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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Artaxias sich aufhalte/ genau nachforschen sol-
ten. Die scharffsinnige Olympia dachte also-
fort nach/ an was für Klippen sich die Zornwel-
len dieses blutdürstigen Wüterichs gestossen ha-
ben müsten. Alleine sie konte selbte unschwer
im Spiegel ihrer unvergleichlichen Schönheit/
und durchdringenden Anmuth/ als ihrer vorhin
schon geprüften zwey ärgsten Feinde/ finden;
welche zwey Amazonen nicht nur auf die weiche
Schwanen/ sondern auch auf die Tieger- und
Bären-Jagt zu ziehen/ ja den Panthern die
Klauen/ und den Löwen die Rachen zu hemmen
mächtig sind. Die Bluts-Freundschafft kon-
te diesen Unmenschen/ der mit seines eigenen
Bruders Blute seine Taffel bespritzt hatte/ und
nach seinem überbliebenen Erben so scharffe
Fragen verordnete/ nicht gezähmet haben. Da-
her konte sie ihr an den Fingern ausrechnen/
und/ als sie diesen Wüterich nur zum andern
mal ins Gesichte kriegte/ ihm leicht an der Stir-
ne ansehen/ daß er in sie verliebt worden/ als so
viel mehr vernünftiger nachsinnen/ wie sie dem
andräuenden Sturme seiner Uppigkeit hertz-
hafft begegnen solte. Wie nun die Liebe frey-
lich das übermüthige Glücke zu demüthigen be-
mühet/ und der Sieger ein Leibeigner seiner
Gefangenen worden war; Also dachte Olym-
pia auf keine Weise wieder überwunden zu wer-
den. Jn ihrem schönen Leibe wohnte noch ein
grösser Hertze; Jhre Keuschheit war mit einer
so grossen Hertzhafftigkeit ausgerüstet/ daß ihr
auch aller Welt Annehmligkeit keine neue Liebe
eindrücken/ keine höllische Marter sie den Pfad
der Tugend zu verlassen/ bewegen konte/ und
daher war ihr fester Schluß/ Artabazens vermu-
thetes Liebkosen zu verlachen/ und seinen Dräu-
ungen Hohn zu bieten. Aber die unausleschli-
che Liebe ihres Artaxias stellete ihr seinen Geist
für Augen/ welcher sie mit aufgehobenen Hän-
den und Darzeigung seiner Wunden um Rache
gegen seinem mördrischen Bruder anflehete.
Wo aber solte die schwache Hindin/ die selbst von
den Klauen dieses Wolffes zerrissen zu werden
[Spaltenumbruch] alle Augenblicke besorgen muste/ Rache und
Kräfften finden? Endlich zeigte ihr die Liebe ei-
nen Weg durch die Liebe. Denn als Artabazes
das dritte mal zu Olympien in das Zimmer kam/
wischte er ihr selbst die Thränen von den Wan-
gen/ verkleinerte ihr die bißherigen Trauerfälle
mit dem gewöhnlichen Wechsel des Glückes/
und ließ sich heraus: Es hätte wol ehe einer/ die
in grössere Finsterniß gestürtzt worden/ die Son-
ne geschienen. Wie er nun an Olympien we-
niger Ungebehrdung/ als ihn die Grösse ihres
Elendes besorgen ließ/ vermerckte/ ward er den
vierdten Tag gegen ihr so offenhertzig/ daß er/
ohne Verblümung/ seine Liebe entdeckte/ und
wie sie durch ihre Zuneigung die Staffel ihrer
königlichen Würde alsofort wieder betreten kön-
te/ mit höchster Betheuerung seiner Aufrichtig-
keit meisterlich und vermessen fürzubilden wu-
ste. Sintemal ihm das lachende Glücke ohne
diß eingebildet hatte/ daß in der eroberten Stadt
Artaxata nichts unüberwindliches/ und so gar
alle Seelen gegen ihm entwaffnet wären. O-
lympie muste bey diesem Angriffe alle Kräfften
ihrer Seele zusammen ziehen/ um die in ihrem
Hertzen hellodernde Rache und den Zunder der
Tugend verbergen. Denn die annehmlichen
Anfechtungen müssen mit keiner rasenden Un-
gedult überwunden/ noch/ wenn man sich des
Gefängnisses erledigen will/ der Kercker-Mei-
ster ermordet/ am wenigsten/ um sich des Hals-
Eisens loß zu machen/ der eigene Kopf abge-
schnitten werden. Dahero ließ sie sich gegen ihm
heraus: Sie bescheidete sich wol/ daß wenn sie
auch Bäume ausrisse/ sie ihren Gemahl nicht
lebendig machen könte; daß unter Fürstlichen
Brüdern wol mehrmal Zwist und Feindschafft
erwachsen/ und daß es erträglicher wäre den
Sterbekittel an/ als den Königlichen Purpur
auszuziehen/ aber ihre Niedrigkeit verbiete ihr
wol ihr ein solches Glücke träumen zulassen/
daß der so mächtige in der Schoß der Römer
und des Glückes sitzende Artabazes/ welchem
der Käyser seine eigene Tochter nicht versagen

wür-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Artaxias ſich aufhalte/ genau nachforſchen ſol-
ten. Die ſcharffſinnige Olympia dachte alſo-
fort nach/ an was fuͤr Klippen ſich die Zornwel-
len dieſes blutduͤrſtigen Wuͤterichs geſtoſſen ha-
ben muͤſten. Alleine ſie konte ſelbte unſchwer
im Spiegel ihrer unvergleichlichen Schoͤnheit/
und durchdringenden Anmuth/ als ihrer vorhin
ſchon gepruͤften zwey aͤrgſten Feinde/ finden;
welche zwey Amazonen nicht nur auf die weiche
Schwanen/ ſondern auch auf die Tieger- und
Baͤren-Jagt zu ziehen/ ja den Panthern die
Klauen/ und den Loͤwen die Rachen zu hemmen
maͤchtig ſind. Die Bluts-Freundſchafft kon-
te dieſen Unmenſchen/ der mit ſeines eigenen
Bruders Blute ſeine Taffel beſpritzt hatte/ und
nach ſeinem uͤberbliebenen Erben ſo ſcharffe
Fragen verordnete/ nicht gezaͤhmet haben. Da-
her konte ſie ihr an den Fingern ausrechnen/
und/ als ſie dieſen Wuͤterich nur zum andern
mal ins Geſichte kriegte/ ihm leicht an der Stir-
ne anſehen/ daß er in ſie verliebt worden/ als ſo
viel mehr vernuͤnftiger nachſinnen/ wie ſie dem
andraͤuenden Sturme ſeiner Uppigkeit hertz-
hafft begegnen ſolte. Wie nun die Liebe frey-
lich das uͤbermuͤthige Gluͤcke zu demuͤthigen be-
muͤhet/ und der Sieger ein Leibeigner ſeiner
Gefangenen worden war; Alſo dachte Olym-
pia auf keine Weiſe wieder uͤberwunden zu wer-
den. Jn ihrem ſchoͤnen Leibe wohnte noch ein
groͤſſer Hertze; Jhre Keuſchheit war mit einer
ſo groſſen Hertzhafftigkeit ausgeruͤſtet/ daß ihr
auch aller Welt Annehmligkeit keine neue Liebe
eindruͤcken/ keine hoͤlliſche Marter ſie den Pfad
der Tugend zu verlaſſen/ bewegen konte/ und
daheꝛ war ihr feſter Schluß/ Artabazens vermu-
thetes Liebkoſen zu verlachen/ und ſeinen Draͤu-
ungen Hohn zu bieten. Aber die unausleſchli-
che Liebe ihres Artaxias ſtellete ihr ſeinen Geiſt
fuͤr Augen/ welcher ſie mit aufgehobenen Haͤn-
den und Darzeigung ſeiner Wunden um Rache
gegen ſeinem moͤrdriſchen Bruder anflehete.
Wo aber ſolte die ſchwache Hindin/ die ſelbſt von
den Klauen dieſes Wolffes zerriſſen zu werden
[Spaltenumbruch] alle Augenblicke beſorgen muſte/ Rache und
Kraͤfften finden? Endlich zeigte ihr die Liebe ei-
nen Weg durch die Liebe. Denn als Artabazes
das dritte mal zu Olympien in das Zimmer kam/
wiſchte er ihr ſelbſt die Thraͤnen von den Wan-
gen/ verkleinerte ihr die bißherigen Trauerfaͤlle
mit dem gewoͤhnlichen Wechſel des Gluͤckes/
und ließ ſich heraus: Es haͤtte wol ehe einer/ die
in groͤſſere Finſterniß geſtuͤrtzt worden/ die Son-
ne geſchienen. Wie er nun an Olympien we-
niger Ungebehrdung/ als ihn die Groͤſſe ihres
Elendes beſorgen ließ/ vermerckte/ ward er den
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ohne Verbluͤmung/ ſeine Liebe entdeckte/ und
wie ſie durch ihre Zuneigung die Staffel ihrer
koͤniglichen Wuͤrde alſofort wiedeꝛ betreten koͤn-
te/ mit hoͤchſter Betheuerung ſeiner Aufrichtig-
keit meiſterlich und vermeſſen fuͤrzubilden wu-
ſte. Sintemal ihm das lachende Gluͤcke ohne
diß eingebildet hatte/ daß in der eroberten Stadt
Artaxata nichts unuͤberwindliches/ und ſo gar
alle Seelen gegen ihm entwaffnet waͤren. O-
lympie muſte bey dieſem Angriffe alle Kraͤfften
ihrer Seele zuſammen ziehen/ um die in ihrem
Hertzen hellodernde Rache und den Zunder der
Tugend verbergen. Denn die annehmlichen
Anfechtungen muͤſſen mit keiner raſenden Un-
gedult uͤberwunden/ noch/ wenn man ſich des
Gefaͤngniſſes erledigen will/ der Kercker-Mei-
ſter ermordet/ am wenigſten/ um ſich des Hals-
Eiſens loß zu machen/ der eigene Kopf abge-
ſchnitten werden. Dahero ließ ſie ſich gegen ihm
heraus: Sie beſcheidete ſich wol/ daß wenn ſie
auch Baͤume ausriſſe/ ſie ihren Gemahl nicht
lebendig machen koͤnte; daß unter Fuͤrſtlichen
Bruͤdern wol mehrmal Zwiſt und Feindſchafft
erwachſen/ und daß es ertraͤglicher waͤre den
Sterbekittel an/ als den Koͤniglichen Purpur
auszuziehen/ aber ihre Niedrigkeit verbiete ihr
wol ihr ein ſolches Gluͤcke traͤumen zulaſſen/
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und des Gluͤckes ſitzende Artabazes/ welchem
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/291>, abgerufen am 22.11.2024.