Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
dem nicht nur wie in Gallien/ vermöge der vondenen Maßiliern bekommenen Richtschnur/ der Adel/ sondern auch ein Ausschuß des gemei- nen Volcks zu der Herrschafft gelassen ward. Ja etliche Eiverer für die Freyheit machten ein eidliches Bündnüß/ daß sie Dagoberts Ge- schlechte nimmermehr ihnen so sehr zu Kopffe wachsen lassen/ noch dem jungen Cariovalda die Waffen und höchsten Aemter des Landes in die Hände geben wolten. Massen denn auch alle Festungen nicht so wohl im Kriege erfahrnen Edeln/ als welche im Verdacht waren/ daß sie allezeit einen Hang zu Fürstlicher Herrschafft/ und eine Abscheu für der Bürgerlichen hätten/ sondern mehr niedrigern und daher umb leich- tern Sold dienenden Leuten anvertrauet wur- den. Denn die bürgerliche Herrschafft ist ge- neigt zur Sparsamkeit und geschickter zu Un- terhaltung des Friedens/ als des Krieges. Da- her wuchs auch bey den Batavern die Hand- lung und das Reichthum also/ daß dieses die Hi- bernier und Sitonen in die Augen stach/ und dem Drusus Anlaß gab/ diese den Batavern/ welche/ seinem Angeben nach/ numehr so wol ih- nen als den Römern in den Schiffarthen Gräntzen und Gesetze fürschreiben wolten/ auf den Hals zu hetzen. Die Bataver kriegten von des Drusus Ungewogenheit zwar Wind; Sie konten iedoch einige erhebliche Ursache ei- nes Krieges nicht ersinnen; gleich als wenn selbte nicht wohl ehe die Herrschenssucht vom Zaune zu brechen pflegte. Die Catten/ Si- cambrer und Usipeter warnigten zwar die Ba- taver/ boten ihnen auch wider die Römer ein Bündnüß an; aber das erste vermehrete nur mehr ihren Argwohn/ als ihre Kriegs-Verfas- sung/ und das letztere anzunehmen war ihrer Kargheit wegen gefoderter Hülffs-Gelder be- dencklich; da doch auch die/ welche/ frembdes Geld nicht zu begehren/ beym eignen sparsam/ bey des gemeinen Wesens Gütern geitzig zu seyn der Schuldigkeit erachten/ keine Ver- [Spaltenumbruch] schwendung heilsamer halten/ als die zu Erhal- tung der alten Bundsgenossen geschiehet. Viel derer/ die im Rathe sassen/ und zwar die Frie- dens-nicht aber die Kriegs-Künste verstunden/ hatten ihre unfähige Anverwandten zu Kriegs- Häuptern in die Festungen eingeschoben; ande- re heuchelten ihnen selbst mit dieser schädlichen Einbildung: Gott und die Natur hätte die Vataver so befestigt/ daß/ da Käyser Julius über ihre Flüsse und Sümpffe zu kommen sich nicht getrauet hätte/ Drusus viel zu ohnmächtig wä- re denen etwas abzujagen/ welche von den Cat- ten entsprossen/ denen die unsterblichen Götter nichts anhaben könten. Drusus/ der inzwi- schen alle deutsche Fürsten durch Gesandschaff- ten der Römer verträulicher Nachbarschafft versichert/ viel hohe Bataver mit Geschencken gewonnen/ ja den Fürsten der Ubier und Tenck- terer gar in ein Kriegs-Bündnüß gebracht hat- te/ zohe mit drey mächtigen Kriegs-Heeren an; die festesten und fast unüberwindlichen Gräntz- Städte Grinnes/ Vada und Arenacum gien- gen ohne einige Gegenwehr/ theils aus Verrä- therey der bestochenen Gewalthaber/ theils aus Mangel genungsamer Besatzung/ theils aus Gebrechen des nicht herzugeschafften Kriegs- Vorraths über. Der zu Vertheidigung des Rheinstroms bestellte Kriegs-Oberste wieß den Römern selbst den Furth. Also ward in Mo- nats-Frist das halbe Gebiete der Bataver gleichsam ohne Schwerdschlag eingenommen. Jederman flüchtete in die Eylande der einver- leibten Taxanter; und wenn nicht noch einige treue Leute das Land mit Durchstechung der Tämme/ wiewol mit unschätzbarem Schaden/ unter Wasser gesetzt hätten/ wäre die Haupt- Stadt Batavodurum/ und die gantze Herr- schafft in die Hände der Feinde verfallen. Hier- an war es aber noch nicht genung/ sondern auff der andern Seite zohe noch ein Wetter auf/ in dem der Hibernier König/ ungeachtet seines mit den Batavern unlängst verneuerten Bünd- nüs-
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
dem nicht nur wie in Gallien/ vermoͤge der vondenen Maßiliern bekommenen Richtſchnur/ der Adel/ ſondern auch ein Ausſchuß des gemei- nen Volcks zu der Herrſchafft gelaſſen ward. Ja etliche Eiverer fuͤr die Freyheit machten ein eidliches Buͤndnuͤß/ daß ſie Dagoberts Ge- ſchlechte nimmermehr ihnen ſo ſehr zu Kopffe wachſen laſſen/ noch dem jungen Cariovalda die Waffen und hoͤchſten Aemter des Landes in die Haͤnde geben wolten. Maſſen denn auch alle Feſtungen nicht ſo wohl im Kriege erfahrnen Edeln/ als welche im Verdacht waren/ daß ſie allezeit einen Hang zu Fuͤrſtlicher Herrſchafft/ und eine Abſcheu fuͤr der Buͤrgerlichen haͤtten/ ſondern mehr niedrigern und daher umb leich- tern Sold dienenden Leuten anvertrauet wur- den. Denn die buͤrgerliche Herrſchafft iſt ge- neigt zur Sparſamkeit und geſchickter zu Un- terhaltung des Friedens/ als des Krieges. Da- her wuchs auch bey den Batavern die Hand- lung und das Reichthum alſo/ daß dieſes die Hi- bernier und Sitonen in die Augen ſtach/ und dem Druſus Anlaß gab/ dieſe den Batavern/ welche/ ſeinem Angeben nach/ numehr ſo wol ih- nen als den Roͤmern in den Schiffarthen Graͤntzen und Geſetze fuͤrſchreiben wolten/ auf den Hals zu hetzen. Die Bataver kriegten von des Druſus Ungewogenheit zwar Wind; Sie konten iedoch einige erhebliche Urſache ei- nes Krieges nicht erſinnen; gleich als wenn ſelbte nicht wohl ehe die Herrſchensſucht vom Zaune zu brechen pflegte. Die Catten/ Si- cambrer und Uſipeter warnigten zwar die Ba- taver/ boten ihnen auch wider die Roͤmer ein Buͤndnuͤß an; aber das erſte vermehrete nur mehr ihren Argwohn/ als ihre Kriegs-Verfaſ- ſung/ und das letztere anzunehmen war ihrer Kargheit wegen gefoderter Huͤlffs-Gelder be- dencklich; da doch auch die/ welche/ frembdes Geld nicht zu begehren/ beym eignen ſparſam/ bey des gemeinen Weſens Guͤtern geitzig zu ſeyn der Schuldigkeit erachten/ keine Ver- [Spaltenumbruch] ſchwendung heilſamer halten/ als die zu Erhal- tung der alten Bundsgenoſſen geſchiehet. Viel derer/ die im Rathe ſaſſen/ und zwar die Frie- dens-nicht aber die Kriegs-Kuͤnſte verſtunden/ hatten ihre unfaͤhige Anverwandten zu Kriegs- Haͤuptern in die Feſtungen eingeſchoben; ande- re heuchelten ihnen ſelbſt mit dieſer ſchaͤdlichen Einbildung: Gott und die Natur haͤtte die Vataver ſo befeſtigt/ daß/ da Kaͤyſer Julius uͤber ihre Fluͤſſe und Suͤmpffe zu kommen ſich nicht getrauet haͤtte/ Druſus viel zu ohnmaͤchtig waͤ- re denen etwas abzujagen/ welche von den Cat- ten entſproſſen/ denen die unſterblichen Goͤtter nichts anhaben koͤnten. Druſus/ der inzwi- ſchen alle deutſche Fuͤrſten durch Geſandſchaff- ten der Roͤmer vertraͤulicher Nachbarſchafft verſichert/ viel hohe Bataver mit Geſchencken gewonnen/ ja den Fuͤrſten der Ubier und Tenck- terer gar in ein Kriegs-Buͤndnuͤß gebracht hat- te/ zohe mit drey maͤchtigen Kriegs-Heeren an; die feſteſten und faſt unuͤberwindlichen Graͤntz- Staͤdte Grinnes/ Vada und Arenacum gien- gen ohne einige Gegenwehr/ theils aus Verraͤ- therey der beſtochenen Gewalthaber/ theils aus Mangel genungſamer Beſatzung/ theils aus Gebrechen des nicht herzugeſchafften Kriegs- Vorraths uͤber. Der zu Vertheidigung des Rheinſtroms beſtellte Kriegs-Oberſte wieß den Roͤmern ſelbſt den Furth. Alſo ward in Mo- nats-Friſt das halbe Gebiete der Bataver gleichſam ohne Schwerdſchlag eingenommen. Jederman fluͤchtete in die Eylande der einver- leibten Taxanter; und wenn nicht noch einige treue Leute das Land mit Durchſtechung der Taͤmme/ wiewol mit unſchaͤtzbarem Schaden/ unter Waſſer geſetzt haͤtten/ waͤre die Haupt- Stadt Batavodurum/ und die gantze Herr- ſchafft in die Haͤnde der Feinde verfallen. Hier- an war es aber noch nicht genung/ ſondern auff der andern Seite zohe noch ein Wetter auf/ in dem der Hibernier Koͤnig/ ungeachtet ſeines mit den Batavern unlaͤngſt verneuerten Buͤnd- nuͤſ-
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Vierdtes Buch
dem nicht nur wie in Gallien/ vermoͤge der von
denen Maßiliern bekommenen Richtſchnur/
der Adel/ ſondern auch ein Ausſchuß des gemei-
nen Volcks zu der Herrſchafft gelaſſen ward.
Ja etliche Eiverer fuͤr die Freyheit machten ein
eidliches Buͤndnuͤß/ daß ſie Dagoberts Ge-
ſchlechte nimmermehr ihnen ſo ſehr zu Kopffe
wachſen laſſen/ noch dem jungen Cariovalda die
Waffen und hoͤchſten Aemter des Landes in die
Haͤnde geben wolten. Maſſen denn auch alle
Feſtungen nicht ſo wohl im Kriege erfahrnen
Edeln/ als welche im Verdacht waren/ daß ſie
allezeit einen Hang zu Fuͤrſtlicher Herrſchafft/
und eine Abſcheu fuͤr der Buͤrgerlichen haͤtten/
ſondern mehr niedrigern und daher umb leich-
tern Sold dienenden Leuten anvertrauet wur-
den. Denn die buͤrgerliche Herrſchafft iſt ge-
neigt zur Sparſamkeit und geſchickter zu Un-
terhaltung des Friedens/ als des Krieges. Da-
her wuchs auch bey den Batavern die Hand-
lung und das Reichthum alſo/ daß dieſes die Hi-
bernier und Sitonen in die Augen ſtach/ und
dem Druſus Anlaß gab/ dieſe den Batavern/
welche/ ſeinem Angeben nach/ numehr ſo wol ih-
nen als den Roͤmern in den Schiffarthen
Graͤntzen und Geſetze fuͤrſchreiben wolten/ auf
den Hals zu hetzen. Die Bataver kriegten
von des Druſus Ungewogenheit zwar Wind;
Sie konten iedoch einige erhebliche Urſache ei-
nes Krieges nicht erſinnen; gleich als wenn
ſelbte nicht wohl ehe die Herrſchensſucht vom
Zaune zu brechen pflegte. Die Catten/ Si-
cambrer und Uſipeter warnigten zwar die Ba-
taver/ boten ihnen auch wider die Roͤmer ein
Buͤndnuͤß an; aber das erſte vermehrete nur
mehr ihren Argwohn/ als ihre Kriegs-Verfaſ-
ſung/ und das letztere anzunehmen war ihrer
Kargheit wegen gefoderter Huͤlffs-Gelder be-
dencklich; da doch auch die/ welche/ frembdes
Geld nicht zu begehren/ beym eignen ſparſam/
bey des gemeinen Weſens Guͤtern geitzig zu
ſeyn der Schuldigkeit erachten/ keine Ver-
ſchwendung heilſamer halten/ als die zu Erhal-
tung der alten Bundsgenoſſen geſchiehet. Viel
derer/ die im Rathe ſaſſen/ und zwar die Frie-
dens-nicht aber die Kriegs-Kuͤnſte verſtunden/
hatten ihre unfaͤhige Anverwandten zu Kriegs-
Haͤuptern in die Feſtungen eingeſchoben; ande-
re heuchelten ihnen ſelbſt mit dieſer ſchaͤdlichen
Einbildung: Gott und die Natur haͤtte die
Vataver ſo befeſtigt/ daß/ da Kaͤyſer Julius uͤber
ihre Fluͤſſe und Suͤmpffe zu kommen ſich nicht
getrauet haͤtte/ Druſus viel zu ohnmaͤchtig waͤ-
re denen etwas abzujagen/ welche von den Cat-
ten entſproſſen/ denen die unſterblichen Goͤtter
nichts anhaben koͤnten. Druſus/ der inzwi-
ſchen alle deutſche Fuͤrſten durch Geſandſchaff-
ten der Roͤmer vertraͤulicher Nachbarſchafft
verſichert/ viel hohe Bataver mit Geſchencken
gewonnen/ ja den Fuͤrſten der Ubier und Tenck-
terer gar in ein Kriegs-Buͤndnuͤß gebracht hat-
te/ zohe mit drey maͤchtigen Kriegs-Heeren an;
die feſteſten und faſt unuͤberwindlichen Graͤntz-
Staͤdte Grinnes/ Vada und Arenacum gien-
gen ohne einige Gegenwehr/ theils aus Verraͤ-
therey der beſtochenen Gewalthaber/ theils aus
Mangel genungſamer Beſatzung/ theils aus
Gebrechen des nicht herzugeſchafften Kriegs-
Vorraths uͤber. Der zu Vertheidigung des
Rheinſtroms beſtellte Kriegs-Oberſte wieß den
Roͤmern ſelbſt den Furth. Alſo ward in Mo-
nats-Friſt das halbe Gebiete der Bataver
gleichſam ohne Schwerdſchlag eingenommen.
Jederman fluͤchtete in die Eylande der einver-
leibten Taxanter; und wenn nicht noch einige
treue Leute das Land mit Durchſtechung der
Taͤmme/ wiewol mit unſchaͤtzbarem Schaden/
unter Waſſer geſetzt haͤtten/ waͤre die Haupt-
Stadt Batavodurum/ und die gantze Herr-
ſchafft in die Haͤnde der Feinde verfallen. Hier-
an war es aber noch nicht genung/ ſondern auff
der andern Seite zohe noch ein Wetter auf/ in
dem der Hibernier Koͤnig/ ungeachtet ſeines mit
den Batavern unlaͤngſt verneuerten Buͤnd-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/420>, abgerufen am 26.06.2024. |