Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
len auffgethürmet. Die Egyptischen Wei-ber ihre Heimligkeit mit auffgehobenen Rö- cken dem neuen Apis viertzig Tage nach ein- ander an statt eines Opffers gezeiget. Ja die Wahrsagungs-Krafft wäre durch diesen Eingang vom Apollo denen Sibyllen und an- dern weissagenden Weibern eingepflantzt wor- den. Wiewohl auch die Jungfrauen in dem Anaitischen Heiligthume ihre Leiber gemein machten/ geschehe es doch nicht so wohl aus Begierde der Wollust/ als der Göttin zu Eh- ren. Aus der End-Ursache aber müste die Güte eines Fürhabens geurtheilt werden. Weil nun derogestalt die Unschamhafftigkeit nichts minder zu einer Tugend/ als das Gifft zu einer Artzney werden könte; so wäre Epi- menides nicht zu schelten/ daß er ihr zu Athen Altare und Opffer verordnet hätte. Aus gleichmäßiger Anleitung wäre sonder Zweif- fel der Volsinier Gesetze herausgeflossen: daß Frauen und Wittiben ohne einige Busse be- schlaffen werden möchten/ kein Edler aber ei- ne Jungfrau heyrathen dörffte/ die nicht vor- her ein Knecht der Jungfrauschafft beraubt hätte. Diesemnach wären der Armenischen Jungfrauen Gitten für keine unerhörte Neuig- keit zu halten/ weniger ihr Gottesdienst als eine Verunehrung der Götter/ sondern viel- mehr die gleißnerische Königin von der Herr- schafft zu verwerffen; als welche durch diesen heuchlerischen Anfang nur Gelegenheit such- te alle Grund-Gesetze der Armenier zu vertil- gen. Die Königin schätzte diese Gotteslästerung Es war einer der vornehmsten Fürsten in tafer-
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
len auffgethuͤrmet. Die Egyptiſchen Wei-ber ihre Heimligkeit mit auffgehobenen Roͤ- cken dem neuen Apis viertzig Tage nach ein- ander an ſtatt eines Opffers gezeiget. Ja die Wahrſagungs-Krafft waͤre durch dieſen Eingang vom Apollo denen Sibyllen und an- dern weiſſagenden Weibern eingepflantzt wor- den. Wiewohl auch die Jungfrauen in dem Anaitiſchen Heiligthume ihre Leiber gemein machten/ geſchehe es doch nicht ſo wohl aus Begierde der Wolluſt/ als der Goͤttin zu Eh- ren. Aus der End-Urſache aber muͤſte die Guͤte eines Fuͤrhabens geurtheilt werden. Weil nun derogeſtalt die Unſchamhafftigkeit nichts minder zu einer Tugend/ als das Gifft zu einer Artzney werden koͤnte; ſo waͤre Epi- menides nicht zu ſchelten/ daß er ihr zu Athen Altare und Opffer verordnet haͤtte. Aus gleichmaͤßiger Anleitung waͤre ſonder Zweif- fel der Volſinier Geſetze herausgefloſſen: daß Frauen und Wittiben ohne einige Buſſe be- ſchlaffen werden moͤchten/ kein Edler aber ei- ne Jungfrau heyrathen doͤrffte/ die nicht vor- her ein Knecht der Jungfrauſchafft beraubt haͤtte. Dieſemnach waͤren der Armeniſchen Jungfrauen Gitten fuͤr keine unerhoͤrte Neuig- keit zu halten/ weniger ihr Gottesdienſt als eine Verunehrung der Goͤtter/ ſondern viel- mehr die gleißneriſche Koͤnigin von der Herr- ſchafft zu verwerffen; als welche durch dieſen heuchleriſchen Anfang nur Gelegenheit ſuch- te alle Grund-Geſetze der Armenier zu vertil- gen. Die Koͤnigin ſchaͤtzte dieſe Gotteslaͤſterung Es war einer der vornehmſten Fuͤrſten in tafer-
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Arminius und Thußnelda.
len auffgethuͤrmet. Die Egyptiſchen Wei-
ber ihre Heimligkeit mit auffgehobenen Roͤ-
cken dem neuen Apis viertzig Tage nach ein-
ander an ſtatt eines Opffers gezeiget. Ja
die Wahrſagungs-Krafft waͤre durch dieſen
Eingang vom Apollo denen Sibyllen und an-
dern weiſſagenden Weibern eingepflantzt wor-
den. Wiewohl auch die Jungfrauen in dem
Anaitiſchen Heiligthume ihre Leiber gemein
machten/ geſchehe es doch nicht ſo wohl aus
Begierde der Wolluſt/ als der Goͤttin zu Eh-
ren. Aus der End-Urſache aber muͤſte die
Guͤte eines Fuͤrhabens geurtheilt werden.
Weil nun derogeſtalt die Unſchamhafftigkeit
nichts minder zu einer Tugend/ als das Gifft
zu einer Artzney werden koͤnte; ſo waͤre Epi-
menides nicht zu ſchelten/ daß er ihr zu Athen
Altare und Opffer verordnet haͤtte. Aus
gleichmaͤßiger Anleitung waͤre ſonder Zweif-
fel der Volſinier Geſetze herausgefloſſen: daß
Frauen und Wittiben ohne einige Buſſe be-
ſchlaffen werden moͤchten/ kein Edler aber ei-
ne Jungfrau heyrathen doͤrffte/ die nicht vor-
her ein Knecht der Jungfrauſchafft beraubt
haͤtte. Dieſemnach waͤren der Armeniſchen
Jungfrauen Gitten fuͤr keine unerhoͤrte Neuig-
keit zu halten/ weniger ihr Gottesdienſt als
eine Verunehrung der Goͤtter/ ſondern viel-
mehr die gleißneriſche Koͤnigin von der Herr-
ſchafft zu verwerffen; als welche durch dieſen
heuchleriſchen Anfang nur Gelegenheit ſuch-
te alle Grund-Geſetze der Armenier zu vertil-
gen.
Die Koͤnigin ſchaͤtzte dieſe Gotteslaͤſterung
keiner Vertheidigung werth/ als welche von
dem Geſetze der Natur und dem Urthel aller
wohlgeſitteten Voͤlcker fuͤr laͤngſt verdammt
war; verfuhr aber gegen dieſe aufruͤhriſche
Affter-Prieſter mit Schwerd und Feuer/ un-
geachtet ihr etliche einhielten: wie gefaͤhrlich
es beydem Poͤfel waͤre/ ſolche der Einbildung
nach heilige Leute gar aus der Wiege werf-
fen. Denn ſie anckerte ihr Vertrauen auf ihr
gutes Gewiſſen/ und die niemanden ſcheuen-
de Gerechtigkeit. Alle Verlaͤumbdungen
verlachte ſie; ihr feltiglich einbildende: Daß
wie das Gold im Waſſer ſchwerer wiege/ als
ſonſt; alſo ſetzte der Schaum falſcher Ver-
laͤumbdung der Tugend mehr im Gewichte
bey/ als ſie ſelbten benaͤhme. Weil aber der
Verlaͤumbdung Gifft aͤrger als der Schlan-
gen iſt; und in den Augen des Volckes auch
der reinſten Unſchuld von ihren Kohlen etwas
ſchwartzes anklebt; gab ſie der Ruhmswuͤrdi-
gen Koͤnigin keinen geringen Stoß. Weil
aber dieſes einige Laſter ſie zu ſtuͤrtzen noch zu
ohnmaͤchtig war/ muſte die Hoͤlle noch ein an-
ders/ den Grundſtein ihrer Vergnuͤgung und
der gemeinen Wohlfarth zu verruͤcken/ dem er-
ſtern zu Huͤlffe ausruͤſten.
Es war einer der vornehmſten Fuͤrſten in
Armenien Oriſmanes/ ein Mann von trefli-
chem Anſehn und groſſer Tapfferkeit. Er
hatte nicht allein Leibes-Gaben/ mit denen er
ſich weiſen/ ſondern auch Gemuͤths-Kraͤfften/
dardurch er dem gemeinen Weſen dienen kon-
te. Maſſen er denn in dem Aufſtande wider
den Ariobarzanes das ſeine ruͤhmlich gethan
hatte. Aber unter dieſem Pflaſter lag ein
ſchaͤdlicher Ehrgeitz/ und eine hefftige Einbil-
dung verhuͤllet. Erato merckte zwar etwas
hiervon; denn ſeine ruhmraͤthige Zunge ver-
gaß zuweilen/ daß die Vollkommenheit in un-
ſerm Hertzen/ das Lob auff frembden Lippen
ſeine Zelt aufſchlagen ſolte. Aber/ weil ſie
entweder ſolche fuͤr Auffſchwellungen ſeiner
noch hitzigen Jugend/ oder doch auch die
mit Gebrechen vermengte Tugenden aller
Ehren werth hielt/ ſtand er bey ihr in groſ-
ſen Gnaden/ und ihre ohne diß angeſtamm-
te Holdſeeligkeit thaͤt nach dem Ar-
tafer-
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