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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] dem Alexander nicht im Wege stehende Schwe-
rigkeiten überwinden müssen/ etwas zurück blie-
ben. Dannenhero denn die dem Julius von der
Tugend ausgepreßte Thränen/ so wenig als die/
welche Alexander bey Lesung des Homer über
den Thaten Achillens vergossen hätte/ seinem
Ruhme abbrüchig seyn könten. Hätte Alexander
über den Siegen seines Vaters geeifert; so hätte
Julius über dem Glücke des Sylla geseufzet/
von welchem dieser wahrgesagt/ daß dieser Jüng-
ling mehr als einen Marius im Busem stecken
hätte. Beyde wären zwar Liebhaber der Ge-
lehrten gewest/ und hätten den Wissenschafften
obgelegen. Wie hoch hätte nicht Alexander den
Aristoteles geschätzt/ und des Pindarus wegen
hätte er nicht nur bey Eroberung der Stadt
Thebe seiner Nachkommen Häuser/ sondern
auch die Bürgerschafft erhalten. Aber hierin-
nen wäre ihm Julius weit zuvor kommen. Er
hätte die Weltweißheit nicht nur geliebet/ son-
dern ihm nütze gemacht. Bey dem Begräbnüsse
seiner Mutter Julia/ bey der Verklagung des
Dolabella/ bey Loßbittung der Catilinischen
Mit-Verschwornen hätte er mit seiner Bered-
samkeit grosses Ansehen erworben. Was er des
Tages rühmlich gethan/ hätte er des Nachts
zierlich geschrieben. Rhemetalces antwortete:
Alexander wäre ebenfalls gelehrt und beredsam
gewest/ aber sie sehen beyde hier nicht als Welt-
weisen/ sondern als Kriegs-Helden an. Zeno
fragte: welcher Held ohne die Welt-Weißheit
zur Vollkommenheit kommen könte? Diese wä-
re der Leit-Stern der Tapferkeit/ und die Mut-
ter der Vergnügung. Aber/ sagte Rhemetalces:
Jst dieses eine wahrhaffte oder verfälschte Weiß-
heit/ wenn Julius nur des Epicurus wollüstige
Meynungen fasset/ wenn er weder Götter noch
die Unsterbligkeit der Seelen glaubt/ und bey
Belägerung Marsiliens an einen ihm am Wege
stehenden Baum/ den die Druyden von viel hun-
dert Jahren her den Göttern eingeweihet/ die
Kriegsleute aber selbten nur anzurühren Ab-
scheu hatten/ zum ersten die Hand und die Axt an-
legt? Welchen Unglauben er aber mit seinem
[Spaltenumbruch] Tode gebüsset/ als er seinen und seiner Calpurniä
Unglücks-Traum/ des Spurinna und anderer
Priester Warnungen verächtlich in Wind ge-
schlagen. Hat sich Julius nicht in stetigem
Schlamme der Geilheit geweltzet? des Sulpiti-
us/ des Gabinius/ des Crassus/ Pompejus/ Bo-
gudes und Brutus Ehbette durch Ehbruch be-
flecket? Hat er nicht mit Cleopatren Ehre/ Leben
und Vaterland in Gefahr gesetzt? und das Be-
ginnen mit dem Nicomedes läst sich kaum sagen.
Also ist das scheinbare Gute am Julius nicht so
wol Tugend/ als ihre Larve gewest; welche so viel-
mehr schädliches Gifft an sich hat/ ie näher sie der
Tugend kommt/ weil sie so denn/ wie die sich mit
schönen Sternen deckenden Schlangen/ desto
mehr Unheil zu stiften vermag. Rhemetalces
meynte: Es würde so wol in einem als dem an-
dern ihm zu viel beygemessen/ und Er hätte sich
niemals wie Alexander für Jupiters Sohn und
selbst für einen Gott ausgegeben. Das letztere
aber wäre die gemeine Schwachheit der Helden/
welche Alexandern ebenfalls in seiner gegen die
Barsine/ Roxane und Thais/ ja gar gegen den
Bagoas geschöpften Brunst befallen hätte. Rhe-
metalces versetzte: Die Betheuerung seiner Mut-
ter/ der Glaube seines eigenen Vaters/ die Heu-
cheley der Ammonischen Priester/ der Wahn da-
maliger Zeit/ und das übermässige Glücke hät-
te Alexandern leicht bereden können/ daß sein
Ursprung aus dem Himmel wäre/ dessen Göt-
ter damals so viel sterbliche Söhne auf Erden
hatten/ wo es anders nicht eine Staats-Klugheit
war/ bey denen aber gläubischen Völckern sich
durch solchen Ruhm in desto grösser Anschen zu
setzen. Zeno brach ein: Sie schritten von ihrem
gantzen Zweck ab/ wenn sie dieser zweyen grossen
Helden Ruhm durch Erzehlung ihrer Gebre-
chen verdüsterten/ derer Verdienste einen solchen
Glantz hätten/ daß selbter so wenig/ als die Son-
ne ihre Flecken/ und die über den Monden er-
hobene Gestirne ihren Schatten sehen liessen.
Ein grosser Geist hätte keinen einkommentli-
chern Haushalter als die Freygebigkeit/ und
keine schönere Gemahlin als die Freundschafft.

Julius

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] dem Alexander nicht im Wege ſtehende Schwe-
rigkeiten uͤberwinden muͤſſen/ etwas zuruͤck blie-
ben. Dannenhero denn die dem Julius von der
Tugend ausgepreßte Thraͤnen/ ſo wenig als die/
welche Alexander bey Leſung des Homer uͤber
den Thaten Achillens vergoſſen haͤtte/ ſeinem
Ruhme abbruͤchig ſeyn koͤnten. Haͤtte Alexander
uͤber den Siegen ſeines Vaters geeifert; ſo haͤtte
Julius uͤber dem Gluͤcke des Sylla geſeufzet/
von welchem dieſer wahrgeſagt/ daß dieſer Juͤng-
ling mehr als einen Marius im Buſem ſtecken
haͤtte. Beyde waͤren zwar Liebhaber der Ge-
lehrten geweſt/ und haͤtten den Wiſſenſchafften
obgelegen. Wie hoch haͤtte nicht Alexander den
Ariſtoteles geſchaͤtzt/ und des Pindarus wegen
haͤtte er nicht nur bey Eroberung der Stadt
Thebe ſeiner Nachkommen Haͤuſer/ ſondern
auch die Buͤrgerſchafft erhalten. Aber hierin-
nen waͤre ihm Julius weit zuvor kommen. Er
haͤtte die Weltweißheit nicht nur geliebet/ ſon-
dern ihm nuͤtze gemacht. Bey dem Begraͤbnuͤſſe
ſeiner Mutter Julia/ bey der Verklagung des
Dolabella/ bey Loßbittung der Catiliniſchen
Mit-Verſchwornen haͤtte er mit ſeiner Bered-
ſamkeit groſſes Anſehen erworben. Was er des
Tages ruͤhmlich gethan/ haͤtte er des Nachts
zierlich geſchrieben. Rhemetalces antwortete:
Alexander waͤre ebenfalls gelehrt und beredſam
geweſt/ aber ſie ſehen beyde hier nicht als Welt-
weiſen/ ſondern als Kriegs-Helden an. Zeno
fragte: welcher Held ohne die Welt-Weißheit
zur Vollkommenheit kommen koͤnte? Dieſe waͤ-
re der Leit-Stern der Tapferkeit/ und die Mut-
ter der Vergnuͤgung. Aber/ ſagte Rhemetalces:
Jſt dieſes eine wahrhaffte oder verfaͤlſchte Weiß-
heit/ wenn Julius nur des Epicurus wolluͤſtige
Meynungen faſſet/ wenn er weder Goͤtter noch
die Unſterbligkeit der Seelen glaubt/ und bey
Belaͤgerung Maꝛſiliens an einen ihm am Wege
ſtehenden Baum/ den die Druyden von viel hun-
dert Jahren her den Goͤttern eingeweihet/ die
Kriegsleute aber ſelbten nur anzuruͤhren Ab-
ſcheu hatten/ zum erſten die Hand und die Axt an-
legt? Welchen Unglauben er aber mit ſeinem
[Spaltenumbruch] Tode gebuͤſſet/ als er ſeinen und ſeiner Calpurniaͤ
Ungluͤcks-Traum/ des Spurinna und anderer
Prieſter Warnungen veraͤchtlich in Wind ge-
ſchlagen. Hat ſich Julius nicht in ſtetigem
Schlamme der Geilheit geweltzet? des Sulpiti-
us/ des Gabinius/ des Craſſus/ Pompejus/ Bo-
gudes und Brutus Ehbette durch Ehbruch be-
flecket? Hat er nicht mit Cleopatren Ehre/ Leben
und Vaterland in Gefahr geſetzt? und das Be-
ginnen mit dem Nicomedes laͤſt ſich kaum ſagen.
Alſo iſt das ſcheinbare Gute am Julius nicht ſo
wol Tugend/ als ihre Larve geweſt; welche ſo viel-
mehr ſchaͤdliches Gifft an ſich hat/ ie naͤher ſie der
Tugend kom̃t/ weil ſie ſo denn/ wie die ſich mit
ſchoͤnen Sternen deckenden Schlangen/ deſto
mehr Unheil zu ſtiften vermag. Rhemetalces
meynte: Es wuͤrde ſo wol in einem als dem an-
dern ihm zu viel beygemeſſen/ und Er haͤtte ſich
niemals wie Alexander fuͤr Jupiters Sohn und
ſelbſt fuͤr einen Gott ausgegeben. Das letztere
aber waͤre die gemeine Schwachheit der Helden/
welche Alexandern ebenfalls in ſeiner gegen die
Barſine/ Roxane und Thais/ ja gar gegen den
Bagoas geſchoͤpften Brunſt befallen haͤtte. Rhe-
metalces veꝛſetzte: Die Betheuerung ſeineꝛ Mut-
ter/ der Glaube ſeines eigenen Vaters/ die Heu-
cheley der Ammoniſchen Prieſter/ der Wahn da-
maliger Zeit/ und das uͤbermaͤſſige Gluͤcke haͤt-
te Alexandern leicht bereden koͤnnen/ daß ſein
Urſprung aus dem Himmel waͤre/ deſſen Goͤt-
ter damals ſo viel ſterbliche Soͤhne auf Erden
hatten/ wo es anders nicht eine Staats-Klugheit
war/ bey denen aber glaͤubiſchen Voͤlckern ſich
durch ſolchen Ruhm in deſto groͤſſer Anſchen zu
ſetzen. Zeno brach ein: Sie ſchritten von ihrem
gantzen Zweck ab/ wenn ſie dieſer zweyen groſſen
Helden Ruhm durch Erzehlung ihrer Gebre-
chen verduͤſterten/ derer Verdienſte einen ſolchen
Glantz haͤtten/ daß ſelbter ſo wenig/ als die Son-
ne ihre Flecken/ und die uͤber den Monden er-
hobene Geſtirne ihren Schatten ſehen lieſſen.
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chern Haushalter als die Freygebigkeit/ und
keine ſchoͤnere Gemahlin als die Freundſchafft.

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/185>, abgerufen am 21.11.2024.