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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] und Cneus Apronius der Stadt Apollonia.
Antiochus schützte hingegen für/ der gecreutzig-
te Gesandte wäre kein Römischer/ sondern sei-
nes Brudern/ ja nicht ein Gesandter/ sondern
ein Auffwiegler und Meuchel-Mörder gewest.
Zu dessen Beweiß er unterschiedene Zeugnisse
und Uhrkunden fürlegte. Die Unversehrlig-
keit einer Botschafft währete nicht länger/ als
ihre Unschuld. Alle Freyheiten würden durch
Mißbrauch verspielet. Weil nun das heilige
Amt eines Gesandten kein Deckmantel unstraf-
barer Boßheit seyn solte/ hätte er zu Beschir-
mung seiner Hoheit/ und zur Sicherheit seiner
selbst billich Urthel und Recht über ihn ergehen
lassen. Hätten doch die Römer den Tarenti-
nischen Gesandten Phileas/ welcher nur
durch Bestechung der Auffseher zwey Taren-
tinische Geissel von Rom wegspielen wollen/ mit
Ruthen gestrichen/ und vom Tarpeji chen Fel-
sen gestürtzet. Für wenigen Jahren hätte der
Schutzherr Hiberniens des Königlichen Ge-
sandten aus den glückseligen Eylanden Bruder
wegen eines gemeinen Todschlages enthaupten
lassen. Warum solte ein König nun nicht
den/ der ihm nach Reich und Leben strebt/ den
Gesetzen und dem Richterstuhl unterwerffen?
Allein ihm ward begegnet: Das Unrecht eines
Gesandten ginge auch den an/ zu dem er ge-
schickt würde. Als die Antiater die nach Rom
von Sicilien abgesertigte Botschafft eingeker-
ckert hätten/ wären die Römer am ersten wider
sie zu Felde gezogen. Hätte ein Gesandter
was verwürcket/ stünde das Erkäntniß seinem
Herrn zu/ dem er zu Bestraffung abgefolgt wer-
den müste. Als der grosse Alexander Tyrus
erobert/ habe er zwar zweytausend Bürger ge-
creutziget/ denen Carthaginensischen Gesand-
ten aber kein Haar krümmen lassen/ ob sie
schon wider ihn geschickt waren/ und die Stadt
gegen ihn zur Hartnäckigkeit verhetzt hatten.
Als Rom den Phileas gestrafft/ wäre Tarent
schon den Römern unterthänig gewest. An-
[Spaltenumbruch] tiochus zog endlich unterschiedene Schreiben der
Königin Arimanthe heraus/ daraus er beschei-
nigte/ daß sie und König Sitas an ihres Ge-
sandten Lastern Theil und Wohlgefallen/ als er
sich von den Mitschuldigen keiner Gerechtigkeit
zu versehen gehabt hätte. Dessen aber allem
ungeachtet/ sprach der Rath ihm auff deß in die
Arimanthe verliebten Augustus Befehl den
Kopff ab/ welch grausames Urthel auch an ihm
unerhörter Weise vollzogen ward. Alleine dieser
Streich zielete noch auff einen grössern Kopff/
nemlich den Artaxias/ gegen den sich nun mehr
durch Hinrichtung sein es Schwagers des Au-
gustus Haß so vielmehr vergrösserte/ nach dem
es des menschlichen Geschlechts Eigenschafft ist/
den zu hassen/ den wir verletzt haben. Gleichwol
aber hielt den Augustus die Macht und Tapf-
ferkeit des Artaxias/ und das Bündniß mit den
Parthen zurücke/ sich gegen ihn öffentlich Feind
zu erklären/ ungeachtet er hörte/ daß des Artaxi-
as Schwester mit dem von Rom überkomme-
nen blutigen Kopffe ihres Gemahls zum Arta-
xias gezogen war/ und ihn um Schirm und Ra-
che mit beweglichen Thränen anflehete. Die-
semnach sahe er nach durch List ihm ein Bein un-
terschlagen/ und befand des Artaxias eigenen
Bruder Artabazes/ der nebst dem Tigranes
vom Antonius aus Armenien gefangen wegge-
führet/ und zu Bedienung dem Tiberius zuge-
eignet war/ zu einem tauglichen Werckzeuge.
Denn er war ein Mensch von Natur zu allen
Lastern geneigt/ und die Gemeinschafft mit
dem Tiberius hatte ihm diese Lehre fest einge-
präget/ daß des Herrschens wegen nicht nur
alle Rechte verletzt/ das Gewissen an Na-
gel gehenckt/ sondern auch das Geblüte in
Galle verwandelt werden müste. Dieser ward
zu einem schönen Vorwand/ daß der Käyser
nur dem Verbrechen des Antiochus nicht sei-
nem Geschlechte gram sey/ König in Comagene
erkläret/ und/ die Warheit zu sagen/ Artaxias
hierdurch nicht alleine besänfftiget/ sondern

auch

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] und Cneus Apronius der Stadt Apollonia.
Antiochus ſchuͤtzte hingegen fuͤr/ der gecreutzig-
te Geſandte waͤre kein Roͤmiſcher/ ſondern ſei-
nes Brudern/ ja nicht ein Geſandter/ ſondern
ein Auffwiegler und Meuchel-Moͤrder geweſt.
Zu deſſen Beweiß er unterſchiedene Zeugniſſe
und Uhrkunden fuͤrlegte. Die Unverſehrlig-
keit einer Botſchafft waͤhrete nicht laͤnger/ als
ihre Unſchuld. Alle Freyheiten wuͤrden durch
Mißbrauch verſpielet. Weil nun das heilige
Amt eines Geſandten kein Deckmantel unſtraf-
barer Boßheit ſeyn ſolte/ haͤtte er zu Beſchir-
mung ſeiner Hoheit/ und zur Sicherheit ſeiner
ſelbſt billich Urthel und Recht uͤber ihn ergehen
laſſen. Haͤtten doch die Roͤmer den Tarenti-
niſchen Geſandten Phileas/ welcher nur
durch Beſtechung der Auffſeher zwey Taren-
tiniſche Geiſſel von Rom wegſpielen wollen/ mit
Ruthen geſtrichen/ und vom Tarpeji chen Fel-
ſen geſtuͤrtzet. Fuͤr wenigen Jahren haͤtte der
Schutzherr Hiberniens des Koͤniglichen Ge-
ſandten aus den gluͤckſeligen Eylanden Bruder
wegen eines gemeinen Todſchlages enthaupten
laſſen. Warum ſolte ein Koͤnig nun nicht
den/ der ihm nach Reich und Leben ſtrebt/ den
Geſetzen und dem Richterſtuhl unterwerffen?
Allein ihm ward begegnet: Das Unrecht eines
Geſandten ginge auch den an/ zu dem er ge-
ſchickt wuͤrde. Als die Antiater die nach Rom
von Sicilien abgeſertigte Botſchafft eingeker-
ckert haͤtten/ waͤren die Roͤmer am erſten wider
ſie zu Felde gezogen. Haͤtte ein Geſandter
was verwuͤrcket/ ſtuͤnde das Erkaͤntniß ſeinem
Herrn zu/ dem er zu Beſtraffung abgefolgt wer-
den muͤſte. Als der groſſe Alexander Tyrus
erobert/ habe er zwar zweytauſend Buͤrger ge-
creutziget/ denen Carthaginenſiſchen Geſand-
ten aber kein Haar kruͤmmen laſſen/ ob ſie
ſchon wider ihn geſchickt waren/ und die Stadt
gegen ihn zur Hartnaͤckigkeit verhetzt hatten.
Als Rom den Phileas geſtrafft/ waͤre Tarent
ſchon den Roͤmern unterthaͤnig geweſt. An-
[Spaltenumbruch] tiochus zog endlich unterſchiedene Schreiben der
Koͤnigin Arimanthe heraus/ daraus er beſchei-
nigte/ daß ſie und Koͤnig Sitas an ihres Ge-
ſandten Laſtern Theil und Wohlgefallen/ als er
ſich von den Mitſchuldigen keiner Gerechtigkeit
zu verſehen gehabt haͤtte. Deſſen aber allem
ungeachtet/ ſprach der Rath ihm auff deß in die
Arimanthe verliebten Auguſtus Befehl den
Kopff ab/ welch grauſames Urthel auch an ihm
unerhoͤrter Weiſe vollzogen ward. Alleine dieſer
Streich zielete noch auff einen groͤſſern Kopff/
nemlich den Artaxias/ gegen den ſich nun mehr
durch Hinrichtung ſein es Schwagers des Au-
guſtus Haß ſo vielmehr vergroͤſſerte/ nach dem
es des menſchlichen Geſchlechts Eigenſchafft iſt/
den zu haſſen/ den wir verletzt haben. Gleichwol
aber hielt den Auguſtus die Macht und Tapf-
ferkeit des Artaxias/ und das Buͤndniß mit den
Parthen zuruͤcke/ ſich gegen ihn oͤffentlich Feind
zu erklaͤren/ ungeachtet er hoͤrte/ daß des Artaxi-
as Schweſter mit dem von Rom uͤberkomme-
nen blutigen Kopffe ihres Gemahls zum Arta-
xias gezogen war/ und ihn um Schirm und Ra-
che mit beweglichen Thraͤnen anflehete. Die-
ſemnach ſahe er nach durch Liſt ihm ein Bein un-
terſchlagen/ und befand des Artaxias eigenen
Bruder Artabazes/ der nebſt dem Tigranes
vom Antonius aus Armenien gefangen wegge-
fuͤhret/ und zu Bedienung dem Tiberius zuge-
eignet war/ zu einem tauglichen Werckzeuge.
Denn er war ein Menſch von Natur zu allen
Laſtern geneigt/ und die Gemeinſchafft mit
dem Tiberius hatte ihm dieſe Lehre feſt einge-
praͤget/ daß des Herrſchens wegen nicht nur
alle Rechte verletzt/ das Gewiſſen an Na-
gel gehenckt/ ſondern auch das Gebluͤte in
Galle verwandelt werden muͤſte. Dieſer ward
zu einem ſchoͤnen Vorwand/ daß der Kaͤyſer
nur dem Verbrechen des Antiochus nicht ſei-
nem Geſchlechte gram ſey/ Koͤnig in Comagene
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hierdurch nicht alleine beſaͤnfftiget/ ſondern

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[232/0284] Drittes Buch und Cneus Apronius der Stadt Apollonia. Antiochus ſchuͤtzte hingegen fuͤr/ der gecreutzig- te Geſandte waͤre kein Roͤmiſcher/ ſondern ſei- nes Brudern/ ja nicht ein Geſandter/ ſondern ein Auffwiegler und Meuchel-Moͤrder geweſt. Zu deſſen Beweiß er unterſchiedene Zeugniſſe und Uhrkunden fuͤrlegte. Die Unverſehrlig- keit einer Botſchafft waͤhrete nicht laͤnger/ als ihre Unſchuld. Alle Freyheiten wuͤrden durch Mißbrauch verſpielet. Weil nun das heilige Amt eines Geſandten kein Deckmantel unſtraf- barer Boßheit ſeyn ſolte/ haͤtte er zu Beſchir- mung ſeiner Hoheit/ und zur Sicherheit ſeiner ſelbſt billich Urthel und Recht uͤber ihn ergehen laſſen. Haͤtten doch die Roͤmer den Tarenti- niſchen Geſandten Phileas/ welcher nur durch Beſtechung der Auffſeher zwey Taren- tiniſche Geiſſel von Rom wegſpielen wollen/ mit Ruthen geſtrichen/ und vom Tarpeji chen Fel- ſen geſtuͤrtzet. Fuͤr wenigen Jahren haͤtte der Schutzherr Hiberniens des Koͤniglichen Ge- ſandten aus den gluͤckſeligen Eylanden Bruder wegen eines gemeinen Todſchlages enthaupten laſſen. Warum ſolte ein Koͤnig nun nicht den/ der ihm nach Reich und Leben ſtrebt/ den Geſetzen und dem Richterſtuhl unterwerffen? Allein ihm ward begegnet: Das Unrecht eines Geſandten ginge auch den an/ zu dem er ge- ſchickt wuͤrde. Als die Antiater die nach Rom von Sicilien abgeſertigte Botſchafft eingeker- ckert haͤtten/ waͤren die Roͤmer am erſten wider ſie zu Felde gezogen. Haͤtte ein Geſandter was verwuͤrcket/ ſtuͤnde das Erkaͤntniß ſeinem Herrn zu/ dem er zu Beſtraffung abgefolgt wer- den muͤſte. Als der groſſe Alexander Tyrus erobert/ habe er zwar zweytauſend Buͤrger ge- creutziget/ denen Carthaginenſiſchen Geſand- ten aber kein Haar kruͤmmen laſſen/ ob ſie ſchon wider ihn geſchickt waren/ und die Stadt gegen ihn zur Hartnaͤckigkeit verhetzt hatten. Als Rom den Phileas geſtrafft/ waͤre Tarent ſchon den Roͤmern unterthaͤnig geweſt. An- tiochus zog endlich unterſchiedene Schreiben der Koͤnigin Arimanthe heraus/ daraus er beſchei- nigte/ daß ſie und Koͤnig Sitas an ihres Ge- ſandten Laſtern Theil und Wohlgefallen/ als er ſich von den Mitſchuldigen keiner Gerechtigkeit zu verſehen gehabt haͤtte. Deſſen aber allem ungeachtet/ ſprach der Rath ihm auff deß in die Arimanthe verliebten Auguſtus Befehl den Kopff ab/ welch grauſames Urthel auch an ihm unerhoͤrter Weiſe vollzogen ward. Alleine dieſer Streich zielete noch auff einen groͤſſern Kopff/ nemlich den Artaxias/ gegen den ſich nun mehr durch Hinrichtung ſein es Schwagers des Au- guſtus Haß ſo vielmehr vergroͤſſerte/ nach dem es des menſchlichen Geſchlechts Eigenſchafft iſt/ den zu haſſen/ den wir verletzt haben. Gleichwol aber hielt den Auguſtus die Macht und Tapf- ferkeit des Artaxias/ und das Buͤndniß mit den Parthen zuruͤcke/ ſich gegen ihn oͤffentlich Feind zu erklaͤren/ ungeachtet er hoͤrte/ daß des Artaxi- as Schweſter mit dem von Rom uͤberkomme- nen blutigen Kopffe ihres Gemahls zum Arta- xias gezogen war/ und ihn um Schirm und Ra- che mit beweglichen Thraͤnen anflehete. Die- ſemnach ſahe er nach durch Liſt ihm ein Bein un- terſchlagen/ und befand des Artaxias eigenen Bruder Artabazes/ der nebſt dem Tigranes vom Antonius aus Armenien gefangen wegge- fuͤhret/ und zu Bedienung dem Tiberius zuge- eignet war/ zu einem tauglichen Werckzeuge. Denn er war ein Menſch von Natur zu allen Laſtern geneigt/ und die Gemeinſchafft mit dem Tiberius hatte ihm dieſe Lehre feſt einge- praͤget/ daß des Herrſchens wegen nicht nur alle Rechte verletzt/ das Gewiſſen an Na- gel gehenckt/ ſondern auch das Gebluͤte in Galle verwandelt werden muͤſte. Dieſer ward zu einem ſchoͤnen Vorwand/ daß der Kaͤyſer nur dem Verbrechen des Antiochus nicht ſei- nem Geſchlechte gram ſey/ Koͤnig in Comagene erklaͤret/ und/ die Warheit zu ſagen/ Artaxias hierdurch nicht alleine beſaͤnfftiget/ ſondern auch

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/284>, abgerufen am 22.11.2024.