Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
irren ließ/ sondern einen mit ihm spielendenCattischen Fürsten fortspielen hieß. Adgan- dester fuhr hierauff in seiner Erzehlung fort: Drusus war von dem durch seine Großmü- thigkeit ebener Gestalt geneseten Hertzog Theu- do durch gantz Frießland herum geführt/ und ihm alles Merckwürdige gezeiget. Letzlich ka- men sie an den Mund der Emse/ und auff das Eyland Birhanis oder Fabaria/ um welche sich dieser Strom in das Nord-Meer außgeust. An ieder Ecke war eine von überaus grossen [Spaltenumbruch] Steinen auffgerichtete Seule/ oder vielmehr übereinander getragener Berg zu schauen. Unten war in einem glatten Stein ein Bild eines alten Schiffers gegraben/ der über die Schultern eine Löwen-Haut hencken hatte/ in der rechten Hand eine Keule/ in der lin- cken einen Bogen trug. An der Seite hieng ein Köcher/ durch das euserste der Zunge ging eine von Gold und Agstein gemachte Kette. Auff dem obersten Spitz-Steine war diese ein- gegrabene Uberschrifftzu lesen. Wodan Drusus laß an beyden Seulen die gleichstim- Drusus brandte bey solcher Besichtigung gel
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
irren ließ/ ſondern einen mit ihm ſpielendenCattiſchen Fuͤrſten fortſpielen hieß. Adgan- deſter fuhr hierauff in ſeiner Erzehlung fort: Druſus war von dem durch ſeine Großmuͤ- thigkeit ebener Geſtalt geneſeten Hertzog Theu- do durch gantz Frießland herum gefuͤhrt/ und ihm alles Merckwuͤrdige gezeiget. Letzlich ka- men ſie an den Mund der Emſe/ und auff das Eyland Birhanis oder Fabaria/ um welche ſich dieſer Strom in das Nord-Meer außgeuſt. An ieder Ecke war eine von uͤberaus groſſen [Spaltenumbruch] Steinen auffgerichtete Seule/ oder vielmehr uͤbereinander getragener Berg zu ſchauen. Unten war in einem glatten Stein ein Bild eines alten Schiffers gegraben/ der uͤber die Schultern eine Loͤwen-Haut hencken hatte/ in der rechten Hand eine Keule/ in der lin- cken einen Bogen trug. An der Seite hieng ein Koͤcher/ durch das euſerſte der Zunge ging eine von Gold und Agſtein gemachte Kette. Auff dem oberſten Spitz-Steine war dieſe ein- gegrabene Uberſchrifftzu leſen. Wodan Druſus laß an beyden Seulen die gleichſtim- Druſus brandte bey ſolcher Beſichtigung gel
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Arminius und Thußnelda.
irren ließ/ ſondern einen mit ihm ſpielenden
Cattiſchen Fuͤrſten fortſpielen hieß. Adgan-
deſter fuhr hierauff in ſeiner Erzehlung fort:
Druſus war von dem durch ſeine Großmuͤ-
thigkeit ebener Geſtalt geneſeten Hertzog Theu-
do durch gantz Frießland herum gefuͤhrt/ und
ihm alles Merckwuͤrdige gezeiget. Letzlich ka-
men ſie an den Mund der Emſe/ und auff das
Eyland Birhanis oder Fabaria/ um welche
ſich dieſer Strom in das Nord-Meer außgeuſt.
An ieder Ecke war eine von uͤberaus groſſen
Steinen auffgerichtete Seule/ oder vielmehr
uͤbereinander getragener Berg zu ſchauen.
Unten war in einem glatten Stein ein Bild
eines alten Schiffers gegraben/ der uͤber die
Schultern eine Loͤwen-Haut hencken hatte/
in der rechten Hand eine Keule/ in der lin-
cken einen Bogen trug. An der Seite hieng
ein Koͤcher/ durch das euſerſte der Zunge ging
eine von Gold und Agſtein gemachte Kette.
Auff dem oberſten Spitz-Steine war dieſe ein-
gegrabene Uberſchrifftzu leſen.
Wodan
zeichnete mit dieſen Seulen
das Ende ſeiner
und den Anfang groͤſſerer Helden-Thaten.
Denn die Tugend leidet keinen Grentzſtein/
Und das Ziel der Vorwelt ſoll ſeyn der Anſprung
der Nachkommen.
Druſus laß an beyden Seulen die gleichſtim-
mige Schrifft mit hoͤchſter Vergnuͤgung/ und
mehr als zehnmahl; fing hierauff zum Hertzog
Theudo an: Er finde hier ſo wohl zwey neue
Seulen des Hercules/ als ſein Bildnis; alſo ſol-
te er ihm ſagen: Ob Hercules auch bey den Frie-
ſen geweſt/ und dieſe Seulen auffgerichtet habe.
Theudo antwortete? Weil die alten Deutſchen
ſich mehr bemuͤhet haͤtten tapffere Thaten aus-
zuuͤben/ als auff zuſchreiben/ und deßhalben ihre
denckwuͤrdigſte Sachen in Vergeſſenheit kom-
men/ oder durch vielfaͤltige Kriege und daher ent-
ſtandene Feuersbruͤnſte/ in Frießland auch
durch oͤfftere Uberſchwemmung des Meeres
viel Gedaͤchtnis-Mahle waͤren vertilget wor-
den/ wuͤſte er ihm von dieſem Helden kein genug-
ſames Licht zu geben. Nachdem aber nicht ſo
gar weit von dar an dem Munde der Schelde
des Maguſaniſchen Jupiters Tempel zu fin-
den waͤre/ ſchiene es glaublich/ daß dieſer Wodan
der Deutſchen Hercules waͤre/ welchen die Kluͤ-
gern Deutſchen nicht/ wie die Auslaͤnder ihnen
einbildeten/ fuͤr einen Gott/ ſondern fuͤr einen
großmuͤthigen Helden verehreten; Und/ wenn
ſie eine Schlacht anfingen/ zu Auffmunterung
des Kriegsvolcks ſeine Thaten zu ſingen pfleg-
ten. Dieſem waͤren auch zwiſchen dem Emſe
und dem Seſte-Strom mehr derogleichen ſtei-
nerne Berge/ und an der Lippe ein groſſer Wald
zugeignet. Jedoch waͤre er der Meinung/ daß
nicht nur ein Hercules ſich in der Welt ſo be-
ruͤhmt gemacht/ ſondern iedes Volck ſeinen ei-
genen gehabt/ die Ubereintreffung der Hel-
den-Thaten aber ihrer vielen einerley Nah-
men beygelegt haͤtte.
Druſus brandte bey ſolcher Beſichtigung
fuͤr Begierde uͤber die Seulen dieſes Deut-
ſchen Hercules ſeine Siege zu erſtrecken;
und er nahm die gefundene Uberſchrifft wo
nicht fuͤr eine auff ihn zielende Wahrſa-
gung/ doch zum minſten fuͤr eine Auffmun-
terung an. Denn es kan kein Brenn-Spie-
gel
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/429>, abgerufen am 16.07.2024. |