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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Weissagungen mich doch iederzeit aufgerichtet.
Diesemnach ich denn gerne eine Beypflichterin
der Elpistischen Weisen zu seyn gestehe/ welche
die Hoffnung für das höchste Gut hielten/ und
sonder diese das Elend des Lebens für unerträg-
lich; hingegen derselben Meynung als irrig
verwerffe/ die auch das vollkommenste Gut/ das
nicht gegenwärtig ist/ für kein Gut halten/ weil
es allererst kommen soll. Weswegen ich zu
Athen in dem Tempel des guten Glückes für
dem Bilde der Hoffnung sieben Tage lang mei-
ne Andacht verrichtete. Dieses Heiligthum
ist wegen des von dem Bupalus aus Marmel
gehauenen/ die Erdkugel auf dem Haupte/ und
der Amalthee Horn in der Hand haltenden
Glücks-Bildes sehr berühmt/ in welches sich ein
Griechischer Jüngling so sehr verliebt/ daß/ als
er dessen von dem Rathe zu Athen nicht umb
groß Geld habhafft werden konte/ nach dessen
Bekräntz- und vieler Thränen Vergiessung
selbtes umbarmende sich tödtete. Weil nun
das Bild der Hoffnung und ihr Altar nahe dar-
bey stand/ ward diese von allen/ die das Glücke
anbeteten/ ebensfalls verehret. Auf allen vier
Seiten des Altar-Fusses sind so viel Wachs-
Taffeln/ darein die Betenden mit einem Griffel
ihre Wüntsche und Gelübde zu schreiben pfle-
gen. Den sechsten Tag fand ich darinn diese
Reime gekritzelt:

Welch Wahuwitz zündet hier der Hoffnung Weyrauch an?
Die nur die Hungrigen aus leeren Schüsseln speist/
Ein Traum der Wachenden/ ein Schatz der Armen heist/
Weil sie mit ihrem Nichts die Einfalt bländen kan.
Was hilfft's/ daß sie mit Noth das Leben uns noch läst?
Wenn sie sich gegen ihm als einen Hencker zeugt/
Durch Schatten/ Rauch und Wind Begierd und Wuntsch be-
treugt/
Ja mehrmals in ein Horn mit unserm Unglück bläst.

Jch entsetzte mich über dieser verzweifelten
Schändung derselben Gottheit/ welche ich als
meinen einigen Glücks-Stern/ wie die Afri-
canischen Ziegen den aufgehenden Hunds-
Stern verehrte. Diesemnach ich aus einem
[Spaltenumbruch] Andachts Eifer wider den verzweifelnden Wall-
farther mit folgenden Zeilen meine Rachgier
ausließ:

Welch Unmensch ist/ der nicht der Hoffnung Weyrauch
schenckt?
Die doch des Landmanns Pflug/ des Schiffers Ruder regt/
Verliebter Leit-Stern ist/ des Kriegsmanns Faust bewegt/
Halbtodte lebend macht/ Blutarme speist und tränckt.
Was sie gibt/ ist nicht Nichts; scheint sie gleich nichts zu seyn/
Wer ohne sie verdirbt/ genest durch ihre Hold.
Wenn die Verschwenderin das Glücke/ Gut und Gold
Uns raubt/ bringt den Verlust die milde Hoffnung ein.

Den siebenden Tag/ fuhr die Königin fort/
war ich die erste im Tempel/ wie ich den Abend
vorher die Pfosten desselbten selbst zugeschlossen
hatte. Zu meiner höchsten Verwunderung
aber fand ich unter meinen Reymen nach folgen-
de aufs zierlichste in Wachs gedrückt:

Die Hoffnung kan nicht fehln/ es muß der Wuntsch bekleiben/
Wenn wir ein Reich verschmähn/ und treu im Lieben bleiben.

Diese sich auf meinen Zustand so wol schickende
Schrifft befestigte mein Gemüthe mehr als vor-
hin nichts anders; weil ich sie für nichts anders/
als für eine Göttliche Antwort hielt/ und ich lasse
sie auch noch niemals aus meinen Gedancken.

Thußnelde fing hierauf an: Dieser Vor-
schmack ihrer Zufälle machte sie so viel lüsterner
den völligen Verlauff zu vernehmen; wordurch
der Königin ein unzweifelbarer Ruhm/ ihr und
Jsmenen aber eine vollkommene Vergnügung
erwachsen würde. Die Königin Erato ant-
wortete: Es wäre wol wahr/ daß die Geschicht-
Schreiber so sor gfältig wären die unglückseligen
in ihre Zeit-Register/ als die Sternseher die Fin-
sternüsse in ihre Jahr-Bücher aufzumercken;
iedoch wüste sie nicht zu urtheilen: Ob die ruhen-
den wie die fallenden Lufft-Sterne mehr Glantz/
oder/ wie der verfinsterte Monde mehr Schat-
ten bekämen. Einem Unglückseligen wäre die
Eindenckmachung des vergangenen Ubels zwar
so schmertzhasft/ als einem Verwundeten die An-
rührung des Schadens. Daher sie insgemein

wie

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Weiſſagungen mich doch iederzeit aufgerichtet.
Dieſemnach ich denn gerne eine Beypflichterin
der Elpiſtiſchen Weiſen zu ſeyn geſtehe/ welche
die Hoffnung fuͤr das hoͤchſte Gut hielten/ und
ſonder dieſe das Elend des Lebens fuͤr unertraͤg-
lich; hingegen derſelben Meynung als irrig
verwerffe/ die auch das vollkommenſte Gut/ das
nicht gegenwaͤrtig iſt/ fuͤr kein Gut halten/ weil
es allererſt kommen ſoll. Weswegen ich zu
Athen in dem Tempel des guten Gluͤckes fuͤr
dem Bilde der Hoffnung ſieben Tage lang mei-
ne Andacht verrichtete. Dieſes Heiligthum
iſt wegen des von dem Bupalus aus Marmel
gehauenen/ die Erdkugel auf dem Haupte/ und
der Amalthee Horn in der Hand haltenden
Gluͤcks-Bildes ſehr beruͤhmt/ in welches ſich ein
Griechiſcher Juͤngling ſo ſehr verliebt/ daß/ als
er deſſen von dem Rathe zu Athen nicht umb
groß Geld habhafft werden konte/ nach deſſen
Bekraͤntz- und vieler Thraͤnen Vergieſſung
ſelbtes umbarmende ſich toͤdtete. Weil nun
das Bild der Hoffnung und ihr Altar nahe dar-
bey ſtand/ ward dieſe von allen/ die das Gluͤcke
anbeteten/ ebensfalls verehret. Auf allen vier
Seiten des Altar-Fuſſes ſind ſo viel Wachs-
Taffeln/ darein die Betenden mit einem Griffel
ihre Wuͤntſche und Geluͤbde zu ſchreiben pfle-
gen. Den ſechſten Tag fand ich darinn dieſe
Reime gekritzelt:

Welch Wahuwitz zuͤndet hier der Hoffnung Weyrauch an?
Die nur die Hungrigen aus leeren Schuͤſſeln ſpeiſt/
Ein Traum der Wachenden/ ein Schatz der Armen heiſt/
Weil ſie mit ihrem Nichts die Einfalt blaͤnden kan.
Was hilfft’s/ daß ſie mit Noth das Leben uns noch laͤſt?
Wenn ſie ſich gegen ihm als einen Hencker zeugt/
Durch Schatten/ Rauch und Wind Begierd und Wuntſch be-
treugt/
Ja mehrmals in ein Horn mit unſerm Ungluͤck blaͤſt.

Jch entſetzte mich uͤber dieſer verzweifelten
Schaͤndung derſelben Gottheit/ welche ich als
meinen einigen Gluͤcks-Stern/ wie die Afri-
caniſchen Ziegen den aufgehenden Hunds-
Stern verehrte. Dieſemnach ich aus einem
[Spaltenumbruch] Andachts Eifer wider den verzweifelnden Wall-
farther mit folgenden Zeilen meine Rachgier
ausließ:

Welch Unmenſch iſt/ der nicht der Hoffnung Weyrauch
ſchenckt?
Die doch des Landmanns Pflug/ des Schiffers Ruder regt/
Verliebter Leit-Stern iſt/ des Kriegsmanns Fauſt bewegt/
Halbtodte lebend macht/ Blutarme ſpeiſt und traͤnckt.
Was ſie gibt/ iſt nicht Nichts; ſcheint ſie gleich nichts zu ſeyn/
Wer ohne ſie verdirbt/ geneſt durch ihre Hold.
Wenn die Verſchwenderin das Gluͤcke/ Gut und Gold
Uns raubt/ bringt den Verluſt die milde Hoffnung ein.

Den ſiebenden Tag/ fuhr die Koͤnigin fort/
war ich die erſte im Tempel/ wie ich den Abend
vorher die Pfoſten deſſelbten ſelbſt zugeſchloſſen
hatte. Zu meiner hoͤchſten Verwunderung
aber fand ich unter meinen Reymen nach folgen-
de aufs zierlichſte in Wachs gedruͤckt:

Die Hoffnung kan nicht fehln/ es muß der Wuntſch bekleiben/
Wenn wir ein Reich verſchmaͤhn/ und treu im Lieben bleiben.

Dieſe ſich auf meinen Zuſtand ſo wol ſchickende
Schrifft befeſtigte mein Gemuͤthe mehr als vor-
hin nichts anders; weil ich ſie fuͤr nichts anders/
als fuͤr eine Goͤttliche Antwort hielt/ und ich laſſe
ſie auch noch niemals aus meinen Gedancken.

Thußnelde fing hierauf an: Dieſer Vor-
ſchmack ihrer Zufaͤlle machte ſie ſo viel luͤſterner
den voͤlligen Verlauff zu vernehmen; wordurch
der Koͤnigin ein unzweifelbarer Ruhm/ ihr und
Jſmenen aber eine vollkommene Vergnuͤgung
erwachſen wuͤrde. Die Koͤnigin Erato ant-
wortete: Es waͤre wol wahr/ daß die Geſchicht-
Schreiber ſo ſor gfaͤltig waͤren die ungluͤckſeligen
in ihre Zeit-Regiſter/ als die Sternſeher die Fin-
ſternuͤſſe in ihre Jahr-Buͤcher aufzumercken;
iedoch wuͤſte ſie nicht zu urtheilen: Ob die ruhen-
den wie die fallenden Lufft-Sterne mehr Glantz/
oder/ wie der verfinſterte Monde mehr Schat-
ten bekaͤmen. Einem Ungluͤckſeligen waͤre die
Eindenckmachung des vergangenen Ubels zwar
ſo ſchmertzhaſft/ als einem Verwundeten die An-
ruͤhrung des Schadens. Daher ſie insgemein

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[207/0259] Arminius und Thußnelda. Weiſſagungen mich doch iederzeit aufgerichtet. Dieſemnach ich denn gerne eine Beypflichterin der Elpiſtiſchen Weiſen zu ſeyn geſtehe/ welche die Hoffnung fuͤr das hoͤchſte Gut hielten/ und ſonder dieſe das Elend des Lebens fuͤr unertraͤg- lich; hingegen derſelben Meynung als irrig verwerffe/ die auch das vollkommenſte Gut/ das nicht gegenwaͤrtig iſt/ fuͤr kein Gut halten/ weil es allererſt kommen ſoll. Weswegen ich zu Athen in dem Tempel des guten Gluͤckes fuͤr dem Bilde der Hoffnung ſieben Tage lang mei- ne Andacht verrichtete. Dieſes Heiligthum iſt wegen des von dem Bupalus aus Marmel gehauenen/ die Erdkugel auf dem Haupte/ und der Amalthee Horn in der Hand haltenden Gluͤcks-Bildes ſehr beruͤhmt/ in welches ſich ein Griechiſcher Juͤngling ſo ſehr verliebt/ daß/ als er deſſen von dem Rathe zu Athen nicht umb groß Geld habhafft werden konte/ nach deſſen Bekraͤntz- und vieler Thraͤnen Vergieſſung ſelbtes umbarmende ſich toͤdtete. Weil nun das Bild der Hoffnung und ihr Altar nahe dar- bey ſtand/ ward dieſe von allen/ die das Gluͤcke anbeteten/ ebensfalls verehret. Auf allen vier Seiten des Altar-Fuſſes ſind ſo viel Wachs- Taffeln/ darein die Betenden mit einem Griffel ihre Wuͤntſche und Geluͤbde zu ſchreiben pfle- gen. Den ſechſten Tag fand ich darinn dieſe Reime gekritzelt: Welch Wahuwitz zuͤndet hier der Hoffnung Weyrauch an? Die nur die Hungrigen aus leeren Schuͤſſeln ſpeiſt/ Ein Traum der Wachenden/ ein Schatz der Armen heiſt/ Weil ſie mit ihrem Nichts die Einfalt blaͤnden kan. Was hilfft’s/ daß ſie mit Noth das Leben uns noch laͤſt? Wenn ſie ſich gegen ihm als einen Hencker zeugt/ Durch Schatten/ Rauch und Wind Begierd und Wuntſch be- treugt/ Ja mehrmals in ein Horn mit unſerm Ungluͤck blaͤſt. Jch entſetzte mich uͤber dieſer verzweifelten Schaͤndung derſelben Gottheit/ welche ich als meinen einigen Gluͤcks-Stern/ wie die Afri- caniſchen Ziegen den aufgehenden Hunds- Stern verehrte. Dieſemnach ich aus einem Andachts Eifer wider den verzweifelnden Wall- farther mit folgenden Zeilen meine Rachgier ausließ: Welch Unmenſch iſt/ der nicht der Hoffnung Weyrauch ſchenckt? Die doch des Landmanns Pflug/ des Schiffers Ruder regt/ Verliebter Leit-Stern iſt/ des Kriegsmanns Fauſt bewegt/ Halbtodte lebend macht/ Blutarme ſpeiſt und traͤnckt. Was ſie gibt/ iſt nicht Nichts; ſcheint ſie gleich nichts zu ſeyn/ Wer ohne ſie verdirbt/ geneſt durch ihre Hold. Wenn die Verſchwenderin das Gluͤcke/ Gut und Gold Uns raubt/ bringt den Verluſt die milde Hoffnung ein. Den ſiebenden Tag/ fuhr die Koͤnigin fort/ war ich die erſte im Tempel/ wie ich den Abend vorher die Pfoſten deſſelbten ſelbſt zugeſchloſſen hatte. Zu meiner hoͤchſten Verwunderung aber fand ich unter meinen Reymen nach folgen- de aufs zierlichſte in Wachs gedruͤckt: Die Hoffnung kan nicht fehln/ es muß der Wuntſch bekleiben/ Wenn wir ein Reich verſchmaͤhn/ und treu im Lieben bleiben. Dieſe ſich auf meinen Zuſtand ſo wol ſchickende Schrifft befeſtigte mein Gemuͤthe mehr als vor- hin nichts anders; weil ich ſie fuͤr nichts anders/ als fuͤr eine Goͤttliche Antwort hielt/ und ich laſſe ſie auch noch niemals aus meinen Gedancken. Thußnelde fing hierauf an: Dieſer Vor- ſchmack ihrer Zufaͤlle machte ſie ſo viel luͤſterner den voͤlligen Verlauff zu vernehmen; wordurch der Koͤnigin ein unzweifelbarer Ruhm/ ihr und Jſmenen aber eine vollkommene Vergnuͤgung erwachſen wuͤrde. Die Koͤnigin Erato ant- wortete: Es waͤre wol wahr/ daß die Geſchicht- Schreiber ſo ſor gfaͤltig waͤren die ungluͤckſeligen in ihre Zeit-Regiſter/ als die Sternſeher die Fin- ſternuͤſſe in ihre Jahr-Buͤcher aufzumercken; iedoch wuͤſte ſie nicht zu urtheilen: Ob die ruhen- den wie die fallenden Lufft-Sterne mehr Glantz/ oder/ wie der verfinſterte Monde mehr Schat- ten bekaͤmen. Einem Ungluͤckſeligen waͤre die Eindenckmachung des vergangenen Ubels zwar ſo ſchmertzhaſft/ als einem Verwundeten die An- ruͤhrung des Schadens. Daher ſie insgemein wie

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/259>, abgerufen am 22.11.2024.