Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
rathsamer/ versetzte die Königin Dynamis/Arsinoen einem Pontischen Fürsten zu vermäh- len/ welchem die Liebe zu diesem Reiche von der Geburt/ die Wissenschafft seiner Rechte und Sitten mit der ersten Auferziehung eingeflöst worden/ welcher der Einwohner Gewogenheit durch treue Dienste erworben/ dem Polemon solche Erhöhung zu dancken/ und nicht nur Ar- sinoen/ sondern auch das ihm zugleich mit ver- mählete Pontische Reich zulieben Ursach hätte. König Polemon begegnete ihr: Ungleiche Hey- rathen wären auch unter denen Unterthanen ungeschickt. Die Frauen und Jungfrauen zu Heraclea hätten sich lieber selbsthändig getödtet/ che sie sich auf des Wüterichs Clearchus Befehl seinen unedlen Dienern vermählen wollen. Wie viel weniger wäre seiner hohen Ankunft anstän- dig/ noch dem Reiche vorträglich seine eigene Tochter an einen Unterthanen zu verheyra- then. Die aus dem Staube empor steigenden wüsten selten ihr Glücke zu begreiffen/ und ihre Begierden zu mäßigen. Die an dem Glantze der Sonnen gewachsenen Früchte wären de- nen im Schatten stehenden/ und die Wercke hocherlauchter Fürsten des Volckes vorzuzie- hen. Diesemnach würden die Unterthanen ihrer bey zeite überdrüßig. Denn wie schwer es fiele einem Bildhauer seinen von ihm ausge- hauenen und vergöldeten Götzen/ den er im Walde als ein Klotz gesehen/ anzubeten/ wenn er schon auf einem Altare stünde; so schwer käme es die Unterthanen an/ sich für einem Ober- herrn zu bücken/ der vorher ihres gleichen/ oder wol niedriger gewest wäre. Dynamis wagte es noch einmal/ wiewol gleichsam zitternde dem Könige diesen Gegensatz zu thun: Wie die gar zu niedrigen Heyrathen in alle Wege zu ver- dammen wären; also wären die/ da man denn all zu hoch hinaus gewolt/ insgemein sehr un- glücklich gewest. Der so niedrige Töpffers- Sohn Agathocles hätte Sicilien so klug/ als kein einiger König beherrscht; darinnen aber [Spaltenumbruch] hätte er verstossen/ und seine Söhne gleichsam selbst vom Throne gestürtzt/ als er seine Toch- ter Lanassa dem grossen Könige Pyrrhus ver- mählet/ der hernach seinen Sohn Helenus einzuschieben bemüht war. Die hohe An- kunfft wäre wohl ein grosses Klemod/ es hät- ten aber viel grosse Geschlechter viel Eitelkeit und schlimmen Beysatz an sich. Die Athe- nienser rühmten sich so alt als die Erde/ und aus sich selbst entsprossen zu seyn. Die Arca- dier wolten die Erde noch/ ehe der Mond ge- schienen/ bewohnt haben. Die Julier zu Rom wolten vom Sohne des Eneas/ und die Antonier vom Hercules entsprossen seyn. Aus diesem Aberglauben hielten viel für löblicher ei- ne Lais aus dem Geschlechte der Heracliden/ als eine niedrig-entsprossene Penelope zu hey- rathen. Ungeachtet die Schönheit die Au- gen/ das Reichthum die Hände vergnügte/ der Adel aber in blosser/ und offt falscher Einbil- dung bestünde; Sintemahl kundig wäre/ daß Königinnen nicht nur/ wie des Königs Agis Gemahlin Timäa von einem edlen Alcibia- des/ sondern von einem häßlichen Mohr und Fechter wären geschwängert worden. Ajax hätte deßwegen Ulyssen nicht unbillich verla- chet/ als er sich einen Enckel des Eacus ge- rühmt. Hingegen hätte der Mängel der Ankunfft dem tapffern Pericles/ und dem gros- sen Pompejus an ihrer Tugend keinen Ab- bruch gethan. Alleine es dörffte alles diesen Kummers nicht; nach dem noch etliche Enckel des grossen Mithridates des Machares Soh- ne/ und andere Fürsten Königlichen Geschlech- tes im Reiche verhanden wären. König Po- lemon verfiel über diesen Worten in den festen Argwohn/ samb Dynamis mit einem dieser Fürsten schon eine geheime Eh-Beredung ge- troffen hätte; daher er mit feurigem Eyffer ihre Rede unterbrach: Was? soll ich einem Verräther seines Vaters/ wie Machares gewest/ meine Tochter geben? Will man
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
rathſamer/ verſetzte die Koͤnigin Dynamis/Arſinoen einem Pontiſchen Fuͤrſten zu vermaͤh- len/ welchem die Liebe zu dieſem Reiche von der Geburt/ die Wiſſenſchafft ſeiner Rechte und Sitten mit der erſten Auferziehung eingefloͤſt worden/ welcher der Einwohner Gewogenheit durch treue Dienſte erworben/ dem Polemon ſolche Erhoͤhung zu dancken/ und nicht nur Ar- ſinoen/ ſondern auch das ihm zugleich mit ver- maͤhlete Pontiſche Reich zulieben Urſach haͤtte. Koͤnig Polemon begegnete ihr: Ungleiche Hey- rathen waͤren auch unter denen Unterthanen ungeſchickt. Die Frauen und Jungfrauen zu Heraclea haͤtten ſich lieber ſelbſthaͤndig getoͤdtet/ che ſie ſich auf des Wuͤterichs Clearchus Befehl ſeinen unedlen Dieneꝛn vermaͤhlen wollen. Wie viel weniger waͤre ſeiner hohen Ankunft anſtaͤn- dig/ noch dem Reiche vortraͤglich ſeine eigene Tochter an einen Unterthanen zu verheyra- then. Die aus dem Staube empor ſteigenden wuͤſten ſelten ihr Gluͤcke zu begreiffen/ und ihre Begierden zu maͤßigen. Die an dem Glantze der Sonnen gewachſenen Fruͤchte waͤren de- nen im Schatten ſtehenden/ und die Wercke hocherlauchter Fuͤrſten des Volckes vorzuzie- hen. Dieſemnach wuͤrden die Unterthanen ihrer bey zeite uͤberdruͤßig. Denn wie ſchwer es fiele einem Bildhauer ſeinen von ihm ausge- hauenen und vergoͤldeten Goͤtzen/ den er im Walde als ein Klotz geſehen/ anzubeten/ wenn er ſchon auf einem Altare ſtuͤnde; ſo ſchwer kaͤme es die Unterthanen an/ ſich fuͤr einem Ober- herrn zu buͤcken/ der vorher ihres gleichen/ oder wol niedriger geweſt waͤre. Dynamis wagte es noch einmal/ wiewol gleichſam zitternde dem Koͤnige dieſen Gegenſatz zu thun: Wie die gar zu niedrigen Heyrathen in alle Wege zu ver- dammen waͤren; alſo waͤren die/ da man denn all zu hoch hinaus gewolt/ insgemein ſehr un- gluͤcklich geweſt. Der ſo niedrige Toͤpffers- Sohn Agathocles haͤtte Sicilien ſo klug/ als kein einiger Koͤnig beherrſcht; darinnen aber [Spaltenumbruch] haͤtte er verſtoſſen/ und ſeine Soͤhne gleichſam ſelbſt vom Throne geſtuͤrtzt/ als er ſeine Toch- ter Lanaſſa dem groſſen Koͤnige Pyrrhus ver- maͤhlet/ der hernach ſeinen Sohn Helenus einzuſchieben bemuͤht war. Die hohe An- kunfft waͤre wohl ein groſſes Klemod/ es haͤt- ten aber viel groſſe Geſchlechter viel Eitelkeit und ſchlimmen Beyſatz an ſich. Die Athe- nienſer ruͤhmten ſich ſo alt als die Erde/ und aus ſich ſelbſt entſproſſen zu ſeyn. Die Arca- dier wolten die Erde noch/ ehe der Mond ge- ſchienen/ bewohnt haben. Die Julier zu Rom wolten vom Sohne des Eneas/ und die Antonier vom Hercules entſproſſen ſeyn. Aus dieſem Aberglauben hielten viel fuͤr loͤblicher ei- ne Lais aus dem Geſchlechte der Heracliden/ als eine niedrig-entſproſſene Penelope zu hey- rathen. Ungeachtet die Schoͤnheit die Au- gen/ das Reichthum die Haͤnde vergnuͤgte/ der Adel aber in bloſſer/ und offt falſcher Einbil- dung beſtuͤnde; Sintemahl kundig waͤre/ daß Koͤniginnen nicht nur/ wie des Koͤnigs Agis Gemahlin Timaͤa von einem edlen Alcibia- des/ ſondern von einem haͤßlichen Mohr und Fechter waͤren geſchwaͤngert worden. Ajax haͤtte deßwegen Ulyſſen nicht unbillich verla- chet/ als er ſich einen Enckel des Eacus ge- ruͤhmt. Hingegen haͤtte der Maͤngel der Ankunfft dem tapffern Pericles/ und dem groſ- ſen Pompejus an ihrer Tugend keinen Ab- bruch gethan. Alleine es doͤrffte alles dieſen Kummers nicht; nach dem noch etliche Enckel des groſſen Mithridates des Machares Soh- ne/ und andere Fuͤrſten Koͤniglichen Geſchlech- tes im Reiche verhanden waͤren. Koͤnig Po- lemon verfiel uͤber dieſen Worten in den feſten Argwohn/ ſamb Dynamis mit einem dieſer Fuͤrſten ſchon eine geheime Eh-Beredung ge- troffen haͤtte; daher er mit feurigem Eyffer ihre Rede unterbrach: Was? ſoll ich einem Verraͤther ſeines Vaters/ wie Machares geweſt/ meine Tochter geben? Will man
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Drittes Buch
rathſamer/ verſetzte die Koͤnigin Dynamis/
Arſinoen einem Pontiſchen Fuͤrſten zu vermaͤh-
len/ welchem die Liebe zu dieſem Reiche von der
Geburt/ die Wiſſenſchafft ſeiner Rechte und
Sitten mit der erſten Auferziehung eingefloͤſt
worden/ welcher der Einwohner Gewogenheit
durch treue Dienſte erworben/ dem Polemon
ſolche Erhoͤhung zu dancken/ und nicht nur Ar-
ſinoen/ ſondern auch das ihm zugleich mit ver-
maͤhlete Pontiſche Reich zulieben Urſach haͤtte.
Koͤnig Polemon begegnete ihr: Ungleiche Hey-
rathen waͤren auch unter denen Unterthanen
ungeſchickt. Die Frauen und Jungfrauen zu
Heraclea haͤtten ſich lieber ſelbſthaͤndig getoͤdtet/
che ſie ſich auf des Wuͤterichs Clearchus Befehl
ſeinen unedlen Dieneꝛn vermaͤhlen wollen. Wie
viel weniger waͤre ſeiner hohen Ankunft anſtaͤn-
dig/ noch dem Reiche vortraͤglich ſeine eigene
Tochter an einen Unterthanen zu verheyra-
then. Die aus dem Staube empor ſteigenden
wuͤſten ſelten ihr Gluͤcke zu begreiffen/ und ihre
Begierden zu maͤßigen. Die an dem Glantze
der Sonnen gewachſenen Fruͤchte waͤren de-
nen im Schatten ſtehenden/ und die Wercke
hocherlauchter Fuͤrſten des Volckes vorzuzie-
hen. Dieſemnach wuͤrden die Unterthanen
ihrer bey zeite uͤberdruͤßig. Denn wie ſchwer es
fiele einem Bildhauer ſeinen von ihm ausge-
hauenen und vergoͤldeten Goͤtzen/ den er im
Walde als ein Klotz geſehen/ anzubeten/ wenn
er ſchon auf einem Altare ſtuͤnde; ſo ſchwer kaͤme
es die Unterthanen an/ ſich fuͤr einem Ober-
herrn zu buͤcken/ der vorher ihres gleichen/ oder
wol niedriger geweſt waͤre. Dynamis wagte
es noch einmal/ wiewol gleichſam zitternde dem
Koͤnige dieſen Gegenſatz zu thun: Wie die gar
zu niedrigen Heyrathen in alle Wege zu ver-
dammen waͤren; alſo waͤren die/ da man denn
all zu hoch hinaus gewolt/ insgemein ſehr un-
gluͤcklich geweſt. Der ſo niedrige Toͤpffers-
Sohn Agathocles haͤtte Sicilien ſo klug/ als
kein einiger Koͤnig beherrſcht; darinnen aber
haͤtte er verſtoſſen/ und ſeine Soͤhne gleichſam
ſelbſt vom Throne geſtuͤrtzt/ als er ſeine Toch-
ter Lanaſſa dem groſſen Koͤnige Pyrrhus ver-
maͤhlet/ der hernach ſeinen Sohn Helenus
einzuſchieben bemuͤht war. Die hohe An-
kunfft waͤre wohl ein groſſes Klemod/ es haͤt-
ten aber viel groſſe Geſchlechter viel Eitelkeit
und ſchlimmen Beyſatz an ſich. Die Athe-
nienſer ruͤhmten ſich ſo alt als die Erde/ und
aus ſich ſelbſt entſproſſen zu ſeyn. Die Arca-
dier wolten die Erde noch/ ehe der Mond ge-
ſchienen/ bewohnt haben. Die Julier zu
Rom wolten vom Sohne des Eneas/ und die
Antonier vom Hercules entſproſſen ſeyn. Aus
dieſem Aberglauben hielten viel fuͤr loͤblicher ei-
ne Lais aus dem Geſchlechte der Heracliden/
als eine niedrig-entſproſſene Penelope zu hey-
rathen. Ungeachtet die Schoͤnheit die Au-
gen/ das Reichthum die Haͤnde vergnuͤgte/ der
Adel aber in bloſſer/ und offt falſcher Einbil-
dung beſtuͤnde; Sintemahl kundig waͤre/ daß
Koͤniginnen nicht nur/ wie des Koͤnigs Agis
Gemahlin Timaͤa von einem edlen Alcibia-
des/ ſondern von einem haͤßlichen Mohr und
Fechter waͤren geſchwaͤngert worden. Ajax
haͤtte deßwegen Ulyſſen nicht unbillich verla-
chet/ als er ſich einen Enckel des Eacus ge-
ruͤhmt. Hingegen haͤtte der Maͤngel der
Ankunfft dem tapffern Pericles/ und dem groſ-
ſen Pompejus an ihrer Tugend keinen Ab-
bruch gethan. Alleine es doͤrffte alles dieſen
Kummers nicht; nach dem noch etliche Enckel
des groſſen Mithridates des Machares Soh-
ne/ und andere Fuͤrſten Koͤniglichen Geſchlech-
tes im Reiche verhanden waͤren. Koͤnig Po-
lemon verfiel uͤber dieſen Worten in den feſten
Argwohn/ ſamb Dynamis mit einem dieſer
Fuͤrſten ſchon eine geheime Eh-Beredung ge-
troffen haͤtte; daher er mit feurigem Eyffer
ihre Rede unterbrach: Was? ſoll ich einem
Verraͤther ſeines Vaters/ wie Machares
geweſt/ meine Tochter geben? Will
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/332>, abgerufen am 26.06.2024. |