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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] vergnüglichen sterblichen Gemächte und Er-
findungen endlich mitzutheilen sey. Wenn
die Natur so selzame Vermischungen der
Speisen mit Ambra/ so frembdes Geträncke
von Zucker/ ausgepresten Beeren und Gra-
natäpfeln/ die Abkochung allerhand Balsam
und Biesamkuchen; Die Aufbauung grosser
Alabasterner Paläste/ und Bergen oder Städ-
ten gleichsehende Gefilde/ für nöthig befunden
hätte/ würde die/ welche so vielerhand Speisen
wachsen läst/ die in den Trauben so köstliche
Säffte kochet/ die das grosse Gewölbe des Him-
mels/ die Wunderhäuser des Gestirnes/ die
unterirrdischen Hölen/ die geheimen Wasser-
leitungen des Meeres und der Flüsse/ die Adern
der Brunnen gebauet/ auch diß/ was die schwa-
chen und alberen Menschen ihr nachaffen/ zu
bauen mächtig und vorsichtig genung gewesen
seyn. Die Vorwelt hat ohne Bildhauer und
Steinmetzer ruhiglich leben können. Es war
die glückseligste Zeit/ als noch kein Baumeister
war/ als niemand Zügeln brennte und über
dem Steinschneiden schwitzte/ da man die De-
cken nicht vergüldete/ den Boden nicht mit
Marmel pflasterte/ die Wände nicht mit Per-
sischen Teppichten behing; Da man auf Gra-
se/ nicht auf künstlicher geneheter Seide/ oder
gewebter Baumwolle saß/ sondern aus vier
Gabeln und vier Stangen und qverüberge-
legten Aesten in einer Stunde ein gantz Hauß
bauete; Da Mitternacht sich mit wenigen
Schoben für aller Kälte/ das bratende Moh-
renland in gegrabenen Hölen sich für aller Hi-
tze beschirmete; Da man ohne der Serer
Handlung/ oder der Würmer Gespinste/ ohne
Tödtung der Purpur-Schnecke sich mit Hanf
und Häuten kleidete; Da man sich mit Piltzen
und gemeinen Baumgewächsen vergnügte/
aus lautern Brunnen und unverdächtigen
Bächen tranck. Zeno brach ihm ein: Er
machte die Natur zur Stiefmutter gegen dem
Menschen/ da sie doch auch die wilden Thiere
[Spaltenumbruch] für eine so gütige Versorgerin erkennten. Die-
se wären alsbald/ wenn sie das Tagelicht er-
blickten/ bekleidet/ ihrer selbst mächtig/ und es
wisse von sich selbst eine Biene die Kräuter zu
unterscheiden/ woraus sie Gifft oder Honig zu
saugen habe. Ein Hirsch wisse mit was für
einem Kraute er sich nach der Geburt reinigen
solte. Das wilde Schwein wisse/ sich mit Ep-
pich/ die Schlange mit Fenchel/ der Bär mit
Ameissen/ der Elefant mit Oelbäumen/ die
Holtztaube mit Lorberblättern zu heilen. Der
Adler sehe/ der Geyer rüche/ der Affe schmecke/
der Maulwurff höre/ die Spinne fühle bes-
ser und schärffer als der Mensch. Solte nun
deßwegen die Natur diesem unholder als jenem
seyn? Nein sicher! Denn die Vernunfft/ als
das eigentliche Kleinod des Menschen/ welches
ihn allein den Göttern ähnlich macht/ übertrifft
und vertrit alle andere Fürtreffligkeiten der
Thiere/ die Stärcke des Löwens/ die Schön-
heit des Pfauen/ die Geschwindigkeit der Pfer-
de. Diese muß der Mensch zu seiner Unter-
haltung und Wohlstande nichts minder an-
wenden; Als das Cameel seinen Rücken/ der
Hund seine Füsse/ der Ochse seine Lenden/ die
Spinne ihre Kunst/ die Ameiß ihren Fleiß/ die
Nachtigal ihre Stimme nicht müßig seyn läst.
Die Natur/ sage ich/ hat uns die Vernunft
deßwegen eingepflantzt: daß wir unser Leben
dadurch für allen andern Geschöpffen nicht nur
tugendhafft/ sondern auch glückselig machen
solten. Diese hat den Hammer/ die Säge/
die Axt/ die Kelle/ die Spille/ den Weberstul
und tausend andere Werckzeuge erfunden:
Daß man Häuser gebaut/ Wolle gesponnen/
Seide gewebt/ Speisen gekocht/ Artzneyen
bereitet/ durch die Schiffarthen ein Ende der
Welt mit dem andern vereinbart/ und das
dürfftige Leben mit tausendfachem Uberflusse
beseligt hat. Eine elende Glückseligkeit!
rieff Marcomir/ welche den Leib mästet/
das Gemüthe behürdet/ und die Seele be-

sudelt.

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] vergnuͤglichen ſterblichen Gemaͤchte und Er-
findungen endlich mitzutheilen ſey. Wenn
die Natur ſo ſelzame Vermiſchungen der
Speiſen mit Ambra/ ſo frembdes Getraͤncke
von Zucker/ ausgepreſten Beeren und Gra-
nataͤpfeln/ die Abkochung allerhand Balſam
und Bieſamkuchen; Die Aufbauung groſſer
Alabaſterner Palaͤſte/ und Bergen oder Staͤd-
ten gleichſehende Gefilde/ fuͤr noͤthig befunden
haͤtte/ wuͤrde die/ welche ſo vielerhand Speiſen
wachſen laͤſt/ die in den Trauben ſo koͤſtliche
Saͤffte kochet/ die das groſſe Gewoͤlbe des Him-
mels/ die Wunderhaͤuſer des Geſtirnes/ die
unterirrdiſchen Hoͤlen/ die geheimen Waſſer-
leitungen des Meeres und der Fluͤſſe/ die Adern
der Brunnen gebauet/ auch diß/ was die ſchwa-
chen und alberen Menſchen ihr nachaffen/ zu
bauen maͤchtig und vorſichtig genung geweſen
ſeyn. Die Vorwelt hat ohne Bildhauer und
Steinmetzer ruhiglich leben koͤnnen. Es war
die gluͤckſeligſte Zeit/ als noch kein Baumeiſter
war/ als niemand Zuͤgeln brennte und uͤber
dem Steinſchneiden ſchwitzte/ da man die De-
cken nicht verguͤldete/ den Boden nicht mit
Marmel pflaſterte/ die Waͤnde nicht mit Per-
ſiſchen Teppichten behing; Da man auf Gra-
ſe/ nicht auf kuͤnſtlicher geneheter Seide/ oder
gewebter Baumwolle ſaß/ ſondern aus vier
Gabeln und vier Stangen und qveruͤberge-
legten Aeſten in einer Stunde ein gantz Hauß
bauete; Da Mitternacht ſich mit wenigen
Schoben fuͤr aller Kaͤlte/ das bratende Moh-
renland in gegrabenen Hoͤlen ſich fuͤr aller Hi-
tze beſchirmete; Da man ohne der Serer
Handlung/ oder der Wuͤrmer Geſpinſte/ ohne
Toͤdtung der Purpur-Schnecke ſich mit Hanf
und Haͤuten kleidete; Da man ſich mit Piltzen
und gemeinen Baumgewaͤchſen vergnuͤgte/
aus lautern Brunnen und unverdaͤchtigen
Baͤchen tranck. Zeno brach ihm ein: Er
machte die Natur zur Stiefmutter gegen dem
Menſchen/ da ſie doch auch die wilden Thiere
[Spaltenumbruch] fuͤr eine ſo guͤtige Verſorgerin erkennten. Die-
ſe waͤren alsbald/ wenn ſie das Tagelicht er-
blickten/ bekleidet/ ihrer ſelbſt maͤchtig/ und es
wiſſe von ſich ſelbſt eine Biene die Kraͤuter zu
unterſcheiden/ woraus ſie Gifft oder Honig zu
ſaugen habe. Ein Hirſch wiſſe mit was fuͤr
einem Kraute er ſich nach der Geburt reinigen
ſolte. Das wilde Schwein wiſſe/ ſich mit Ep-
pich/ die Schlange mit Fenchel/ der Baͤr mit
Ameiſſen/ der Elefant mit Oelbaͤumen/ die
Holtztaube mit Lorberblaͤttern zu heilen. Der
Adler ſehe/ der Geyer ruͤche/ der Affe ſchmecke/
der Maulwurff hoͤre/ die Spinne fuͤhle beſ-
ſer und ſchaͤrffer als der Menſch. Solte nun
deßwegen die Natur dieſem unholder als jenem
ſeyn? Nein ſicher! Denn die Vernunfft/ als
das eigentliche Kleinod des Menſchen/ welches
ihn allein den Goͤttern aͤhnlich macht/ uͤbertrifft
und vertrit alle andere Fuͤrtreffligkeiten der
Thiere/ die Staͤrcke des Loͤwens/ die Schoͤn-
heit des Pfauen/ die Geſchwindigkeit der Pfer-
de. Dieſe muß der Menſch zu ſeiner Unter-
haltung und Wohlſtande nichts minder an-
wenden; Als das Cameel ſeinen Ruͤcken/ der
Hund ſeine Fuͤſſe/ der Ochſe ſeine Lenden/ die
Spinne ihre Kunſt/ die Ameiß ihren Fleiß/ die
Nachtigal ihre Stimme nicht muͤßig ſeyn laͤſt.
Die Natur/ ſage ich/ hat uns die Vernunft
deßwegen eingepflantzt: daß wir unſer Leben
dadurch fuͤr allen andern Geſchoͤpffen nicht nur
tugendhafft/ ſondern auch gluͤckſelig machen
ſolten. Dieſe hat den Hammer/ die Saͤge/
die Axt/ die Kelle/ die Spille/ den Weberſtul
und tauſend andere Werckzeuge erfunden:
Daß man Haͤuſer gebaut/ Wolle geſponnen/
Seide gewebt/ Speiſen gekocht/ Artzneyen
bereitet/ durch die Schiffarthen ein Ende der
Welt mit dem andern vereinbart/ und das
duͤrfftige Leben mit tauſendfachem Uberfluſſe
beſeligt hat. Eine elende Gluͤckſeligkeit!
rieff Marcomir/ welche den Leib maͤſtet/
das Gemuͤthe behuͤrdet/ und die Seele be-

ſudelt.
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/158>, abgerufen am 21.11.2024.