Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
verschmitzte Mutter die Maale ihrer heßlichenTochter mit Perlen verdecke/ mit der Tugend aber eifere/ und ihr insgemein ein Bein unter- schlage. Mit diesen Gedancken schlug sich die Königin fort für fort/ und vermochte ihr sol- che weder die Zeit/ noch die hertzliche Vergnü- gung/ die Polemon aus Arsinoens und der E- rato Tugenden und Verträuligkeit schöpffte/ aus dem Sinne zu bringen/ noch die kluge E- rato auszureden. Höret nun/ wie es nicht al- lezeit eine Würckung weibischer Furcht/ son- dern oft eine Warnigung der Götter sey/ wenn einem ein Unglück ahnet/ und wie die Unruh in einer Uhr den Verlauff der Zeit/ also das schla- gende Hertz einem die Näherung seines Unter- gangs andeutet; ja wie aus einem Regenbogen zuweilen ein schrecklicher Blitz kommen kan/ als in der schwärtzesten Wolcke stecken mag. So bald der schöne und tapffere Ariobarzanes die Armenische Krone auf sein Haupt kriegte/ und mit der Medischen sie vermählte/ war er bedacht auch im Bette nicht einsam zu seyn/ und seinen Stul mit erqvickenden Rosen zu be- streuen. Er warf seine Augen in der gantzen Welt herum; allein es konte weder die Liebe ihm ein schöner/ noch die Staats-Klugheit ein vortheilhafftiger Bild/ als in dem benachbar- ten Pontus die weltberühmte Fräulein Arsi- noe aussehen. Weil er aber weder dem blos- sen Gerüchte von ihren Tugenden/ noch dem entferneten Pinsel wegen ihrer Gestalt/ noch der Gewonheit der meisten Fürsten/ die ihre Wahre meist unbeschaut/ oder mit zugemachten Augen kauffen/ und es aufs Glücke wagen müs- sen/ trauen wolte; kam er mit einem überaus prächtigem Aufzuge nach Sinope/ wiewohl unter dem Fürwand/ daß er in Griechenland reisen/ und daselbst dem Jupiter ein gewisses Gelübde ablegen/ in der Durchreise aber mit dem Polemon ihrer Vorfahren Bündnüsse verneuern wolte. Dem gantzen Hoffe aber ward alsbald nachdencklich/ daß er dreißig mit [Spaltenumbruch] den seltzamsten Kostbarkeiten beladene Camele mit sich führte/ derer zehn er dem Könige Pole- mon/ zehen der Königin Dynamis/ und zehen der Fürstin Arsinoe mit aller ihrer Last vereh- rete. Unter des Königes Geschencken waren etliche Fässer Chalydonischer Wein/ welchen die Pers- und Medischen Könige alleine trin- cken; vor zwölf Zimmer Babylonische von Seide und Gold nach dem Leben der Geschich- te genehete Tapeten/ zwantzig helffenbeinerne Bilder der abgelebten Armenischen Könige/ und das Gemählde des Protogenes/ welchem zu Liebe allein König Demetrius die belägerte Stadt Rhodos nicht angezündet hat. Der Königin Geschencke waren Persische Gold- stücke/ und Jndische Edelgesteine/ und darun- ter des Polycrates unschätzbarer Sardonich- Stein/ den ihm des nachstellenden Glückes allzu freygebige Hand aus dem Meere zurücke bracht hatte; Dynamis ihn aber hernach Li- vien/ und diese ins Heiligthum der Eintracht verehrte. Für die vermeinte Arsinoe kam al- lerhand Arabisches Rauchwerck/ aus Gold/ Seide und Perlen gestückte Kleider/ und in- sonderheit ein gantzer Perlen-Schmuck/ derer keine weniger als hundert und sechzig Gersten- Körner wog. Der König Polemon empfing ihn/ wie beyder Königlicher Stand/ und ein so freundliches Anmuthen eines so mächtigen Nachbars erforderte. Er ward/ weil beyder Könige oberste Staats-Diener die Bedingun- gen des neuen Bündnüsses mit einander über- legten/ mit Jagten/ Schauspielen/ Rennen/ und allen ersinnlichen Kurtzweilen unterhalten/ welche ihm nicht alleine überflüßige Gelegen- heit eröfneten/ alle Beschaffenheit Arsinoens wahrzunehmen/ sondern auch einen Zuschauer ihrer wunderwürdigen Tapfferkeit abzugeben. Denn ob sie zwar bey solchen Feyern aus einer nachdencklichen Vorsicht mit Fleiß ihre Tu- gend verstellen wolte; so ward selbte doch/ wie es mit ihrer Belohnung/ nehmlich dem Ruh- me/
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
verſchmitzte Mutter die Maale ihrer heßlichenTochter mit Perlen verdecke/ mit der Tugend aber eifere/ und ihr insgemein ein Bein unter- ſchlage. Mit dieſen Gedancken ſchlug ſich die Koͤnigin fort fuͤr fort/ und vermochte ihr ſol- che weder die Zeit/ noch die hertzliche Vergnuͤ- gung/ die Polemon aus Arſinoens und der E- rato Tugenden und Vertraͤuligkeit ſchoͤpffte/ aus dem Sinne zu bringen/ noch die kluge E- rato auszureden. Hoͤret nun/ wie es nicht al- lezeit eine Wuͤrckung weibiſcher Furcht/ ſon- dern oft eine Warnigung der Goͤtter ſey/ wenn einem ein Ungluͤck ahnet/ und wie die Unruh in einer Uhr den Verlauff der Zeit/ alſo das ſchla- gende Hertz einem die Naͤherung ſeines Unter- gangs andeutet; ja wie aus einem Regenbogen zuweilen ein ſchrecklicher Blitz kommen kan/ als in der ſchwaͤrtzeſten Wolcke ſtecken mag. So bald der ſchoͤne und tapffere Ariobarzanes die Armeniſche Krone auf ſein Haupt kriegte/ und mit der Mediſchen ſie vermaͤhlte/ war er bedacht auch im Bette nicht einſam zu ſeyn/ und ſeinen Stul mit erqvickenden Roſen zu be- ſtreuen. Er warf ſeine Augen in der gantzen Welt herum; allein es konte weder die Liebe ihm ein ſchoͤner/ noch die Staats-Klugheit ein vortheilhafftiger Bild/ als in dem benachbar- ten Pontus die weltberuͤhmte Fraͤulein Arſi- noe ausſehen. Weil er aber weder dem bloſ- ſen Geruͤchte von ihren Tugenden/ noch dem entferneten Pinſel wegen ihrer Geſtalt/ noch der Gewonheit der meiſten Fuͤrſten/ die ihre Wahre meiſt unbeſchaut/ oder mit zugemachten Augen kauffen/ und es aufs Gluͤcke wagen muͤſ- ſen/ trauen wolte; kam er mit einem uͤberaus praͤchtigem Aufzuge nach Sinope/ wiewohl unter dem Fuͤrwand/ daß er in Griechenland reiſen/ und daſelbſt dem Jupiter ein gewiſſes Geluͤbde ablegen/ in der Durchreiſe aber mit dem Polemon ihrer Vorfahren Buͤndnuͤſſe verneuern wolte. Dem gantzen Hoffe aber ward alsbald nachdencklich/ daß er dreißig mit [Spaltenumbruch] den ſeltzamſten Koſtbarkeiten beladene Camele mit ſich fuͤhrte/ derer zehn er dem Koͤnige Pole- mon/ zehen der Koͤnigin Dynamis/ und zehen der Fuͤrſtin Arſinoe mit aller ihrer Laſt vereh- rete. Unter des Koͤniges Geſchencken waren etliche Faͤſſer Chalydoniſcher Wein/ welchen die Perſ- und Mediſchen Koͤnige alleine trin- cken; vor zwoͤlf Zimmer Babyloniſche von Seide und Gold nach dem Leben der Geſchich- te genehete Tapeten/ zwantzig helffenbeinerne Bilder der abgelebten Armeniſchen Koͤnige/ und das Gemaͤhlde des Protogenes/ welchem zu Liebe allein Koͤnig Demetrius die belaͤgerte Stadt Rhodos nicht angezuͤndet hat. Der Koͤnigin Geſchencke waren Perſiſche Gold- ſtuͤcke/ und Jndiſche Edelgeſteine/ und darun- ter des Polycrates unſchaͤtzbarer Sardonich- Stein/ den ihm des nachſtellenden Gluͤckes allzu freygebige Hand aus dem Meere zuruͤcke bracht hatte; Dynamis ihn aber hernach Li- vien/ und dieſe ins Heiligthum der Eintracht verehrte. Fuͤr die vermeinte Arſinoe kam al- lerhand Arabiſches Rauchwerck/ aus Gold/ Seide und Perlen geſtuͤckte Kleider/ und in- ſonderheit ein gantzer Perlen-Schmuck/ derer keine weniger als hundert und ſechzig Gerſten- Koͤrner wog. Der Koͤnig Polemon empfing ihn/ wie beyder Koͤniglicher Stand/ und ein ſo freundliches Anmuthen eines ſo maͤchtigen Nachbars erforderte. Er ward/ weil beyder Koͤnige oberſte Staats-Diener die Bedingun- gen des neuen Buͤndnuͤſſes mit einander uͤber- legten/ mit Jagten/ Schauſpielen/ Rennen/ und allen erſinnlichen Kurtzweilen unterhalten/ welche ihm nicht alleine uͤberfluͤßige Gelegen- heit eroͤfneten/ alle Beſchaffenheit Arſinoens wahrzunehmen/ ſondern auch einen Zuſchauer ihrer wunderwuͤrdigen Tapfferkeit abzugeben. Denn ob ſie zwar bey ſolchen Feyern aus einer nachdencklichen Vorſicht mit Fleiß ihre Tu- gend verſtellen wolte; ſo ward ſelbte doch/ wie es mit ihrer Belohnung/ nehmlich dem Ruh- me/
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Drittes Buch
verſchmitzte Mutter die Maale ihrer heßlichen
Tochter mit Perlen verdecke/ mit der Tugend
aber eifere/ und ihr insgemein ein Bein unter-
ſchlage. Mit dieſen Gedancken ſchlug ſich
die Koͤnigin fort fuͤr fort/ und vermochte ihr ſol-
che weder die Zeit/ noch die hertzliche Vergnuͤ-
gung/ die Polemon aus Arſinoens und der E-
rato Tugenden und Vertraͤuligkeit ſchoͤpffte/
aus dem Sinne zu bringen/ noch die kluge E-
rato auszureden. Hoͤret nun/ wie es nicht al-
lezeit eine Wuͤrckung weibiſcher Furcht/ ſon-
dern oft eine Warnigung der Goͤtter ſey/ wenn
einem ein Ungluͤck ahnet/ und wie die Unruh in
einer Uhr den Verlauff der Zeit/ alſo das ſchla-
gende Hertz einem die Naͤherung ſeines Unter-
gangs andeutet; ja wie aus einem Regenbogen
zuweilen ein ſchrecklicher Blitz kommen kan/
als in der ſchwaͤrtzeſten Wolcke ſtecken mag.
So bald der ſchoͤne und tapffere Ariobarzanes
die Armeniſche Krone auf ſein Haupt kriegte/
und mit der Mediſchen ſie vermaͤhlte/ war er
bedacht auch im Bette nicht einſam zu ſeyn/ und
ſeinen Stul mit erqvickenden Roſen zu be-
ſtreuen. Er warf ſeine Augen in der gantzen
Welt herum; allein es konte weder die Liebe
ihm ein ſchoͤner/ noch die Staats-Klugheit ein
vortheilhafftiger Bild/ als in dem benachbar-
ten Pontus die weltberuͤhmte Fraͤulein Arſi-
noe ausſehen. Weil er aber weder dem bloſ-
ſen Geruͤchte von ihren Tugenden/ noch dem
entferneten Pinſel wegen ihrer Geſtalt/ noch
der Gewonheit der meiſten Fuͤrſten/ die ihre
Wahre meiſt unbeſchaut/ oder mit zugemachten
Augen kauffen/ und es aufs Gluͤcke wagen muͤſ-
ſen/ trauen wolte; kam er mit einem uͤberaus
praͤchtigem Aufzuge nach Sinope/ wiewohl
unter dem Fuͤrwand/ daß er in Griechenland
reiſen/ und daſelbſt dem Jupiter ein gewiſſes
Geluͤbde ablegen/ in der Durchreiſe aber mit
dem Polemon ihrer Vorfahren Buͤndnuͤſſe
verneuern wolte. Dem gantzen Hoffe aber
ward alsbald nachdencklich/ daß er dreißig mit
den ſeltzamſten Koſtbarkeiten beladene Camele
mit ſich fuͤhrte/ derer zehn er dem Koͤnige Pole-
mon/ zehen der Koͤnigin Dynamis/ und zehen
der Fuͤrſtin Arſinoe mit aller ihrer Laſt vereh-
rete. Unter des Koͤniges Geſchencken waren
etliche Faͤſſer Chalydoniſcher Wein/ welchen
die Perſ- und Mediſchen Koͤnige alleine trin-
cken; vor zwoͤlf Zimmer Babyloniſche von
Seide und Gold nach dem Leben der Geſchich-
te genehete Tapeten/ zwantzig helffenbeinerne
Bilder der abgelebten Armeniſchen Koͤnige/
und das Gemaͤhlde des Protogenes/ welchem
zu Liebe allein Koͤnig Demetrius die belaͤgerte
Stadt Rhodos nicht angezuͤndet hat. Der
Koͤnigin Geſchencke waren Perſiſche Gold-
ſtuͤcke/ und Jndiſche Edelgeſteine/ und darun-
ter des Polycrates unſchaͤtzbarer Sardonich-
Stein/ den ihm des nachſtellenden Gluͤckes
allzu freygebige Hand aus dem Meere zuruͤcke
bracht hatte; Dynamis ihn aber hernach Li-
vien/ und dieſe ins Heiligthum der Eintracht
verehrte. Fuͤr die vermeinte Arſinoe kam al-
lerhand Arabiſches Rauchwerck/ aus Gold/
Seide und Perlen geſtuͤckte Kleider/ und in-
ſonderheit ein gantzer Perlen-Schmuck/ derer
keine weniger als hundert und ſechzig Gerſten-
Koͤrner wog. Der Koͤnig Polemon empfing
ihn/ wie beyder Koͤniglicher Stand/ und ein ſo
freundliches Anmuthen eines ſo maͤchtigen
Nachbars erforderte. Er ward/ weil beyder
Koͤnige oberſte Staats-Diener die Bedingun-
gen des neuen Buͤndnuͤſſes mit einander uͤber-
legten/ mit Jagten/ Schauſpielen/ Rennen/
und allen erſinnlichen Kurtzweilen unterhalten/
welche ihm nicht alleine uͤberfluͤßige Gelegen-
heit eroͤfneten/ alle Beſchaffenheit Arſinoens
wahrzunehmen/ ſondern auch einen Zuſchauer
ihrer wunderwuͤrdigen Tapfferkeit abzugeben.
Denn ob ſie zwar bey ſolchen Feyern aus einer
nachdencklichen Vorſicht mit Fleiß ihre Tu-
gend verſtellen wolte; ſo ward ſelbte doch/ wie
es mit ihrer Belohnung/ nehmlich dem Ruh-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/328>, abgerufen am 26.06.2024. |