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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] er wurden den ersten Augenblick inne/ daß ein
Reich ohne Oberhaupt/ eine Weltohne Son-
ne/ ja eine lebendige Hölle sey. Bey dieser
Uneinigkeitgewann Erato Zeit sich so wohl aus
dem Saale/ als auff denen bereit bestellten
Pferden aus Artaxata zu retten. Weil ich und
Artafernes Sie nun von ihrem Fürsatze zu
bringen nicht vermochten/ ungeachtet wir ihr
den bereit erfolgten Tod des Rädelsführers
und anderer Auffwiegler fürstellten/ und daß
Armenien sie in wenig Stunden mit grösserm
Frolocken/ als das erste mahl auff den Stuel he-
ben würde/ vertrösteten/ und sie über Hals und
Kopf aus Artaxata eilte/ wolten wir sie nicht ver-
lassen/ noch den ungewissen Ausschlag der in-
nerlichen Unruh erwarten; sondern gaben uns
mit der Erato auff den Weg/ wiewohl nicht
sonder Hoffnung/ es würden nach gestürtzten
Aufrührern die Stände sie wieder einrufen/ und
wir so vielmehr sie auff einen andern Sinn zu
bringen Gelegenheit finden. Wir reiseten al-
le in Manns-Kleidern/ und daher unkenntlich/
dem Gordieischen Gebürge zu; woraus der
Phrat und Tiger entspringt/ als wir auch in
die Stadt Artemita kamen/ ward durch einen
Herold ausgeruffen: Der Urheber der Ver-
rätherey wider die Königin wäre erforschet/
nehmlich Orismanes/ welcher sie und das Reich
dadurch zu erlangen getrachtet/ aber auch durch
verzweiffelten Eigen-Mord nichts minder seine
eigene Straffe/ als die Unschuld der Königin
ausgeführt hätte. Dahero würde die flüchti-
ge Erato von ihren getreuen Unterthanen er-
suchet: Sie möchte zurück kehrenden väterli-
chen Thron besitzen/ und ihren Zwistigkeiten
vollends abhelffen. Wir lagen ihr auffs neue
an/ aber umsonst; denn ob wir wohl daselbst ei-
nen Tag auszuruhen fürgehabt/ setzte sie doch
selbige Stunde noch ihre Reise ferner und schleu-
niger als vorhin fort. Folgenden Tag kamen
wir gegen den Mittag an eine angenehme
[Spaltenumbruch] Bach/ welche ein mit tausenderley Blumen
und Kräutern ausgeputztes und von vielen [da]-
selbst wachsenden Amomum eingebiesamtes
Thal zertheilet/ die Hügel waren mit eiteln
Myrthen-Oel- und Lorber-Bäumen beschattet/
also daß dieses Paradieß die Königin amreitzte da-
selbst die Mittags-Hitze vorbey gehen zu lassen.
Erato fing bey solcher Ruh an/ ihre numnehr er-
langte Glückseligkeit zu preisen/ um dardurch
uns beyden/ derer Augen stets voller Wasser
standen/ die so tieff eingewurtzelte Traurigkeit
ein wenig auszureden/ ja sie betheuerte/ daß die
gantze Zeit ihrer Herrschafft sie keine so fröliche
Stunde gehabt/ als sie an dieser anmuthigen
Bach geniesse. Sie prieß ihre neuerlangte
Befreyung von den güldenen Fässeln ihrer all-
gemeinen Dienstbarkeit/ in welcher das unschul-
dige Leben unauffhörlicher Arbeit/ das lasterhaf-
te ewiger Schmach/ beydes grossen Gefährlig-
keiten unterworffen/ ja noch ungemeine Glück-
seligkeit wäre/ sich dieser Last ohne einen blutigen
Untergang entbürden können/ und wenn man
von dieser abschüßigen Höhe nicht gestürtzt wür-
de/ sondern gemach absteigen möchte. Bey
dieser Gelegenheit redete ich die Königin an:
Es wäre nur unbegreifflich/ daß der blosse Auff-
stand der unbedachtsamen/ aber schon zur Reue
gebrachten Stände/ noch auch die der Herv-
schafft anklebende Beschwerligkeit ihr die väter-
liche Krone so vergället haben solte; es müste
eine grössere Ursache in ihrem Hertzen verhor-
gen liegen/ welche sie wider ihre angebohrne
Gütigkeit so sehr verhärtete. Erato begegne-
te mir: Liebste Salonine/ kenntest du Kö-
nigliche Kronen so wohl inn- als auswendig/
du würdest keine auffheben/ wenn du schon
mit dem Fuße dran stiessest. Der grosse Käy-
ser August hat sich nicht ohne Ursach derselben
entschütten wollen; und ich halte die Ursachen
des Agrippa/ der ihm solches gerathen/ wich-

tiger
R r 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] er wurden den erſten Augenblick inne/ daß ein
Reich ohne Oberhaupt/ eine Weltohne Son-
ne/ ja eine lebendige Hoͤlle ſey. Bey dieſer
Uneinigkeitgewann Erato Zeit ſich ſo wohl aus
dem Saale/ als auff denen bereit beſtellten
Pferden aus Artaxata zu retten. Weil ich und
Artafernes Sie nun von ihrem Fuͤrſatze zu
bringen nicht vermochten/ ungeachtet wir ihr
den bereit erfolgten Tod des Raͤdelsfuͤhrers
und anderer Auffwiegler fuͤrſtellten/ und daß
Armenien ſie in wenig Stunden mit groͤſſerm
Frolocken/ als das erſte mahl auff den Stuel he-
ben wuͤrde/ vertroͤſteten/ und ſie uͤber Hals und
Kopf aus Artaxata eilte/ wolten wir ſie nicht ver-
laſſen/ noch den ungewiſſen Ausſchlag der in-
nerlichen Unruh erwarten; ſondern gaben uns
mit der Erato auff den Weg/ wiewohl nicht
ſonder Hoffnung/ es wuͤrden nach geſtuͤrtzten
Aufruͤhreꝛn die Staͤnde ſie wieder einrufen/ und
wir ſo vielmehr ſie auff einen andern Sinn zu
bringen Gelegenheit finden. Wir reiſeten al-
le in Manns-Kleidern/ und daher unkenntlich/
dem Gordieiſchen Gebuͤrge zu; woraus der
Phrat und Tiger entſpringt/ als wir auch in
die Stadt Artemita kamen/ ward durch einen
Herold ausgeruffen: Der Urheber der Ver-
raͤtherey wider die Koͤnigin waͤre erforſchet/
nehmlich Oriſmanes/ welcher ſie und das Reich
dadurch zu erlangen getrachtet/ aber auch durch
verzweiffelten Eigen-Mord nichts minder ſeine
eigene Straffe/ als die Unſchuld der Koͤnigin
ausgefuͤhrt haͤtte. Dahero wuͤrde die fluͤchti-
ge Erato von ihren getreuen Unterthanen er-
ſuchet: Sie moͤchte zuruͤck kehrenden vaͤterli-
chen Thron beſitzen/ und ihren Zwiſtigkeiten
vollends abhelffen. Wir lagen ihr auffs neue
an/ aber umſonſt; denn ob wir wohl daſelbſt ei-
nen Tag auszuruhen fuͤrgehabt/ ſetzte ſie doch
ſelbige Stunde noch ihre Reiſe ferner und ſchleu-
niger als vorhin fort. Folgenden Tag kamen
wir gegen den Mittag an eine angenehme
[Spaltenumbruch] Bach/ welche ein mit tauſenderley Blumen
und Kraͤutern ausgeputztes und von vielen [da]-
ſelbſt wachſenden Amomum eingebieſamtes
Thal zertheilet/ die Huͤgel waren mit eiteln
Myrthen-Oel- und Lorber-Baͤumen beſchattet/
alſo daß dieſes Paradieß die Koͤnigin amꝛeitzte da-
ſelbſt die Mittags-Hitze vorbey gehen zu laſſen.
Erato fing bey ſolcher Ruh an/ ihre numnehr er-
langte Gluͤckſeligkeit zu preiſen/ um dardurch
uns beyden/ derer Augen ſtets voller Waſſer
ſtanden/ die ſo tieff eingewurtzelte Traurigkeit
ein wenig auszureden/ ja ſie betheuerte/ daß die
gantze Zeit ihrer Herrſchafft ſie keine ſo froͤliche
Stunde gehabt/ als ſie an dieſer anmuthigen
Bach genieſſe. Sie prieß ihre neuerlangte
Befreyung von den guͤldenen Faͤſſeln ihrer all-
gemeinen Dienſtbarkeit/ in welcher das unſchul-
dige Leben unauffhoͤrlicher Arbeit/ das laſterhaf-
te ewiger Schmach/ beydes groſſen Gefaͤhrlig-
keiten unterworffen/ ja noch ungemeine Gluͤck-
ſeligkeit waͤre/ ſich dieſer Laſt ohne einen blutigen
Untergang entbuͤrden koͤnnen/ und wenn man
von dieſer abſchuͤßigen Hoͤhe nicht geſtuͤrtzt wuͤr-
de/ ſondern gemach abſteigen moͤchte. Bey
dieſer Gelegenheit redete ich die Koͤnigin an:
Es waͤre nur unbegreifflich/ daß der bloſſe Auff-
ſtand der unbedachtſamen/ aber ſchon zur Reue
gebrachten Staͤnde/ noch auch die der Herv-
ſchafft anklebende Beſchwerligkeit ihr die vaͤter-
liche Krone ſo vergaͤllet haben ſolte; es muͤſte
eine groͤſſere Urſache in ihrem Hertzen verhor-
gen liegen/ welche ſie wider ihre angebohrne
Guͤtigkeit ſo ſehr verhaͤrtete. Erato begegne-
te mir: Liebſte Salonine/ kennteſt du Koͤ-
nigliche Kronen ſo wohl inn- als auswendig/
du wuͤrdeſt keine auffheben/ wenn du ſchon
mit dem Fuße dran ſtieſſeſt. Der groſſe Kaͤy-
ſer Auguſt hat ſich nicht ohne Urſach derſelben
entſchuͤtten wollen; und ich halte die Urſachen
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/369>, abgerufen am 22.11.2024.