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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] sudelt. Freylich wohl zeucht die Gemein-
schafft mit frembden Völckern/ die Erfin-
dung so vielerley Künst eden Gliedern eine gros-
se Gemächligkeit/ der Tugend aber einen un-
schätzbaren Verlust zu. Jemehr das Glücke
und die Natur dem Leben liebkoset/ ie in gefähr-
lichern Zustand versetzt sie es. Was in Rosen
verfaulet/ wird in Nesseln erhalten. Die im
Elende tauren/ werden von Glückseligkeit ver-
derbet. Daher ist die Natur daselbst/ wo sie raue
Klippen/ kalte Lufft/ sandichtes Erdreich geschaf-
fen/ eben so wenig für grausam zu schelten/ als
die Mütter zu Sparta/ die ihre Söhne abzuhär-
ten selbte für dem Altar der Orthischen Dia-
na biß auffs Blut/ zuweilen auch auff den Tod
peitschen lassen. Die Tugend will durch keine
weiche Lehre begriffen seyn. Ein Feldherr stellt
den ihm liebsten Kriegsknecht an die gefährlich-
ste Spitze; und den schätzen die Götter am wür-
digsten/ an dem sie versuchen/ was ein Mensch
zu erdulten fähig sey. Von guten Tagen zer-
fliessen nicht allein unsere Gemüther/ sondern
die Wollüste reissen uns auch gleichsam die
Spann-Adern aus unsern Gliedern. Wen
in dem Glase-Wagen nie keine rauhe Lufft an-
gegangen/ wer die Hand nie in ein kalt Wasser
gesteckt/ den Fuß nie auff die blosse Erde gesetzt/
der kan auch ohne Gefahr nicht einen mäßigen
Wind/ ein geringes Ungemach vertragen. Was
man aber am härtesten hält/ wird das tauerhaff-
teste. Der öfftere Sturmwind befestigt die Wur-
tzeln und Aeste der Eichbäume/ wenn die in wind-
stillen Thälern wachsende Pappeln morsch blei-
ben. Eines Schiffers Leib verträgt ohne Em-
pfindligkeit die schlimmste Seelufft. Der Pflug
härtet des Ackermanns Hände/ die Waffen des
Kriegsmanns Armen ab; das offtere Wetteren-
nen macht eines Läuffers Glieder behende. Wie
gesund und wohlgewachsen sind die Scythen/
und andere Nord-Völcker/ die in holen Bäu-
men wohnen/ sich mit Fuchs und Mäuse-Fel-
len decken/ mit Vogel-Federn kleiden/ mit Ei-
[Spaltenumbruch] cheln speisen. Wie hoch steigen in ihren Ge-
heimnissen die Persischen Weisen/ welche/ um
zu den tieffen Nachsinnungen desto geschickter
zu seyn/ nichts als Kreßicht assen? Wie viel besser
stand es zu Rom/ da das Capitol unver goldet/
und nicht so ansehnlich als itzt des Lucullus Vor-
werck/ und des Messala Fischhälter/ da ein Och-
se nicht so theuer als itzt ein Fisch war/ da die
Samnitischen Gesandten den grossen Curius
aus einem höltzernen Nappe gebratene Rüben
essen fanden/ und er so wenig von ihrem Golde
als ihren Schwerdtern zu überwinden war/ da
der Zerstörer des Schatzreichen Carthago Pu-
blius Scipio nicht einen Scherff von ihrem
Reichthume mit seinen Armuth vermischen wolte/
da Lucius Emilius der Uberwinder des Königs
Perses und Macedoniens die im Königlichen
Schatze gefundene sechs tausend Talent nicht
einmahl anzusehen würdigte/ ob er schon seinen
Söhnen so wenig verließ/ daß sie seiner Ehfrau-
en die zugebrachten fünff und zwantzig Talent
nicht erstatten konten/ als itzt/ da Freygelassene
auff Helffenbeinernen Tischen speisen/ da einem
vollbrätigen Aus geschnittenen kein Vogel und
Fisch schmeckt/ keine Blume reucht/ als zur Un-
zeit; da einem lüsternen Gauckler Meer und
Lufft zu arm sind neue Speisen genug zu gewe-
ren/ da ein verfluchter Pollio seine Murenen
mit Menschen-Fleisch mästet/ da ein Tullius
um einen höltzernen Tisch ein gantzes Vermö-
gen gibt/ da ein Raths-Herr aus nichts als ed-
len Steinen/ Porcellan oder Cristallen/ denen
die Zerbrechligkeit ihren Preiß giebt/ trincken
mag/ da die geile Julia an iedem Ohre drey rei-
che Erbschafften hängen hat/ und weder dem
Leibe noch der Scham dienende Kleider trägt/
in welchen zu schweren nöthig wäre/ daß sie nicht
nackt gehe/ und darinnen sie ihren Ehbrechern
nicht mehr im Schlaff-Gemacht weisen kan/ als
sie auf öffentlichen Plätzen zur Schau feil trägt.
Da man jährlich wohl zwantzig Tonnen Gol-
des den Serern für Würtzen und Steine schickt/

da ein
O 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſudelt. Freylich wohl zeucht die Gemein-
ſchafft mit frembden Voͤlckern/ die Erfin-
dung ſo vielerley Kuͤnſt eden Gliedern eine groſ-
ſe Gemaͤchligkeit/ der Tugend aber einen un-
ſchaͤtzbaren Verluſt zu. Jemehr das Gluͤcke
und die Natur dem Leben liebkoſet/ ie in gefaͤhr-
lichern Zuſtand verſetzt ſie es. Was in Roſen
verfaulet/ wird in Neſſeln erhalten. Die im
Elende tauren/ werden von Gluͤckſeligkeit ver-
derbet. Daher iſt die Natur daſelbſt/ wo ſie raue
Klippen/ kalte Lufft/ ſandichtes Erdreich geſchaf-
fen/ eben ſo wenig fuͤr grauſam zu ſchelten/ als
die Muͤtter zu Sparta/ die ihre Soͤhne abzuhaͤr-
ten ſelbte fuͤr dem Altar der Orthiſchen Dia-
na biß auffs Blut/ zuweilen auch auff den Tod
peitſchen laſſen. Die Tugend will durch keine
weiche Lehre begriffen ſeyn. Ein Feldherr ſtellt
den ihm liebſten Kriegsknecht an die gefaͤhrlich-
ſte Spitze; und den ſchaͤtzen die Goͤtter am wuͤr-
digſten/ an dem ſie verſuchen/ was ein Menſch
zu erdulten faͤhig ſey. Von guten Tagen zer-
flieſſen nicht allein unſere Gemuͤther/ ſondern
die Wolluͤſte reiſſen uns auch gleichſam die
Spann-Adern aus unſern Gliedern. Wen
in dem Glaſe-Wagen nie keine rauhe Lufft an-
gegangen/ wer die Hand nie in ein kalt Waſſer
geſteckt/ den Fuß nie auff die bloſſe Erde geſetzt/
der kan auch ohne Gefahr nicht einen maͤßigen
Wind/ ein geringes Ungemach vertragen. Was
man aber am haͤrteſten haͤlt/ wird das tauerhaff-
teſte. Der oͤfftere Sturmwind befeſtigt die Wur-
tzeln und Aeſte der Eichbaͤume/ weñ die in wind-
ſtillen Thaͤlern wachſende Pappeln morſch blei-
ben. Eines Schiffers Leib vertraͤgt ohne Em-
pfindligkeit die ſchlimmſte Seelufft. Der Pflug
haͤrtet des Ackermanns Haͤnde/ die Waffen des
Kriegsmanns Armen ab; das offtere Wetteren-
nen macht eines Laͤuffers Glieder behende. Wie
geſund und wohlgewachſen ſind die Scythen/
und andere Nord-Voͤlcker/ die in holen Baͤu-
men wohnen/ ſich mit Fuchs und Maͤuſe-Fel-
len decken/ mit Vogel-Federn kleiden/ mit Ei-
[Spaltenumbruch] cheln ſpeiſen. Wie hoch ſteigen in ihren Ge-
heimniſſen die Perſiſchen Weiſen/ welche/ um
zu den tieffen Nachſinnungen deſto geſchickter
zu ſeyn/ nichts als Kreßicht aſſen? Wie viel beſſer
ſtand es zu Rom/ da das Capitol unver goldet/
und nicht ſo anſehnlich als itzt des Lucullus Vor-
werck/ und des Meſſala Fiſchhaͤlter/ da ein Och-
ſe nicht ſo theuer als itzt ein Fiſch war/ da die
Samnitiſchen Geſandten den groſſen Curius
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als ihren Schwerdtern zu uͤberwinden war/ da
der Zerſtoͤrer des Schatzreichen Carthago Pu-
blius Scipio nicht einen Scherff von ihrem
Reichthume mit ſeinẽ Aꝛmuth veꝛmiſchen wolte/
da Lucius Emilius der Uberwinder des Koͤnigs
Perſes und Macedoniens die im Koͤniglichen
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Soͤhnen ſo wenig verließ/ daß ſie ſeiner Ehfrau-
en die zugebrachten fuͤnff und zwantzig Talent
nicht erſtatten konten/ als itzt/ da Freygelaſſene
auff Helffenbeinernen Tiſchen ſpeiſen/ da einem
vollbraͤtigen Aus geſchnittenen kein Vogel und
Fiſch ſchmeckt/ keine Blume reucht/ als zur Un-
zeit; da einem luͤſternen Gauckler Meer und
Lufft zu arm ſind neue Speiſen genug zu gewe-
ren/ da ein verfluchter Pollio ſeine Murenen
mit Menſchen-Fleiſch maͤſtet/ da ein Tullius
um einen hoͤltzernen Tiſch ein gantzes Vermoͤ-
gen gibt/ da ein Raths-Herr aus nichts als ed-
len Steinen/ Porcellan oder Criſtallen/ denen
die Zerbrechligkeit ihren Preiß giebt/ trincken
mag/ da die geile Julia an iedem Ohre drey rei-
che Erbſchafften haͤngen hat/ und weder dem
Leibe noch der Scham dienende Kleider traͤgt/
in welchen zu ſchweren noͤthig waͤre/ daß ſie nicht
nackt gehe/ und darinnen ſie ihren Ehbrechern
nicht mehr im Schlaff-Gemacht weiſen kan/ als
ſie auf oͤffentlichen Plaͤtzen zur Schau feil traͤgt.
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des den Serern fuͤr Wuͤrtzen und Steine ſchickt/

da ein
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/159>, abgerufen am 24.11.2024.