbigem Zimmer vollends zu übernachten/ sondern sie kam mit zitternden Gliedern ins Vorgemach/ und fiel ohnmächtig auf mein Bette: daß ich länger als eine Stun- de an ihr zu reiben und zu kühlen hatte; ehe sie wieder ein wenig zu Kräfften kam. Mit die- sem aber/ (sagte die Gräfin von der Lippe/) gieng meine Angst allererst an; denn sie wolte für Unmuth: daß sie von Augusten so geile Be- tastungen gelitten hatte/ ihr das Messer in die Brüste stossen/ vorgebende: daß kein ander Wasser/ als Blut/ ihre Flecken abwaschen kön- te. Jch wand ihr aber mit genauer Noth das Messer aus/ und hielt ihr beweglich ein: wie [Spaltenumbruch] kein Leib/ sondern nur die Seele durch den Werckzeug boßhaffter Einwilligung von La- stern besudelt zu werden fähig; der Selbstmord aber eine Wiederspenstigkeit gegen das Ver- hängnüs/ welche das ihm anvertraute Leben nichts minder/ als ein unbändiges Last-Thier seine aufgelegte Bürde halsstarrig von sich wirfft/ eine Mißgeburt der Kleinmuth; und ein thörichtes Werck eines verletzten Gewis- sens wäre. Weßwegen Tarquinius und an- dere Obrigkeiten solche Leichen hätten lassen an die zu Bestraffung der Knechte aufgerichtete Creutze nageln. Asblaste aber versetzte mir: dieses hätte seine Weise; wenn ein tugendhafft Gemüthe mehr keine Anfügung Schimpfes und Schande zu besorgen hätte. Sie aber sähe ihre Ehre in der höchsten Gefahr für dem nach ihr wiegernden August. Und hiermit/ als es kaum zu tagen begunnte/ erhob sie sich unverse- hens aus dem Gemache/ und lieff gantz ver- zweiffelt einem abschüßigen Felsen zu. Ob ich ihr nun zwar gleichsam schon auf der Fersen war; sprang sie doch von dar in das Meer. Die Göttliche Versehung aber schickte es so wundersam: daß die Fischer auf dreyen Na- chen gleich an ihren Netzen zohen; und/ als As- blaste ins Wasser fiel/ in Meinung: daß ein grosser Fisch aus dem Netze springen wolte/ die Netze zusammen zohen/ also statt des Fisches die wunderschöne Asblaste aus dem Wasser zohen. Mein zwischen ihrem Geräusche vorhin nicht wahrgenommenes Wehklagen kam den Fischern nun auch zu Ohren; daher sie mit ihrem seltza- men Fange so viel mehr ans Ufer eilten; und mir meine verlohrne Asblaste/ der ich mich Lebenslang schon verziehen hatte/ wieder über- antworteten. Sie war mehr einer Leiche/ als einem lebendigen Menschen gleich; und schoß ihr das Wasser häuffig aus Mund/ Nase und Ohren. Gleichwol aber kam sie nach ein par Stunden durch meine und zweyer anderer Frauen-Zimmer Hülffsleistung wieder zu sich; nach Erster Theil. O o o o o o o
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſchafft entziehen; gab auch in Anweſenheit derFuͤrſtin Asblaſte Livien zu vernehmen: daß er die gantze Nacht mit noͤthigen Anſtalten der Reichs-Geſchaͤffte zubringen wuͤrde. Worvon Livia Anlaß nahm Asblaſten zu erſuchen: daß ſie ſolche Nacht bey ihr im Zimmer ſchlaffen moͤchte. Asblaſte gab ihren Willen unſchwer darein; weil Livia ihr bey dieſem Zuſtande be- fehlen konte/ ſie auch nichts boͤſes argwohnte. Sie ſchlieff kaum drey Schritte von Livien gantz ſicher; biß ſie nach Mitternacht erwachte und gewahr ward: daß ihr iemand die Bruͤſte betaſtete. Woruͤber ſie einen ſo hefftigen Gall anfieng zu ſchreyen: daß ich und Liviens Frauen-Zimmer im Vorgemache daruͤber er- wachten. Auguſt und endlich Livia ſelbſt ſuch- ten Asblaſten zu beſaͤnfftigen/ und ſie zur Liebe zu bewegen. Nach dem aber Asblaſte aus dem Bette ſprang/ den Nacht-Rock uͤber ſich warff/ den liebkoſenden Auguſt mit Gewalt von ſich ſtieß/ und ihn einen Ehbrecher/ Livien aber ei- ne Kuplerin ihres eigenen Ehmanns ſchalt; fieng Livia/ um uͤbele Nachrede zu verhuͤten/ an/ Auguſten zu entſchuldigen: daß/ weil ſie ſonſt in dem der Asblaſte aus Hoͤfligkeit ein geraͤum- ten Bette zu ſchlaffen pflegte; waͤre Auguſt irre gegangen/ haͤtte alſo fuͤr die ein gebildete Livia Asblaſten angeruͤhret. Dieſe aber war durch nichts zu bereden in ſelbigem Zimmer vollends zu uͤbernachten/ ſondern ſie kam mit zitternden Gliedern ins Vorgemach/ und fiel ohnmaͤchtig auf mein Bette: daß ich laͤnger als eine Stun- de an ihr zu reiben und zu kuͤhlen hatte; ehe ſie wieder ein wenig zu Kraͤfften kam. Mit die- ſem aber/ (ſagte die Graͤfin von der Lippe/) gieng meine Angſt allererſt an; denn ſie wolte fuͤr Unmuth: daß ſie von Auguſten ſo geile Be- taſtungen gelitten hatte/ ihr das Meſſer in die Bruͤſte ſtoſſen/ vorgebende: daß kein ander Waſſer/ als Blut/ ihre Flecken abwaſchen koͤn- te. Jch wand ihr aber mit genauer Noth das Meſſer aus/ und hielt ihr beweglich ein: wie [Spaltenumbruch] kein Leib/ ſondern nur die Seele durch den Werckzeug boßhaffter Einwilligung von La- ſtern beſudelt zu werden faͤhig; der Selbſtmord aber eine Wiederſpenſtigkeit gegen das Ver- haͤngnuͤs/ welche das ihm anvertraute Leben nichts minder/ als ein unbaͤndiges Laſt-Thier ſeine aufgelegte Buͤrde halsſtarrig von ſich wirfft/ eine Mißgeburt der Kleinmuth; und ein thoͤrichtes Werck eines verletzten Gewiſ- ſens waͤre. Weßwegen Tarquinius und an- dere Obrigkeiten ſolche Leichen haͤtten laſſen an die zu Beſtraffung der Knechte aufgerichtete Creutze nageln. Asblaſte aber verſetzte mir: dieſes haͤtte ſeine Weiſe; wenn ein tugendhafft Gemuͤthe mehr keine Anfuͤgung Schimpfes und Schande zu beſorgen haͤtte. Sie aber ſaͤhe ihre Ehre in der hoͤchſten Gefahr fuͤr dem nach ihr wiegernden Auguſt. Und hiermit/ als es kaum zu tagen begunnte/ erhob ſie ſich unverſe- hens aus dem Gemache/ und lieff gantz ver- zweiffelt einem abſchuͤßigen Felſen zu. Ob ich ihr nun zwar gleichſam ſchon auf der Ferſen war; ſprang ſie doch von dar in das Meer. Die Goͤttliche Verſehung aber ſchickte es ſo wunderſam: daß die Fiſcher auf dreyen Na- chen gleich an ihren Netzen zohen; und/ als As- blaſte ins Waſſer fiel/ in Meinung: daß ein groſſer Fiſch aus dem Netze ſpringen wolte/ die Netze zuſammen zohen/ alſo ſtatt des Fiſches die wunderſchoͤne Asblaſte aus dem Waſſer zohen. Mein zwiſchen ihrem Geraͤuſche vorhin nicht wahrgenom̃enes Wehklagen kam den Fiſchern nun auch zu Ohren; daher ſie mit ihrem ſeltza- men Fange ſo viel mehr ans Ufer eilten; und mir meine verlohrne Asblaſte/ der ich mich Lebenslang ſchon verziehen hatte/ wieder uͤber- antworteten. Sie war mehr einer Leiche/ als einem lebendigen Menſchen gleich; und ſchoß ihr das Waſſer haͤuffig aus Mund/ Naſe und Ohren. Gleichwol aber kam ſie nach ein par Stunden durch meine und zweyer anderer Frauen-Zimmer Huͤlffsleiſtung wieder zu ſich; nach Erſter Theil. O o o o o o o
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Arminius und Thußnelda.
ſchafft entziehen; gab auch in Anweſenheit der
Fuͤrſtin Asblaſte Livien zu vernehmen: daß er
die gantze Nacht mit noͤthigen Anſtalten der
Reichs-Geſchaͤffte zubringen wuͤrde. Worvon
Livia Anlaß nahm Asblaſten zu erſuchen: daß
ſie ſolche Nacht bey ihr im Zimmer ſchlaffen
moͤchte. Asblaſte gab ihren Willen unſchwer
darein; weil Livia ihr bey dieſem Zuſtande be-
fehlen konte/ ſie auch nichts boͤſes argwohnte.
Sie ſchlieff kaum drey Schritte von Livien
gantz ſicher; biß ſie nach Mitternacht erwachte
und gewahr ward: daß ihr iemand die Bruͤſte
betaſtete. Woruͤber ſie einen ſo hefftigen Gall
anfieng zu ſchreyen: daß ich und Liviens
Frauen-Zimmer im Vorgemache daruͤber er-
wachten. Auguſt und endlich Livia ſelbſt ſuch-
ten Asblaſten zu beſaͤnfftigen/ und ſie zur Liebe
zu bewegen. Nach dem aber Asblaſte aus dem
Bette ſprang/ den Nacht-Rock uͤber ſich warff/
den liebkoſenden Auguſt mit Gewalt von ſich
ſtieß/ und ihn einen Ehbrecher/ Livien aber ei-
ne Kuplerin ihres eigenen Ehmanns ſchalt;
fieng Livia/ um uͤbele Nachrede zu verhuͤten/ an/
Auguſten zu entſchuldigen: daß/ weil ſie ſonſt
in dem der Asblaſte aus Hoͤfligkeit ein geraͤum-
ten Bette zu ſchlaffen pflegte; waͤre Auguſt irre
gegangen/ haͤtte alſo fuͤr die ein gebildete Livia
Asblaſten angeruͤhret. Dieſe aber war durch
nichts zu bereden in ſelbigem Zimmer vollends
zu uͤbernachten/ ſondern ſie kam mit zitternden
Gliedern ins Vorgemach/ und fiel ohnmaͤchtig
auf mein Bette: daß ich laͤnger als eine Stun-
de an ihr zu reiben und zu kuͤhlen hatte; ehe ſie
wieder ein wenig zu Kraͤfften kam. Mit die-
ſem aber/ (ſagte die Graͤfin von der Lippe/)
gieng meine Angſt allererſt an; denn ſie wolte
fuͤr Unmuth: daß ſie von Auguſten ſo geile Be-
taſtungen gelitten hatte/ ihr das Meſſer in die
Bruͤſte ſtoſſen/ vorgebende: daß kein ander
Waſſer/ als Blut/ ihre Flecken abwaſchen koͤn-
te. Jch wand ihr aber mit genauer Noth das
Meſſer aus/ und hielt ihr beweglich ein: wie
kein Leib/ ſondern nur die Seele durch den
Werckzeug boßhaffter Einwilligung von La-
ſtern beſudelt zu werden faͤhig; der Selbſtmord
aber eine Wiederſpenſtigkeit gegen das Ver-
haͤngnuͤs/ welche das ihm anvertraute Leben
nichts minder/ als ein unbaͤndiges Laſt-Thier
ſeine aufgelegte Buͤrde halsſtarrig von ſich
wirfft/ eine Mißgeburt der Kleinmuth; und
ein thoͤrichtes Werck eines verletzten Gewiſ-
ſens waͤre. Weßwegen Tarquinius und an-
dere Obrigkeiten ſolche Leichen haͤtten laſſen an
die zu Beſtraffung der Knechte aufgerichtete
Creutze nageln. Asblaſte aber verſetzte mir:
dieſes haͤtte ſeine Weiſe; wenn ein tugendhafft
Gemuͤthe mehr keine Anfuͤgung Schimpfes
und Schande zu beſorgen haͤtte. Sie aber ſaͤhe
ihre Ehre in der hoͤchſten Gefahr fuͤr dem nach
ihr wiegernden Auguſt. Und hiermit/ als es
kaum zu tagen begunnte/ erhob ſie ſich unverſe-
hens aus dem Gemache/ und lieff gantz ver-
zweiffelt einem abſchuͤßigen Felſen zu. Ob ich
ihr nun zwar gleichſam ſchon auf der Ferſen
war; ſprang ſie doch von dar in das Meer.
Die Goͤttliche Verſehung aber ſchickte es ſo
wunderſam: daß die Fiſcher auf dreyen Na-
chen gleich an ihren Netzen zohen; und/ als As-
blaſte ins Waſſer fiel/ in Meinung: daß ein
groſſer Fiſch aus dem Netze ſpringen wolte/ die
Netze zuſammen zohen/ alſo ſtatt des Fiſches die
wunderſchoͤne Asblaſte aus dem Waſſer zohen.
Mein zwiſchen ihrem Geraͤuſche vorhin nicht
wahrgenom̃enes Wehklagen kam den Fiſchern
nun auch zu Ohren; daher ſie mit ihrem ſeltza-
men Fange ſo viel mehr ans Ufer eilten; und
mir meine verlohrne Asblaſte/ der ich mich
Lebenslang ſchon verziehen hatte/ wieder uͤber-
antworteten. Sie war mehr einer Leiche/ als
einem lebendigen Menſchen gleich; und ſchoß
ihr das Waſſer haͤuffig aus Mund/ Naſe und
Ohren. Gleichwol aber kam ſie nach ein par
Stunden durch meine und zweyer anderer
Frauen-Zimmer Huͤlffsleiſtung wieder zu ſich;
nach
Erſter Theil. O o o o o o o
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