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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Königin mit vielen Thränen zun Füssen/ sie
beweglichst ersuchende: Sie möchte von ihrem
Vorsatz abstehen/ und Armenien ihr liebes Va-
terland nicht verwäyset lassen; sie möchte aus
ihrer Erleichterung Armenien nicht so grosse
Verwirrung zuziehen/ noch aus dem ihr
Ruhm erwerben/ woraus dem gantzen Reiche
eine unausleschliche Schande erwüchse. Un-
terschiedene andere thäten es Artafernen nach/
und meynten sie durch Herausstreichung der
Königlichen Herrschafft/ und ihrer von so vielen
verlangten Süssigkeit von ihrem Vorsatze ab-
wendig zu machen. Erato aber begegnete
ihnen: Die/ welche die Königliche Würde nicht
kennten/ und für eine halbe Vergötterung
hielten/ möchten sich umb sie drängen. Sie
aber hätte die Armenische Krone mit einer sol-
chen Gemüths-Mässigung bekommen/ als
wenn ihr iemand einen Feilgen- oder Rosen-
Krantz geschenckt hätte; also stiege derselben
Verlust ihr auch wenig zu Hertzen. Sie er-
innerte sich wohl/ daß zweyen Häuptern der
Stoischen Weltweisen/ welche doch die Un-
empfindligkeit für ihren Abgott hielten/ dem
Pythagoras nemlich und Zeno die Herrschafft
so sehr unter die Augen geleuchtet hätte/ daß sie
so gar mit Gewalt derselben sich zu bemächti-
gen bemüht gewest wären; Plato hätte sie für
eine Göttligkeit/ ein ander für eine güldene
Erndte gehalten; sie aber pflichtete einer
gantz andern Weltweißheit bey/ welche der-
selben Wahnwitz verwürffe/ die lieber auf
Goldenstück krancken/ als auf Stroh gesund
seyn; die mit süssem Gifte sich lieber tödten/
als durch bittere Rhabarber genesen wolten.
Ja wenn auch die Herrschafft an ihr selbst
noch so anmuthig wäre/ würde doch numehr/
da man sie ihr aufzudringen gedächte/ nichts
minder/ als die Leyer des Arion und Orpheus/
weil sie beyde aus Noth und Zwang anstim-
men müste/ alle Liebligkeit verlieren/ ungeach-
[Spaltenumbruch] tet jener die Ehre hatte von denen ihm
aufhalsenden Delfinen aus dem Schiffbruche
errettet/ dieser von denen zusammen gelock-
ten Thieren verehret zu werden. Denn
aller Zwang vergällete iedwede Süssigkeit.
Hiemit drang die unerbittliche Erato auf das
Thor zu/ umb sich aus dem Saale zu begeben.
Osthanes ein junger Armenischer Fürst hin-
gegen vertrat ihr mit entblößtem Degen den
Weg/ und redete sie an: Das Verbündnüß
zwischen einem Fürsten und seinem Volcke
wäre so feste/ daß so wenig die Unterthanen
ihren König des Reichs entsetzen/ so wenig
dieser ohne jener Willen sich des Herrschens
entäusern könne. Also solte die Königin Fuß
halten/ und ihrer Ruh das gemeine Heil fürzie-
hen. Erato lächelte/ und fing an: Mein
Freund/ dringe mir diß nicht auf/ was ich alleine
wegwerffe/ die meisten in diesem Gemache aber
äuserst verlangen; was mir so vieler Nächte
Schlaf verstöret/ und worumb ich morgen
wieder in Sorgen stehen müste/ daß man es
mir wieder aufs neue aus den Händen winde.
Das Volck hat durch seine Vorsteher mich
meiner Pflicht erlassen/ da sie die ihre verseh-
ret. Meynst du aber/ daß die/ welche zwey
Reiche ohne Seufzen verlässet/ für einem rühm-
lichen Verluste ihres Lebens erzittern kan?
Uber dieser Wort-Wechselung entstand eine
heftige Zwytracht/ indem der Adel den für
einen Reichs - Verräther ausruffte/ der
die Königin zu solcher Entschlüssung verur-
sacht hätte. Die Reichs-Räthe trennten
sich auch selbst/ und nachdem etliche den
Oxarthes für den Uhrheber angaben/ wen-
dete Osthanes seine Sebel von der Erato ab/ und
versetzte dem Oxarthes einen selchen Streich/
daß ihn Erato noch seine Seele ausblasen sahe.
Hierüber entstand ein allgemeines Blut-
Bad/ der Reichs-Saal ward in eine traurige
Schlacht-Banck verwandelt/ und die Armeni-

er

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Koͤnigin mit vielen Thraͤnen zun Fuͤſſen/ ſie
beweglichſt erſuchende: Sie moͤchte von ihrem
Vorſatz abſtehen/ und Armenien ihr liebes Va-
terland nicht verwaͤyſet laſſen; ſie moͤchte aus
ihrer Erleichterung Armenien nicht ſo groſſe
Verwirrung zuziehen/ noch aus dem ihr
Ruhm erwerben/ woraus dem gantzen Reiche
eine unausleſchliche Schande erwuͤchſe. Un-
terſchiedene andere thaͤten es Artafernen nach/
und meynten ſie durch Herausſtreichung der
Koͤniglichen Herrſchafft/ und ihrer von ſo vielen
verlangten Suͤſſigkeit von ihrem Vorſatze ab-
wendig zu machen. Erato aber begegnete
ihnen: Die/ welche die Koͤnigliche Wuͤrde nicht
kennten/ und fuͤr eine halbe Vergoͤtterung
hielten/ moͤchten ſich umb ſie draͤngen. Sie
aber haͤtte die Armeniſche Krone mit einer ſol-
chen Gemuͤths-Maͤſſigung bekommen/ als
wenn ihr iemand einen Feilgen- oder Roſen-
Krantz geſchenckt haͤtte; alſo ſtiege derſelben
Verluſt ihr auch wenig zu Hertzen. Sie er-
innerte ſich wohl/ daß zweyen Haͤuptern der
Stoiſchen Weltweiſen/ welche doch die Un-
empfindligkeit fuͤr ihren Abgott hielten/ dem
Pythagoras nemlich und Zeno die Herrſchafft
ſo ſehr unter die Augen geleuchtet haͤtte/ daß ſie
ſo gar mit Gewalt derſelben ſich zu bemaͤchti-
gen bemuͤht geweſt waͤren; Plato haͤtte ſie fuͤr
eine Goͤttligkeit/ ein ander fuͤr eine guͤldene
Erndte gehalten; ſie aber pflichtete einer
gantz andern Weltweißheit bey/ welche der-
ſelben Wahnwitz verwuͤrffe/ die lieber auf
Goldenſtuͤck krancken/ als auf Stroh geſund
ſeyn; die mit ſuͤſſem Gifte ſich lieber toͤdten/
als durch bittere Rhabarber geneſen wolten.
Ja wenn auch die Herrſchafft an ihr ſelbſt
noch ſo anmuthig waͤre/ wuͤrde doch numehr/
da man ſie ihr aufzudringen gedaͤchte/ nichts
minder/ als die Leyer des Arion und Orpheus/
weil ſie beyde aus Noth und Zwang anſtim-
men muͤſte/ alle Liebligkeit verlieren/ ungeach-
[Spaltenumbruch] tet jener die Ehre hatte von denen ihm
aufhalſenden Delfinen aus dem Schiffbruche
errettet/ dieſer von denen zuſammen gelock-
ten Thieren verehret zu werden. Denn
aller Zwang vergaͤllete iedwede Suͤſſigkeit.
Hiemit drang die unerbittliche Erato auf das
Thor zu/ umb ſich aus dem Saale zu begeben.
Oſthanes ein junger Armeniſcher Fuͤrſt hin-
gegen vertrat ihr mit entbloͤßtem Degen den
Weg/ und redete ſie an: Das Verbuͤndnuͤß
zwiſchen einem Fuͤrſten und ſeinem Volcke
waͤre ſo feſte/ daß ſo wenig die Unterthanen
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dieſer ohne jener Willen ſich des Herrſchens
entaͤuſern koͤnne. Alſo ſolte die Koͤnigin Fuß
halten/ und ihrer Ruh das gemeine Heil fuͤrzie-
hen. Erato laͤchelte/ und fing an: Mein
Freund/ dringe mir diß nicht auf/ was ich alleine
wegwerffe/ die meiſten in dieſem Gemache aber
aͤuſerſt verlangen; was mir ſo vieler Naͤchte
Schlaf verſtoͤret/ und worumb ich morgen
wieder in Sorgen ſtehen muͤſte/ daß man es
mir wieder aufs neue aus den Haͤnden winde.
Das Volck hat durch ſeine Vorſteher mich
meiner Pflicht erlaſſen/ da ſie die ihre verſeh-
ret. Meynſt du aber/ daß die/ welche zwey
Reiche ohne Seufzen verlaͤſſet/ fuͤr einem ruͤhm-
lichen Verluſte ihres Lebens erzittern kan?
Uber dieſer Wort-Wechſelung entſtand eine
heftige Zwytracht/ indem der Adel den fuͤr
einen Reichs - Verraͤther ausruffte/ der
die Koͤnigin zu ſolcher Entſchluͤſſung verur-
ſacht haͤtte. Die Reichs-Raͤthe trennten
ſich auch ſelbſt/ und nachdem etliche den
Oxarthes fuͤr den Uhrheber angaben/ wen-
dete Oſthanes ſeine Sebel von der Erato ab/ und
verſetzte dem Oxarthes einen ſelchen Streich/
daß ihn Erato noch ſeine Seele ausblaſen ſahe.
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Bad/ der Reichs-Saal ward in eine traurige
Schlacht-Banck verwandelt/ und die Armeni-

er
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/368>, abgerufen am 22.11.2024.