Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Gewohnheit nach/ zu Rathe ziehen. Die Kö-nigin kam hierauf/ als eine todte Leiche in Arsi- noens Zimmer/ allwo sich Erato gleich aufhielt. Jhr blosser Anblick war schon ein Vorbote ih- rer traurigen Zeitung/ welche sie zitternde/ mit diesen Worten aussprach: Ach/ Arsinoe/ wir sind verlohren! Beyde erstummeten hierü- ber/ und erwarteten mit bebendem Hertzen das über ihr Haupt aufziehende Ungewitter. Ach/ Arsinoe/ fing die Königin an/ Polemon will dich Ariobarzanen verheyrathen. Kein härter Donnerschlag/ als dieser/ konte in ihren Ohren erschallen. Denn/ was hatten sie für erhebliche Ursache eine so ansehnliche Heyrath auszuschlagen? Wie konten sie aber ohne eu- serste Gefahr dem Könige Arsinoens Geschlech- te offenbahren? Welcher nunmehr der göttli- chen Weissagung so viel mehr glauben würde/ nach dem Arsinoe solche Streitbarkeit von sich zeigte? Sie sannen hin und her/ konten aber kei- ne den Stich haltende Ursache diese Heyrath zu verweigern ersinnen. Hierüber kam der Kö- nig selbst ins Zimmer/ und fragte Arsinoen: Ob sie von ihrer Mutter die auf sie geworffene Liebe Ariobarzanens vernommen hätte? Er zweiffelte nicht/ daß sie dieses grosse Glücke/ als ein Geschencke der Götter mit freudigem Gei- ste annehmen würde. Er hätte inzwischen bey dem Tempel des Pilumnus und Picum- nus seine Andacht verrichtet/ und es sey ihm zum Zeichen ihrer glücklichen Vermählung ein an dem lincken Fusse lahmer Habicht auf- geflogen. Arsinoe fiel ihm alsofort zu Fusse/ umarmte seine Knie/ und fing an: Sie wüste/ daß es ein halsbrüchiges Laster wäre/ sich dem Befehle eines so holden Vaters/ der für seines Kindes Wohlstand so eiffrig sorgte/ zu widerse- tzen. Nach dem sie aber (unwissend aus was für einer verbor genen Gramschafft) ihr Hertze nimmermehr überwinden könte/ den Ariobar- zanes zu lieben; Jhr des grossen Mithridates dem Armenischen Könige Tigranes verheyra- [Spaltenumbruch] thete Tochter Asterie/ mit dem ihr vom Stieff- Sohne eingeschenckten Gifft-Glase stets für den Augen schwebte/ und ihr ein noch elenderes Ende weissagte; bäte sie/ es möchte die väterli- che Liebe ihre Vergnügung der Staats-Klug- heit dißmahl fürziehen. Heyrathen solten ja eine Vereinbarung der Hertzen seyn; ausser der wären sie für eine Ehscheidung ihrer Ruh und Glückseligkeit zu halten. Die Vermäb- lungen würden erstlich im Himmel/ hernach in den menschlichen Hertzen geschlossen. Durch den Einfluß des Gestirnes gäbe das Verhäng- nüß darbey sein Wohlgefallen oder Unwillen zu verstehen; jenes/ wenn es die Gemüther gleichsam zusammen verzauberte/ diesen/ wenn einem etwas auch sonst annehmliches zu wider wäre. Ariobarzanes gäbe zwar einen gros- sen Schein der Tugenden von sich; aber wer könte in wenigen Tagen einen recht ausholen? Es gäbe in dem Meere des menschlichen Le- bens viel Seichten und Sandbäncke; man müste allezeit mit dem Bley-Masse in der Hand fortsegeln/ wo anders die Hertzen der Men- schen so/ wie die See/ ein Bley-Maß anneh- men. Die Augen solten Fenster der Seele seyn/ sie wären aber ihre Larven/ welche unter der Gestalt einer Taube offt einen Basilißken vermummeten; und das schwartze Saltzwasser des Meeres gäbe vielmahl einen hellen Silber- Schein von sich. Daher wäre es numehr nö- thiger und schwerer/ die Eigenschafften der Ge- müther/ als der Kräuter zu erkennen. So hät- ten ja auch die Götter seine Scheutel mit dreyen Kronen bereichert; welches sicher mehr ein U- berfluß des Glückes/ als eine zu ergrössern nö- thige Macht wäre. Solte sie nun als das ei- nige Kind einen Ausländer heyrathen/ würde das Pontische Reich seinen alten Glantz verlie- ren; und/ da es itzt das Haupt zweyer andern Königreiche wäre/ müste es künfftig ein schlech- ter Anhang des Medischen Zepters/ eben so/ wie Armenien wiederfahren sey/ werden. Die Pon-
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Gewohnheit nach/ zu Rathe ziehen. Die Koͤ-nigin kam hierauf/ als eine todte Leiche in Arſi- noens Zimmer/ allwo ſich Erato gleich aufhielt. Jhr bloſſer Anblick war ſchon ein Vorbote ih- rer traurigen Zeitung/ welche ſie zitternde/ mit dieſen Worten ausſprach: Ach/ Arſinoe/ wir ſind verlohren! Beyde erſtummeten hieruͤ- ber/ und erwarteten mit bebendem Hertzen das uͤber ihr Haupt aufziehende Ungewitter. Ach/ Arſinoe/ fing die Koͤnigin an/ Polemon will dich Ariobarzanen verheyrathen. Kein haͤrter Donnerſchlag/ als dieſer/ konte in ihren Ohren erſchallen. Denn/ was hatten ſie fuͤr erhebliche Urſache eine ſo anſehnliche Heyrath auszuſchlagen? Wie konten ſie aber ohne eu- ſerſte Gefahr dem Koͤnige Arſinoens Geſchlech- te offenbahren? Welcher nunmehr der goͤttli- chen Weiſſagung ſo viel mehr glauben wuͤrde/ nach dem Arſinoe ſolche Streitbarkeit von ſich zeigte? Sie ſannen hin und her/ konten aber kei- ne den Stich haltende Urſache dieſe Heyrath zu verweigern erſinnen. Hieruͤber kam der Koͤ- nig ſelbſt ins Zimmer/ und fragte Arſinoen: Ob ſie von ihrer Mutter die auf ſie geworffene Liebe Ariobarzanens vernommen haͤtte? Er zweiffelte nicht/ daß ſie dieſes groſſe Gluͤcke/ als ein Geſchencke der Goͤtter mit freudigem Gei- ſte annehmen wuͤrde. Er haͤtte inzwiſchen bey dem Tempel des Pilumnus und Picum- nus ſeine Andacht verrichtet/ und es ſey ihm zum Zeichen ihrer gluͤcklichen Vermaͤhlung ein an dem lincken Fuſſe lahmer Habicht auf- geflogen. Arſinoe fiel ihm alſofort zu Fuſſe/ umarmte ſeine Knie/ und fing an: Sie wuͤſte/ daß es ein halsbruͤchiges Laſter waͤre/ ſich dem Befehle eines ſo holden Vaters/ der fuͤr ſeines Kindes Wohlſtand ſo eiffrig ſorgte/ zu widerſe- tzen. Nach dem ſie aber (unwiſſend aus was fuͤr einer verbor genen Gramſchafft) ihr Hertze nimmermehr uͤberwinden koͤnte/ den Ariobar- zanes zu lieben; Jhr des groſſen Mithridates dem Armeniſchen Koͤnige Tigranes verheyra- [Spaltenumbruch] thete Tochter Aſterie/ mit dem ihr vom Stieff- Sohne eingeſchenckten Gifft-Glaſe ſtets fuͤr den Augen ſchwebte/ und ihr ein noch elenderes Ende weiſſagte; baͤte ſie/ es moͤchte die vaͤterli- che Liebe ihre Vergnuͤgung der Staats-Klug- heit dißmahl fuͤrziehen. Heyrathen ſolten ja eine Vereinbarung der Hertzen ſeyn; auſſer der waͤren ſie fuͤr eine Ehſcheidung ihrer Ruh und Gluͤckſeligkeit zu halten. Die Vermaͤb- lungen wuͤrden erſtlich im Himmel/ hernach in den menſchlichen Hertzen geſchloſſen. Durch den Einfluß des Geſtirnes gaͤbe das Verhaͤng- nuͤß darbey ſein Wohlgefallen oder Unwillen zu verſtehen; jenes/ wenn es die Gemuͤther gleichſam zuſammen verzauberte/ dieſen/ wenn einem etwas auch ſonſt annehmliches zu wider waͤre. Ariobarzanes gaͤbe zwar einen groſ- ſen Schein der Tugenden von ſich; aber wer koͤnte in wenigen Tagen einen recht ausholen? Es gaͤbe in dem Meere des menſchlichen Le- bens viel Seichten und Sandbaͤncke; man muͤſte allezeit mit dem Bley-Maſſe in der Hand fortſegeln/ wo anders die Hertzen der Men- ſchen ſo/ wie die See/ ein Bley-Maß anneh- men. Die Augen ſolten Fenſter der Seele ſeyn/ ſie waͤren aber ihre Larven/ welche unter der Geſtalt einer Taube offt einen Baſilißken vermummeten; und das ſchwartze Saltzwaſſer des Meeres gaͤbe vielmahl einen hellen Silber- Schein von ſich. Daher waͤre es numehr noͤ- thiger und ſchwerer/ die Eigenſchafften der Ge- muͤther/ als der Kraͤuter zu erkennen. So haͤt- ten ja auch die Goͤtter ſeine Scheutel mit dreyen Kronen bereichert; welches ſicher mehr ein U- berfluß des Gluͤckes/ als eine zu ergroͤſſern noͤ- thige Macht waͤre. Solte ſie nun als das ei- nige Kind einen Auslaͤnder heyrathen/ wuͤrde das Pontiſche Reich ſeinen alten Glantz verlie- ren; und/ da es itzt das Haupt zweyer andern Koͤnigreiche waͤre/ muͤſte es kuͤnfftig ein ſchlech- ter Anhang des Mediſchen Zepters/ eben ſo/ wie Armenien wiederfahren ſey/ werden. Die Pon-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0330" n="278"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Gewohnheit nach/ zu Rathe ziehen. Die Koͤ-<lb/> nigin kam hierauf/ als eine todte Leiche in Arſi-<lb/> noens Zimmer/ allwo ſich Erato gleich aufhielt.<lb/> Jhr bloſſer Anblick war ſchon ein Vorbote ih-<lb/> rer traurigen Zeitung/ welche ſie zitternde/ mit<lb/> dieſen Worten ausſprach: Ach/ Arſinoe/ wir<lb/> ſind verlohren! Beyde erſtummeten hieruͤ-<lb/> ber/ und erwarteten mit bebendem Hertzen<lb/> das uͤber ihr Haupt aufziehende Ungewitter.<lb/> Ach/ Arſinoe/ fing die Koͤnigin an/ Polemon<lb/> will dich Ariobarzanen verheyrathen. Kein<lb/> haͤrter Donnerſchlag/ als dieſer/ konte in ihren<lb/> Ohren erſchallen. Denn/ was hatten ſie fuͤr<lb/> erhebliche Urſache eine ſo anſehnliche Heyrath<lb/> auszuſchlagen? Wie konten ſie aber ohne eu-<lb/> ſerſte Gefahr dem Koͤnige Arſinoens Geſchlech-<lb/> te offenbahren? Welcher nunmehr der goͤttli-<lb/> chen Weiſſagung ſo viel mehr glauben wuͤrde/<lb/> nach dem Arſinoe ſolche Streitbarkeit von ſich<lb/> zeigte? Sie ſannen hin und her/ konten aber kei-<lb/> ne den Stich haltende Urſache dieſe Heyrath zu<lb/> verweigern erſinnen. Hieruͤber kam der Koͤ-<lb/> nig ſelbſt ins Zimmer/ und fragte Arſinoen:<lb/> Ob ſie von ihrer Mutter die auf ſie geworffene<lb/> Liebe Ariobarzanens vernommen haͤtte? Er<lb/> zweiffelte nicht/ daß ſie dieſes groſſe Gluͤcke/ als<lb/> ein Geſchencke der Goͤtter mit freudigem Gei-<lb/> ſte annehmen wuͤrde. Er haͤtte inzwiſchen<lb/> bey dem Tempel des Pilumnus und Picum-<lb/> nus ſeine Andacht verrichtet/ und es ſey ihm<lb/> zum Zeichen ihrer gluͤcklichen Vermaͤhlung<lb/> ein an dem lincken Fuſſe lahmer Habicht auf-<lb/> geflogen. Arſinoe fiel ihm alſofort zu Fuſſe/<lb/> umarmte ſeine Knie/ und fing an: Sie wuͤſte/<lb/> daß es ein halsbruͤchiges Laſter waͤre/ ſich dem<lb/> Befehle eines ſo holden Vaters/ der fuͤr ſeines<lb/> Kindes Wohlſtand ſo eiffrig ſorgte/ zu widerſe-<lb/> tzen. Nach dem ſie aber (unwiſſend aus was<lb/> fuͤr einer verbor genen Gramſchafft) ihr Hertze<lb/> nimmermehr uͤberwinden koͤnte/ den Ariobar-<lb/> zanes zu lieben; Jhr des groſſen Mithridates<lb/> dem Armeniſchen Koͤnige Tigranes verheyra-<lb/><cb/> thete Tochter Aſterie/ mit dem ihr vom Stieff-<lb/> Sohne eingeſchenckten Gifft-Glaſe ſtets fuͤr<lb/> den Augen ſchwebte/ und ihr ein noch elenderes<lb/> Ende weiſſagte; baͤte ſie/ es moͤchte die vaͤterli-<lb/> che Liebe ihre Vergnuͤgung der Staats-Klug-<lb/> heit dißmahl fuͤrziehen. Heyrathen ſolten<lb/> ja eine Vereinbarung der Hertzen ſeyn; auſſer<lb/> der waͤren ſie fuͤr eine Ehſcheidung ihrer Ruh<lb/> und Gluͤckſeligkeit zu halten. Die Vermaͤb-<lb/> lungen wuͤrden erſtlich im Himmel/ hernach in<lb/> den menſchlichen Hertzen geſchloſſen. Durch<lb/> den Einfluß des Geſtirnes gaͤbe das Verhaͤng-<lb/> nuͤß darbey ſein Wohlgefallen oder Unwillen<lb/> zu verſtehen; jenes/ wenn es die Gemuͤther<lb/> gleichſam zuſammen verzauberte/ dieſen/ wenn<lb/> einem etwas auch ſonſt annehmliches zu wider<lb/> waͤre. Ariobarzanes gaͤbe zwar einen groſ-<lb/> ſen Schein der Tugenden von ſich; aber wer<lb/> koͤnte in wenigen Tagen einen recht ausholen?<lb/> Es gaͤbe in dem Meere des menſchlichen Le-<lb/> bens viel Seichten und Sandbaͤncke; man<lb/> muͤſte allezeit mit dem Bley-Maſſe in der Hand<lb/> fortſegeln/ wo anders die Hertzen der Men-<lb/> ſchen ſo/ wie die See/ ein Bley-Maß anneh-<lb/> men. Die Augen ſolten Fenſter der Seele<lb/> ſeyn/ ſie waͤren aber ihre Larven/ welche unter<lb/> der Geſtalt einer Taube offt einen Baſilißken<lb/> vermummeten; und das ſchwartze Saltzwaſſer<lb/> des Meeres gaͤbe vielmahl einen hellen Silber-<lb/> Schein von ſich. Daher waͤre es numehr noͤ-<lb/> thiger und ſchwerer/ die Eigenſchafften der Ge-<lb/> muͤther/ als der Kraͤuter zu erkennen. So haͤt-<lb/> ten ja auch die Goͤtter ſeine Scheutel mit dreyen<lb/> Kronen bereichert; welches ſicher mehr ein U-<lb/> berfluß des Gluͤckes/ als eine zu ergroͤſſern noͤ-<lb/> thige Macht waͤre. Solte ſie nun als das ei-<lb/> nige Kind einen Auslaͤnder heyrathen/ wuͤrde<lb/> das Pontiſche Reich ſeinen alten Glantz verlie-<lb/> ren; und/ da es itzt das Haupt zweyer andern<lb/> Koͤnigreiche waͤre/ muͤſte es kuͤnfftig ein ſchlech-<lb/> ter Anhang des Mediſchen Zepters/ eben ſo/<lb/> wie Armenien wiederfahren ſey/ werden. Die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Pon-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [278/0330]
Drittes Buch
Gewohnheit nach/ zu Rathe ziehen. Die Koͤ-
nigin kam hierauf/ als eine todte Leiche in Arſi-
noens Zimmer/ allwo ſich Erato gleich aufhielt.
Jhr bloſſer Anblick war ſchon ein Vorbote ih-
rer traurigen Zeitung/ welche ſie zitternde/ mit
dieſen Worten ausſprach: Ach/ Arſinoe/ wir
ſind verlohren! Beyde erſtummeten hieruͤ-
ber/ und erwarteten mit bebendem Hertzen
das uͤber ihr Haupt aufziehende Ungewitter.
Ach/ Arſinoe/ fing die Koͤnigin an/ Polemon
will dich Ariobarzanen verheyrathen. Kein
haͤrter Donnerſchlag/ als dieſer/ konte in ihren
Ohren erſchallen. Denn/ was hatten ſie fuͤr
erhebliche Urſache eine ſo anſehnliche Heyrath
auszuſchlagen? Wie konten ſie aber ohne eu-
ſerſte Gefahr dem Koͤnige Arſinoens Geſchlech-
te offenbahren? Welcher nunmehr der goͤttli-
chen Weiſſagung ſo viel mehr glauben wuͤrde/
nach dem Arſinoe ſolche Streitbarkeit von ſich
zeigte? Sie ſannen hin und her/ konten aber kei-
ne den Stich haltende Urſache dieſe Heyrath zu
verweigern erſinnen. Hieruͤber kam der Koͤ-
nig ſelbſt ins Zimmer/ und fragte Arſinoen:
Ob ſie von ihrer Mutter die auf ſie geworffene
Liebe Ariobarzanens vernommen haͤtte? Er
zweiffelte nicht/ daß ſie dieſes groſſe Gluͤcke/ als
ein Geſchencke der Goͤtter mit freudigem Gei-
ſte annehmen wuͤrde. Er haͤtte inzwiſchen
bey dem Tempel des Pilumnus und Picum-
nus ſeine Andacht verrichtet/ und es ſey ihm
zum Zeichen ihrer gluͤcklichen Vermaͤhlung
ein an dem lincken Fuſſe lahmer Habicht auf-
geflogen. Arſinoe fiel ihm alſofort zu Fuſſe/
umarmte ſeine Knie/ und fing an: Sie wuͤſte/
daß es ein halsbruͤchiges Laſter waͤre/ ſich dem
Befehle eines ſo holden Vaters/ der fuͤr ſeines
Kindes Wohlſtand ſo eiffrig ſorgte/ zu widerſe-
tzen. Nach dem ſie aber (unwiſſend aus was
fuͤr einer verbor genen Gramſchafft) ihr Hertze
nimmermehr uͤberwinden koͤnte/ den Ariobar-
zanes zu lieben; Jhr des groſſen Mithridates
dem Armeniſchen Koͤnige Tigranes verheyra-
thete Tochter Aſterie/ mit dem ihr vom Stieff-
Sohne eingeſchenckten Gifft-Glaſe ſtets fuͤr
den Augen ſchwebte/ und ihr ein noch elenderes
Ende weiſſagte; baͤte ſie/ es moͤchte die vaͤterli-
che Liebe ihre Vergnuͤgung der Staats-Klug-
heit dißmahl fuͤrziehen. Heyrathen ſolten
ja eine Vereinbarung der Hertzen ſeyn; auſſer
der waͤren ſie fuͤr eine Ehſcheidung ihrer Ruh
und Gluͤckſeligkeit zu halten. Die Vermaͤb-
lungen wuͤrden erſtlich im Himmel/ hernach in
den menſchlichen Hertzen geſchloſſen. Durch
den Einfluß des Geſtirnes gaͤbe das Verhaͤng-
nuͤß darbey ſein Wohlgefallen oder Unwillen
zu verſtehen; jenes/ wenn es die Gemuͤther
gleichſam zuſammen verzauberte/ dieſen/ wenn
einem etwas auch ſonſt annehmliches zu wider
waͤre. Ariobarzanes gaͤbe zwar einen groſ-
ſen Schein der Tugenden von ſich; aber wer
koͤnte in wenigen Tagen einen recht ausholen?
Es gaͤbe in dem Meere des menſchlichen Le-
bens viel Seichten und Sandbaͤncke; man
muͤſte allezeit mit dem Bley-Maſſe in der Hand
fortſegeln/ wo anders die Hertzen der Men-
ſchen ſo/ wie die See/ ein Bley-Maß anneh-
men. Die Augen ſolten Fenſter der Seele
ſeyn/ ſie waͤren aber ihre Larven/ welche unter
der Geſtalt einer Taube offt einen Baſilißken
vermummeten; und das ſchwartze Saltzwaſſer
des Meeres gaͤbe vielmahl einen hellen Silber-
Schein von ſich. Daher waͤre es numehr noͤ-
thiger und ſchwerer/ die Eigenſchafften der Ge-
muͤther/ als der Kraͤuter zu erkennen. So haͤt-
ten ja auch die Goͤtter ſeine Scheutel mit dreyen
Kronen bereichert; welches ſicher mehr ein U-
berfluß des Gluͤckes/ als eine zu ergroͤſſern noͤ-
thige Macht waͤre. Solte ſie nun als das ei-
nige Kind einen Auslaͤnder heyrathen/ wuͤrde
das Pontiſche Reich ſeinen alten Glantz verlie-
ren; und/ da es itzt das Haupt zweyer andern
Koͤnigreiche waͤre/ muͤſte es kuͤnfftig ein ſchlech-
ter Anhang des Mediſchen Zepters/ eben ſo/
wie Armenien wiederfahren ſey/ werden. Die
Pon-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/330 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/330>, abgerufen am 16.07.2024. |