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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch]
Der Bau hler ist ein Bild Dejocens Hand und Stärcke/
Die so viel Städt einriß/ und Länder äschert ein.
Jn welchem mag nun wol Dejoces grösser seyn?
Er brach nur Mauren ab/ hier baut er Wunderwercke.
Zet malmte Stein und Kalck/ erhöhte Gold für Koth.
Jn jenem war er nur ein Mensch/ in dem ein Gott.

Alle andere Bilder/ sagte Salonine/ haben
dar ihre denckwürdige Uberschriften; ich wil aber
alle/ ausser dieselbe/ verschweigen/ welche Arta-
vasdes unter des letzthin überwundenen Crassus
Kopf/ welchen ein Griechischer Bildhauer aus
Alabaster gemacht/ und ihm verehret hatte/
schreiben ließ:

Des geitz' gen Crassus Kopf ist zwar nur schlechter Stein/
Doch ist er güldner hier/ als wo er Gold schlingt ein.

Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein
Wegweiser der andern Haupt-Stadt Phraa-
ta/ ja des Königes Artavasdes Gefängnüß ein
Schlüssel zu dem gantzen Medischen Reiche/
welches ihren König als einen Störer der allge-
meinen Ruh verfluchte/ und dem Artaxias fast
Göttliche Ehre anthat. Unter andern liessen die
Reichs-Stände sein Bildnüß aus dichtem Gol-
de giessen/ stellten es mitten in den Tempel der
Sonnen/ und schrieben darbey: Dem gros-
sen Artaxias/ dem dritten Erhalter der
Meden.
Also liebkoset die Heucheley nicht
nur den Lastern/ sondern auch der Tugend.
Wenn sie aber ihre Larve wegwirfft/ übt sie ihre
Gramschafft nicht minder gegen diese/ als gegen
jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach
Eigenschafft der Heucheley in nichts wesentli-
chem/ sondern auf eitelem Scheine bestünde/ und
ihre Schönheit nur betrüglicher Firnüß wäre/
wie der Verlauff ausweisen wird. Weil nun
aber/ wie die Glieder an der Kette/ also auch ein
Glück an dem andern hängt/ war es nicht ge-
nung/ daß Artaxias das Königreich Armenien
wieder gewonnen/ und sich noch darzu zum Her-
ren der Meden gemacht hatte/ sondern seine Ge-
mahlin Olympia kam auch in den Tempel der
Sonnen/ dahin sie sich aus Andacht verfügt hat-
[Spaltenumbruch] te/ mit der hier anwesenden Königin Erato
und einem jungen Herrn/ und zwar gleich mit
aufgehender Sonne darnieder/ als die in und
ausser des Tempels aus vergüldetem Kupfer
gemachte Himmels - Kugeln entweder durch
Zauberey/ oder durch heimliche Krafft solchen
Gestirnes feurig und klingend zu werden anfin-
gen. Die Wahrsager wusten nicht genung
auszusprechen/ wie viel Gutes das Verhäng-
nüß diesen zwey neugebornen Kindern zudächte.
Denn über diese merckwürdige Zeit war der Ort
der Geburt der Meden gröstes Heiligthum/ und
ein vollkommenes Nach-Gemächte des Jndiani-
schen Sonnen-Tempels/ welchen Porus dem
grossen Alexander zu Ehren gebauet/ sein Bild
einmal stehende/ und denn auch zu Roße aus
dichtem Golde/ des Ajax aus Helffen-Bein/
sein eigenes dem Leben nach fünf Ellenbogen
hoch darein gesetzet hatte/ und darinnen die
Säulen des Tempels mit Feuerfärbichtem
Marmel/ und gleichsam blitzendem Golde ge-
zieret/ die Bödeme aber mit Perlen eingelegt
waren. Jhre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich
ans Licht. Denn als Artaxias zurück in Ar-
menien kehrte/ und auf dem Flusse Tigris durch
den Arethusischen See fuhr/ gerieth das eine
Schiff/ worauf die Königlichen Kinder waren/
auf einen Steinfels/ daß es zu scheitern ging.
Ob nun wol die Bootsleute das Fräulein mit
Nachschwimmen aus dem Wasser brachten/ so
ward doch die Wiege/ darinnen der junge Fürst
Artaxias lag/ von dem Strome davon gerissen;
und wie fleissig man auch an den Ufern nachsuch-
te/ von ihm das geringste Merckmal nicht ge-
funden. Die Trauer-Fälle sind mitten zwi-
schen vielem Glücke am empfindlichsten/ da-
hero gieng dieser dem Artaxias so viel mehr
zu Gemüthe. Denn grosse Gemüther ver-
mögen zwar/ wie die Erdkugel/ beständig/ aber
nicht unbeweglich zu seyn. Helden haben eben
so wenig Diamantene Augen ohne Thränen/
und stählerne Hertzen ohne Fühlen/ als andere.
Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall

be-
Drittes Buch
[Spaltenumbruch]
Der Bau hler iſt ein Bild Dejocens Hand und Staͤrcke/
Die ſo viel Staͤdt einriß/ und Laͤnder aͤſchert ein.
Jn welchem mag nun wol Dejoces groͤſſer ſeyn?
Er brach nur Mauren ab/ hier baut er Wunderwercke.
Zet malmte Stein und Kalck/ erhoͤhte Gold fuͤr Koth.
Jn jenem war er nur ein Menſch/ in dem ein Gott.

Alle andere Bilder/ ſagte Salonine/ haben
dar ihre denckwuͤrdige Uberſchriften; ich wil aber
alle/ auſſer dieſelbe/ verſchweigen/ welche Arta-
vasdes unter des letzthin uͤberwundenen Craſſus
Kopf/ welchen ein Griechiſcher Bildhauer aus
Alabaſter gemacht/ und ihm verehret hatte/
ſchreiben ließ:

Des geitz’ gen Craſſus Kopf iſt zwar nur ſchlechter Stein/
Doch iſt er guͤldner hier/ als wo er Gold ſchlingt ein.

Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein
Wegweiſer der andern Haupt-Stadt Phraa-
ta/ ja des Koͤniges Artavasdes Gefaͤngnuͤß ein
Schluͤſſel zu dem gantzen Mediſchen Reiche/
welches ihren Koͤnig als einen Stoͤrer der allge-
meinen Ruh verfluchte/ und dem Artaxias faſt
Goͤttliche Ehre anthat. Unter andern lieſſen die
Reichs-Staͤnde ſein Bildnuͤß aus dichtem Gol-
de gieſſen/ ſtellten es mitten in den Tempel der
Sonnen/ und ſchrieben darbey: Dem groſ-
ſen Artaxias/ dem dritten Erhalter der
Meden.
Alſo liebkoſet die Heucheley nicht
nur den Laſtern/ ſondern auch der Tugend.
Wenn ſie aber ihre Larve wegwirfft/ uͤbt ſie ihre
Gramſchafft nicht minder gegen dieſe/ als gegen
jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach
Eigenſchafft der Heucheley in nichts weſentli-
chem/ ſondern auf eitelem Scheine beſtuͤnde/ und
ihre Schoͤnheit nur betruͤglicher Firnuͤß waͤre/
wie der Verlauff ausweiſen wird. Weil nun
aber/ wie die Glieder an der Kette/ alſo auch ein
Gluͤck an dem andern haͤngt/ war es nicht ge-
nung/ daß Artaxias das Koͤnigreich Armenien
wieder gewonnen/ und ſich noch darzu zum Her-
ren der Meden gemacht hatte/ ſondern ſeine Ge-
mahlin Olympia kam auch in den Tempel der
Sonnen/ dahin ſie ſich aus Andacht verfuͤgt hat-
[Spaltenumbruch] te/ mit der hier anweſenden Koͤnigin Erato
und einem jungen Herrn/ und zwar gleich mit
aufgehender Sonne darnieder/ als die in und
auſſer des Tempels aus verguͤldetem Kupfer
gemachte Himmels - Kugeln entweder durch
Zauberey/ oder durch heimliche Krafft ſolchen
Geſtirnes feurig und klingend zu werden anfin-
gen. Die Wahrſager wuſten nicht genung
auszuſprechen/ wie viel Gutes das Verhaͤng-
nuͤß dieſen zwey neugebornen Kindern zudaͤchte.
Denn uͤber dieſe merckwuͤrdige Zeit war der Ort
der Geburt der Meden groͤſtes Heiligthum/ und
ein vollkom̃enes Nach-Gemaͤchte des Jndiani-
ſchen Sonnen-Tempels/ welchen Porus dem
groſſen Alexander zu Ehren gebauet/ ſein Bild
einmal ſtehende/ und denn auch zu Roße aus
dichtem Golde/ des Ajax aus Helffen-Bein/
ſein eigenes dem Leben nach fuͤnf Ellenbogen
hoch darein geſetzet hatte/ und darinnen die
Saͤulen des Tempels mit Feuerfaͤrbichtem
Marmel/ und gleichſam blitzendem Golde ge-
zieret/ die Boͤdeme aber mit Perlen eingelegt
waren. Jhre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich
ans Licht. Denn als Artaxias zuruͤck in Ar-
menien kehrte/ und auf dem Fluſſe Tigris durch
den Arethuſiſchen See fuhr/ gerieth das eine
Schiff/ worauf die Koͤniglichen Kinder waren/
auf einen Steinfels/ daß es zu ſcheitern ging.
Ob nun wol die Bootsleute das Fraͤulein mit
Nachſchwimmen aus dem Waſſer brachten/ ſo
ward doch die Wiege/ darinnen der junge Fuͤrſt
Artaxias lag/ von dem Strome davon geriſſen;
und wie fleiſſig man auch an den Ufern nachſuch-
te/ von ihm das geringſte Merckmal nicht ge-
funden. Die Trauer-Faͤlle ſind mitten zwi-
ſchen vielem Gluͤcke am empfindlichſten/ da-
hero gieng dieſer dem Artaxias ſo viel mehr
zu Gemuͤthe. Denn groſſe Gemuͤther ver-
moͤgen zwar/ wie die Erdkugel/ beſtaͤndig/ aber
nicht unbeweglich zu ſeyn. Helden haben eben
ſo wenig Diamantene Augen ohne Thraͤnen/
und ſtaͤhlerne Hertzen ohne Fuͤhlen/ als andere.
Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall

be-
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[228/0280] Drittes Buch Der Bau hler iſt ein Bild Dejocens Hand und Staͤrcke/ Die ſo viel Staͤdt einriß/ und Laͤnder aͤſchert ein. Jn welchem mag nun wol Dejoces groͤſſer ſeyn? Er brach nur Mauren ab/ hier baut er Wunderwercke. Zet malmte Stein und Kalck/ erhoͤhte Gold fuͤr Koth. Jn jenem war er nur ein Menſch/ in dem ein Gott. Alle andere Bilder/ ſagte Salonine/ haben dar ihre denckwuͤrdige Uberſchriften; ich wil aber alle/ auſſer dieſelbe/ verſchweigen/ welche Arta- vasdes unter des letzthin uͤberwundenen Craſſus Kopf/ welchen ein Griechiſcher Bildhauer aus Alabaſter gemacht/ und ihm verehret hatte/ ſchreiben ließ: Des geitz’ gen Craſſus Kopf iſt zwar nur ſchlechter Stein/ Doch iſt er guͤldner hier/ als wo er Gold ſchlingt ein. Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein Wegweiſer der andern Haupt-Stadt Phraa- ta/ ja des Koͤniges Artavasdes Gefaͤngnuͤß ein Schluͤſſel zu dem gantzen Mediſchen Reiche/ welches ihren Koͤnig als einen Stoͤrer der allge- meinen Ruh verfluchte/ und dem Artaxias faſt Goͤttliche Ehre anthat. Unter andern lieſſen die Reichs-Staͤnde ſein Bildnuͤß aus dichtem Gol- de gieſſen/ ſtellten es mitten in den Tempel der Sonnen/ und ſchrieben darbey: Dem groſ- ſen Artaxias/ dem dritten Erhalter der Meden. Alſo liebkoſet die Heucheley nicht nur den Laſtern/ ſondern auch der Tugend. Wenn ſie aber ihre Larve wegwirfft/ uͤbt ſie ihre Gramſchafft nicht minder gegen dieſe/ als gegen jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach Eigenſchafft der Heucheley in nichts weſentli- chem/ ſondern auf eitelem Scheine beſtuͤnde/ und ihre Schoͤnheit nur betruͤglicher Firnuͤß waͤre/ wie der Verlauff ausweiſen wird. Weil nun aber/ wie die Glieder an der Kette/ alſo auch ein Gluͤck an dem andern haͤngt/ war es nicht ge- nung/ daß Artaxias das Koͤnigreich Armenien wieder gewonnen/ und ſich noch darzu zum Her- ren der Meden gemacht hatte/ ſondern ſeine Ge- mahlin Olympia kam auch in den Tempel der Sonnen/ dahin ſie ſich aus Andacht verfuͤgt hat- te/ mit der hier anweſenden Koͤnigin Erato und einem jungen Herrn/ und zwar gleich mit aufgehender Sonne darnieder/ als die in und auſſer des Tempels aus verguͤldetem Kupfer gemachte Himmels - Kugeln entweder durch Zauberey/ oder durch heimliche Krafft ſolchen Geſtirnes feurig und klingend zu werden anfin- gen. Die Wahrſager wuſten nicht genung auszuſprechen/ wie viel Gutes das Verhaͤng- nuͤß dieſen zwey neugebornen Kindern zudaͤchte. Denn uͤber dieſe merckwuͤrdige Zeit war der Ort der Geburt der Meden groͤſtes Heiligthum/ und ein vollkom̃enes Nach-Gemaͤchte des Jndiani- ſchen Sonnen-Tempels/ welchen Porus dem groſſen Alexander zu Ehren gebauet/ ſein Bild einmal ſtehende/ und denn auch zu Roße aus dichtem Golde/ des Ajax aus Helffen-Bein/ ſein eigenes dem Leben nach fuͤnf Ellenbogen hoch darein geſetzet hatte/ und darinnen die Saͤulen des Tempels mit Feuerfaͤrbichtem Marmel/ und gleichſam blitzendem Golde ge- zieret/ die Boͤdeme aber mit Perlen eingelegt waren. Jhre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich ans Licht. Denn als Artaxias zuruͤck in Ar- menien kehrte/ und auf dem Fluſſe Tigris durch den Arethuſiſchen See fuhr/ gerieth das eine Schiff/ worauf die Koͤniglichen Kinder waren/ auf einen Steinfels/ daß es zu ſcheitern ging. Ob nun wol die Bootsleute das Fraͤulein mit Nachſchwimmen aus dem Waſſer brachten/ ſo ward doch die Wiege/ darinnen der junge Fuͤrſt Artaxias lag/ von dem Strome davon geriſſen; und wie fleiſſig man auch an den Ufern nachſuch- te/ von ihm das geringſte Merckmal nicht ge- funden. Die Trauer-Faͤlle ſind mitten zwi- ſchen vielem Gluͤcke am empfindlichſten/ da- hero gieng dieſer dem Artaxias ſo viel mehr zu Gemuͤthe. Denn groſſe Gemuͤther ver- moͤgen zwar/ wie die Erdkugel/ beſtaͤndig/ aber nicht unbeweglich zu ſeyn. Helden haben eben ſo wenig Diamantene Augen ohne Thraͤnen/ und ſtaͤhlerne Hertzen ohne Fuͤhlen/ als andere. Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall be-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/280>, abgerufen am 22.11.2024.