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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] wie das fühlende Kraut in Egypten geartet find/
welches/ wenn man es anrühret/ seine Zweige
zurücke/ seine Blätter zusammen zeucht/ oder
gar verdorren läst. Alleine/ dafern zwo so güti-
ge Fürstinnen aus dem Nacht-Gemählde ihrer
traurigen Begebnüsse einiges Anmuths-Licht
zu holen vermeynten/ könten sie ohne den schwär-
tzesten Undanck selbtes ihnen nicht entziehen. Jh-
re Zuversicht zu so tugendhaften Heldinnen ver-
biete ihr auch das geheimste/ was sie unter ihrem
Hertzen hätte/ zu verhelen. Da es ihnendenn belie-
big wäre/ solte ihr das geringste nicht verschwie-
gen bleiben/ welches iedoch sie selbst für Weh-
muth ohne Jrrthum schwerlich würde werck-
stellig machen. Es solte aber Salonine ihre Stelle
vertreten; iedoch/ weil diese Erzehlung zugleich
eine Entdeckung ihrer Schwachheiten seyn wür-
de/ könte ihr kein grösseres Glücke begegnen/ als
da die tugendhafte Thußnelde sie hernach der
Wissenschafft ihrer Zufälle würdig machte/ die
ohne diß schon durch ihre mehrmalige Seufzer
zum Theil verrathen wären. Die Gemeinschafft
des Unglücks würde vielleicht beyden zu einer
Erleichterung/ Thußneldens Tugenden aber
ihr zu einer Richtschnur ihres künftigen Wan-
dels dienen. Thußnelde begegnete ihr: Jhre Feh-
ler könten keinen andern Wegweiser/ als zu ei-
nem Jrrgarten abgeben/ sonst aber würde es ihre
selbsteigne Erleichterung seyn/ wenn sie für einer
solchen Königin/ welche aus eigenem Betrübnüß
so viel mehr Zunder des Mitleidens gefangen
hätte/ ihr gantzes Hertz ausschütten könte. Aller
auf Saloninen gerichtete Augen nöthigten diese
numehr gleichsam durch die stumme Erinnerung
ihre Erzehlung solgender gestalt anzufangen:

Jch zweifele zwar nicht/ daß die so kluge Für-
stin Thußnelda durch das Geschrey das in der
Welt so berühmte Reich Armenien/ welches nach
dem Parthischen allen andern Asiatischen Rei-
chen an Grösse überlegen ist/ auch zum Theil
werde haben kennen lernen. Gleichwohl aber
wil ich mit wenigen Worten melden: Seinen
Nahmen soll es haben entweder von seinem er-
[Spaltenumbruch] sten Bewohner Togarma/ oder von des Helden
Melichus Vaterlande/ einer Thessalischen
Stadt Arimenus/ welchen König Pelias eben
so wol als den seiner Tugend halber zu Hause
verdächtigen Jason in Colchis nach dem gülde-
nen wieder zu schiffen genöthiget. Ob sie nun
wohl diese gefährliche Reise glücklich überstan-
den/ Jason auch seine Colchische Gemahlin Me-
dea verstieß/ und den mit ihr gezeugten Sohn
Absyrtus aufopferte/ ward er doch mit seinem
rittermässigen Hauffen von des Pelias Kindern
wieder aus dem Lande gejagt. Thußnelda fiel
ein: Es müssen die Griechischen Wüteriche mit
der denen Herrschenden so sehr verhaßten Tu-
gend noch viel gelinder/ als andere/ gebahren/ weil
sie sie alleine mit der Landsverweisung straffen/
da sonst insgemein die Tugenden den gewissesten
Unter gang nach sich ziehen/ wie Aristodemus bey
den Cumanern/ Polycelus von seinem Bruder
Hiero/ und Clytus vom grossen Alexander erfah-
ren; ja Tyrannen ihren Stul am meisten zu be-
festigen sich träumen lassen/ wenn sie nur die Tu-
gend mit Strumpf und Stiel ausrotten könten.
Aber/ fuhr Salonine fort/ vielmal gereichet ihr
auch diese Bedrängnüß nichts weniger/ als der
Sturm-Wind der schon halbtodten Flamme
zum Vortheil. Jason kam mit der wieder zu sich
genommenen Medea in Colchis/ setzte seinen ver-
stossenen Schweher-Vater Aetes wieder ins
Königreich ein/ bemächtigte sich vieler Morgen-
länder/ öffnete dem sonst die Thäler ersäuffenden
Flusse Araxes einen Außfluß in das Caspische
Meer/ weßwegen ihm daselbst Göttliche Ehre
angethan/ und viel Tempel/ besonders ein sehr
herrlicher in der Stadt Abderis/ den hernach der
Neid des Parmenio eingeäschert/ gebauet wor-
den. Nach seinem Tode richtete Medius der
Meden/ oberwehnter Armenius mit seinen zu-
sammen gezogenen Thessaliern das Armenische
Reich auf. Nach einer langen Reyhe seiner Nach-
kommen bemächtigten die Persen/ hernach die
Macedonier/ und endlich die Syrer sich dieses
mächtigen und von der Natur befestigten Reichs.

Sin-

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] wie das fuͤhlende Kraut in Egypten geartet find/
welches/ wenn man es anruͤhret/ ſeine Zweige
zuruͤcke/ ſeine Blaͤtter zuſammen zeucht/ oder
gar verdorren laͤſt. Alleine/ dafern zwo ſo guͤti-
ge Fuͤrſtinnen aus dem Nacht-Gemaͤhlde ihrer
traurigen Begebnuͤſſe einiges Anmuths-Licht
zu holen vermeynten/ koͤnten ſie ohne den ſchwaͤr-
tzeſten Undanck ſelbtes ihnen nicht entziehen. Jh-
re Zuverſicht zu ſo tugendhaften Heldinnen ver-
biete ihr auch das geheimſte/ was ſie unter ihrem
Hertzẽ haͤtte/ zu verhelen. Da es ihnendenn belie-
big waͤre/ ſolte ihr das geringſte nicht verſchwie-
gen bleiben/ welches iedoch ſie ſelbſt fuͤr Weh-
muth ohne Jrrthum ſchwerlich wuͤrde werck-
ſtellig machẽ. Es ſolte aber Salonine ihre Stelle
vertreten; iedoch/ weil dieſe Erzehlung zugleich
eine Entdeckung ihreꝛ Schwachheiten ſeyn wuͤr-
de/ koͤnte ihr kein groͤſſeres Gluͤcke begegnen/ als
da die tugendhafte Thußnelde ſie hernach der
Wiſſenſchafft ihrer Zufaͤlle wuͤrdig machte/ die
ohne diß ſchon durch ihre mehrmalige Seufzer
zum Theil verrathen waͤren. Die Gemeinſchafft
des Ungluͤcks wuͤrde vielleicht beyden zu einer
Erleichterung/ Thußneldens Tugenden aber
ihr zu einer Richtſchnur ihres kuͤnftigen Wan-
dels dienen. Thußnelde begegnete ihr: Jhre Feh-
ler koͤnten keinen andern Wegweiſer/ als zu ei-
nem Jrrgarten abgeben/ ſonſt aber wuͤrde es ihre
ſelbſteigne Erleichterung ſeyn/ wenn ſie fuͤr einer
ſolchen Koͤnigin/ welche aus eigenem Betruͤbnuͤß
ſo viel mehr Zunder des Mitleidens gefangen
haͤtte/ ihr gantzes Hertz ausſchuͤtten koͤnte. Aller
auf Saloninen gerichtete Augen noͤthigten dieſe
numehr gleichſam durch die ſtum̃e Erinnerung
ihre Erzehlung ſolgender geſtalt anzufangen:

Jch zweifele zwar nicht/ daß die ſo kluge Fuͤr-
ſtin Thußnelda durch das Geſchrey das in der
Welt ſo beruͤhmte Reich Armenien/ welches nach
dem Parthiſchen allen andern Aſiatiſchen Rei-
chen an Groͤſſe uͤberlegen iſt/ auch zum Theil
werde haben kennen lernen. Gleichwohl aber
wil ich mit wenigen Worten melden: Seinen
Nahmen ſoll es haben entweder von ſeinem er-
[Spaltenumbruch] ſten Bewohner Togarma/ oder von des Helden
Melichus Vaterlande/ einer Theſſaliſchen
Stadt Arimenus/ welchen Koͤnig Pelias eben
ſo wol als den ſeiner Tugend halber zu Hauſe
verdaͤchtigen Jaſon in Colchis nach dem guͤlde-
nen wieder zu ſchiffen genoͤthiget. Ob ſie nun
wohl dieſe gefaͤhrliche Reiſe gluͤcklich uͤberſtan-
den/ Jaſon auch ſeine Colchiſche Gemahlin Me-
dea verſtieß/ und den mit ihr gezeugten Sohn
Abſyrtus aufopferte/ ward er doch mit ſeinem
rittermaͤſſigen Hauffen von des Pelias Kindern
wieder aus dem Lande gejagt. Thußnelda fiel
ein: Es muͤſſen die Griechiſchen Wuͤteriche mit
der denen Herrſchenden ſo ſehr verhaßten Tu-
gend noch viel gelinder/ als andere/ gebahren/ weil
ſie ſie alleine mit der Landsverweiſung ſtraffen/
da ſonſt insgemein die Tugenden den gewiſſeſten
Unter gang nach ſich ziehen/ wie Ariſtodemus bey
den Cumanern/ Polycelus von ſeinem Bruder
Hiero/ und Clytus vom groſſen Alexander erfah-
ren; ja Tyrannen ihren Stul am meiſten zu be-
feſtigen ſich traͤumen laſſen/ wenn ſie nur die Tu-
gend mit Strumpf und Stiel ausrotten koͤnten.
Aber/ fuhr Salonine fort/ vielmal gereichet ihr
auch dieſe Bedraͤngnuͤß nichts weniger/ als der
Sturm-Wind der ſchon halbtodten Flamme
zum Vortheil. Jaſon kam mit der wieder zu ſich
genommenen Medea in Colchis/ ſetzte ſeinen ver-
ſtoſſenen Schweher-Vater Aetes wieder ins
Koͤnigreich ein/ bemaͤchtigte ſich vieler Morgen-
laͤnder/ oͤffnete dem ſonſt die Thaͤler erſaͤuffenden
Fluſſe Araxes einen Außfluß in das Caſpiſche
Meer/ weßwegen ihm daſelbſt Goͤttliche Ehre
angethan/ und viel Tempel/ beſonders ein ſehr
herrlicher in der Stadt Abderis/ den hernach der
Neid des Parmenio eingeaͤſchert/ gebauet wor-
den. Nach ſeinem Tode richtete Medius der
Meden/ oberwehnter Armenius mit ſeinen zu-
ſammen gezogenen Theſſaliern das Armeniſche
Reich auf. Nach einer langen Reyhe ſeiner Nach-
kommen bemaͤchtigten die Perſen/ hernach die
Macedonier/ und endlich die Syrer ſich dieſes
maͤchtigen und von der Natur befeſtigten Reichs.

Sin-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/260>, abgerufen am 22.11.2024.